Hoheneck/Berlin, 20.04.2013/cw – Schlägt die letzte Stunde für einen der historischen Vereine ehemaliger Verfolgter der SED-DDR-Diktatur? Für die Mitgliederversammlung Anfang Mai 2013 liegen dem Verein mehrere Anträge auf Auflösung des Vereins vor. Diese sollen in einer zusätzlich anberaumten Mitgliederversammlung am 4. Mai diskutiert und abgestimmt werden, teilte der Vorstand in Berlin den Mitgliedern mit.
Eine Auflösung käme allerdings zur Unzeit, da aktuell über die Errichtung einer Begegnungs- und Gedenkstätte in der Immobilie der einstigen DDR-Frauenhaftanstalt lebhaft diskutiert und zwischen den Beteiligten (Eigentümer, Stadt Stollberg, Land Sachsen) verhandelt wird.
Der „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen“, seit 2011 eingetragener Verein, war auf Initiative der ersten Vorsitzenden Maria Stein bereits Ende der fünfziger Jahre zunächst als regelmäßiger Treff ehemals aus politischen Gründen Verurteilter gegründet worden. Die ersten Mitglieder bestanden ausschließlich aus ehemaligen SMT- Verurteilten. Das waren Frauen, die in der Nachkriegszeit durch Sowjetische Militär-Tribunale aus politische Gründen zu meist hohen Freiheitsstrafen oder gar zunächst zum Tode verurteilt worden waren. Später öffnete sich der Kreis auch den durch DDR-Gerichte verurteilten Frauen, was besonders der Nachfolgerin Maria Steins, der ursprünglich durch ein SMT zum Tode verurteilten Margot Jann zu verdanken war. Heute besteht die Mitgliedschaft überwiegend aus einstigen DDR-Verurteilten, da die SMTler aus Altersgründen immer weniger wurden.
Die Schicksale der Hoheneckerinnen waren einer breiten Öffentlichkeit besonders durch den Besuch des Bundespräsidenten im Mai 2011 und der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit bekannt geworden. Im selben Jahr wurde zur besten Sendezeit am 9. November in der ARD der Spielfilm „Es ist nicht vorbei“ mit Anja Kling, Ulrich Noethen und Tobias Oertel mit einer anschließenden Dokumentation ausgestrahlt. Ein Monat später legte der erste Förderverein eine umfassende Konzeption zur Schaffung einer Gedenkstätte vor. Im Sommer 2012 beschloss der Sächsische Landtag die Aufnahme von Hoheneck als förderungswürdig in das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz.
Die aktuellen Auseinandersetzungen im Verein entzündeten sich an der kritischen Bewertung der Vorstandswahlen vom Mai 2012, als Inge Naumann, die Nachfolgerin Margot Janns, überraschend abgewählt und durch Anita Goßler ersetzt wurde. Zusätzliche Belastungen entstanden jüngst durch irritierende harsche Vorwürfe gegen die amtierende Vorsitzende bezüglich ihrer ausgewiesenen Biografien über deren politische Verfolgungs- und Haftzeit in den fünfziger Jahren.
Kommentar:
Turbulenzen in einem Verein sind das eine. Etwas anderes ist der Antrag auf Auflösung eines Vereins, wie er jetzt der Mitgliederversammlung des Frauenkreises vorgelegt wurde. Abgesehen von den hohen Hürden ist die Auflösung dieses wichtigen Vereins die schlechteste Antwort auf geführte Auseinandersetzungen.
Die meisten Frauen sind einst wegen ihrer politischen Überzeugungen in dem „dunklen Ort“ im Erzgebirge eingesperrt worden. Jetzt sollen sie wegen demokratischer Diskussionen im Verein den Frauenkreis auflösen, dessen vornehmste Aufgabe es seit Jahrzehnten war, an die Unterdrückung von Meinung und Freiheit in der Diktatur zu erinnern?
Auseinandersetzungen gibt es in vielen Vereinen, so seit Jahren in der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS). Deswegen löst man aber einen so wichtigen Verein nicht auf. Auch die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) mußte in den vergangenen Jahren schwere Zeiten durchstehen. Die UOKG hat ihre Probleme in heftigen, manchmal an die Substanz gehenden Diskussionen gelöst. Dabei stand hin und wieder auch eine Auflösung im Raum, die aber niemals ernsthaft zum Antrag erhoben wurde. Das war, das ist gut so.
Der Frauenkreis wäre gut beraten, wenn er sich auf seinen Ursprung besinnen und die anstehenden Probleme offen, ehrlich und fair diskutieren und einer Lösung zuführen würde. Eine Auflösung kurz vor dem Ziel der Schaffung einer würdigen Gedenkstätte wäre der GAU. Es blieben die vor der Tür, die finsterste Jahre ihres Lebens in diesem Gemäuer zugebracht haben. Ein zweites Mal würde über deren Köpfe hinweg entschieden werden. Daran kann keiner ein Interesse haben, am wenigsten die Frauen von Hoheneck.
Carl-Wolfgang Holzapfel
V.i.S.d.P.: Redaktion „Hohenecker Bote“, Tel.: 030-30207785
8 Kommentare
29. April 2013 um 06:59
Fritz Schüler
Sehr geehrte Edith Fiedler,
besten Dank für Ihre freundliche Stellungnahme. Ich muss Ihnen abermals widersprechen.
Wie so viele andere Opfer des „ROTEN TERRORS“ in verschiedenen Opferverbänden wollen Sie noch immer nicht begreifen, dass die kommunistische Terrorherrschaft keine Erfindung Stalins ist. Die „Diktatur des Proletariats“ war bereits von der kriminellen Ideologiefirma Marx und Engels vor mehr als anderthalb Jahrhunderten begründet worden (s. „Kommunistisches Manifest“ von Marx im Jahr 1849 oder „Das Kapital“ 1867). Bereits 1917 sind Lenin,Trotzki, Dserschinski die ersten blutigen Vollstrecker obiger Hassfirma gewesen. Da war von Stalin noch nicht die Rede.
Diesbezüglich haben Sie meinen ersten Artikel nicht aufmerkam gelesen.
Auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Frühjahr 1956 rechnete der neue Machthaber des Sowjetimperiums Chruschtschow vor aller Welt mit den Verbrechen Stalins ab. Mit Beginn dieses „Tauwetters“ kamen viele Insassen des GULag frei, nach dem Besuch Adenauers auch Tausende deutscher Kriegsgefangener.
Die prominentesten Opfer der Stalinära erfuhren – leider meistens zu spät – eine nachträgliche Rehabilitierung.
Auch in den anderen Staaten des Sowjetimperiums kam es zu Veränderungen. Konterfeis und Denkmäler des Diktators wurden aus der Öffenlichkeit entfernt. Nach ihm benannte Städte, Straßen, bekannte Institutionen erhielten ihre alten Namen zurück.
Auch Köpfe sind gerollt, nur nicht im SED-Staat. Man sah sich aber auch hier widerwillig zu Veränderungen gezwungen.
An den Grundfesten der „Diktatur des Proletariats“ (Marx d. Red.) durfte jedoch nicht gerüttelt werden (s. 17. Juni 1953, Ungarischer Volksaufstand 1956, Prager Frühling 1968 etc.). Jedoch hatten sich seit dem Jahr 1956 die Methoden des Terrors verfeinert. Dem nackten Terror folgten Zersetzung, Diskriminierung, Verleumdungen usw.
Hier sollten Sie die Entstehungsgeschichte der kommunistischen Gewaltherrschaft weniger oberflächlich betrachten ! ! !
Andernfalls betreiben Sie das Geschäft der Linken. Die versuchen besagte kommunistische Gräuel auch nur auf Stalin zu fixieren.
Sehr empfehlenswert hierzu:
Das Schwarzbuch des Kommunismus Bd. I und II, ISBN 3-492-04552-9
Der Mythos Marx und seine Macher von Prof. Konrad Löw aus dem Verlag Langen Müller
21. April 2013 um 16:05
Fritz Schüler
Dem Artikel muss man zustimmen. Der Verein sollte mit aller Entschlossenheit weitergeführt werden. Andernfalls betreiben wir (ungewollt ?!) das Geschäft der LINKEN. Die versuchen ohnehin seit dem Mauerfall die gescheiterte Hasslehre der kriminellen Ideologiefirma MARX & ENGELS zu verklären. Das blutigste Kapitel der Menschheitsgeschichte (1917-1991) darf nicht länger der Vergessenheit anheimfallen ! ! !
Besagte Terrorherrschaft kann NICHT NUR AUF STALIN fixiert werden.
Letzterer war neben Lenin, Dserschinski (Organisator des „Roten Terrors“), Mao, Breshnew, Ulbricht, Honecker u.a. nur ein blutiger Vollstrecker obiger Ideologiefirma.
Ohne Marx und Engels wären all diese Diktatoren nicht denkbar.
Die Hoheneckerinnen, welche außerhalb der Stalinära (1934-1953) gelitten haben, werden mit der Definition „stalinistisches, totalitäres System“ (hanny 12, Edith Fiedler) unweigerlich ausgegrenzt.
22. April 2013 um 18:23
Edith Fiedler
Sehr geehrter Fritz Schüler,
es ist mir eine Ehre und ich danke Ihnen, dass Sie meinen Beitrag so aufmerksam gelesen haben.
Ich wollte natürlich niemanden ausschließen, denn nach Ihrer Rechnung wäre ich ja selbst dabei.
Ein wenig möchte ich Ihnen jedoch widersprechen,
Das „stalinistische, totalitäre System“ endete in den ostdeutschen Ländern doch nicht mit dem Tod Stalins. 1953 griff der Stalinist Ulbricht noch wütender als zuvor sein Staatsvolk an. Ich kann Ihnen ein Lied davon singen, Ich war betroffen! Ich war am 17.Juni 1953 selbst in Berlin dabei.
Ich glaube auch, dass die letzten Stalinisten von Nordkorea aus nicht die Welt mit einem Atomschlag bedrohen dürften.
In einem sind wir uns aber doch einig: „Der Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen e.V.“ muß bleiben und darf seine Anliegen weiterhin mit einer demokratischen Streitkultur durchfechten.
Mit freundlichen Grüßen
Edith Fiedler
21. April 2013 um 11:32
maxi
Aufregung zu einer Neuwahl finde ich nicht nötig.
Die Mitglieder wollten eine Satzung und einen eingetragenen Verein.
Nach dieser Satzung ist auch zu wählen.
Bei der Vorstandswahl 2012 kam es zu Zweifeln an der Korrektheit mit den übertragenen Stimmen. Dies wurde mithilfe des Registergerichtes geklärt.
Der Vorstand von 6 Frauen ließ und lässt Einblicke in die Stimmzettel nicht zu.
Und das ist ein Fakt des Vorstandes:
Intransparenz, Schweigen, Ignorieren.
Es werden Mittel eingesetzt, die im sozialistischen Deutschland schon unsere Geduld strapaziert haben.
Auch darum nahmen viele, viele die Risiken und Strapazen auf sich um das Land DDR zu verlassen.
Heute leben wir im demokratischen Deutschland und können mit Wohlwollen und Zuversicht einer Neuwahl des Vorstandes entgegensehen.
Im Sinne von
„…jedem Anfang wohnt ein Zauber inne….
20. April 2013 um 22:48
hanny12
Zitat: Edith
Das scheint einigen Schläfer/innen, Trittbrettfahrer/innen oder Neidern ein Dorn im Auge zu sein. Denen sollten wir gemeinsam den Dorn noch tiefer in’s Auge drücken. Ich apelliere an die Solidarität der ehemaligen Insassinnen des Frauenzuchthauses Burg Hoheneck, die auch hinter den sieben Meter hohen, Stacheldraht bewehrten und mit Laufhunden bewachten Mauern, ihren Widerstand gegen das stalinistische, totalitäre System in ihren Heimatländern nie aufgegeben hatten.
Ich schließe mich den Ausführung von Edith Fiedler an.
Man kann doch nicht einfach einen historischen Verein
„Frauenkreis Hoheneck“
wegen Querelen mancher Mitglieder Auflösen.
Edith mit dem Dorn den fand ich Gut.
20. April 2013 um 16:58
Edith Fiedler
Ich war ebenso überrascht und entsetzt, als ich gestern die Einladung zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erhielt.
Ich glaube aber nicht, dass die Anträge Erfolg haben werden. Sie sind entweder nicht oder nur unzureichend begründet. Ich kann mir auch vorstellen, dass die Antragstellerinnen ihr legitimes Begehren aufgeben werden, wenn sie ordentlich und sachlich informiert werden können.
Der Verein ist gerade auf dem Weg, sich zu einem Verein mit gesetzeskomformen und demokratischen Strukturen zu entwickeln.
Das scheint einigen Schläfer/innen, Trittbrettfahrer/innen oder Neidern ein Dorn im Auge zu sein. Denen sollten wir gemeinsam den Dorn noch tiefer in’s Auge drücken. Ich apelliere an die Solidarität der ehemaligen Insassinnen des Frauenzuchthauses Burg Hoheneck, die auch hinter den sieben Meter hohen, Stacheldraht bewehrten und mit Laufhunden bewachten Mauern, ihren Widerstand gegen das stalinistische, totalitäre System in ihren Heimatländern nie aufgegeben hatten.
Wählen wir uns im Mai eine neue Mannschaft, die das Schiff nicht mit Frau, Mann und Maus untergehen lässt.
Bis dahin allezeit vorraus in Sturm und Wind.
Ich stimme dem Artikel vollinhaltlich zu.
20. April 2013 um 15:49
Andreas
25 Jahre nach der Wende ist es zu spät, einen „gut funktionierenden „Verein neu zu erfinden.
Wer hat schon Lust mit achtzig Jahren, sich mit Behörden herumzustreiten. Ich kann die Damen verstehen.
…
21. April 2013 um 14:32
Edith Fiedler
Das Herumstreiten mit Behörden,Gerichten und Anwälten ist schon spätestens mit 70 Jahren unerträglich. Ohne dem kann aber diese Gesellschaft wohl nicht auskommen. Alle mit einer Steuer- IIdentifikations- Nummer werden gleichermaßen ausgepresst. Der letzte Lebenssaft wird noch gebraucht. Auch wer schon nicht mehr bei Sinnen im Pflegebett liegt dient noch der Pflege- und Betreuungsindustrie.
Aber das ist ja hier nicht das Thema.
Der Verein “ Frauenkreis der ehemaliegen Hoheneckerinnen e.V.“ ist ja keine Neuerfindung, sondern besteht schon eingetragen seit 1991 und hat recht gut funktioniert.
Die Gründerin, Frau Maria Stein, hatte schon bald nach ihrer Haft in den 50iger Jahren und ihrer Übersiedlung in den Westen ihre „ehemaligen Hoheneckerinnen“ um sich gescharrt.
Schon bald nach meiner Haftentlassung und dem Freikauf Ende der 70iger Jahre hatte ich Kontakt zu ihr. Herzlich hat sie mich zu ihren regelmäßigen Treffen eigeladen. Nicht umsonst war sie öffentlich sehr angesehen und erhielt für ihre ehrenamtliche Betreuungsarbeit das Bundesverdienstkreuz
Die gegenwärtigen „Streitigkeiten“ sind keine üblichen Vereinsquerelen.
Jetzt geht es um die Einhaltung rechtsstaatlicher Regelungen (Vereinsrecht, BGB). Manche „Opfer“ sind eben noch nicht in der Bundesrepublik Deutschland angekommen und möchten Wahlen so durchführen, wie sie es bei ihren früheren Unrechts-Lehrmeistern gelernt haben. Das muß man sich doch nach 20 Jahren Beitritt nicht gefallen lassen. Das ist auch der Gründerin, Maria Stein, nicht würdig.
Ein Rechtsstreit über die Durchführung demokratischer Wahlen ist doch kein Grund, einen Verein aufzulösen. Wo leben wir denn? Im Wald?