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Berlin, 06.08.2019/cw – Heute im FLUX-Radio 100,6 in Berlin: Live-Interview mit Carl-Wolfgang Holzapfel zu der Aktion „WIR statt IHR“ – Lebendige Brücke am 12.08.2019, ab 11.00 Uhr am Checkpoint Charlie:

Tatjana Sterneberg, Mathias Weck, C.W.Holzapfel Heute im Studio 100,6 – FLUX-Radio – Foto: LyrAg

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953

Der sächsische Kabarettist und Schauspieler Uwe Steimle hat eine Lanze für seine Landsleute gebrochen. Es sei nur natürlich, dass die Sachsen der Regierungspolitik Angela Merkels (CDU) kritisch gegenüberstünden, sagte Steimle im Interview mit der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT (Nr.27/18, 29.06.2018, S.3).

BERLIN. „Wir Sachsen sind vielleicht die letzten Deutschen überhaupt, denn wir haben uns nie vorschreiben lassen, wie wir zu denken haben. Wir waren schon immer freie Geister. Und vielleicht schieben sie uns ja deshalb gerne in eine bestimmte Ecke, weil sie fürchten, wir könnten wieder loslaufen. Diesmal gleich bis Berlin. Zeit wäre es.“ Es seien die Sachsen gewesen, die 1989 die friedliche Revolution maßgeblich verantwortet hätten. „Der Sachse macht eben ’s Maul auf – das finde ich wunderbar!“

Der Bundesregierung warf Steimle vor, zu wenig an das eigene Volk zu denken. „Ich dachte lange, Demokratie heißt, daß die Regierung für das Volk da ist. Irrtum. Jene, die mit der Regierung nicht einverstanden sind, sind wahlweise ‘Rechte’, ‘Nazis’, ‘rechte Nazis’ – oder sie kommen eben aus Dresden.“

„Wir sind ein besetztes Land“

Zugleich forderte er die Politik auf, sich endlich unabhängiger von den Vereinigten Staaten von Amerika zu machen. Derzeit sei Deutschland noch ein „Besatzungsgebiet der USA“. Die deutschen Regierungsverantwortlichen sekundierten den USA bei ihrer Kriegspolitik, selbst wenn sie diese ablehnten. „Die Wahrheit ist eben, daß wir keine eigene Politik haben, weil wir ein besetztes Land sind“, beklagte der Kabarettist.

Scharfe Kritik äußerte Steimle auch am öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Die Annahme, zu glauben, es gebe einen staatsfernen Rundfunk, sei falsch. „Inzwischen weiß jeder, daß etwa Atlantikbrücke-Mitglied Claus Kleber der Karl-Eduard von Schnitzler der BRD ist, zusammen mit seiner Marionetta Slomka.“ (JF)

Quelle: https://jungefreiheit.de/kultur/2018/der-sachse-machts-maul-auf/

Das vollständige Interview ist ggw. nur über die aktuelle JUNGE FREIHEIT zu lesen (Am Kiosk: 4,60 €). Als Debattenbeitrag lesenswert!!!

Interview zum Tag der Menschenrechte mit Margreet und Stefan Krikowski

Berlin, 10.12.2017 (Tag der Menschenrechte)/cw – Am 19. Dezember 2017 jährt sich der islamistische Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. An diesem Montag vor einem Jahr wurden auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche insgesamt zwölf Menschen ermordet und über 70 zum Teil lebensgefährlich verletzt. Unter den Opfern war auch das Ehepaar Dalia (60) und Rami Elyakim (60) aus Israel. Dalia Elyakims Tod konnte den Angehörigen in Israel erst mit einer Verzögerung von einigen Tagen bestätigt werden. Rami Elyakim wurde lebensgefährlich verletzt und ohne Bewusstsein ins Wenckebach-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof eingeliefert.

Im Krankenhaus wurde Rami Elyakim sogleich in ein künstliches Koma versetzt, und es folgten mehrere Operationen an Becken und beiden Oberschenkeln. Erst Anfang Januar 2017 konnte er in Begleitung der behandelnden Ärzte nach Israel ausgeflogen werden. Da war seine Ehefrau Dalia bereits beerdigt worden. Vier Monate verbrachte Rami Elyakim in einem Rehabilitationszentrum. Zwar wohnt er inzwischen wieder zu Hause, muss aber nach wie vor mehrmals wöchentlich zur ambulanten Behandlung in das Reha-Zentrum. Auch mehr als ein Jahr nach der Bluttat ist er immer noch schwer gezeichnet und benötigt vielfältige Hilfe bei der Bewältigung seines Lebensalltags. Als nächstes steht eine Operation am linken Knie an, das er bis heute nur äußerst gering und nur unter großen Schmerzen beugen kann. Seine Wohnung im 2. Stock im Zentrum Herzliyas ist nicht mit einem Fahrstuhl ausgestattet.

Das Berliner Ehepaar Margreet (52) und Stefan Krikowski (57) besuchte Rami Elyakim im Oktober 2017 anlässlich einer Israel-Reise in seiner Wohnung in Herzliya. Jetzt hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V. einen Spendenaufruf für Rami Elyakim gestartet. Wir sprachen aus diesem Anlass mit dem Ehepaar.

Redaktion Hoheneck: Ihr wart ja bereits nach dem 19. Dezember im letzten Jahr unter den Aktivisten, die neben Blumen und Kerzen auch Plakate aufgestellt habt, darunter damals ganz aktuell die bis dahin verschwiegenen Namen der Opfer. Was war damals Euer Beweggrund?

Stefan: Das Entsetzen der Bevölkerung über diesen hinterhältigen und tückischen Mordanschlag hat die ganze Stadt und weit darüber hinaus geschockt. Inmitten der Weihnachtsmarktbuden, die drei Tage nach dem Anschlag wieder öffneten, pilgerten die Massen zum Gedenken an den Tatort. In den Tagen und Wochen nach dem ersten großen islamistischen Terroranschlag in Deutschland auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche am 19. Dezember 2016 glich der Breitscheidplatz einem einzigen großen Kerzenmeer. Doch schon bald stellten wir mit Befremden fest, wie fast verschämt in Berlin und in Deutschland mit dem Gedenken an den islamistischen Terroranschlag umgegangen wurde. Neben Kerzen und Blumen und naiven Mitleidsbekundungen war kaum etwas Persönliches dort zu finden. Nur Fotos von Łukasz Urban, Fabrizia di Lorenzo und Dalia Elyakim wurden unmittelbar nach dem Anschlag  am Tatort hingelegt. Wo waren die Andenken an die anderen Opfer? Zwölf Menschen wurden bei diesem islamistischen Terroranschlag ermordet: eine Israelin, eine Tschechin, eine Italienerin, ein polnischer LKW-Fahrer, ein deutsch-ukrainisches Ehepaar und 6 Deutsche. Wer waren diese Opfer? Warum wurden die Namen nicht genannt und warum die Gesichter nicht gezeigt? Warum dieses anonyme Trauern? Und wie kann eine Stadt, eine Gesellschaft trauern, wenn nicht die Namen und Gesichter der Toten bekannt sind? Wollten die Angehörigen keine Öffentlichkeit? Wollte die Bevölkerung nicht wissen, wer dort ermordet wurde? Wollte die Presse nicht in Erfahrung bringen, wer von dem islamistischen Attentäter ermordet wurde? Warum war auch bei den Deutschen Terroropfern so viel Unsichtbarkeit?

Gespenstisches Schweigen

Nun scheint Deutschland generell ungern seiner Toten namentlich zu gedenken. Wer kennt die Namen der elf Deutschen, die beim Terroranschlag am 12. Januar 2016 in Istanbul ermordet wurden? Wer kennt die Namen der 14 Deutschen, die beim Terroranschlag auf die Synagoge auf Dscherba am 11. April 2002 ermordet wurden?

Nun hatte  die Terrororganisation Islamischer Staat am 19. Dezember 2016 in Berlin zugeschlagen, und es herrschte ein fast gespenstisches Schweigen. Als ob bei Nennung der Namen der 12 Toten und der über 70 Verletzten, der gesamtgesellschaftliche Burgfrieden explodieren würde.

Was vermutet Ihr denn hinter diesem Schweigen?

Stefan: Wir vermuten, dass das große Schweigen mit dem „Elefanten im Raum“, mit der Merkelschen Flüchtlingspolitik, zusammenhängt. Der Opfer des Anschlags gedenken heißt nämlich auch sich zu fragen, wie der Anschlag überhaupt möglich war, wie der tunesische Attentäter trotz verbüßter Haft in Italien illegal nach Deutschland einreisen, in Deutschland Asyl beantragen und sich gleich dutzendfach gefälschte Identitäten zulegen konnte?

Das Gedenken an die Terroropfer vom islamistischen Anschlag findet vor dem Hintergrund der Merkelschen Flüchtlings- und Sicherheitspolitik statt, die die Atmosphäre in Deutschland nachhaltig vergiftet hat. Ist das nebulöse und distanzierte Gedenken an der Gedächtniskirche gewollt, damit ja keine Fragen bzgl. der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik gestellt werden?

Warum und wie sollte denn nach Eurer Ansicht der islamistische Hintergrund verschwiegen werden?

Margreet: Der Anschlagsort wurde jedenfalls stets – wir würden sagen – „klinisch sauber“, gehalten, jegliche Hinweise auf den islamistischen Hintergrund wurden stets und konsequent vom Tatort entfernt. Liegen bleiben durften nur Kerzen und Blumen. Darüber hinaus wies kaum etwas auf den ideologischen Hintergrund der Hassattacke hin.

Als Bürger Berlins setzten wir uns seit dem Anschlag dafür ein, dass vor Ort das Verbrechen und die Opfer beim Namen genannt werden. Unsere Botschaft an die Hinterbliebenen der Opfer des islamistischen Terroranschlags vom Breitscheidplatz sollte lauten: Wir vergessen Euch nicht. Wir nennen Euch beim Namen.

Jetzt habt Ihr eine Spendenaktion gestartet. Warum „nur“ für Rami Elyakim in Israel? Brauchen die anderen Opfer keine Unterstützung?

Seit Jahrzehnten Heimsuchung durch islamistischen Terror

Stefan: Als langjährige Mitglieder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) waren wir besonders geschockt zu erfahren, dass unter den Opfern ein israelisches Ehepaar war. Israel wird seit Jahrzehnten vom islamistischen Terror heimgesucht. Wie viele Terroranschläge, wie viele Kriege hat dieses Ehepaar aus Herzliya überstanden, um dann in Deutschland, im vermeintlich sicheren Berlin, von einem islamistischen Terroristen in mörderischer Absicht überfahren zu werden. Vielleicht ist es typisch, dass von allen betroffenen Familien nur ein Angehöriger, der Bruder von Rami Elyakim, am 22. Dezember 2016 im Wenckebach Krankenhaus an die Öffentlichkeit trat. Hierdurch erfuhren wir vom näheren Schicksal des Ehepaars Elyakim und haben Rami Elyakim daraufhin am Vormittag des Heiligabends im Krankenhaus besucht. Wir konnten ihn selbstverständlich nicht persönlich sprechen, er lag ja noch im Koma, aber einem Angehörigen konnten wir unser Mitgefühl überbringen. 

Den Zeitungsberichten war zu entnehmen, dass die Überlebenden und deren Angehörigen neben allem physischen, emotionalen und psychischen Schmerz auch finanziell zu kämpfen hatten. Wir meinen, dass der deutsche Staat allen Opfern und deren Angehörigen eine adäquate finanzielle Entschädigung gewährleisten muss und zwar als wie immer benannte Rentenleistung zum Beispiel wegen Berufsunfähigkeit durch den Terroranschlag. Wir wissen, dass die bisherigen Entschädigungszahlungen durch den deutschen Staat äußerst begrenzt und gering und in keinster Weise zufriedenstellend sind. Rami Elyakim ist seit dem 19. Dezember 2016 berufsunfähig und kann seine selbständige Arbeit nicht mehr ausüben. Deshalb haben wir eine einmalige Spendensammlung für Rami Elyakim über die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) initiiert und hoffen, dass bis zum Yom HaAzma’ut (dem 70. Geburtstag des Staates Israel im April 2018) ein fünfstelliger Betrag aufgebracht werden kann.

Euer Engagement ist ja nicht selbstverständlich. Ihr habt sogar eine Reise in Israel genutzt, um dort Rami Elyakim zu besuchen. Wie hat er reagiert, wie geht er mit seinem Schmerz um?

Stefan: Da wir jedes Jahr in Israel sind, wollten wir einfach wissen, wie es Rami Elyakim  über 10 Monaten nach dem Anschlag ergeht. Dieser Gedanke ließ uns nicht mehr los. Es war nicht so ganz leicht den Besuch zu organisieren, schließlich hatten wir weder Telefonnummer noch Adresse. Aber über die Israelische Botschaft in Berlin konnten wir einen Termin mit Rami Elyakim vereinbaren. Wir besuchten ihn Ende Oktober in Herzliya. Ein warmherziger couragierter Mann begrüßte uns in seiner Wohnung. Es war ein langer bewegender Nachmittag, an dessen Ende Rami Elyakim die schwierige Lage, in die er auch finanziell geraten war, erwähnte. Keiner frage in Deutschland ernsthaft nach, wie er denn auch finanziell weiterleben könne. Rami meinte, er habe bisher mit seiner Frau ein gutes Leben geführt, aber jetzt?

Sind denn schon Spenden eingegangen? Wie und in welcher Form wollt Ihr diese nach Israel transferieren? Wäre nicht eine Stiftung, z.B. „Opferhilfe – Gegen Terror und Gewalt“ eine Idee, um möglicherweise die Spenden breiter, d.h. auf mehrere Opfer und Betroffene verteilen zu können?

Margreet: Es läuft ganz gut an. So haben wir z.B. zwei Einzelspenden über jeweils 1.000 Euro erhalten. Aber wir sind erst am Anfang. Jede große und jede kleine Spende zählt. Nein, eine Stiftung soll und wird nicht von uns gegründet werden. Es gibt ja zum Beispiel schon den Opferhilfeverein Weißer Ring. Nochmals: Die Spendenaktion für Rami Elyakim ist eine Geste, ein einmaliger, ein beispielhafter Akt der Solidarität mit der Familie Elyakim in Israel. Vorrangig und grundsätzlich steht die Bundesrepublik Deutschland  in der Verantwortung und muss alle Opferfamilien und deren Angehörige entsprechend und langfristig entschädigen.

Wer ist denn bei Euch der „Antreiber“, der oder die Aktivistin? Oder macht Ihr generell alles gemeinsam?

Margreet: Bei solch großen Aktionen treiben wir uns gegenseitig an. Das kann man nur gemeinsam planen, organisieren und dann durchführen.

Am 19. Dezember soll ja an der Gedächtniskirche das Mahnmal eingeweiht werden. Trifft die Umsetzung Eure Erwartungen? Werdet Ihr – mit Euren Freunden – anwesend sein?

Pfarrer gegen Terror-Bezeichnung „islamistisch“

Stefan: Uns war es immer wichtig, dass die zwölf Namen der Ermordeten festgehalten werden, und so freuen wir uns, dass die Namen im neuen Denkmal eingraviert sein werden. Aber darüber hinaus hätten wir uns ein deutlich sichtbareres Denkmal gewünscht, etwa eine Stele. Unter dem zerstörten aber immer noch mächtigen Kirchturm der Gedächtniskirche werden die Namen auf den niedrigen Stufen kaum auffallen, so unsere Befürchtung. Weiterhin soll die Goldlegierung (der 14 Meter lange Riss) eine „Heilung der Gesellschaft“ symbolisieren. Das ist Unsinn. Die Opfer leiden lebenslänglich. Deren Wunden heilen kaum, sie bleiben dauerhaft in Körper und Seele eingraviert. Weiterhin wird im Ergänzungstext nicht „Ross und Reiter“ genannt. Das Adjektiv islamistisch wurde auf unserem Plakat, das seit dem 19. Januar 2017 an den Tathergang und an die 12 Todesopfer erinnert, mehrmals geschwärzt. Aus unseren vielfältigen Email-Austausch mit dem Pfarrer der Gedächtniskirche, Martin Germer, wissen wir, dass er vehement gegen die Bezeichnung „islamistisch“ ist: „Das Stichwort ‚islamistisch‘ würde ich, auch wenn es allem Anschein nach zutrifft, trotzdem an dieser Stelle vermeiden wollen, weil ich immer wieder die Beobachtung mache, dass Menschen „islamistisch“ mit „zum Islam gehörig“ gleichsetzen. Und ein solches Missverständnis möchte ich dezidiert nicht befördern.“ So der Pfarrer.

Nun fehlt also der Hinweis auf den ideologischen Antrieb, und in wenigen Jahren weiß kaum einer mehr genau, was dort am Breitscheidplatz geschehen ist. Wir finden das Denkmal zur Erinnerung an den Amoklauf vom 22. Juli 2016 am Olympia Einkaufszentrum in München mit neun Toten sehr gelungen. So ein Denkmal hätten wir uns für Berlin gewünscht.

Über das Mahnmal hinaus: Was sollte, was könnte besser gemacht werden, was ist aus Eurer Sicht versäumt worden?

Stefan: Hierzu verweisen wir gerne auf den Offenen Brief vom 1. Dezember 2017, der zuerst auf Spiegel-Online veröffentlicht wurde. Den Brief haben Angehörige der zwölf Ermordeten der Bundeskanzlerin geschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wir bedanken uns für das Gespräch.

Das Spendenkonto: IBAN: DE45 1008 0000 0105 7868 00 – BIC:DRESDEFF100  – Stichwort: RAMI ELYAKIM.

* Das Interview erfolgte aus zeitlichen Gründen auf dem Schriftweg. Die Fragen stellte C.W. Holzapfel.

© 2017 Redaktion Hoheneck, Berlin – (1.327).

Berlin, 2.10.2017/cw – Der Sender Sat 1 hat eine tolle Idee für den Tag der deutschen Einheit:

Die deutsche Einheit fällt dem Land auch nach 25 Jahren nicht immer leicht – Solidaritätszuschlag, Willkommenskultur, Wessi-Arroganz, solche Sachen.

In einer Spezialausgabe ihrer Sendung bemüht sich „Bitte-melde-Dich-Moderatorin Julia Leischik u.a. um den Fall einer Leipzigerin, die in den 1980er-Jahren in einem Heim aufwuchs, nachdem ihr Vater in einer Nacht- und Nebelaktion in den Westen geflohen war. Nun will sie wissen, warum ihr Vater ohne sie und ihre Mutter aus der DDR floh. Bei ihrer Recherche findet Leischik zunächst heraus, dass der Vater womöglich gar nicht in Westdeutschland angekommen ist …

In einem Spezial-Teil dieser Sendereihe bringt der Sender mehrere Interviews mit Zeitzeugen, die „ihr Bild der Wiedervereinigung“ beschreiben. Unter diesen Mario Röllig, ehemaliger Untersuchungshäftling in der Zentralen Stasi-U-Haftanstalt in Hohenschönhausen, eine Malerin, die als Künstlerin auch die Wiedervereinigung verarbeitet hat und Carl-Wolfgang Holzapfel, der am letzten Jahrestag des Mauerbaus, dem 13.August 1989, am Checkpoint Charlie über drei Stunden eine lebendige Brücke zwischen Ost und West  darstellte und die reale Umsetzung am Abend des 9. November in der Öffnung des Grenzübergangs an der Bornholmer Brücke sah.

Nach einer langen Sommerpause von mehr als zwei Monaten erreichte die Comeback-Sendung im September sogleich beachtliche 2,94 Millionen Zuschauer. Am Tag der Deutschen Einheit hofft SAT.1 nun auf einen vergleichbaren Zuspruch. Denn auch Julia Leischik begeht „Die große Wiedervereinigung“, heißt es in einer Mitteilung des Senders.

Julia Leischik sucht – Die große Wiedervereinigung – 03.10.2017 – 17:25 – (ca.) 19:50 UhrSAT.1

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.291).

Nr.065 – Einigkeit und Recht und Freiheit 15. 05. 2017

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Hoheneck: Zukunft und Erinnerung

Kirchturmpolitik im Stadtrat? Das ehem. Zuchthaus Hoheneck 2017 – Foto: LyrAg

Stollberg/Hoheneck, 15.Mai 2017/cw – Die Stadt Stollberg hatte zu einem interessanten Event eingeladen. In Anwesenheit lokaler und überörtlicher Prominenz wurde am vergangenen Freitag auf dem Gelände des einstigen berüchtigten DDR-Frauenzuchthauses die Interaktive Lern- & Erlebniswelt Phänomenia eröffnet. An über 300 Exponaten wird eindrucksvoll gezeigt, wie „aus Staunen Wissen wird“, so das IWS Integrationswerk Westsachsen in seiner Werbung (www.phaenomenia.de). Für den durch Krankheit verhinderten hochbetagten ehem. Vorstandsvorsitzenden von VW, Prof. Dr. Carl H. Hahn sprach seitens der Sponsoren der Geschäftsführer von Porsche-Leipzig Dr. Joachim Lamla. Der ebenfalls von der Stadt eingeladene Vorstand des Frauenkreises der Hoheneckerinnen war nicht vertreten.

Zukunft auf Hoheneck – Foto: LyrAg

In seiner Eröffnungsansprache betonte Oberbürgermeister Marcel Schmidt (Freie Wähler) die Intention der Stadt, „Zukunft und Vergangenheit, Erinnerung und den Blick nach vorn“ am „Ort der schrecklichen Vergangenheit, wie es das DDR-Frauenzuchthaus darstellte“ miteinander zu verbinden. So werde neben der Phänomenia und der Umsetzung des Theaterprojektes die in der Planung befindliche Gedenkstätte die Neuausrichtung von Hoheneck dokumentieren. Das Theaterpädagogische Zentrum soll mit dem Kinder- und Jugendtheater burattino von seinem jetzigen Standort neben dem Kreiskrankenhaus nach Hoheneck verlegt werden, da der jetzige Standort in der Jahnsdorfer Straße für die Einrichtung eines dringend benötigten Medizinischen Versorgungs-Zentrums (MVZ) benötigt wird.

Blick in einen der Ausstellungs- und Aktionsräume – Foto: LyrAg

Im Gegensatz zu Schmidt ging der Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz (CDU) als zweiter Redner so gut wie gar nicht auf die Vergangenheit des Ortes ein. Sein Grußwort wurde von vielen Gästen der ansonsten gelungenen Eröffnung eher als deplazierte Wahlkampfrede in seinem Wahlkreis empfunden, den der Abgeordnete mehrmals demonstrativ erwähnte. Möglicherweise stand im Hintergrund das Verhalten seiner Partei im Stadtrat Pate. Die Stadtratsfraktion der CDU stellte sich in der Vergangenheit immer wieder in Opposition zu den Aktivitäten der Stadt bei der Neugestaltung von Hoheneck und kritisierte insbesondere die bisherige Investition der Kommune i.H.v. 1,8 Millionen Euro als eine „bedenkliche Belastung“.

Auch der anwesende Landrat Frank Vogel (CDU) räumte auf Befragen des HB ein, dass der Landkreis sich an den durch den Umbau entstandenen Kosten bisher nicht beteiligt habe. Man habe allerdings vor, sich seitens des Landkreises an den Investitionen für das geplante Theaterprojekt zu beteiligen. Eine Mitverantwortung des Landkreises für die Schaffung einer Gedenkstätte an die Frauen von Hoheneck, die zwischen 1950 und 1989 bis im Einzelfall zu über einem Jahrzehnt aus politischen Gründen in den Mauern des DDR-Frauenzuchthauses gelitten haben, sieht der Landrat und mithin seine Partei wohl nicht.

Nicht vergessen: Am Abend stand eine Buchlesung im Programm -Foto: lyrAg

Damit steht nach gegenwärtigem Stand die Eröffnung einer Gedenkstätte terminlich weiter im Ungewissen. Nach aktuellen Informationen des HB ist die Eröffnung planerisch wohl erst für 2019 vorgesehen. Dieser durchaus kritikwürdigen Zustandsbeschreibung in Sachen Erinnerung versucht die Stadt allerdings aktiv zu begegnen. So erwähnte Marcel Schmidt nicht nur mehrfach die „schmerzliche Vergangenheit von Hoheneck“. Für den am Samstag durchgeführten „Tag der Offenen Tür“ zur Phänomenia waren permanente (und gut genutzte) Führungen durch den einstigen Zellentrakt und eine Buchlesung für den Abend (18:00 Uhr) geplant, auf der das Buch von Nancy Aris „Das lässt einen nicht mehr los – Opfer politischer Gewalt erinnern sich“ vorgestellt wurde (Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2017, ISDN 978-3-374-04935-6, 14,00 €, Paperback).

Fraglich bleibt in diesem Szenario die Rolle der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten“ unter deren Geschäftsführer Siegfried Reiprich. Reiprich besuchte zwar kürzlich die Kreisstadt, hielt sich aber gegenüber Wünschen, die Stiftung an der Finanzierung der Gedenkstätte zu beteiligen, mehr als bedeckt, indem er auf Formalien (Projektförderung) pochte, die er im Fall Hoheneck als noch nicht erfüllt sah. Das sich diese reservierte Haltung nicht mit den Intentionen des novellierten Gedenkstättengesetzes des Freistaates deckt, in dessen Förderungskatalog Hoheneck ausdrücklich aufgenommen worden war, verdrängt der häufig selbstherrlich agierende Reiprich, wie einer der Vorwürfe gegen ihn lautet (siehe auch „Der Sonnengott von Dresden“ weiter unten).

Unabhängig davon wäre dem eindrucksvollen Projekt Phänomenia eine Verbreitung über Sachsen hinaus in weiteren Bundesländern zu wünschen. Sie bietet für Kinder und Jugendliche einen begeisterungsfähigen Einstieg in die Welt angeblich unerklärlicher Phänomene und ist geeignet, bislang unentdeckte Fähigkeiten bei dem/der einen oder anderen Heranwachsenden zu wecken. Die Phänomenia in Hoheneck ist Montags bis Freitags von 8:30 – 17:00, an Sonn- und Feiertagen von 12:00 – 19:00 Uhr geöffnet. Eintritt Kinder: 6,00 € (5,50); Erwachsene: 8,00 € (7,50); Familien: 26,00 € (23,00).

Ehemalige Hoheneckerin: Gut, aber gewöhnungsbedürftig *

Hohenecker Bote (HB): Tatjana Sterneberg, sie waren von 1974 bis 1976 im Frauenzuchthaus Hoheneck, weil sie den Wunsch hatten, auszureisen, um ihren Verlobten Antonio aus Italien heiraten zu können. Heute sind sie auf Einladung der Stadt Stollberg zur Eröffnung der Phänomenia eingeladen worden. Schmerzt sie die noch immer fehlende Gedenkstätte?

Begleitete eine Führung durch den ehem. Zellentrakt: Tatjana Sterneberg (re.) – Foto: LyrAg

Tatjana Sterneberg (TSt): Natürlich schmerzt das. Immerhin ist es fast auf den Tag genau sechs Jahre her, als Bundespräsident Christian Wulff hier vor Ort eine Gedenkstätte an die Leiden der Frauen von Hoheneck forderte. Allerdings ist seither auch einiges Positives geschehen. Das Areal ist von privater in die öffentliche Hand übergegangen, eine Grundvoraussetzung für die inzwischen weithin sichtbare Umgestaltung des Areals.

HB: Ist der offensichtliche Vorrang anderer kultureller Projekte vor der Schaffung einer Gedenkstätte für sie oder die Frauen von Hoheneck denn akzeptabel?

TSt: Die Reihenfolge der Umsetzung richtet sich wohl nach der notwendigen Bereitstellung erforderlicher Mittel, ist wohl darum weniger eine Frage des Wollens als des Könnens. Man kann der Stadt, die sich in den vergangenen Jahren ungewöhnlich engagiert hat, wohl am Wenigsten vorwerfen. Fraglich und seltsam ist hier eher das Verhalten der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, verkörpert durch Siegfried Reiprich, der seit dem Präsidentenbesuch augenscheinlich wohl eher die Rolle des Boykotts als die des Förderers eingenommen hat. Wenn Reiprich sich hier offensiv eingebracht hätte, wäre die Frage der Reihenfolge wohl kein Thema.

HB: Am Tag der Offenen Tür zeigte sich ja ein gewisser Trubel auf dem Innenhof des einstigen Zuchthauses, in dem ja auch sie Jahre ihres Lebens zubringen mussten. Erinnert dieses Treiben nicht eher an den einst vom Vorbesitzer Freiberger geplanten „Männertag im Frauenknast“ als an einen würdigen Umgang mit der Vergangenheit?

In der ehem. Kapelle: Eindrucksvolle Arbeiten von Schülern – Foto: LyrAg

„Ode an die Freude“ zur Erinnerung an das Ende eines Traumas

TSt: Zunächst einmal müssen die Verantwortlichen mehr als Verständnis dafür aufbringen, wenn ehemalige, wohlgemerkt aus politischen Gründen Inhaftierte sich von Bierständen und buntem Treiben im Innenhof dieses traumatisierenden Bauwerks provoziert fühlen. Aber es ist aus meiner Sicht ein Unterschied, ob an diesem Ort nach einem fragwürdigen US-Vorbild Erlebnistage im Frauenknast als Klamauk veranstaltet werden oder ob man hier vor Ort Gedenken, also Vergangenheit, und Zukunft, wie es der OB bezeichnete, zusammenführen möchte. Es gibt immer verschiedene Sichten. Aber wer hat sich jemals in Zeiten der Haft vorstellen können, dass hier einmal junge Menschen herumtollen können oder sich zukunftsorientierten Experimenten widmen können? Und wer will denn ausschließen, dass auch ein Theater die Möglichkeit bieten kann, Dramen, die zum Beispiel die Verfolgung aus politischen Gründen thematisieren, hier am Ort des Schreckens aufzuführen? Man könnte im Theatersaal auch durchaus Aida oder Fidelio aufführen oder gar die „Ode an die Freude“ zur Erinnerung an das Ende des Zuchthauses erklingen lassen.

HB: Also unkontrolliertes Treiben inmitten eines Leidensortes, in dem unzählige Tränen vergossen, an dem unzählige Biografien gewaltsam verändert wurden, an dem Menschen aus politischen Gründen sterben mussten?

TSt: Keineswegs. Natürlich müssen wir als ehemalige Betroffene drauf hinwirken, dass die Würde des Ortes gewahrt bleibt. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, auf dem Gelände eines ehemaligen KZ Bier- oder Würstchenbuden aufzustellen. Andererseits hat ein KZ als Gedenkstätte keine sogen. gemischte Nutzung. Hier ist das anders. Wir haben in unserem ersten Konzept von 2011, das übrigens eine wichtige Grundlage für den Landtag war, Hoheneck in die Förderung aufzunehmen, ausdrücklich die unabweisbare Mischnutzung beschrieben, weil das die einzige Möglichkeit bot und bietet, eine „Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG)“ in diesem riesigen Areal umzusetzen. Hier müssen sowohl die einstigen Frauen von Hoheneck wie die Betreiber der zukunftsorientierten Einrichtungen sensibel aufeinander zugehen und ihre Bedürfnisse und berechtigten Interessen austauschen und abwägen. Dass dabei den Frauen von Hoheneck ein besonderes Gewicht zukommt, darf nicht Außerfrage gestellt werden.

Sensible Wiedergabe der Gedankenwelt einstiger gefangener Frauen – Foto: LyrAg

HB: Wie soll das geschehen? Haben die Frauen von Hoheneck denn noch eine Stimme? Hat sich denn der fragliche Verein nicht selbst aus der Mitsprache verabschiedet? Auch der aktuelle Förderverein ist wohl nicht mehr handlungsfähig?

Frauenkreis hat sich selbst durch Querelen blockiert

TSt: Das gehört auch zur Ehrlichkeit gegenüber den Betroffenen. Wir müssen natürlich dazu stehen, dass sich die einstigen Frauen von Hoheneck durch vielfältige Querelen einstweilen selbst um ihre Mitsprache gebracht haben. Dafür kann die Stadt nichts. Das gleiche gilt für die bereits zwei Versuche, einen Förderverein zu installieren. Der erste Verein wurde mit Hilfe von Siegfried Reiprich zerstört, obwohl dieser sich sofort in die sachliche Arbeit gestürzt hat. Der zweite Verein hat sich durch interne Auseinandersetzungen handlungsunfähig gemacht. Auch hier muss also ernsthaft daran gearbeitet werden, wieder arbeitsfähige Strukturen zu schaffen, um zumindest eine künftige und überaus notwendige Mitsprache zu sichern. Forderungen zu stellen, ist das Eine. Grundlagen zu schaffen, um als Gesprächspartner ernst genommen zu werden, das Andere.

HB: Vielen Dank für das offene Gespräch.

* Das Gespräch wurde in Hoheneck zum Tag der Offenen Tür am vergangenen Samstag aufgezeichnet. Tatjana Sterneberg war stellvertretende Vorsitzende des Frauenkreise der ehem. Hoheneckerinnen (2005 – 2007) und Vorsitzende des ersten Fördervereins „Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck“ (2011-2013). Sterneberg war an diesem Tag die einzige ehemalige Hoheneckerin vor Ort.

Der Sonnengott von Dresden

Dresden/Bautzen – Als Siegfried Reiprich seinerzeit zum Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten berufen wurde, galt der langjährige vormalige Geschäftsführer der inzwischen weltweit bekannten Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin als kompetente Lösung für dieses Amt. Nicht abzusehen war von den für die Berufung Verantwortlichen die Metamorphose des einstigen SED-Kritikers zum zur Selbstherrlichkeit neigenden Entscheidungsdiktator. Nicht erst seit heute wird der Dompteur der Stiftung spöttisch und nicht ohne Bitterkeit als „Sonnengott von Dresden“ bezeichnet.

Jüngstes Beispiel der unsensiblen Reiprichen Vorgehensweise war das diesjährige am 11. und 12. Mai durchgeführte und weit über die Grenzen hinaus bekannte, inzwischen 28. Bautzen-Forum. Seit über zwei Jahrzehnten findet dieses vielbeachtete Treffen in Anwesenheit namhafter Politiker, Publizisten und Zeitzeugen an das DDR-Unrecht statt. Die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung gehörte nicht nur zu den maßgeblichen Sponsoren dieses wichtigen Treffens ehemaliger Bautzen-Häftlinge, sondern begleitete dieses mit ihren Möglichkeiten jeweils aktiv bei der jeweiligen Planung und Durchführung.

Unsensibler Umgang mit der Vergangenheit: Feier im Gefängnisgelände – Foto: LyrAg

Traditionell fand die zentrale Veranstaltung in der Gedenkstätte Bautzen statt, in der sich der einstige Stasi-Knast für „besondere Häftlinge“ befand: Hier mussten DDR-Minister wie der hem. Justizminister Max Fechner (1892-1973) ihre zudiktierte Strafe ebenso absitzen, wie sonstige Geheimnisträger oder Oppositionelle, wie der Schriftsteller Karl-Wilhelm Fricke oder der im letzten Jahr verstorbene XingHu Kuo.

Wie die Sächsische Zeitung am 12. Mai berichtete („Getrübtes Treffen der Stasi-Opfer“) hatte Reiprich dem Geschäftsführer der Friedrich-Ebert-Stiftung Sachsen, Matthias Eisel untersagt, eigenständig mit der Gedenkstätte Planungen für das Bautzen-Forum abzusprechen. Dies könne ausschließlich nur über ihn, Reiprich, erfolgen. Dieser Streit führte im Ergebnis dazu, dass das Bautzen-Forum erstmals ohne Einbeziehung der Gedenkstätte durchgeführt werden musste. „Seit 1990, also von Anfang an, haben wir unsere Zusammenarbeit im Rahmen des Bautzen-Forums immer direkt mit der Gedenkstätte Bautzen abgestimmt“, zitiert die SZ Matthias Eisel. Er sei bislang „den bewährten direkten Weg gegangen“. Nun habe Reiprich der Gedenkstätte und Eisel offiziell untersagt, miteinander zu sprechen. Eisel: „Das ist ein ernster Bruch des Vertrauensverhältnisses“. Da mache er nicht mit.

Eskalation der Auseinandersetzungen

Reiprich verschärft durch diese Eskalation offensichtlich seinen bisher unglücklichen Umgang mit den ihm formal zugeordneten Gedenkstätten. So führte er u.a. jahrelange heftige Auseinandersetzungen mit der vielseits geachteten Leiterin der Bautzen-Gedenkstätte, Silke Klewin. Auch andere Gedenkstättenleitungen klagen seit Jahren, wenn auch meist wegen befürchteter Repressalien unter vorgehaltener Hand über den eigenwilligen Reiprich.

Führung durch die Gedenkstätte Bautzen II im Schatten des Forums, ein ungeeigneter Ort für Provokationen – Foto: LyrAg

Der Vorsitzende des Bautzen-Komitees, Alexander Latotzky, reagierte bestürzt über die neueste Entwicklung: „Mit der „Aufkündigung der Zusammenarbeit von FES und Gedenkstätte sei ein Zustand erreicht, der die jahrelange und mühsame Arbeit vieler engagierter Mitarbeiter und Betroffener zunichte mache und konterkariert“, schrieb Latotzky in einem Brandbrief an Reiprich. Karl Wilhelm Fricke und Manfred Wilke reagierten „entsetzt“ auf die Selbstherrlichkeit des eigens vom Landtag berufenen Geschäftsführers der Sächsischen Gedenkstätten-Stiftung: „Aus fadenscheinigen Gründen verwehrt die Stiftung nicht nur jenen Menschen, die nach 1989 die Gedenkstätte auf den Weg gebracht haben, eine Veranstaltung im ehemaligen Stasi-Gefängnis.“ Sie verbiete der Gedenkstätte zudem „die Teilnahme am wichtigsten Treffen der Opfer“.

Formal macht Siegfried Reiprich mit dem „Einspruch“ zwar von seinem Hausrecht Gebrauch. Mit der 2014 verabschiedeten novellierten Stiftungssatzung wurde endgültig festgeschrieben, dass der Geschäftsführer „alleiniger Entscheider in Gestaltung und Koordinierung“ der Stiftungsaufgaben „einschließlich ihrer Gedenkstätten“ ist. Reiprich hält nun Eisel entgegen, dass dieser „dennoch darauf bestanden hätte, nur mit der Leiterin der Gedenkstätte Bautzen über Art und Umfang seiner Veranstaltungsplanung zu verhandeln.“

Ob der Sächsische Landtag mit seiner wohl parteipolitisch bestimmten Unterstützung des eigenwilligen und offensichtlich unsensiblen Herrschers über Sachsens Gedenken der dringenden Aufarbeitung wohlmöglich einen Bärendienst erwiesen hat, sollten die zuständigen Gremien nach Ansicht von Beobachtern der Szene dringend überprüfen. Auch wenn Reiprich sich formal auf durch die Satzung bestimmte Vollmachten berufen kann, sein Agieren wirkt nicht nur unprofessionell. Reiprich schadet bereits seit Jahren mit seiner Selbstherrlichkeit und der kontinuierlichen Diskreditierung von verdienten Mitarbeitern dem Ruf und Ansehen der Gedenkstätten in Sachsen. Dass dieses Verhalten auch im Widerspruch zu seiner feierlich zur Schau getragenen Rolle als (einstiger) Bürgerrechtler steht, ist offensichtlich. Der Sonnengott von Sachsen zelebriert sich selbst. Und bis zu seiner ansehnlichen Rente wird es wohl kein Politiker wagen, ihm vor den Karren zu springen und das unrühmliche Spiel zu beenden. Siegfried Reiprich, einst FDJ und dann über die SPD in der CDU gelandet, ist gut vernetzt. Nicht zuletzt gründet seine Selbstherrlichkeit auf dieser Gewissheit.

Auch Hoheneck verdankt nicht zuletzt seinen desolaten bis katastrophalen Zustand in Sachen Begleitung beim Aufbau einer überfälligen Gedenkstätte zu einem wesentlichen Teil der Einmischung aus der Dresdner Dülferstrasse 1, dem Sitz der Stiftung „Reiprich“.

VOS zelebriert Widersprüche und beschließt: Schlussstrich!

Friedrichroda/Berlin – Auf der Generalversammlung in Friedrichroda kamen die Probleme der Vergangenheit, die den ältesten und größten Opferverband Deutschlands an den Rand der Insolvenz gebracht hatten, auf den Tisch. Allerdings in anderer Form, als es sich treue Wegbegleiter des Verbandes für einen Neustart erhofft hatten. Der geschickten Regie des Geschäftsführers, der bereits seit geraumer Zeit als „Mister VOS“ gehandelt wird, war es zu verdanken, dass die desolate Situation zwar auf den Versammlungstisch gelegt wurde aber durch einen folgenden Kassenprüfungsbericht ad acta gelegt werden konnte.

In gewohnter Übung hatte der Vorstand die selbst eingebrockte Finanzmisere beklagt und dabei den Geschäftsführer ausführlich bedauert, weil dieser einen erheblichen Strafbefehl „selbst bezahlen“ musste, obwohl eigentlich der gesamte Vorstand hätte haften müssen. In der Vereinspostille „FG“ las sich das dann so: „Kamerad Hugo Diederich musste – indem ihm eine saftige Geldstrafe auferlegt wurde – allein haften. Ob das gerecht ist oder nicht, mag dahingestellt bleiben.“ Und: „Über die Ursachen der Entstehung des riesigen Schuldenberges ist berichtet worden, wobei wir uns als VOS schließlich einig waren, dass wir unter die Debatte „Wer hatte Schuld?“ einen Schlussstrich ziehen wollen.“ Durch die geschickte und unermüdliche Verhandlungsführung sei es aber dem Geschäftsführer gelungen, weiteren Schaden von der VOS abzuwenden und den Verband schließlich zu retten. FG: „Es ist fraglich, ob unser Verband ohne seine (Hugo Diederichs) Beharrlichkeit und sein Verhandlungsgeschick jetzt schon aus der Krise wäre.“

Nach dieser Wandlung des Schadens-Verursachers in Höhe von immerhin rund 130.000 Euro in eine Lichtgestalt des Retters folgte der Kassenprüfungsbericht. Trotz des zurückliegenden Verfahrens wegen „Vorenthaltung von Sozialbeiträgen“, der gerichtlich festgestellten Rückzahlungspflicht und dem zitierten Strafbefehl gegen den Geschäftsführer wurde eine „einwandfreie Kassenprüfung (im Berichtszeitraum 2014 – 2016) attestiert. Natürlich wurde „Mister VOS“ nach dieser Waschmaschinenkür in seiner Funktion als Geschäftsführer bestätigt. Kein Wunder, wenn unter diesen Parteitagsverhältnissen unseligen Angedenkens auch keine Fragen nach der Vergangenheit zum Beispiel im Stasi-Geflecht gestellt wurden. „Wir müssen nach vorn blicken,“ hatte schon vor Jahren ein Vorstandsmitglied zu den VOS-Verhältnissen gesagt. Und so beschlossen die Kämpfer gegen die „Schlussstrich-Forderungen“ ihrer einstigen Peiniger den Schlussstrich unter eigene Verfehlungen. Glaubwürdigkeit sieht allerdings anders aus.

Frauenkreis: Aktionstag soll Versäumnisse kaschieren

Um Aktivitäten bemüht: Die Vorsitzende des Frauenkreises Regina Labahn – Foto: LyrAg

Hoheneck/Stollberg – Fast schon verzweifelt versucht der verbliebene Rumpfvorstand des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen die Reputation des einst unter Maria Stein und Margot Jann angesehenen Vereins zu retten. Mit dem für Juni d.J. geplanten „Aktionstag“ soll eine Kontinuität vermittelt werden, die längst nicht mehr existiert. Waren durch den gerichtlich durchgesetzten neuen Vorstand Hoffnungen auf eine Wiederbelebung geweckt worden, so wurden diese bisher enttäuscht. Anstatt an die notwendige Arbeit zu gehen, wurden neue Querelen auf den Weg gebracht, in deren Gefolge der jungfräuliche Vorstand kontinuierlich schrumpfte. Zwar wurden noch erfolgreich Fördermittel beantragt (Stiftung Aufarbeitung: 3.800 Euro für den Aktionstag), aber die bisherige Praxis der Kostenübernahme für Teilnehmer am geplanten Aktionstag auf „Mitglieder“ des Frauenkreises beschränkt. Auch bräuchten laut Einladung „nicht alle Mitglieder“ erscheinen, wenn diese ohnehin eine weite Anreise hätten. Auch die langjährige Vorsitzende und durch Mitgliederbeschluss zur Ehrenvorsitzenden berufene Margot Jann, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, wurde mir nicht dir nichts aus dieser Funktion gestrichen. Kann man so auf eine Wiederbelebung des Frauenkreises hoffen?

An Beratungen hat es gewiss nicht gefehlt. So war der jetzigen Vorsitzenden nach der erfolgreichen Gerichtsverhandlung u.a. empfohlen worden, den rechtlichen Sieg sensibel umzusetzen und – zum Beispiel – alle interessierten Frauen und augenblicklichen Kontrahenten zu einem „runden Tisch“ einzuladen. Dort sollte vorurteilsfrei auf neuer Grundlage (Urteil) die Zukunft debattiert und mögliche Gemeinsamkeiten, die schließlich auf gemeinsam erlittenem Unrecht und der dadurch entstandenen einstige Kameradschaft basierten, festgestellt werden. Die Reaktion: Mit „Denen“ setzen wir uns nicht an einen Tisch, die werden alle (aus dem Verein) rausgeschmissen. Zukunftsgestaltung sieht in der Tat anders aus.

Buchautorin Ellen Thiemann feiert 80. Geburtstag

Ellen Thiemann (Mitte) mit Bundespräsident Christian Wulff bei dessen Besuch in Hoheneck im Mai 2011 – Foto: HB-Archiv

Köln – Die ehemalige Ressortleiterin im Kölner Express und Autorin mehrerer vielbeachteter Bücher über das ehemalige Frauenzuchthaus Hoheneck feiert am Tag des Grundgesetzes, am 23. Mai, ihren 80. Geburtstag.

Thiemann, die ihren Ehrentag im Kreis der Familie verbringt, wurde durch ihre unermüdliche Arbeit um die Aufklärung der Geschehnisse im ehemalige Frauenzuchthaus Hoheneck bekannt. In dem Bestseller „Der Feind an meiner Seite“ (2005) schilderte sie die enttäuschende Entdeckung, dass ihr eigener Mann, einst ein bekannter Sportreporter, für die Stasi arbeitete.

Thiemann begleitete für den Kölner Express namhafte Politiker, wie Bundeskanzler Kohl, Justizminister Kinkel und dem Sächsischen Justizminister Heitmann 1992 nach Bautzen. Der geplante anschließende Besuch in Hoheneck scheiterte wegen eines Schneetreibens, der Hubschrauber konnte nicht nach Stollberg weiterfliegen. Allerdings war Thiemann später mehrmals mit der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und dem Sächsischen Justizminister Heitmann in Hoheneck (1992, 1993).

Die engagierte ehemalige Hoheneckerin malt neben ihren schriftstellerischen Arbeiten eindrucksvolle Bilder und ist nach wie vor in der Forschung nach weiteren Dokumenten des Unrechts engagiert. Allerdings hat sie sich weitgehend aus der Vereinsarbeit zahlreicher Opferverbände zurückgezogen. So trat sie wegen der zahlreichen internen Querelen nach 35 Jahren Mitgliedschaft 2010 aus der VOS aus. Dem Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen gehörte Ellen Thiemann bis 2016 an. Der HB gratuliert herzlich und tröstet über die nach wie vor ausstehende öffentliche Ehrung der Lebensleistung mit dem Ausspruch von Inge Meisel hinweg: „Ein anständig gelebtes Leben braucht keinen Orden.“

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