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Berlin, 19.12.2022/cw – Am heutigen Tag ehrte die Vereinigung 17. Juni 1953 am Ehrengrab auf dem Friedhof Seestraße ihren einstigen Vorsitzenden Manfred Plöckinger, der vor 20 Jahren, am 19.12.2002 nach langer schwerer Krankheit, eine Folge seiner DDR-Haft, in Bayern verstorben war. Die Urne Plöckingers war nach Bemühungen des Vorstandes 2005 von Bayern überführt und auf einer Erweiterung der Ehrenfeld-Anlage beigesetzt worden.

Plöckinger, zur Zeit des Aufstandes vom 17. Juni 1953 Bauarbeiter an der Stalin-Allee, gehörte nach seiner DDR-Haft zu den Gründern der Vereinigung, die als Nachfolgerin des unmittelbar nach dem Aufstand gegründeteen Kommitees „17.Juni“ am 3. Oktober(!) 1957 in das Vereinsregister eingetragen wurde. Von 1982 bis zu seinem Tod war Plöckinger als Nachfolger von Friedrich Schorn (Aufstandsführer in den Leuna-Werken bei Merseburg) Vorsitzender.

Zum Gedenken an ihn hatte die Vereinigung a l l e Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen. Der amtierende Vorsitzende Carl-Wolfgang Holzapfel hatte bereits seit Jahrzehnten im Vorstand durchgesetzt, keine in demokratischen Wahlen gewählte Partei im Parlament als mögliche Ansprechpartner auszuschließen. In früheren Jahrzehnten war es durchaus zu Konflikten gekommen, weil die seinerzeitigen Vorstände in ihrer Arbeit „unliebsame“ Parteien von ihren Kontakten ausgeschlossen hatten.

Lediglich eine Fraktion, die AfD, folgte der in allen Schreiben gleichlautenden Einladung und beteiligte sich an der Ehrung mit einer Kranzniederlegung. Die anderen Parteien, CDU, SPD, FDP und Bündnis90/GRÜNE reagierten überhaupt nicht, während sich die Fraktionsvorsitzenden der LINKEn immerhin wegen „anderweitiger Termine“ entschuldigen ließen.

In einer kurzen Ansprache am Grab Plöckingers sprach der Nachfolger im Vorstand sein „Bedauern über die seit Jahrzehnten in Gang gesetzte Vernachlässigung des 17. Juni 1953 als historischen ersten Aufstand nach dem Krieg im kommunistischen Machtbereich.“ Man könne hier durchaus eine politische Linienführung erkennen, die darauf abziele, „den Volksaufstand an den Rand der Geschichte zu schieben.“ Es würden sich immer mehr „politisch einseitig orientierte“ sogen. Historiker aus dem ehem. Umfeld der SED-DDR-Geschichte oder der entsprechenden politischen Orientierung dafür einsetzen, die ursprüngliche Charakterisierung bzw. Verleumdung des Aufstandes im Sinne der einstigen SED als „vom Westen bezahlten Putsch von Halbstarken und Kriminellen“ zu übernehmen. Dazu gehörte die nicht erst heute praktizierte Verleumdung von Menschen, die sich für eine Bewahrung der ehrenvollen und für Europa bedeutenden Historie des Aufstandes einsetzten.

Manfred Plöckinger auf einer Demonstration zum 10. Jahrestag des Mauerbaus 1971 in Berlin

Holzapfel führte zwei Beispiele an: So hätte das Magazin DER SPIEGEL 1986 im Zusammenhang mit einer Affäre um den damaligen Innensenator Heinrich Lummer Manfred Plöckinger als Dieb und Halbkriminellen bezeichnet. Nachdem Plöckinger in einem Leserbrief diese Behauptungen als nachweisliche, durch ein Gericht überprüfte Verleumdungen zurückgewiesen hatte, kommentierte die Redaktion: „Manfred Plöckinger hat Recht.“

Als zweites Beispiel führte der Redner das 2003 vorgelegte Standardwerk zum Volksaufstand „Die verdrängte Revolution“ (Edition TEMMEN, 848 Seiten) an, die maßgeblich von dem belannten Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk (neben Bernd Eisenfeld und Ehrhart Neubert) bearbeitet worden war. Die darin enthaltenen Lügen z.B. über Carl-Wolfgang Holzapfel, der danach „Mitglied der NPD“gewesen sei, mussten durch eine vereinbarte Errata, die jeder Auslieferung beigefügt werden muß, richtig gestellt werden. Kowalczuk, selbst bis zum Ende der DDR systemimmanent beschäftigt, begründete gegenüber Holzapfel diese „Unrichtigkeiten“ damit, dass die Autoren „aufgrund der Schwierigkeiten um den Verlegungstermin keine Zeit mehr gehabt hätten, die zugänglichen Unterlagen (Akten) der Staatssicherheit auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.“ Man habe „die dort aufgespürten Aktenvermerke ungeprüft“ übernommen.

Geforderte Berichtigungen zur Person Manfred Plöckingers wurden von den Autoren wie der BStU (!) mit der Begründung abgelehnt, dieser sei verstorben, der Vorstand habe „keine Rechte, Berichtigungen anstelle des Verstorbenen“ zu verlangen.“

V.i.S.d.P.: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V., C.W. Holzapfel – Berlin, Mobil: 0176-48061953 (1.714)

Berlin, 11.07.2022/cw – Das schlägt dem Haken das Kreuz aus: Da soll es tatsächlich Firmen geben, die mit dem Staatssymbol der Nazis Geschäfte machen  wollen: Hakenkreuze in vielfache Variationen auf ebenfalls vielfach gestalteten und geschneiderten T-Shirts. Stückpreise um die 20,00 €. Das kann nicht wahr sein?

Für den Schutz der Arbeiter- und Bauernmacht

Richtig getippt: Das kann nicht wahr sein, weil einen Tag später die Polizei in den Vertriebsläden und Produktionsstätten stehen würden (soweit diese in Deutschland liegen), um diese „Waren“ zu beschlagnahmen. Vermutlich würden dieser Beschlagnahme entsprechende Anzeigen folgen: Verstoß gegen das Verbot des öffentlichen Zeigens von NS-Symbolen etc.

So weit, so gut. Aber wußten Sie, daß im Internet seit kurzer Zeit eine nicht unerhebliche Werbung für T-Shirts verbreitet wird, die in zig Variationen die verbrecherische DDR buchstäblich „hochleben“ lässt? Da soll nicht nur das Staatswappen in zig Variationen auf der Brust oder dem Rücken getragen und gezeigt werden, da kann man sich auch entsprechende Schriftzüge, wie „Ministerium für Staatssicherheit“, flankiert von einem Gewehr mit aufgepflanzten Bajonett, bestellen.

Werbung für ein Verfolgungsorgang: „Ministerium für Staatssicherheit“

Sie glauben das nicht? (Ist ja auch unglaublich!) Rufen Sie doch mal die Seiten auf: https://www.spreadshirt.de/shop/design/ddr+dorfkind+leg+dich+niemals+mit+einen+an+maenner+premium+hoodie-D5d2a8c1d22250920da534da8?sellable=2LJORYQG75s0ZlQakoVX-20-22

oder:

https://www.redbubble.com/de/i/t-shirt/Deutschland-wieder-gro%C3%9F-machen-DDR-DDR-DDR-von-Martstore/31882366.NL9AC.XYZ

Mit Trump-Sprüchen Werbung für die zweite deutsche Diktatur

Unter „Deutschland wieder groß machen“ wirbt z.B. eine Firma Martstore für diese „tolle“ Werbung für einen Unrechtsstaat.

Oder: „Leg Dich niemals mit Einem an. Denn wir kennen Orte, wo Dich Niemand findet“. Steht so um ein farbiges DDR-Wappen herum dekoriert – auf dem Rücken (Wo denn sonst?).

Offene Verhöhnung der politischen Opfer des kommunistischen SED-Regimes

Ob sich Einer oder Eine aus der Politik, den Medien oder gar einer Staatsanwaltschaft findet, der/die diesen unerhörten Vorgang anprangert, gar anzeigt oder strafrechtlich verfolgt? Wohl kaum. Denn DDR-Symbole dürfen Sie zeigen, solange Sie Lust dazu haben oder gar einer kommunistischen Verbecherorganisation angehören. DDR-Symbole sind (noch immer) nicht verboten. Genauso wenig, wie Lobeshymnen auf den einstigen Arbeiter- und Bauernstaat, in dem es so gerecht zuging, der die Freiheit (des Sozialismus) verteidigt hat und ein (selbsternanntes) „Bollwerk des Friedens gegen Faschismus und Krieg“ – zumindest propagandistisch – gewesen sein will.

Trotzdem sollten Sie gegen diese „Verherrlichung“ der zweiten deutschen Diktatur ihre Stimme erheben. Fordern Sie ein endliches Verbot jeglicher DDR-Verherrlichung. Noch heute, jetzt!

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17.JUNI 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.711)

Berlin, 20.06.2022/cw – Ein Jahr v o r dem 70. Jahrestag des Volksaufstandes von 1953 können wir ein erschreckendes Desinteresse an den damalige Ereignissen in der zu Recht untergegangenen DDR konstatieren. Selbst die Medien, die bisher wenigstens annähernd von diesem Tag Kenntnis genommen und zumindest in BILD und Text über die Gedenkveranstaltung der Bundesregierung auf dem Friedhof Seestraße im Berliner Bezirk Wedding berichtet hatten (hier liegen Opfer des Aufstandes und seit 2005 auch ehem. Teilnehmer begraben), hielten sich auffallend zurück. Selbst die Presse aus dem Axel-Springer-Verlag, ansonsten in den vergangenen Jahrzehnten in gewisser Vorreiter-Funktion, verzichtete nicht nur auf Fotos sondern überhaupt auf eine Erwähnung der Gedenkveranstaltungen vor dem ehem. „Haus der Ministerien“ dem heutigen Bundesministerium für Finanzen („Platz des Volksaufstandes von 1953„) und dem Friedhof Seestraße.

Wir verzichten aus Protest auf eine weitere Textung und geben hier nur einige Fotos von diesem Tag wieder:

Ehrung der „Kämpfer für Einigkeit, Recht und Freiheit„, diesmal in den Farben der Ukraine, an den Mauerkreuzen zwischen Reichstag und Brandenburger Tor (Fotos: LyrAg-Press/Mario Bandi
Kranz am „Holzkreuz“ in Berlin-Zehlendorf, der einzigen originären Gedenkstätte an den Volksaufstand in Deutschland
Ehrung der einstigen Rot-Armisten am sogen. „Russenstein“ ggüb. dem „Holzkreuz“ (1954 in Anwesenheit von F. Kerenski, des letzten vorrevolutionären Ministerpräsidenten Russlands/1917 eingeweiht, der eigens aus New Yorck angereist war). Die hier Geehrten hatten sich nach der bisher nicht widerlegten Legende geweigert, auf deutsche Arbeiter zu schießen und waren dafür standrechtlich (z.B. im Wald von Biederitz b/Magdeburg) erschossen worden. Es soll sich vornehmlich um Ukrainer gehandelt haben. Die Ukraine gehörte zu dieser Zeit noch zur UdSSR.
Russische Panzer gegen die Selbstbestimmung und Freiheit: 1953 in Ost-Berlin und der DDR, 2022 vor Kiew und in der Ukraine
Auf dem „Platz des Volksaufstandes von 1953“ vor dem ehem. „Haus der Ministerien“, dem heutigen BMF
Auch am Steinplatz in der Hardenbergstraße ehrte die VEREINIGUNG die Kämpfer vom 17. Juni 1953. Ebenso werden seit vielen Jahren von uns am Steinplatz auch die Opfer der NS-Diktatur geehrt.
Am 17. Juni 2022 ehrten wir zeitgleich die Kämpfer um Einigkeit und Recht und Freiheit in der Ukraine.#

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17. JUNI 1953, Berlin – Tel.: 0176-48061953 (1.710)

Von Carl-Wolfgang Holzapfel*

Berlin, 26.11.2021/cw – Es war ein kalter Novembertag – vor sechzig Jahren: Die JUNGE UNION, deren Mitglied ich wenige Monate zuvor in Hamburg geworden war, hatte in Berlin am 21.11.1961 zu einer Demonstration aufgerufen: „Die Jugend protestiert gegen die Mauer“. Nach meiner spontanen Rückkehr aus Hamburg Ende August – nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 hielt mich auch das gerade begonnene Lehrverhältnis als Einzelhandelskaufmann nicht mehr in der Hansestadt – war dies meine erste aktive Teilnahme an einer Demonstration gegen die Mauer. Es sollte der Beginn einer 60jährigen politischen Aktivität sein. Grund genug , mich nach sechs Jahrzehnten dem Ruhestand zuzuwenden.

Rückblickend war dies die erste Schulung im demokratischen Widerspruch, die erste Erfahrung mit dem Begriff „Widerstand“. Der Zug bewegte sich – nach meiner Erinnerung – vom Wittenberg- über den Ernst-Reuter- zum Theodor-Heuss-Platz. Dort waren auf einem Stein die Worte unübersehbar zu lesen: „EINIGKEIT – RECHT – FREIHEIT“. Auf diesem Stein stand eine Schale, aus der eine „Ewige Flamme“ loderte.

Der 17jährige C.W. Holzapfel auf der Demei (Mitte, mit Brille, 5. v. re.) Quelle: rbb RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/protest-der-jugend-gegen-die-berliner-mauer/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTYxLTExLTIxVDE5OjMwOjAwXzFlZGU4OTQzLTdiOWItNDgzOS1iMWIzLWU1ZGJkMGM1NDIzMi9yZXRyb18xOTYxMTEyMV9Qcm90ZXN0bWFyc2No/

Warum ziehen wir nicht an die Mauer?

Schon auf dem Weg wagte ich, laut meinen Protest zu formulieren: „Warum ziehen wir nicht an die Mauer? Was soll der Weg durch Straßen, die keine Mauer versperrt?“ Ein Ordner ermahnte mich, die Leute nicht aufzuwiegeln, es ginge hier um eine ernste Sache.

Am Zielort angekommen – ich erinnerte mich an meine Kinderzeit, als hier allwöchentlich Britische Soldaten aufmarschierten und wir am Rande der Show um Kaugummi bettelten („Have you a gum?“) – sprach zunächst Jürgen Wohlrabe, ein späterer Freund, und dann Ernst Lemmer, der allseits anerkannte Minister für Gesamtdeutsche Fragen. Lemmers Rede war anklagend, ganz im Tenor der Empörung über die Aktion „Antifaschistischer Schutzwall“, als den das „Pankower Regime“ den Bau der Mauer bezeichnete.

Diese Demonstration ist nicht angemeldet

Nach dem Absingen der Nationalhymne und der obligatorischen Feststellung durch den Veranstalter „Die Kundgebung ist beendet“ blieben die Demonstranten stehen, als erwarteten sie eine weitere Aktion. „Wir Auf zur Mauer! Auf zur Mauer!“ Überraschend setzte sich dieser Ruf rasend schnell unter den Demonstranten fort. Bald klang es aus hunderten Kehlen: „Auf zur Mauer!“ Nur: Keiner bewegte sich.

Wieder wurde diese Klassenkameradin zu meiner ersten Lehrmeisterin, als sie bemerkte: „Wenn  Ihr nicht lost zieht, bleibt hier alles stehen.“ Dankbar nahm  ich diese Anregung auf und setzte mich mit lauten Rufen in Richtung Ernst-Reuter-Platz in Bewegung. Tatsächlich folgten immer mehr Teilnehmer dem Aufruf, zunächst noch zögerlich.

Bereits auf dem Kaiserdamm hörten wir die ersten Sirenen von Polizeiwagen und auch die ersten Durchsagen: „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Diese Demonstration ist nicht angemeldet. Bitte verlassen Sie die Fahrbahn und gehen Sie nach Hause!“müssten aufrufen, zur Mauer zu marschieren,“ sagte ich zu ein paar jungen Leuten, unter diesen eine ehemalige Klassenkameradin vom Gymnasium in Zehlendorf. „Da müsst Ihr wohl anfangen, sonst bewegt sich da nichts,“ erwiderte die Kameradin mutig. Also rief ich „

Auf dem Ernst-Reuter-Platz angekommen bemerkten wir, daß die „Straße des 17. Juni“, also der direkte Weg zur Mauer vor dem Brandenburger Tor, abgesperrt war. Darauf reagierten wir Demonstranten mit einem Sitzstreik auf den Fahrbahnen rund um die dortige Mittel-Insel. Nach mehreren erfolglosen Ermahnungen der Polizei, die „illegale Demonstration“ sofort abzubrechen, weil man sich sonst „polizeilichen Maßnahmen“ aussetzen würde, hieß es plötzlich „Knüppel frei“, und die eingesetzten Beamten schlugen mit Gummiknüppeln auf uns sitzende Jugendliche ein. Ich sprang auf und rannte in die Hardenbergstraße in Richtung Bahnhof Zoo.

Dort ziemlich atemlos angekommen, verabredete ich mich mit einigen Versprengten zu einer Fortsetzung unseres Protestes am berühmt gewordenen Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Nachdem ich noch angewidert beobachtet hatte, wie ein offenbar enthemmter Polizist auf einen jungen Mann grundlos und brutal mit seinem Gummiknüppel einschlug, der infolge mit blutender Kopfwunde zusammenbrach, eilte ich zur U-Bahn.

Große Worte und reale Wirklichkeit

In der Kochstraße angekommen, war ein Gang zum Checkpoint gar nicht möglich. Mit lautem „Tatütata“ fuhren  mehrere Mannschaftswagen des Typs HANOMAG auf. Kaum  waren  die Klappen gefallen, sprangen Polizeibeamte herunter und knüppelten auf gebildete Gruppen von Demonstranten ein. Mir ist dieser Tag unvergesslich als Widerspruch zwischen „Großen Worten“ („Die Mauer muß weg“) und realer Wirklichkeit. Man kann auch einfach sagen: An diesem Tag vor sechzig Jahren habe ich meine politische Unschuld verloren.

Dieser bitteren und realen Erkenntnis folgte die zunächst verzweifelte Suche nach vertretbaren Formen des Widerstandes gegen neuerliches Unrecht, wie dieses sich in der Mauer manifestierte. Schon bald entschloss ich mich zum „Gewaltlosen Widerstand“ nach Mahatma Gandhi. Dabei half mir ein kleiner, unscheinbar wirkender Mann  aus Indien: T. N. Zutshi. Er war erstmals nach dem Ungarn-Aufstand 1956 nach Europa gekommen, um uns in Europa im Kampf gegen die Rote Diktatur die Methoden Gandhis zu vermitteln. Legendär sein damaliger Fußmarsch (1960)  über hunderte Kilometer von München an die „Brücke von Andau“, über die viele Ungarn nach dem Zusammenbruch des Aufstandes nach Österreich geflüchtet waren.

Nach dem Mauerbau wollte Zutshi in Berlin diesen Kampf fortsetzen, uns vermitteln: „Der erste Schritt zur Freiheit – Legt Eure Furcht ab und sprecht die Wahrheit.“ 1964 verließ uns der mutige Inder. Von diversen Behördenschikanen und Androhungen bedrängt, ihn  als unerwünschten Ausländer abzuschieben, kehrte Zutshi nach Indien (Benares) zurück, wo sich seine Spur verlor. Berlin hat diesem tapferen und uneigennützigen Ingenieur aus Nehrus Indien bis heute keine Erinnerung gewidmet. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Mir blieb der gewaltlose Widerstand gegen bestehendes Unrecht. So forderten mein Freund Dieter Wycisk und ich anlässlich eines Hungerstreiks am zuvor aufgestellten Mahnkreuz für den am 25.12.1963 ermordeten Paul Schulz (Thomaskirche/Mariannenplatz) bereits plakativ die UNO zum Handeln auf: „Wir brauchen die TAT!“

Holzapfel bei seinem Hungerstreik 1963/64 am Mauerkreuz für Paul Schulz an der Thomas-Kirche in Kreuzberg – Quelle: rbb-RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/gebet-und-mahnwache-fuer-mauertoten/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTY0LTAxLTA0VDE5OjMwOjAwXzBiMmEzZDcwLTJlNTQtNGNkNS1hODkzLTMzOTcwOWQ5OGU2YS9yZXRyb18xOTY0MDEwNF9nZWJldHVuZG1haG53YWNoZW1hdWVydG90ZQ/

Nach 60 Jahren Widmung der Familie

Für mich ist es Zeit, mich nach sechzig engagierten Jahren der nachdenklichen Rückschau zu widmen und die verbleibenden, vermutlich wenigen Jahre meiner lieben Frau, meiner Familie und den verbliebenen Freunden, von denen viel zu Viele schon diese Erde verlassen haben, zu widmen. Meinen Pflichten für die Vereinigung 17. Juni, der ich seit 1963 angehöre und deren Vorsitzender ich seit 2002 bin, werde ich – wie den bereits begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Initiativen (z.B. für das stiefmütterlich behandelte originäre Denkmal an den 17. Juni 1953 in Berlin-Zehlendorf) – selbstver- ständlich und so gut ich es vermag nachkommen. Schon jetzt bitte ich um Nachsicht, wenn  dies nach sechzig kraftzehrenden Jahren nicht mehr so, wie gewohnt, erfolgt oder erfolgen  kann.

Time to say goodbye
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* CWH wurde als „Mauerdemonstrant“ bekannt.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.683).

Berlin, 24.11.2021/cw – Der in Köln lebende Publizist und Verfasser div. Standard- werke über den Widerstand in der einstigen DDR, Karl Wilhelm Fricke (92), hat jetzt der Berufung in den Beirat der nach dem Volksaufstand begründeten Vereinigung 17. Juni 1953 zugestimmt. Zuvor war Fricke die bereits zu seinem 90. Geburtstag verliehene Goldene Ehrennadel übersandt worden, da die Corona-Pandemie die vorgesehene Übergabe an seinem Wohnort verhindert hatte. Das teilte der in Berlin ansässige Verein heute mit.

Karl Wilhelm Fricke mit Brille und Pullover
Neuer Beirat: Karl Wilhelm Fricke – Foto: M. Schönherr

Neben Fricke gehören dem Beirat der historischen Vereinigung aktuell bereits der ehem. Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, der Historiker Prof. Helmut Müller-Enbergs und der ehem. Bundesbankdirektor Prof. Horst Rudolf Übelacker an. Die Beirats-Mitglieder Heinrich Lummer, u.a. ehem. Bürgermeister von Berlin, Prof. Dr. Berthold Rubin, ehem. Ordinarius für Byzantinistik und Osteuropakunde Uni Köln, Prof. Emil Schlee, ehem. Flüchtlingsbeauftragter der Regierung von Schleswig-Holstein, Rainer Hildebrandt, Publizist und Begründer des Mauermuseums am Checkpoint Charlie und Dr. Wolfgang Ullmann, ehem. Bürgerrechtler und MdEP, sind bereits verstorben.

Im Fokus: Widerstand und politische Verfolgung

Fricke war nach seiner Entlassung aus politischer DDR-Haft bis zu seinem Ruhestand Mitarbeiter des Deutschlandfunks. Zuvor war er nach einer Denunziation 1949 aus der DDR geflüchtet und hatte in Wilhelmshaven, ab 1952 in Berlin Jura und Volkswirtschaft studiert. Neben seinem Studium arbeitete er bereits freiberuflich als Journalist. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag schon früh auf DDR-Themen und der Problematik politischer Verfolgung Andersdenkender. Der erste Artikel des engagierten Journalisten befasste sich mit den Waldheimer Prozessen. Für diese Arbeit suchte er schon früh Kontakte zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU/Rainer Hildebrandt), dem Berliner Büro des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen und zum Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen.

Schon früh war die DDR-Staatsicherheit auf diese Arbeit aufmerksam geworden. Schließlich wurde der „Staatsfeind“ in einer konspirativen Wohnung im April 1955 bewusstlos gemacht und im Kofferraum eines Pkw von West- nach Ost-Berlin verschleppt. 467 Tage wurde Fricke im Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert,  ehe er am 11. Juni 1956 vom 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR in Ost-Berlin »wegen Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der DDR« und »Kriegs- und Boykotthetze« zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Zunächst mußte die verhängte Strafe in Brandenburg-Görden absitzen, ehe er im August des Jahres nach Bautzen II verlegt wurde.

Nach strenger, von der Stasi angeordneter Isolation wurde Fricke Ende März 1959 nach West-Berlin entlassen. Seither arbeitete er wieder als Journalist und publizierte zahlreiche Bücher zur politischen Justiz und Staatssicherheit der DDR. Wie kaum ein  anderer Journalist berichtete Fricke jahrzehntelang über Opposition und Widerstand in der DDR, von 1970 bis 1994 als leitender Redakteur der Ost-West-Redaktion beim Deutschlandfunk. So war es nicht verwunderlich, das die Staatssicherheit Fricke bis zum Fall der Mauer beobachtete.

Gespendeter Preis nach Fricke benannt

1991 rehabilitierte das Landgericht Berlin den einst Verurteilten. Seit der Widervereinigung engagierte sich Fricke überdies in zahleichen Gremien, u.a. als sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des Bundestages zur Geschichte und den Folgen der SED-Diktatur. Schließlich wurde der engagierte Publizist 2001 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

2016 stiftete der ehemalige Fluchthelfer Dr. Burkhart Veigel einen mit 20.000 € dotierten Preis, der seither von der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur für „herausragendes Engagement für Freiheit, Demokratie und Zivilcourage“ verliehen wird. Die erste Verleihung erfolgte 2017 an Karl Wilhelm Fricke, nach dem der jährlich verliehene Preis benannt wurde.

V.i.S.d.P.: Vorstand Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.682).

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