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Cottbus/Hoheneck/Berlin, 12.09.2019/cw – Rund 50 Personen, angereist aus der ganzen Bundesrepublik, waren am vergangenen Wochenende einer Einladung in die Gedenkstätte des ehem. Zuchthauses in Cottbus gefolgt, um an der Enthüllung einer Informationstafel über das ehem. zentrale Frauenzuchthaus der DDR in Hoheneck (Stollberg/Erzgebirge) teilzunehmen. Im Rahmenprogramm des veranstaltenden Menschenrechtszentrums wurde eine Diskussion und Lesung angeboten: „Inhaftierte Frauen in Hoheneck – inhaftierte Männer in Cottbus – ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte“.

Zahlreiche ehem. Häftlinge warteten auf die Enthüllung der Tafel – Foto: LyrAg/RH

Trotz Ausreise-Zusage verhaftet

Die Tafel wurde im Wesentlichen von Elke Schlegel (*1958 Jena), einer ehemaligen Hoheneckerin, als die sich Insassen des ehemalige Frauenzuchthause heute bezeichnen, initiiert und gestaltet. Die ausgebildete Hotelfachfrau hatte zusammen mit ihrem späteren Ehemann seit Anfang der 80er Jahre mehrfach Ausreiseanträge gestellt und dabei um Hilfe bei Verwandten im Westen und bei der Botschaft der Bundesrepublik nachgesucht. Um dieses Vorhaben zu beschleunigen, demonstrierte sie regelmäßig mit Regimegegnern des „Weißen Kreises“ in Jena. Obwohl ihr einige Tage zuvor mitgeteilt worden war, dass die Genehmigung zur Ausreise unmittelbar bevorstünde, und wurde sie im März 1983 verhaftet. Wegen „ungesetzlicher Verbindungsaufnahme“ zu einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und nach Hoheneck verbracht, wurde Elke Schlegel schließlich wegen Haftunfähigkeit im September 1984 von der Bundesrepublik freigekauft.

Die Verbindung zwischen den beiden Haftanstalten ergab sich aus der Tatsache, das die Ehemänner der in Hoheneck einsitzenden Frauen zumeist ihre ebenfalls aus politischen Gründen auferlegten Strafen in Cottbus absitzen mussten.

Initiatorin Elke Schlegel (li) und Dieter Dombrowski enthüllten die Info-Tafel – Foto: LyrAg/RH

Nach einer kurzen Ansprache des Vereinsvorsitzenden Dieter Dombrowski rief Elke Schlegel zu einer Schweigeminute „für die vielen schon von uns gegangenen tapferen Frauen aus Hoheneck, deren Stimmen, die vertraut waren, schweigen“ auf. „Menschen, die immer da waren, sind nicht mehr. Was bleibt, sind dankbare Erinnerungen, die niemand nehmen kann. Ihr fehlt“, sagte Schlegel sichtlich bewegt. Die Aufstellung der Tafel begründete Schlegel u.a. wie folgt:

Deutsche Einheit nicht ohne Europäische Freiheitsbewegung

Durch die friedliche Revolution in der DDR ist das Tor zur deutschen Einheit aufgestoßen worden. Der Fall der Berliner Mauer machte das Jahr 1989 zu einem der entscheidendsten Jahre in der deutschen Geschichte. Es war der Drang nach Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, nach freien Wahlen, der die Menschen antrieb, Mauern zu überwinden. Die Deutsche Einheit wäre aber nicht möglich gewesen, ohne die europäischen Freiheitsbewegungen. Das Niederreißen der Mauer, demokratische Wahlen und die deutsche Wiedervereinigung waren nicht nur Ergebnis dieses einen Tages, sie waren das Ergebnis eines langen Prozesses.“

Die Übernahme von Elementen aus dem „Mauer-Stein“ von Heidelore Fritsch (2009) blieb leider unerwähnt – Foto: LyrAg/RH

Dieser Prozess hätte bereits 1945 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone begonnen und sich nach Gründung der DDR fortgesetzt. In allen gesellschaftlichen Bereichen sei aus unterschiedlichen Gründen, z.B. durch die Zwangs-Kollektivierung, die Verfolgung der christlichen Kirchen oder der zunehmenden Militarisierung eine Opposition entstanden. Wer „sich daran beteiligte, musste mit politischer Verfolgung und harten Strafen rechnen, viele erlitten Haft und erhebliche Nachteile, einige kostete es das Leben.“

Besonders groß sei der Widerstand junger Menschen gewesen, die ihre Freiheit forderten. Diese Unzufriedenheit der Menschen mit dem SED-Regime „zeigte sich insbesondere im Volksaufstand vom 17.Juni 1953 und der Massenflucht von fast 4 Millionen Menschen.“ Gefängnishaft wurde zu einer der Extremerfahrungen.

Mit Kriminellen und KZ-Wärterinnen eingesperrt

„Die Inhaftierten waren durch Isolierung, Verunsicherung und Demütigung den Vernehmern und Wachhabenden schutzlos ausgeliefert. Die Geräuschkulisse, das Zuschlagen der Zellentüren, das quietschende Öffnen der Essensklappen, das Klappern der Schlüssel oder die nächtlichen Klopfzeichen, mit denen sich die Häftlinge von Zelle zu Zelle verständigten, führen heute noch zu Flash Backs.“ Beklemmende Eindrücke des in Stollberg im Erzgebirge befindliche ehemaligen Frauenzuchthauses könnten auf der Info-Tafel nicht wiedergegeben werden, aber der kurze Text könne dem Leser vermitteln, wie man dort gefangen gehalten wurde, wie man „den Schikanen des Wachpersonals ausgeliefert, wie katastrophal die hygienischen Bedingungen, die medizinische Versorgung und die tägliche Verpflegung waren.“

Der „Mauerstein“ 2009 der ehem. Hoheneckerin Fritsch vor der Haftanstalt, bevor er vor dem Brandenburger Tor stand
– Foto: LyrAg/RH

Schlegel erinnerte an die zusätzliche Belastung durch die Einsperrung „mit schwerstkriminellen Frauen, darunter auch KZ Aufseherinnen“ aus der NS-Zeit, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten. „Als Monster und Mörderburg mit hohen Mauern, Elektrozaun und Stacheldraht, aus dem zu DDR Zeiten niemandem die Flucht gelang, wird Hoheneck umschrieben.“ Jede Frau, die dort politisch inhaftiert gewesen sei, hatte und hat neben dem eigenen Schicksal „viele Leiden und langzeitliche Spätfolgen“ zu ertragen und zu verkraften.

Auch auf den bestehenden Zusammenhang zwischen den  ehemaligen männlichen politischen Gefangenen von Cottbus und den weiblichen politischen Gefangenen von Hoheneck ging Elke Schlegel ebenfalls kurz ein. „Die Zahl der Cottbus-Hoheneck-Paare (nicht nur Ehepaare) liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit über 100, als obere Grenze werden sogar 500 betroffene Paare vermutet.“. Somit hätte sich aus ihrer Sicht im Menschenrechtszentrum Cottbus die Möglichkeit angeboten, an das Frauenzuchthaus Hoheneck mit einer Informationstafel zu erinnern. Diese Tafel solle „ein fester Bestandteil deutscher Erinnerungskultur“ sein und an die Überwindung der SED-Diktatur und ihrer Opfer erinnern.

Mit einem Appell schloss Schlegel ihre bewegende mit Beifall bedachte Ansprache: Alle ehemaligen Hoheneckerinnen seien aufgerufen, in dem ehemaligen Zuchthaus Hoheneck die Errichtung eines Ortes „des würdigen Gedenkens und der erinnernden Wegweisung für zukünftige Generationen“ zu unterstützen.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 176-48061953 (1.472).

Cottbus/Hoheneck/Berlin, 30.08.2019/cw – Das Menschenrechtszentrum Cottbus lädt am Samstag, 7. September, um 14:00 Uhr zur Einweihung einer Gedenktafel an das Frauenzuchthaus Hoheneck (Stollberg/Erzgebirge) im Hof der Gedenkstätte (Bautzener Straße 140, Cottbus) ein. Eine Diskussion und Lesung im Menschenrechtszentrum wird im Rahmenprogramm angeboten: „Inhaftierte Frauen in Hoheneck – inhaftierte Männer in Cottbus – ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte„.

Hoheneckerin“ war bis 1989 Synonym für politisch inhaftierte Frauen im größten Frauengefängnis der DDR in der sächsischen Kleinstadt Stollberg. Frauen, die lediglich ihre Menschen- und Freiheitsrechte in Anspruch nahmen, mussten zusammen mit Gewaltverbrecherinnen, Mörderinnen und sogar KZ-Aufseherinnen aus der NS-Zeit mehrere Jahre Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen ertragen. Wie alle Häftlinge in der DDR mussten sie in der Haft arbeiten, in Hoheneck sogar im Dreischichtsystem. Sie produzierten Strümpfe für ESDA Thalheim oder Bettwäsche für Planet Eppendorf, die diese Produkte in die Bundesrepublik exportierten. Für ihre Zwangsarbeit bekamen sie aber nur so viel Geld ausbezahlt, das gerade einmal für Zahnpasta, Seife und andere Toilettenartikel ausreichte. Für 24 bis 42 Gefangene gab es im zwischen zwei Sammelzellen liegenden Sanitärraum über einem Viehtrog sechs Wasserhähne, nur mit kaltem Wasser. Zwei Toiletten ohne Sichtschutz standen den Hoheneckerinnen zur Verfügung.

In den Berichten ehemaliger gefangener Frauen wird mehrfach eine Wasserzelle im Keller erwähnt, in der mit Extra-Strafen belegte Frauen im kalten Wasser und ihren Fäkalien über längere Zeiten stehen mussten.

Das Menschenrechtszentrum begründet die Einweihung der „Hohenecker Erinnerungstafel“ in Cottbus damit, das zwischen den beiden Gefängnissen in Hoheneck und in Cottbus bestand ein enger Zusammenhang bestand. Während aus politischen Gründen verfolgte Frauen häufig in Hoheneck inhaftiert waren, verbüßten ihre Ehemänner ihre Haftstrafe oft im Zuchthaus Cottbus. So auch Elke und Thomas Schlegel: „Mein Mann und ich wurden verhaftet, nur um wie Frischfleisch verkauft zu werden“, erklärt die ehemalige Hoheneckerin und Initiatorin der Gedenktafel, Elke Schlegel. Fünf Monate und 24 Tage war Schlegel in Hoheneck inhaftiert, während ihr Mann sieben Monate Haft in Cottbus absitzen musste.

Für den West-Verkauf hinter Gitten produziert: „Esda“-Strümpfe aus Hoheneck – Foto: LyrAg

Die Eheleute hatten bereits 1984 eine Ausreisegenehmigung erhalten und saßen buchstäblich auf gepackten Koffern, als die DDR-Behörden die Ausreisegenehmigung zurückzogen und die Staatssicherheit das Ehepaar verhaftete. Schon einige Zeit zuvor gibt es Hinweise darauf, dass die DDR Anfang der 1980er Jahre Häftlinge „produzierte“, um ihre drohende Zahlungsunfähigkeit auch mit den Devisenerlösen aus dem Verkauf politischer Häftlinge an die Bundesrepublik abzuwenden.

Nach der Einweihung der Gedenktafel findet ab 15:00 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Betroffenen und Experten statt. Als Betroffene wird Christel Kurth, die 1984 in Hoheneck inhaftiert war, von ihren Erlebnissen in der Haft berichten. Zur gleichen Zeit saß ihr Mann Claus in Cottbus ein. Der Historiker Sebastian Lindner, der über das Frauenzuchthaus Hoheneck seine Dissertation schrieb, wird sich zur historischen Einordnung der Haftanstalten äußern. Über den aktuellen Stand der im Aufbau befindlichen „Gedenkstätte Frauenzuchthaus Hoheneck“ wird Bianca Eichhorn von der Stadt Stollberg berichten.

Ihren Abschluss findet die Veranstaltung mit der Lesung von Barbara Große aus ihrem Buch „Aus der DDR-Diktatur in die Mainzer Freiheit“, geplant ab 17:00 Uhr. Barbara Große war 1983-1984 wegen „landesverräterischer Agententätigkeit“ für 2,5 Jahre in Hoheneck inhaftiert, bevor sie im März 1984 von der Bundesrepublik freigekauft wurde.

Der Eintritt in die Gedenkstätte und zu den Veranstaltungen ist am 7. September frei. Fragen in diesem Zusammenhang können direkt an die Geschäftsführung, Frau Sylvia Wähling, Tel: 0049-355-290133-0 (Durchwahl-12), Fax: 0049-355-290133-33, über Mobil 0172-3474179 oder per Email sylvia.waehling@menschenrechtszentrum-cottbus.de gerichtet werden.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.470).

 

Kaßberg/Berlin, 14.08.2019/cw – Nicht nur der Veranstalter, die Freie Presse, war von dem großen Interesse überrascht. Auch Jürgen Renz vom Verein Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis war tief beeindruckt: Ganze 2.400 Besucher wurden am vergangenen Samstag gezählt. Eingeladen ins einstige Gefängnis auf dem Kaßberg hatte im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Unentdeckte Orte“ die Zeitung.

Vor der geplante Umgestaltung des weithin bekannten Gefängniskomplexes zu einem neuen Wohnstandort wollten die Besucher die vorerst letzte Möglichkeit der Besichtigung des historischen Ortes nutzen. Neben Miet- und Eigentumswohnungen auf dem bisherigen von der Vergangenheit belasteten Gelände soll auch eine Gedenkstätte entstehen.

Bereits mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 war auch Kaßberg zu einem weiteren Synonym für politische Verfolgung und Unterdrückung der Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Anstalt geworden. Auch diesem Aspekt soll die künftige Gedenkstätte Rechnung tragen: Die Zeit der NS-Herrschaft soll ebenso erinnert werden wie die Zeit der sowjetischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei würde ausführlich auch der größtenteils über das Kaßberg-Gefängnis abgewickelte Freikauf mehrerer zehntausend politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik ab den 1960er-Jahren dargestellt werden. Nach Auskunft von Dr. Steffi Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Vereins, sei für jeden dieser drei Zeitabschnitte eine Ausstellungsetage vorgesehen.

Kritik: Erkennbare Diffusion in Gedenkstättenpolitik

Die euphorische Stimmung einiger Beteiligter über die bevorstehende Umsetzung des vorgesehene Konzeptes wird allerdings nicht überall geteilt. So kritisiert Tatjana Sterneberg, einstige Insassin des größten und fast benachbarten DDR-Frauenzuchthauses Hoheneck, die ihrem Freikauf ebenfalls in Kaßberg entgegen gefiebert hatte, die „für Unbeteiligte nicht sofort erkennbare Diffusion in der Gedenkstättenpolitik des Landes Sachsen.“ Es fehle an einer konsequenten und erkennbaren Gesamtkonzeption der Erinnerungspolitik. Sterneberg hatte als engagierte Vertreterin der ehemaligen Hoheneckerinnen bereits Ende 2011 für Hoheneck ein Konzept vorgelegt, in das „auch Kaßberg aus naheliegenden Gründen organisch einbezogen worden war.“ So sollte Hoheneck als zentraler Gedenkort entstehen, in den Kaßberg als „systembezogenes Element der politischen Verfolgung von Gegnern der DDR und als Zentrum einer entwickelten Kommerzialisierung des Verkaufs von Menschen“ einbezogen werden sollte. Stattdessen hätten sich offenbar sachfremde Interessen durchgesetzt, denen die Schaffung „möglichst vieler und lukrativer Positionen“ auf der Basis durchaus vorhandener lokaler Befindlichkeiten wichtiger war, als die Begründung einer funktionierenden und wissenschaftlich attraktiven Gedenkstättenkultur in diesem Raum,“ kritisiert Sterneberg.

Kritikerin Tatjana Sterneberg, hier in der Ausstellung „Der Dunkle Ort“ im Potsdam (Landtag/2015).
Foto:LyrAg

Die einstige Hoheneckerin hatte seinerzeit erstmals einen Bundespräsidenten, Christian Wulff, zu einem Besuch in Hoheneck bewegt und sich seither unermüdlich für eine seriöse Umsetzung der in Hoheneck von Wulff angeregten Gedenkstätte eingesetzt. Sie fühle sich an die unendliche Geschichte des Berliner Flughafens Schönefeld erinnert, wenn sie die schleppende Umsetzung einer würdigen Gedenkstätte in Hoheneck verfolge, sagt die Berlinerin. So sei die Eröffnung einer Gedenkstätte im einstigen Frauenzuchthaus bereits mehrmals und inzwischen um Jahre verschoben worden, „während andere Nutzungen, die kommerziell verwertbar sind, offensichtlich Prioritäten haben.“

Immobilienunternehmen sichert Denkmalschutzabschreibungen

In Kaßberg sei dies wohl auch so, wenn man die Begleiterscheinungen „wenn auch aus der gegebenen Ferne“ verfolge. So sei immerhin ein Drittel des Beitrages des Veranstalters in seiner Zeitung über Kaßberg dem Projekt des Chemnitzer Immobilienunternehmens Cegewo gewidmet. Dessen Konzept „Neuer Vorderer Kaßberg“ sehe barrierefreie Miet- und Eigentumswohnungen auf dem Gelände vor. Und Anja Ramirez Cutiño, zuständig für den Vertrieb, wird zitiert: „Der Verkauf hat bereits begonnen.“ Und natürlich, darüber wundert sich Sterneberg dann nicht mehr, soll durch den zeitnahen Kauf Interessenten ermöglicht werden, frühzeitig Denkmalschutzabschreibungen in Anspruch zu nehmen. Selbstverständlich werden diese Abschreibungen unterfüttert durch die geplanten Sanierungen des Altbaubestandes. Welche Teile des ehemaligen Strafvollzuges davon betroffen sind, wird in der Freien Presse zumindest bei dieser Gelegenheit nicht näher erläutert. Immerhin sind mehrere neue Stadtvillen, Stellplätze und Tiefgaragen geplant. „Bei der Umsetzung wird dem Architekturstil des Kaßbergs Rechnung getragen,“ so die Vertriebsleiterin. „Umlaufende Grünflächen sollen teils parkähnlich gestaltet werden.“

Ehemalige Kaßberg-Insassen und ehemalige Hoheneckerinnen dürfen sich also auf parkähnliche Grünflächen freuen und sich dort auf Erinnerungen besinnen, die vielleicht auch einen angemessenen Niederschlag in den Etagen einer bisher noch nebulösen, wohl hinter kommerziellen Interessen und ansehnlich wirkenden Neubauten verborgenen Gedenkstätte finden werden.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.462).

Ein Nachruf von Elke Schlegel*

7. August 2019/es – Am 25. Juli 2019 erlag Rosel Werl einer unbesiegbaren Krankheit. Gekämpft hat sie bis zum bitteren Ende. Das Leben ist vergänglich, doch die Liebe, Achtung und Erinnerung bleiben für immer.

Am 31. März 1951 wird sie in Thüringen in Altersbach geboren. Sie wächst bei Pflegeeltern auf. Erlernt den Beruf einer staatlich geprüften Sekretärin. Im Urlaub in Ungarn 78 lernt sie ihre große Liebe kennen. Er jedoch kommt aus Baden-Württemberg in der damaligen Bundesrepublik, ist also ein Staatsfeind der DDR. Nach dem Tod der Pflegemutter stellt sie ab 1981 Ausreiseanträge.

Heimliche Treffen mit ihrem Freund werden von der Stasi abgehört und bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung wird ihr Tagebuch gefunden. Die intimen Notizen reichen aus um Rosel Werl 1982 zu 2 Jahren und 3 Monaten wegen landesverräterischer Nachrichten-übermittlung nach § 99 des StGB zu verurteilen. Im August 83 wird sie freigekauft und kommt über das Lager Giessen nach Weil, in die Stadt in der ihr Freund lebt. Die Beiden heiraten 1984 und 1985 wird ihr Sohn geboren.

Seit 1987 war sie Mitglied der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) und 1990 tritt sie in den Frauenkreis ehemaliger Hoheneckerinnen ein. Ab 2004 ist sie Mitglied im DDR- Museum Pforzheim, einem Lernort für Demokratie.

In dem Buch „Der dunkle Ort“ wurde sie als eine der 25 Frauenschicksale aus dem DDR-Frauenzuchthaus von Dirk von Nayhaus und Maggie Riepl porträtiert. Es war ein dunkler Ort, das Frauenzuchthaus Hoheneck und in dem Buch werden 25 Biografien gegen das Vergessen eines dunklen Kapitels deutscher Geschichte erzählt.

Seit 2004 arbeitete sie außerdem im Stiftungsbeirat der Stiftung sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft mit, damit Hoheneck eine würdevolle Gedenkstätte wird. Hoheneck wurde für sie zu einer Lebensaufgabe. Gemeinsam mit Vereinsmitgliedern der VOS, Benno Prieß und Heinz Lorenz als ehemalige Häftlinge von Sachsenhausen, Bautzen und Waldheim, mit Maria Stein und Margot Jann, ehemalige Hoheneckerinnen, suchte Rosel nach den Namen der Toten von 1950 bis 1954.

In den Unterlagen des Krematoriums wurden Listen und auf dem Dachboden von Hoheneck Urnen gefunden. 136 unschuldig zu Tode gekommene Männer, Frauen und Kinder, die anonym 1957 verscharrt worden waren, bekamen am 28. Februar 2019 am Ehrengrab im Urnenhain 18 eine Namenstafel.

Rosel in ihrer Rede am Grabstein: „Mir geht es darum, dass die hier bestatteten Toten unvergessen bleiben, uns nachfolgenden Generationen Mahnung sind, dass sich solches Unrecht niemals wiederholt. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, der Jugend an diesen Schicksalen den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie vor Augen zu halten.“

Mit dem Tod von Rosel Werl verlieren wir eine aufrechte Kameradin, die seit ihrer Übersiedlung in den Westen bis fast zuletzt als kompetente Zeitzeugin, die den Unrechtsstaat DDR leibhaftig erlebte, an zahlreichen Schuleinrichtungen unterwegs war.

Um das Vermächtnis von Rosel und den vielen schon von uns gegangenen Frauen zu erfüllen, liegt es nun in unserer Hand, auf dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses einen Ort des würdigen Gedenkens und erinnernder Wegweisung für zukünftige Generationen zu errichten. Ehemalige Hoheneckerinnen haben gemeinsam schon ein verbindliches Logo entworfen. Für dieses Logo war es für Rosel noch nicht zu spät, aber zur Eröffnung der Gedenkstätte Frauenzuchthaus Hoheneck wird sie nun nicht dabei sein.

Eine Stimme, die vertraut war, schweigt. Ein Mensch, der immer da war, ist nicht mehr. Was bleibt, sind dankbare Erinnerungen, die niemand nehmen kann. Du fehlst.

* Die Autorin (*1958) war von 1983-1984 selbst Insassin im Frauenzuchthaus Hoheneck

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.454).

Weil der Stadt/Berlin, 30.07.2019/cw – Heut erreichte uns die traurige Nachricht von ihrem Ableben: Rosel Werl, *1951 † 25.07.2019. Auch sie hat den Kampf mit dem tückischen Krebs verloren.

Bis zuletzt stand die Aufrechte an der Seite ihrer Kameradinnen aus dem berüchtigten DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck, in dem auch sie nach vergeblichen Ausreiseanträgen einen Teil ihres Lebens verbringen mußte. Noch Februar d.J. wohnte sie trotz ihrer Krankheit der maßgeblich von ihr betriebenen Einweihungsfeier für eine Gedenktafel auf dem Friedhof in Chemnitz bei. Die Namenstafel erinnert an die 136 Menschen, die zwischen 1950 und 1954 in den DDR-Haftanstalten Waldheim und Hoheneck verstarben und anschließend anonym beigesetzt wurden. Nach dem Ende der DDR waren auf dem Boden der Kapelle Urnen mit sterbliche Überresten von Frauen aus Hoheneck gefunden worden, denen das DDR-Regime eine letzte Ruhe verweigert hatte.

Führung in Hoheneck: Rosel Werl (1..v.re) 2013 – Foto: LyrAg

Der Liebe wegen wollte sie die DDR verlassen

Die in Altersbach/Thüringen geborene Rosel Werl machte nach dem Besuch der zehntklassigen gen Polytechnischen Oberschule (1957 – 1967) eine Ausbildung zur Industriekauffrau und war danach als Materialsachbearbeiterin tätig. Während eines Urlaubs in Ungarn lernte die Thüringerin 1978 einen Mann aus Westdeutschland kennen und verliebte sich in ihn. Mehrere Ausreiseanträge, die sie ab 1981 stellte, um den geliebten Mann heiraten zu können, wurden abgelehnt. Auch Hilferufe in Form von Schreiben an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin, das Ministerium für Innerdeutsche Beziehungen in Bonn, den bekannten Ost-West-Vermittler und Rechtsanwalt Wolfgang Vogel sowie den damaligen Innenminister der DDR blieben ohne Ergebnis.

Wegen des Vorwurfs „landesverräterischer Nachrichtenübermittlung“ wurde die jetzt Verstorbene schließlich im Juni 1982 verhaftet und zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach dem Urteil wurde sie nach Hoheneck transportiert. Im August 1983 konnte sie bereits von der Bundesrepublik freigekauft werden. Rosel Werl wählte als neue Heimat Baden-Württemberg, wo sie 1984 endlich heiraten konnte. 1985 brachte sie ihren Sohn zur Welt und war danach bis zu ihrem Ruhestand (2016) in vielen Bereiche als Sekretärin tätig.

Im Buch „Der dunkle Ort“ wurde auch die Haft von Rosel Werl (Auf dem Cover unten, von re. an zweiter Stelle) beschrieben.

Nachdem Werl bereits 1987 dem seinerzeit größte und ältesten Opferverband, der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) beigetreten war, zögerte sie nicht, 1996 dem gegründeten Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen beizutreten. Hier war sie bis zum unerwarteten Zerwürfnis der Frauen im Vorstand tätig und bis zuletzt bemüht, die geschrumpfte Anzahl einstiger engagierter Mitglieder zusammenzuhalten.

Mit Rosel Werl verliert die Opfer-Szene der DDR/SED-Diktatur einen weiteren wichtigen Menschen in dem noch nicht beendeten Kampf um Anerkennung und Rehabilitierung erlittener Leiden. Mit ihr hat uns eine Unentwegte verlassen, die nie an ihrer persönlichen Verantwortung für Jene gezweifelt hat, die auf die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Institutionen mangels eigener Möglichkeiten angewiesen waren.

Wir haben Rosel Werl um 2008 als eine engagierte, wenn auch stets bescheiden auftretende Frau kennen und schätzen gelernt. Wir werden sie nicht vergessen.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 176-48061953 (1.444)

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