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Weihn.BotschaftHausFassade 049Berlin, 29.12.2012/cw – Nach dem Tod einer 23jährigen  Medizinstudentin aus Indien fanden sich vor der Indischen Botschaft in der Berliner Tiergartenstraße 17-18 erste Berliner ein, um still ihre Aneilnahme und Trauer um den Tod der jungen Inderin zu bekunden. Diese war von sechs Männern vor knapp zwei Wochen in einem öffentlichen Bus zusamen mit ihrem Freund zunächst schwer mißhandelt und danach mehrfach vergewaltigt worden. Die Frau war  zur weiteren Behandlung nach Singapur geflogen worden, wo sie trotz intensiver Bemühungen  des medizinische Personals ihren schweren Verletzungen in den heutigen Morgenstunden (MEZ) erlag.

Nicht nur in Indien hatte diese Tat Empörung und Entsetzen ausgelöst. In Indien selbst forderten tausende Demonstranten eine Abkehr vom bisher gepflegten archaischen Denken gegenüber den Frauen, die im Bewußtsein der männlich dominierten Bevölkerung noch immer vielfach den Rang der dem Mann unterworfenen Verfügungsmasse einnehmen. Nun hoffen besonders junge und aufgeklärte Inder auf eine Änderung der Denkweise in der indischen Gesellschaft, während die Regierung vorerst um eine Schadensbegrenzung bemüht ist. So werden infolge des Todes der jungen Medizinstudentin Unruhen und Ausschreitungen befürchtet.

Tatjana Sterneberg, einst selbst Opfer brutaler Gewalt, wenn auch durch staatliche Stellen in der einstigen DDR, zeigte sich tief erschüttert, als sie in den Abendstunden zusammen mit Freunden vor der Botschaft in Berlin Rosen niederlegte und eineKerze zum Gedenken anzündete. Auf einem mitgebrachten Plakat zitiert sie Mahatma Gandhi: „Wo Liebe wächst, gedeiht Leben – wo Hass aufkommt droht Untergang.“ und: „Ich glaube an die Gewaltlosigkeit als einziges Heilmittel.“ Die Berlinerin: „Wir trauern mit den Menschen einer stolzen Nation. In dieser zweifellos schweren Phase sollten sich die Menschen erneut und verstärkt an ihren großen Freiheitshelden Mahatma Gandhi erinnern, der mit seiner bewußten Absage an Rache und Gewalt seine Nation in die Unabhängigkeit geführt habe. Den Kampf um die Unabhängigkeit Indiens hat Gandhi gewonnen, der Kampf um die Freiheit der Frauen muss noch gewonnen werden. Dafür sind die Lehren und Worte Gandhis auch 53 Jahre nach seinem Tod überzeugend und hilfreich. „

Trauer - auch in BerlinFoto: LyrAg

Trauer – auch in Berlin
Foto: LyrAg

Das Plakat durfte Sterneberg hinter der Glasscheibe der Pförtnerloge platzieren, um die plakative Botschaft vor den Unbilden des Wetters zu schützen. Still steht die Gruppe um die bislang vier Rosen und zwei Windlichter  vor der Indischen Botschaft im Berliner Bezirk Tiergarten. Eine stille Demonstration der Anteilahme und Solidarität mit den bestürzten und trauernden Menschen im fernen Indien.

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: Tatjana Sterneberg, 030-30207778

Berlin, Weihnachten  2012/cw – Unter dem vorgenannten Titel veröffentlichte der bayerische Pfarrer Friedrich Winter im Eichenauer Gemeindebrief (Juni 1987), dessen Redaktionsteam ich von 1973 bis 1988 angehörte, folgenden bemerkenswerten  Artikel. Die Weihnachts-feiertage sollten uns die Möglichkeit geben, über die auch hier kontrovers ausgeführte Debatte um unsere christliche Positionierung zu anderen Religionen,  hier besonders des Islam (Zitat: „Allah ist eine Erfindung und Mohammed sein falscher Prophet„.), in friedlicher Gelassenheit nachzudenken.

Carl-Wolfgang Holzapfel

„KISMET – SCHICKSAL – GOTTES WILLE?

Schon die Religionsbezeichnung „Islam“ ist kennzeichnend für die Grundhaltung der gläubigen Moslems: Sie bedeutet Gehorsam gegenüber Gott, Unterwerfung unter seinen Willen. Der Gläubige sucht seinen inneren und äußeren Frieden, sein diesseitiges Glück und sein jenseitiges Heil durch Ergebung in Gottes allmächtigen  Willen zu sichern. Damit ist die grundsätzliche Einstellung zum Leid, zu den Übeln und Schicksalsschlägen des Lebens  schon angedeutet: Alles Widrige ist in Ergebenheit hinzunehmen, es ist Gottes Wille, der so viel höher ist als der Mensch, daß es keinem zukommt, Fragen zu stellen oder gar Gott anzuklagen. So wird Leid hingenommen, oft ohne zu versuchen, ob nicht der Mensch von Gott her Möglichkeiten hat, Not zu lindern und Leid zu verringern. Damit ergibt sich die Haltung, das Schicksal fast klaglos hinzunehmen: „Kismet“ – Gottes Fügung, beinahe verstanden als willenlose Ergebung in ein blindes, undurchschaubares Schicksal. Diese Haltung darf nicht nur negativ gesehen werden, sie ähnelt auch dem Verhalten Hiobs: „Der Herr hat´s gegeben, der Herr hat´s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“ (Hiob 1,21). Sollten nicht auch wir machmal mehr Ergebung in Gottes Willen zeigen, die wir doch oft nach schlimmen Erfahrtungen mit Gott zu rechten beginnen: „Wie kannst du das zulassen?“

Gegenüber   e i n e m  Leiden und Tod hat freilich der Moslem keinerlei Verständnis: Die Passon und der Kreuzestod Jesu sind ihm völlig unverständlich und sinnlos. Jesus ist zwar auch für den gläubigen  Moslem ein  wichtiger Prophet, er kennt ihn als „Jesus, Sohn der Maria“ aus dem Koran. Aber sein Tod wird strikt abgelehnt. Ein anderer ist an Jesu Stelle damals gestorben. Und vor allem: Es gibt im Islam keine Erlösung; jeder wird beurteilt nach dem, was er zu verantworten hat. So ist das Leiden für die Moslems letztlich nur eine Prüfung zur Läuterung des Glaubens und der Ergebung in den Willen Gottes. Wer dabei stark bleibt, wird im Endgericht belohnt. Ein Leiden für einen anderen ist unmöglich.

Albrecht Dürer "Heilige Familie mit Kaninchen", Holzschnitt 1496/97

Albrecht Dürer „Heilige Familie mit Kaninchen“, Holzschnitt 1496/97

Wir Christen versuchen, von der Bibel her das Leid zu verstehen und auszuhalten. Die Übel und das Leid in der Welt sind von daher Zeichen, daß unsere Welt nicht in Ordnung ist. … Seit Christus wissen wir freilich, daß das Leid, das einen Menschen trifft, nicht Ausdruck der Strafe ist, die speziell er auf sich gezogen hat. Nicht der Einzelne muß die Schuld bei sich suchen, sondern im großen Mensch-heitszusammenhang ist Leid auch Prüfung wegen der Schuld, Läuterung des Glaubens, Zeichen zur Umkehr. Das Verhalten dem Leid gegenüber ist vom Alten Testament her auf der einen Seite Ergebung in Gottes Willen, auf der anderen Seite vom Neuen Testament her auch Kampf gegen das Leid, gegen die Übel der Welt, gegen alle ungerechten und unmenschlischen Zustände: Wie Jesus durch sein Wunder das Leid besiegt hat, so sollen auch wir, soweit unsere Kräfte reichen, Leid verringern helfen in Jesu Nachfolge. …“

© 1987 Gemeindebrief Eichenau

Zusammenfassend ist die Vertiefung in den Glauben anderer Religionen hilfreich, um den eigenen Glauben zu ergründen und durchaus neu zu erfahren. Statt vom Thron der Allwissenheit die eigene Überzeugung als das Maß aller Dinge hinzustellen, sollten wir uns in Demut gegenüber anderen Denkweisen üben. In der Politik nennt man das Toleranz, die manchmal auch der Religion, gleich welcher Ausrichtung, gut anstände.

Der Weg zum Glück ist vielfach näher, als wir glauben. Wir müssen ihn nur finden:

Atemzug2012_NEW_0001

In diesem Sinne wünsche ich allen Freunden, Kritikern, Gegnern und auch selbsternannten „Feinden“ eine friedliche und fröhliche Weihnacht.

V.i.S.d.P.: C.W. Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953

Berlin, 19.12.2012/cw – Er war Jahrzehnte das Markenzeichen des Veteranen-verbandes vom 17. Juni 1953, führte den Verein bis zu seinem Tod vor genau zehn Jahren: Manfred Plöckinger. Heute wird die Vereinigung um 12:00 Uhr auf dem Friedhof Seestraße ihres einstigen Vormannes gedenken.

Erinnerung an einen unermüdliche Kämpfer für die deutsche Einheit

Erinnerung an einen unermüdliche Kämpfer für die deutsche Einheit

Dabei wollte Plöckinger unbedingt noch den 50. Jahrestag des Volksaufstandes erleben, nach dem Staatsakt auf dem Friedhof Seestraße das Amt an seinen Stellvertreter Holzapfel abgeben, mit dem er Jahrzehnte eng zusammengearbeitet hatte. Es war dem einstigen streikenden Bauarbeiter an der Stalinallee nicht vergönnt. Wenige Monate vor dem 60. Jahrestag wird sich der Vorstand seines einstigen Vorsitzenden erinnern.

Anzeige zur Beisetzung in  Berlin am 17. Juni 2005

Anzeige zur Beisetzung in Berlin am 17. Juni 2005

Sein Nachfolger erinnert sich: „Ich bereitete mich gegen  Mittag des 19. Dezember auf die Beisetzung meiner Stiefmutter vor, die einem schweren Krebsleiden erlegen war. Mein  Handy klingelte, am Telefon Carola Plöckinger. Instinktiv wußte ich: Manfred ist tot. Denn der schwer an Diabetes Erkrankte hatte bereits einige Tage im Koma in einem  Passauer Krankenhaus gelegen. Trotzdem war das für uns, für seine Kameraden ein  Schock, das Ende einer Ära.“

2005, am 17. Juni, wurde die Urne Plöckingers nach der Überführung aus  Bayern in Berlin beigesetzt. Der Berliner Senat hatte einstigen Teilnehmern am Volksaufstand die Möglichkeit eingeräumt, auf zwei eigens zur Verfügung gestellten  Ehrengräbern der Stadt Berlin beigesetzt zu werden.
Neben Plöckinger ruht bislang Günter Mentzel, ebenfalls einstiger Bauarbeiter an der Stalinallee. Mentzel wurde am 17. Juni 2007 beigesetzt.

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Tel.: 030-30207785

Berlin, 12.12.2012/cw – Vorausgeschickt: Der Roman ist die Langform der schriftlich fixierten Erzählung. Die Autobiografie beschreibt das Leben des Autors. Ein Sachbuch will ein bestimmtes Sachthema für ein unwissendes oder bereits vorgebildetes Publikum darstellen.

Edda Schönherz, („Eine begehrte Fernsehmoderatorin begehrt auf.“), hat in den letzten Wochen und damit pünktlich zur Weihnachtszeit ihr broschürtes Buch „Die Solistin“ als Roman vorgelegt. Auf 205 Seiten (ohne mehrseitige Fotos und Dokumente) schildert die „Zeitzeugenreferentin für politische Bildung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen“ ihr bewegtes Leben zwischen dem magischen Möbel  der Besetzungs-Couch („Kommt man einmal darauf zu „liegen“, kommt man nicht mehr davon frei. Man klebt fest.“), der Reise nach Ungarn, die ihr Leben veränderte und dem neuen Karriere-Start im  Bayerischen Fernsehen.

CoverDieSolistinDa die Autorin auf dem Cover ihr Schreiberzeugnis selbst als Roman bezeichnet, brauchte man über die Frage nach geschichtsbewusster Wahrhaftigkeit eigentlich nicht nachzudenken. Der Inhalt wie die beigefügten Dokumente belegen dann aber eher eine vorgelegte Autobiografie, unterlegt mit teils ausführlichen Anmerkungen, die wiederum einem Sachbuch gut zu Gesicht ständen. Bleiben wir bei dem ausgewiesenen Roman.

Bei aller Freiheit ist hier aber die dreiste Abweichung von historischen Abläufen durch Behauptungen zumindest für den kundigen Leser – und an den richtet sich ja wohl dieser „politische“ Roman in erster Linie – ärgerlich.

Beispiel: Der Vater verstarb 1958. Als das junge Mädchen während des Reitunterrichtes (laut eigenen Angaben auf der Buchvorstellung in Rostock „eine  jedem DDR-Bürger offen stehende Möglichkeit“)am 13. August 1961 von den Absperrmaßnahmen der DDR erfährt, erinnert sie sich an die Worte ihres Vaters: „Der Amerikaner lässt niemals zu, dass eine Mauer gebaut wird“. Auch die deutlichen Worte des Stallmeisters: „Ulbricht hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ am 13. August zu der jungen  Reit-Elevin dürften eher der berühmten  Pressekonferenz Ulbrichts im Juni 1961 entlehnt worden sein, als dem Geschehen „gegen  Mittag vor dem Reitstall auf einer Bank“.

CoverDieSolistin2_NEWÜberhaupt scheint sich die Autorin in den Vorstellungen des beabsichtigten Romans verfangen  zu haben, sah sich also offenbar nicht verpflichtet, es mit den tatsächlichen Geschehnissen so genau zu nehmen. So klingt beim Abschied von ihrem wehrpflichtigen Mann auf einem DDR-Bahnhof (April 1963) aus den Lautsprechern Elvis Presleys „Muss i denn,/ muss i denn, /zum Städtele hinaus, / Städtele hinaus, / aber du mein  Schatz bleibst hier.“ Dass der junge Ehemann noch im selben  Jahr mit dem Todesurteil Blutkrebs zu seiner kleinen Familie (die junge Mutter hat inzwischen zwei Kinder zur Welt gebracht) zurückkehrt, berührt ohne Zweifel. Warum Peter ein Staatsbegräbnis bekommt, („Es gibt ein großes Brimborium Staatsflagge, Stahlhelm auf dem Sarg, und 12 Mal Salutschüsse.“), dass lässt die Roman-Autorin im Ungewissen. Hingegen wählt sie „für meinen Teil den Weg nach vorn“.

Durch Beziehung erhält sie eine Anstellung als Textilkauffrau, macht dort ihren Großhandelskaufmann. 1966 lernt sie schließlich Hans-Joachim Schönherz kennen, der neben seinem Beruf als Bootsbauer die Artistengruppe „Die Luftkometen“ leitet. „Ich bin  Feuer und Flamme, nicht nur für ihn, sondern steige auch mit in die Gruppe ein. Ich trainiere hart, um  auch hier meinen Mann  zu stehen“.

Edda Schönherz registriert: „In dieser Zeit munkelt man auch schon, der eine oder die andere in unserer Truppe, sei womöglich Informant der Stasi. Auch dieser Aspekt dringt nun tiefer in mich ein. Oft beherrschen derartige Diskussionen die Zeit vor den Auslandsgastspielen. Neben Auftritten im sozialistischen Ausland kommen schließlich West-Gastspiele hinzu. So weilen wir auf Einladung der KPÖ einige Male in Wien“.

CoverDieSolistinInnen_0001_NEWNeben ihrer artistischen Arbeit führt die Autorin auch durch das Programm und wird auf diese Weise schließlich vom DDR-Fernsehen entdeckt. „Als ich schließlich begreife, dass sein Angebot durchaus ernst gemeint ist, schwinden mir vor Freude die Sinne“. Die Schilderung des Wochen  später stattfindenden Vorsprechtermins in Adlershof ist eine der wenigen authentisch wirkenden Beobachtungen und spritzig formuliert:

Zum Teil sind die Hüte noch größer als der Mund, hier und da grell geschminkt flitzen sie durch den Raum. Die Kleider, die sie tragen, sehen  aus wie aus Kostümfilmen. O je.“

Dann wird die Kandidatin aufgerufen: „Nur nichts vorspielen. Nur nicht in Szene setzen.“ Schade, dass diese Einsicht wohl nicht vorgehalten hat. Titel und Foto von „Die Solistin“ stehen diametral gegen die Einsicht der damals jungen Frau.

Jedenfalls kommt Schönherz in die engere Auswahl, wird schließlich engagiert. Zuvor muß sie allerdings eine dreijährige „Ausbildung an der Fernsehakademie in Berlin-Adlershof“ absolvieren, um  dann  schließlich am 4. Oktober 1969 „mit dem Tag der Eröffnung des DDR- Farbfernsehprogramms auf dem Bildschirm präsent“ zu sein. Wie die zeitliche Abfolge zwischen Einarbeitung und Aufstieg bei den Luftkometen mit der endlichen Werbung durch den DFF und der folgenden dreijährigen Ausbildung in die behaupteten Geschehnisse zwischen  1966 und 1969 passen, läst Schönherz auch in diesem Fall offen.

O-Ton 2009: "Ich schrieb ja meine Texte selbst"

O-Ton 2009: „Ich schrieb ja meine Texte selbst“

Die Ärgerlichkeiten werden schließlich zur Provokation des gebildeten Lesers. Zu Beginn ihrer Fernseh-Karriere beschreibt die Ansagerin: „Bereits Wochen vorher bekommen wir unsere Texte zum Lernen. Jede einzelne Zeile ist vorher vom zuständigen  Lektorat des ZK abgesegnet und kontrolliert“ (Seite 32), um vier Seiten weiter (36) zu schildern: „Für einen DDR-Fernsehmoderator gilt der Grundsatz: Jeder Text zu den anliegenden Themen ist aus eigener Feder abzugeben. Bezüglich der Sendetauglichkeit der Texte findet jeden Montagvormittag extra eine Sitzung statt. … Vor der Sitzung gehen die Texte durch die Zensur des zuständige Lektorats.

Auch die folgende Schilderung der peinlichen Überwachung („Am Hebel sitzt stets ein hauptamtlicher Stasimitarbeiter. Auch IM kommen hierfür in Frage“.) lässt die im ganzen  Buch unbeantwortete Frage aufkommen, warum Schönherz nach eigener Darstellung von Anfang an um  das DDR-Stasi-System wusste und sich dennoch diesem System verschrieb?

Im Kontext zu diesen Fragwürdigkeiten steht dann  auch die beabsichtigte Flucht über Ungarn. Zwar schildert Schönherz ausführlich Informationsgespräche in der BRD- und US-Botschaft in Budapest. Festgenommen wird sie hingegen in der Nähe der jugoslawischen Grenze (wo man keinerlei Fluchtabsichten hatte). Und: Ohne Erklärung der Hintergründe wird Schönherz wieder freigelassen und darf selbst nach Ost-Berlin  zurückfliegen. Üblich war die Abholung durch eigens entsandte Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit.

Auszeichnung für die Solistin

Auszeichnung für die Solistin

Auf alle bedauerlichen Ungereimtheiten einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Eine wichtige Behauptung sei hier aber noch erwähnt: Auch in dem vorliegenden Buch schildert die „politische Referentin“ die Mär von ihrem „eigenen Haus“ (Seite 41), dass ihr durch die Stasi-Machenschaften abhanden kam. Recherchen ergaben zweifelsfrei, dass weder Schönherz noch andere Familienangehörige zu keiner Zeit mit diesem Haus im Grundbuch eingetragen waren. Warum dann  diese Mär, die auch außerhalb des vorgelegten Romans kolportiert wird?

Die „Solisten“-Broschüre lässt Zweifel an der behaupteten Moderatoren-Tätigkeit zu, jedenfalls ist von den einst vermittelten Fähigkeiten kaum  etwas zu spüren. Die Autorin kennt offenbar auch nicht die Unterschiede zwischen Roman, Biografie und Sachbericht. Schade. Persönlich hätte ich der Autorin einen großen Wurf gewünscht.

Die Autorin schrieb in das Rezensionsexemplar einen sehr schönen Satz: „Vergessen ist menschlich, aber politisch sehr gefährlich.“ Ich habe mich für die menschliche Variante entschieden. Und: Rezensionen sind immer subjektiv. Sie müssen also, neben der Sachkritik, nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen.

Edda Schönherz. „Die Solistin“, Eigenverlag, 14,95 € (zzgl. 2,50 € Porto), ISBN978-3-00-038562-9, Oktober 2012 – 1. Auflage.

Für interessierte Leser zum Abgleich: Das Leben zweier Anderer  / Playboy 2/2009  http://www.christoph-woehrle.de/download/pdf/0902_playboy.pdf

V.i.S.d.P: C.W. Holzapfel, Berlin, Tel.: 030-30207785 oder 0176-48061953

Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck e.V.

Hohenecker Bote

    Nr.012                  Förderverein – Info  15. Dezember 2012

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Die Mörderinnen heulten um ihre ermordeten Kinder

Hoheneck, Weihnachten/cw – Die Erinnerungen an die Weihnachtszeit in der Haft könnten nicht unterschiedlicher sein. Während sich durch das SMT (Sowjetisches Militär-Tribunal) verurteilte Frauen dankbar an den Posaunen-Chor erinnern, der unterhalb des einstigen Frauenzuchthauses mit Bedacht seine Proben  abhielt und Weihnachtslieder spielte, deren Klänge die Herzen in den kalten Zellen erreichten, hat Sabine T. (Name geändert), die Mitte der siebziger Jahre „auf der Burg“ war, nur spärliche Erinnerungen an Weihnachten, die sie zwangsweise im Erzgebirge hinter den Mauern der mittelalterlichen Burg verbringen  mußte.

Dezember 2012 - Titelseite

Dezember 2012 – Titelseite

Auch Lotte R. (Name geändert) erinnert sich nur vage an Weihnachten im berüchtigten einstigen DDR-Frauenzuchthaus Hoheneck. Sie war zehn Jahre später als Sabine und damit kurz vor dem Zusammenbruch des SED-Regimes in das frühere „Weiberzuchthaus“ verbracht worden. Anfangs saß sie mit 33 Frauen in einer Zelle, später wurde die Belegung auf 26 reduziert, die Freikäufe machten sich auch hier in den Belegungen der Zellen bemerkbar. Von den 33 Zellen-Insassen waren 31 wegen krimineller Delikte und nur 2 Frauen aus politischen Gründen inhaftiert; später war das Verhältnis 25:1.

Bis 31.01.2013 in Wiesbaden: Ausstellung "Der dunkle Ort" - Die Frauen von Hoheneck -          Foto: LyrAg

Bis 31.01.2013 in Wiesbaden: Ausstellung „Der dunkle Ort“ – Die Frauen von Hoheneck – Foto: LyrAg

Einige Wochen zuvor war Lotte ein „Paketschein“ für Weihnachten in  Aussicht gestellt worden, wenn sie 102 % ihrer Arbeitsleistung erbringen würde. Lotte schuftete für die Strumpf-Firma ESTA als „Heißformerin“ und durfte ihren Schein an ihre Berliner Kirchengemeinde schicken. Doch zu Weihnachten erhielt sie nur eine Karte u.a.  mit der Frage, ob das Paket angekommen sei.

Die Weihnachtsfeiertage waren für Lotte besonders schlimm. Die Mörderinnen in ihrer Zelle hatten Fotos und heulten um ihre (zum Teil von ihnen ermordeten) Kinder, während die „Politische“ nur in Gedanken bei ihren Söhnen sein durfte. „Das ist der schlimmste Teil meiner Erinnerungen an die zwei Weihnachten in Hoheneck,“ sagt Lotte und verdrückt mühsam ihre Tränen. „Nicht ein Foto durfte ich von meinen Söhnen haben.“

Ein Baum  im  Zellengang und eine Orange aus Kuba

 Ansonsten erinnert sie sich an einen Baum im  Gang vor der Zelle, der mit elektrischen Kerzen bestückt war. Im  Speiseraum gab es einen  „Weihnachtsteller“, auf dem jede Frau eine kubanische Orange, einen Apfel und ein Stück Stollen erhielt. In die Zelle wurde über Weihnachten (und Ostern) morgens ein Spiel-Sortiment ausgegeben. Mit Dame, Mühle, Mensch-ärger-dich-nicht konnten die Frauen so die besonders zu den Festtagen gefühlte Einsamkeit überspielen. Lotte durfte auch am Tag auf ihrem Bett liegen, weil sie vor der Haft eine Krebs-OP hinter sich hatte. Das Verhältnis zu den Kriminellen war gespannt, erinnert sie sich. Weil sie der Zellenältesten, „Oma“ genannt, die lädierten Beine einrieb, hielt diese die Hand über Lotte und gebot, diese in Ruhe zu lassen. Oma hatte mit ihrer Tochter, die ebenfalls in der Zelle einsaß und die hin und wieder selbst im  Zuchthaus die Krücke ihrer Mutter zu spüren bekam, unter der Hilfestellung des Schwiegersohnes ihren Ehemann umgebracht und zerhackt. Nachbarn waren auf den sich ausbreitenden Geruch durch die verwesenden Teile aufmerksam geworden. Nun verbüßten Mutter und Tochter ihre lebenslängliche Strafe. Erst Ende Januar erhielt Lotte das Weihnachts-Paket der Kirchengemeinde ausgehändigt. Die Aufseherinnen hatten zuvor mit einem großen Messer aus den beigefügten Balsen-Kuchen Krümel gemacht, es hätten ja feindliche Objekte eingeschmuggelt werden können. „Wir haben die Krümel genüsslich gegessen und teilweise – über den Hof – weitergeschmuggelt. So kam nachträglich ein  Hauch von Weihnachtsfreude auf,“ erinnert sich Lotte.

Sabine hingegen ist die „fast unwirkliche Stille“ über die Weihnachtsfeiertage in Erinnerung geblieben: „Wenn Du Tag-ein-Tag-aus die Lärm-Kulisse in den Ohren hast und plötzlich eine unheimliche Stille herrscht, bewirkt das einen seltsamen Zustand innerer Vertiefung.“ Sabine: „Vielleicht ist das ja Weihnachten.“ Die ehemalige Frau von Hoheneck wirkt dabei sehr nachdenklich.

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Im aktuellen SPIEGEL: Die IKEA-Legende

Berlin/Hamburg, 10.12.2012/cw – Wer sich von der Berichterstattung zum diesjährigen  „Tag der Menschenrechte“ etwas verspricht, wird von Deutschlands berühmtesten Nachrichtenmagazin vom Titel verführt: DER SPIEGEL widmet dem schwedischen Möbelhaus-Konzern seinen zeitgerechten  Titel („IKEA intern – Die Legende vom ehrlichen Möbelhaus“) mit immerhin elf Seiten, davon rund 3 Seiten Fotos. Doch Vorsicht: Wer sich vom Nachrichtenmagazin vom Titel zum Kauf verführt sieht, weil er/sie sich ergänzende Aufklärung zum vor gut drei Wochen in Berlin vorgestellten IKEA-Skandal zur Ausbeutung politischer Häftlinge in der einstigen DDR verspricht, der wird herbe enttäuscht. Von rund 1.134 Zeilen (100%) widmen die drei Autoren der von IKEA eingeräumten Zwangsarbeit 41 Zeilen (3,6 %). Bezieht man das auf der Berliner Veranstaltung von einstigen DDR-Verfolgten zur Sprache gebrachte IKEA-Engagement in China mit ein (16 zusätzliche Zeilen) kommt man auf magere 5% des gesamten Textmaterials.

IKEA-Thema vermarktet: DER aktuelle SPIEGEL

IKEA-Thema vermarktet: DER aktuelle SPIEGEL

Wer sich also zusätzliche Informationen zur Zwangsarbeit in den einstigen Haftanstalten der DDR verspricht, sollte sich nicht zum Kauf verführen lassen. Auch der begrüßenswerte Versuch der FDP, vierzehn Tage nach der in Berlin öffentlich bekundeten IKEA-Reue in einer Anhörung im Bundestag das Thema zu vertiefen, findet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung.

Wer sich hingegen Einblicke in das Multigeflecht des blaugelben Möbel-Riesen verschaffen will, kann durchaus Informationen in kompakter Form gewinnen. Vor allem kann im Ergebnis interpretiert werden: IKEA könnte eine ansehnliche und damit vorzeigbare Entschädigung für die einst Ausgebeuteten aus der Portokasse zahlen, ohne daß man mit dem Konzern oder seinem Gründer Mitleid haben müsste. Allerdings steht dem womöglich das aktuelle Engagement in China (und wahrscheinlich auch anderswo) im Wege. Ausbeutung aus der Vergangenheit zu entschädigen und die Augen vor der Gegenwart zu verschließen, passt nicht so recht zu einem wie immer gearteten Mea-culpa-Ritual: Die Legende vom ehrlichen Möbelhaus wird wohl Legende bleiben. Aber auch Legenden lassen sich gut vermarkten. Das weiß man nicht nur in Schweden, sondern auch in Hamburg.

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Dezember 2012 - Seite 2

Dezember 2012 – Seite 2

Sonstige Meldungen:

Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zum 60. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 auf dem Friedhof Seestraße in Berlin-Wedding die Gedenk-Ansprache halten. Das verlautet aus informierten Kreisen in Berlin. Neben Merkel werden Bundespräsident Joachim Gauck, der Bundesratspräsident, der Bundestagspräsident und der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes an dem von der Bundesregierung und dem Berliner Senat ausgerichteten Staatsakt teilnehmen.

Stollberg/Hoheneck – Die Vorstände der beiden in Stollberg ansässigen Fördervereine trafen sich kurzfristig in der Großen Kreisstadt im Erzgebirge, um sich über gemeinsam interessierende Fragen und Probleme auszutauschen. Beide Vereine wollen aktiv die Errichtung einer Begegnungs- und Gedenkstätte im einstigen DDR-Frauenzuchthaus durch geeignete Initiativen und Aktionen unterstützen.

Allen unseren Lesern ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2013

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Hinweis: Die bisherigen  Ausgaben des Hohenecker Boten können unter www.17juni1953.de (>Förderverein) abgerufen oder direkt bei der Redaktion  gegen Kostenbeitrag bestellt werden. Die Vereinigung hat uns einstweilen Gastrecht bis zur Einrichtung einer eigenen Homepage auf ihrer Seite eingeräumt.

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Zur Förderung unserer Arbeit sind wir sowohl auf Ihre Mitarbeit wie auf Beiträge und Spenden angewiesen:               

Unser Konto: 725004037 – BLZ: 870 540 00  – 

Erzgebirgssparkasse

Fordern Sie einen  Aufnahmeantrag an – Wir bedanken uns herzlich im Voraus!

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© 2012 Redaktion: Förderverein Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck e.V., verantwortlich: C.W. Holzapfel, Kaiserdamm 9, 14057 Berlin
Dieser Artikel wurde aufgerufen aus: Deutschland, USA, Schweiz, Kanada, Österreich, Belgien Stand: 10.12.2012, 24:00 Uhr

 

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