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Berlin, 03.08.2022/cw – Die VEREINIGUNG 17. JUNI wird bereits am Vortag zum diesjährigen Jahrestag des Mauerbaus – 1961 – am 12. August um 11:00 Uhr die Opfer der Mauer mit einer Kranzniederlegung an den Mauerkreuzen zwischen Reichstag und Brandenburger Tor (Friedrich-Ebert-Straße) ehren. Das hat der Verein in einer heute verbreiteten Presseerklärung bekannt gegeben.

Das Grab Peter Fechters in Berlin-Pankow. Auch hier ist kein „Ehrengrab“ vermerkt. –
Foto: LyrAg

„Wir wollen in diesem Jahr besonders an den achtzehnjährigen Bauarbeiter Peter Fechter erinnern, der am 17. August 1962, also vor 60 Jahren, vor den Augen der Welt unmittelbar hinter der Mauer zwischen dem Checkpoint Charlie und dem Axel-Springer-Verlag elendlich verblutete.“ Peter Fechter sei so zum Synonym für die vielen blutigen Opfer an der blasphemisch von den DDR-Machthabern als „Friedensgrenze“ bezeichneten Mauer geworden. „Wir werden daher unseren Kranz diesmal direkt vor dem Kreuz ablegen, das dort an seinen  frühen Tod erinnert,“ erklärte der Vorstand.

Die Vereinigung hatte zum 60. Jahrestag des Mauerbaus im letzten Jahr die weißen Kreuze zwischen Reichstag und Brandenburger Tor und am Spreeufer zwischen Reichstag und Paul-Löbe-Haus erneuert. Durch die Initiative „Den Opfern ein Gesicht geben“ wurde auf den neuen Kreuzen dem bisherigen Namen ein Portrait des Opfers, das Geburtsdatum und eine Kurzbiografie über die Umstände des Todes an der Mauer zugefügt. „Seither,“ so Sprecherin Tatjana Sterneberg, „werden die Kreuze der Erinnerung ganz anders wahrgenommen. Jung und Alt bleiben jetzt stehen, lesen von den dramatischen Schicksalen und sprechen über die Opfer. So bleiben diese auf lebendige Weise im Gedächtnis der vielen hundert täglichen Besucher.“

Bemühungen um Straßenbenennung an Gleichgültigkeit gescheitert

Kritisch äußerte sich der Vorsitzende des Vereins zum Vermächtnis Peter Fechters: „Alle unsere jahrzehntelangen Bemühungen um eine besondere Hervorhebung dieses symptomatischen Maueropfers, quasi stellvertretend für die vielen Toten an der gnadenlosen Grenze durch Europa und Berlin, sind bis heute, 60 Jahre nach seinem Tod, an der offenbaren Gleichgültigkeit politischer Bürokratie gescheitert,“ sagte Carl-Wolfgang Holzapfel, selbst einstiger Mauerdemonstrant und politischer Gefangener der DDR (Urteil: 8 Jahre).

Bereits 2012 wurden am Checkpoint Unterschriften für eine „Peter-Fechter-Straße“ gesammelt… – Foto: LyrAg
 

Man habe bereits im letzten Jahr, also im Vorfeld des jetzt anstehenden 60. Todestages von Fechter, erneut die Verwaltungen und politischen Entscheidungsträger angeschrieben und wiederholt die Umbenennung der Zimmerstraße zwischen Checkpoint Charlie und Axel-Springer-Verlag in „Peter-Fechter-Straße“ gefordert. Holzapfel: „Im Gegensatz zu früheren Jahren werden diese Anfragen und Bitten noch nicht einmal im Eingang bestätigt.“ Man habe den Eindruck, dass die gezeigte öffentlichkeitswirksame Trauer an der Stele Peter Fechters einmal mehr auch in diesem Jahr als pure Heuchelei zelebriert werden wird. Auch der jüngste Vorstoß des Dachverbandes der Opferverbände, UOKG, auf Umbenennung der Zimmerstraße wurde bislang schnöde und „die Opfer der Diktatur fast schon beleidigend“ ignoriert.

In diese „katastrophale Gemengelage“ passe die vor einem Tag bekannt gegebene Ehrung für den 1996 verstorbenen Musiker Rio Reiser wie die berüchtigte „Faust aufs Auge“. Nach Reiser soll jetzt der Heinrichplatz in Kreuzberg umbenannt werden.  Die Umbenennung war bereits vor einem Jahr sogar im Amtsblatt veröffentlich worden, konnte jedoch nach Widersprüchen aus der Bevölkerung und gerichtlichen  Klärungen der Rechtslage wie den Bedingungen der Corona-Pandemie zunächst nicht umgesetzt werden.

Zwar hatte die Bezirksverordnetenversammlung 2005 beschlossen, Straßen und Plätze nur noch nach Frauen zu benennen, sich aber bei der Umbenennung der Gabelsberger in Silvio-Meier-Straße und eines Teils der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße selbst nicht daran gehalten. Damit seien auch die bisherigen Argumente der Bezirksoberen und einiger Landespolitiker in Sachen  Peter Fechter vom Tisch, meint nun die Vereinigung, denn  diese hätten sich in Ermangelung „anderer Entschuldigungen“ eben auf diesen Beschluss berufen, „der ja nun leider in der Welt“ sei, wie es jeweils, offenbar Betroffenheit heuchelnd, hieß.

„Dieser politische Mißbrauch von Ehrungen zugunsten bestimmter politischer Klientel ist im Grunde auch nachträglich eine schallende Ohrfeige in das Gesicht jener, die eine angemessene Ehrung durch ihre Lebensleistung oder ihren  nicht zu leugnenden historischen Standort ohne jeden Zweifel verdient hätten“, heißt es abschließend in der Presseerklärung des Vorstandes.

Siehe auch: Peter-Fechter-Straße: „Bezirk hat sich „sich umgehend, konstruktiv und höflich zurückgemeldet“ – Chef der UOKG widerspricht Kritik der Vereinigung 17. Juni – unter Redaktion Hohenecker Bote, https://redaktionhoheneckerbote.wordpress.com/ vom 08.08.2022.

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17. JUNI 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-480612953 (1.712)

Berlin, 11.11.2021/cw – Am bevorstehenden Volkstrauertag, 14.11. um 11:00 Uhr, wird die Vereinigung 17. Juni die letzten erneuerten Mauerkreuze der Öffentlichkeit übergeben. Zum 60. Jahrestag des Mauerbaus hatte der Verein die Initiative „Den Opfern ein Gesicht geben“ ins Leben gerufen und zum 13. August die Kreuze in der Ebert-/Ecke Scheidemannstraße bereits erneuert. Auf den ursprünglichen Kreuzen waren lediglich Namen und Todesdaten der Maueropfer benannt. Die Initiative fügte diesen das jeweilige Geburtsdatum, ein Portrait und eine Kurzbiografie über deren Sterben an der Mauer zu.

Am 13. August diesen Jahres waren die Kreuze in der Ebertstraße bereits erneuert worden – Foto: Gohlke/LyrAg-Press

Seither konnten die Initiatoren ein beeindruckendes Interesse von Besuchern und Touristen  feststellen. „Jung und Alt bleiben jetzt stehen, lesen intensiv die Texte und nehmen so das dramatische Geschehen an der einstigen  Mauer zur Kenntnis,“ stellte der Vereinsvorsitzende befriedigt fest. Die Kreuze waren in Anwesenheit zahlreicher Bürger, des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen, der Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek und Burkard Dregger, sowie weiterer Abgeordneter, auch aus dem Bundestag, zum 60. Jahrestag enthüllt worden. Die Finanzierung erfolgte bislang ohne öffentliche Mittel durch Spenden aus immerhin zwei Bundestagsfraktionen, Spenden von Vereinsmitgliedern und Außenstehenden. Aus fünf der sechs Bundestagsfraktionen erhielt die Vereinigung ausdrückliche Zustimmung.

Bundestag begrüßt Erneuerung

Die Bundestagsverwaltung teilte der Vereinigung Anfang November überdies mit: Der Deutsche Bundestag begrüßt sehr, „wenn die Mauerkreuze durch den Verein in gutem Zustand gehalten werden.“ Daher wünsche er „Ihrem Vorhaben der Erneuerung zum 9. November 2021 gutes Gelingen.

So sehen die Mauerkreuze vor der beabsichtigten Erneuerung am 14.11.2021, 11:00 Uhr am Speeborgen aus – Foto: LyrAg-Press

Die ursprünglichen Planungen des Vereins sahen die zusätzliche Erneuerung der Kreuze am Spreebogen zwischen Reichstagsgebäude und Paul-Löbe-Haus zum 9. November vor. Aus planerischen Gründen war dieser Termin nicht einzuhalten. So entschied sich der Verein für den Volkstrauertag, „der auch das Gedenken an die Toten der Teilung unseres Landes einschließt.“ Obwohl für diesen Teil der Erneuerung bisher keine nennenswerten Spenden eingegangen sind, wollte der Verein die Erneuerung nicht bis zum „St.-Nimmerleinstag“ im neuen Jahr verschieben. Man habe daher „persönliche Bürgschaften“ für die Kosten in Höhe von derzeit 2.950 € übernommen und hoffe im Nachgang auf entsprechende Spenden. „Es gehört zur Achtung und Ehrung der Opfer, die Erinnerung an deren unmenschliches Sterben angemessen, d.h. an einem dafür geeigneten Tag vorzunehmen,“ erklärte Vorsitzender Holzapfel zum jetzt vorgesehenen Termin.

Spenden für die Kreuz-Erneuerungen erbeten

Der Verein bittet um Spenden mit dem Vermerk „Mauerkreuze Spreebogen“ an die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.: IBAN: DE27 7009 1600 0000 6329 02 – Ammerseebank.Für Beträge bis 100 € reicht die Vorlage des Überweisungsbeleges beim Finanzamt (Antrag auf Steuerjahresausgleich), für höhere Beträge stellt der als gemeinnützig anerkannte Verein auf Anforderung (Name und Adresse nicht vergessen) eine entsprechende Spendenbescheinigung aus.

V.i.S.d.P.: © 2021 Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.680).

Interview der Neuen Zürcher Zeitung vom 08.11.2019 mit dem vormaligen  Bundespräsidenten Joachim Gauck. In dem Interview äußert sich der vormalige Bundespräsident extensiv zum Thema Toleranz:

Wir können an diesen Aktionen an den Unis Hamburg, Giessen, Frankfurt und zum Teil auch in Berlin sehen, was passiert, wenn die Guten meinen, es sei jetzt an der Zeit, die Meinungsfreiheit einzuschränken, weil diejenigen, die sie dort am Auftreten hindern, für unsere Gesellschaft zu gefährlich seien. Dabei handelt es sich bei jenen weder um Nazis noch um Nationalisten, sondern einfach um Menschen, die eine unpopuläre Sicht meist rechts von der Mitte auf die Geschehnisse in Deutschland und Europa vertreten. Dann erhält jemand schnell das Etikett «Nazi» oder «Faschist». So eine linke Orthodoxie ist ja etwas zutiefst Antidemokratisches: die Vorstellung einer gereinigten Gesellschaft. Dabei entsteht ein grosser politischer Schaden für die Demokratie, wenn abweichende Meinungen gleich als unmoralisch verurteilt und diskriminiert werden. Und Intoleranz gerechtfertigt wird zur Durchsetzung des Guten.

Der vollständige, ungekürzte Text unter: https://www.nzz.ch/feuilleton/joachim-gauck-zum-mauerfall-es-ist-keine-gute-strategie-alles-was-abseits-von-der-politischen-mitte-ist-sofort-auf-die-seite-der-demokratiefeinde-zu-setzen-ld.1520427

Berlin, 09.11.2019/cw –  Zum 30. Jahrestag der Maueröffnung ehrte die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. und die Bundestagsfraktion der AfD, vertreten u.a. durch die stv. Fraktionsvorsitzende von Storch, heute mit Ansprachen (Ulrich Oehme, MdB, sowie Carl-Wolfgang Holzapfel) und einer Kranzniederlegung  die Toten der Mauer an den Gedenkkreuzen zwischen  Reichstag und Brandenburger Tor. Nach dem Gedenken wurde der ehemalige politische Häftling Gustav Rust von dem Verein und der AfD durch die Überreichung von Urkunden geehrt. Rust pflegt seit zwanzig Jahren den Gedenkort am Reichstag und ist seither fast tagtäglich vor Ort, um die Würde des Ortes zu gewährleisten und  als Zeitzeuge für Fragen von Besuchern aus aller Welt zur Verfügung zu stehen.

Übergabe der Urkunden an Gustav Rust – Foto LyrAg

Urkunde Gustav Rust 09.11.2019

Der Ehrenvorsitzende der Vereinigung und jahrzehntelange Maueraktivist Carl-Wolfgag Holzapfel hielt in Vertretung der erkrankten Heike Eichenmüller, seit Juni d.J. Vorsitzende des Vereins,  folgende Ansprache :

Heute, vor 30 Jahren, wurde die Mauer für Millionen von Menschen durchlässig. Der Versprecher eines ansonsten geübten und geschulten SED-Funktionärs machte dies nach 28 Jahren möglich.

Den Traum von Freiheit mit dem Leben bezahlt

Wir haben uns aber heute nicht versammelt, um in Jubel auszubrechen und hier im Gedenken an jenen unvergessenen Novembertag einige Flaschen – Sekt, Wein oder Bier – zu verkosten.

Alles hat seine Zeit und seinen Platz.

Wir haben uns an diesem Ort heute verabredet, weil wir in all dem Jubel jener Menschen gedenken wollen, die ihren einst vorhandenen Traum von der Freiheit mit dem endlichen Einsatz ihres Lebens bezahlen mussten.

  • – Ob Ida Sieckmann, die am +22.8.1962 in der Straße der Tränen, in der Bernauer Straße, sechzigjährig vergeblich aus dem Fenster ihrer Wohnung, im sowjetischen Sektor gelegen, den Sprung in die Freiheit in den Französischen Sektor wagte und dabei in den Tod sprang;
  • – ob Günter Litfin, der den trennenden Humboldthafen am heutigen Hauptbahnhof durchschwimmen wollte und dabei als erster Flüchtling nach dem Mauerbau am +08.1961 Opfer tödlicher Kugeln von DDR-Grenzsoldaten wurde oder
  • Chris Gueffroy, der neun Monate vor der Maueröffnung bei dem Versuch, in der Nacht vom auf den 6. Februar 1989 zusammen mit seinem Freund Christian Gaudian durch den Britzer Verbindungskanal zu flüchten, von tödlichen Kugeln getroffen wurde. Welch tödliches Missverständnis. Hatte er doch zuvor von einem Freund, der an der Grenze Dienst tat erfahren, dass der Schießbefehl aufgehoben worden sei.

Alle diese Menschen hatten eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit empfunden, wollten einem zutiefst unmenschlichen System entfliehen.

Gerade in den letzten Wochen ist aus unbegreiflichen Gründen der Kampf um die Deutungshoheit von Begriffen erneut ausgebrochen: War die DDR ein Unrechtsstaat?

Gibt es „gute“ und „schlechte“ Diktaturen?

Erstaunlich scheint mir, dass hier keiner infrage stellt, dass das Dritte Reich ein Unrechtsstaat war. Dominiert also – dreißig Jahre nach dem Ende der Zweiten Deutschen Diktatur – eine linke Geschichtsdominanz unsere Gegenwart? Werden wir mit der Infragestellung des Unrechtsstaates den Mordopfern dieses Staates gerecht? Gibt es überhaupt eine „gute Diktatur“, die dann kein Unrechtsstaat wäre und eine „schlechte“ Diktatur, die automatisch „auch“ ein Unrechtsstaat wäre? Schlussgefolgert hieße dies im Ergebnis: Die kommunistische Diktatur ist eine „gute“, die NS-Diktatur eine „schlechte“ Diktatur?

Diese Kreuze hier im Hintergrund geben eine zweifelsfreie Antwort:

Jedes Kreuz ist eines zu viel. Und wir wissen, dass diese 15 Kreuze hier nur stellvertretend für unsäglich viel mehr Todesopfer dieser Roten Diktatur stehen. Dazu gehören die vielfachen Todesurteile in der SED-Diktatur ebenso, wie die in der Haft und unter Folter Verstorbenen. Auch jene, die wir unter dem Begriff „Erschossen in Moskau“ kennen.

Kranzniederlegung durch die AfD-Bundestagsfraktion, li. Ulrich Oehme, MdB
– Foto LyrAg

Der 9. November hat also nicht nur einen Freudenglanz. Hinter diesem Datum stehen ebenso unsere Trauer um unendliches, unfassbares Leid, welches am 9. November 1938 mit der sogen. “Reichskristallnacht“ über unsere jüdischen Bürger hereinbrach. Es wäre Zynismus, die Toten der Mauer als „Rache der Geschichte“ für die Toten von Auschwitz, Dachau, Birkenau und wie diese Orte des Schreckens alle hießen, zu sehen.

9. November: Kein Tag vermittelt so die historische Linienführung

Aber wir dürfen durchaus konstatieren, dass viele Menschen erst durch das erfahrene Leid besonders nach dem Bau der Mauer die schrecklichen Dimensionen der einstigen Verfolgungen und Menschenjagden erfasst und begriffen haben.

Kein anderer Tag, wie dieser 9. November, wäre, nein, ist dazu geeignet, diese historische Linienführung heutigen und künftigen Generationen zu vermitteln. Gerade weil sich dieser 9. November nicht dazu eignet, von der Politik missbraucht, in den üblichen Parteien-Hader einbezogen zu werden. Der 9. November birgt die große und wohl in dieser historischen Analogie einmalige Chance, a l l e   politischen und gesellschaftlichen Gruppen wenigstens hier zu einen: Welches Land dieser Welt hat einen Tag im Kalender, der sich mit diesem „deutschen Geschichts-Datum“ vergleichen ließe?

An einem 9. November, 1848, wurde in Wien der Abgeordnete der Frankfurter National-Versammlung; Robert Blum, infolge der Niederschlagung des Aufstands nach einem Standgerichtsurteil hingerichtet.

  • – An einem 9. November, 1918, wurde infolge des 1. Weltkrieges die Deutsche Republik
  • – An einem 9. November, 1923, wurde erstmals und einzig der am 8.November begonnene Hitler-Putsch durch die Weimarer Republik erfolgreich abgewehrt.
  • – Am 9. November, 1938, dies wurde schon erwähnt, erhielt das folgende Mord-Drama an den Juden seinen sichtbaren, weil unübersehbaren tyrannischen Start.
  • – Der mutige, leider gescheiterte Mord-Anschlag auf den Diktator Hitler durch Georg Elser am 8. November 1939 darf mit Recht auch diesem Tag zugeordnet werden, da Hitler hier seinen misslungenen, am 8.November begonnenen Putsch von 1923 feiern wollte.
  • – Und schließlich der Freudentag der Maueröffnung, der 9. November 1989.

Vorschlag von 1989: „Tag der Nation“

Wir, die Vereinigung 17. Juni 1953, bekennen uns auch 30 Jahre später zu unserem damalig vorgetragenen Vorschlag, den 9. November als „Tag der Nation“ einzuführen. Dafür waren wir sogar bereit, auf den 17. Juni als arbeitsfreien Gedenktag zu verzichten. Wir sahen in dem 9. November 1989 die Fortführung und Zielsetzung des Aufstandes von 1953.

Stattdessen wurde, wie wir alle erfahren mussten, der 3. Oktober als „Gedenktag nach Aktenlage“ eingeführt. Dieser 3. Oktober war und ist ein künstlicher, ein lebloser Gedenktag. Darüber können keine künstlichen Rummelatmosphären vor dem Brandenburger Tor und anderswo hinwegtäuschen.

Die Toten unserer leidvollen Geschichte, die Toten der Mauer mahnen uns an ein „gemeinsames Innehalten“ über alle Parteigrenzen hinweg.

Ida Sieckmann, Günter Litfin, Chris Gueffroy sind weder für die CDU, die SPD, die FDP oder sonst eine Partei gestorben. Sie starben für die Freiheit, für den Traum auf eine bessere Welt. Und nicht zuletzt darum haben sie es verdient, über jeglichen Streit der Parteien hinweg g e m e i n s a m geehrt und beweint zu werden.

Immer, auf alle Zeit und besonders an jedem 9. November.“

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.498).

Von Tatjana Sterneberg

Berlin/Hoheneck, 07.11.2019/ts – Heute, vor 46 Jahren, klingelt es an meiner Haustür. „Aufmachen, Polizei!“ Ahnungslos öffnete ich die Tür. Ich hatte ja nichts verbrochen. Drei Männer in Zivil drängten mich in die Wohnung. Und während zwei der Männer begannen, ungefragt die Wohnung zu inspizieren, eröffnete mir der Dritte im Bunde: „Staatssicherheit. Kommen Sie mit zur Klärung eines Sachverhaltes!“

„Natürlich,“ schoss es mir durch den Kopf, „mein Ausreiseantrag und die Pläne einer möglichen Flucht.“ Plötzlich überfiel mich eine unkontrollierte Aufregung, eine nicht gekannte Angst vor etwas bislang Unbekanntem. Und während ich in einem Fahrzeug platziert wurde, gingen meine Gedanken zurück an den Ursprung dieses plötzliche Eingriffs in meine bisherige Unversehrtheit.

Nach meiner Ausbildung zur Restaurantfachfrau war ich gebeten worden, in das neu eröffnete Hotel „Stadt Berlin“ am Alexanderplatz (heute „ParkInn“) meine Berufslaufbahn fortzusetzen. Im ersten Stock befand (und befindet) sich die Zille-Stube, ein gemütliches Restauration in diesem riesigen „Turmhotel“.

Ein quietschroter Käfer und eine Rose

Schon bald tauchte dort Antonio auf. Er war Italiener und hatte es sich zur (nebenberuflichen) Aufgabe gemacht, Freunde und Gäste hin und wieder nach Ost-Berlin zu führen, um ihnen u.a. auch die dortige Restauration vorzuführen. Er sprach, wie ich später erfuhr, fünf Sprachen, was ihm diese Aufgabe wie auch seine Stellung im Hotel Kempinski als Chef de Rang in West-Berlin erheblich erleichterte.

Er muss wohl bei seinen Besuchen „einen Blick“ auf mich geworfen haben. Jedenfalls erschien er eines Tages (1972) mit seinem quietschroten Käfer vor dem Hotel, galant eine Rose in der Hand und fragte mich schlicht und ergreifend, ob er mich zu einem Glas Wein einladen dürfe?

Heute kämpft Tatjana Sterneberg an der Seite Ihres Mannes C.W.Holzapfel für die Rechte Verfolgter der DDR-Diktatur – Foto: LyrAg

Es entwickelte sich schnell eine gegenseitige Zuneigung, die schließlich in Liebe erblühte. Eine Liebe zwischen Ost und West war ja nicht einfach. Denn dazwischen stand die Mauer. Wollte Antonio länger bleiben, so musste er fristgerecht bis 24:00 Uhr den Checkpoint Charlie in Richtung Westen passieren. Dort fuhr er eine entsprechende Kehre, um nach 00:00 Uhr mit dem angemessenen Abstand wieder in die Hauptstadt der DDR mittels eines erneuten Tagesvisums wieder einzureisen.

Nach dem Heiratsantrag: Antonio wollte nicht im Osten leben

Was kommen musste, kam auch bei uns. Antonio machte mir schließlich einen Heiratsantrag. Ich war glücklich, als wäre ich schon seine Frau. Über die Umsetzungsmöglichkeiten machten wir uns erst danach Gedanken. Antonio wollte auf keinen Fall in Ost-Berlin leben. Sich freiwillig einsperren zu lassen war für den Weitgereisten und –Gebildeten (USA, Frankreich, Schweiz, Deutschland und natürlich Italien) keine Alternative. Aber was tun?

In diesen Tagen der Suche nach einer Problem-Lösung kam mir meine Tätigkeit im Hotel zu Hilfe. Ich betreute eine Hochzeitsfeier und fragte den Bräutigam diskret, wo das Paar denn in Zukunft leben wolle? Denn seine Geehelichte war zwar eine Ostberlinerin, er kam aber aus Dänemark. Natürlich würden sie dort leben, erklärte mir der glückliche Däne. Ich war perplex: „Wie geht denn das?“ „Ganz einfach,“ sagte der Däne, „meine Frau hat einen Ausreiseantrag gestellt.“

Überglücklich erzählte ich am Abend Antonio von dieser Feier. Gesagt getan. Ich schrieb einen Ausreiseantrag, formlos, auf einem normalen Briefbogen. Und als die Antwort auf sich warten ließ, hakte ich nach, fragte nach dem Stand. Das führte zu einer Vorladung ins Rote Rathaus, in dem heute der Berliner Senat seinen Sitz hat. Naiv und gutgläubig wie ich war, nahm ich meinen Antonio mit zu diesem Gespräch. War er doch der lebende Beweis für meine guten und harmlosen, sprich unpolitischen Absichten.

Eine Ausreise kommt nicht infrage

Schnell wurde uns im schönsten Partei-Sprech klar gemacht, eine Ausreise komme gar nicht infrage. Alle Argumente halfen nichts, mein artikuliertes Vorpreschen war vielleicht sogar undienlich. So hielt ich dem Gegenüber im Rathaus vor, man könne doch nicht „Eintrittsgeld“ für den Besuch in Ost-Berlin kassieren, und wenn sich dann Mensche ineinander verlieben, dürfen diese nicht zueinander kommen. „Was ist das denn?“

Die Folge dieser unerquicklichen Begegnung: Der Besuch von uns wurde an die Staatssicherheit gemeldet, die daraufhin einen „Operativen Vorgang (OV)“ unter dem Namen „Zille“ anlegte und 12 Informelle Mitarbeiter (IM) unter dem Kennwort „Hänsel und Gretel“ auf uns ansetzte. Das allerdings erfuhr ich erst rund 20 Jahre später aus der Einsicht in meine Stasi-Akten.

Nichtsahnend über diese eingeleitete „Staatsschutztätigkeit“ begann Antonio, fürsorgerisch nach anderen Lösungen zu suchen. Natürlich gehörte dazu auch die Kontaktaufnahme zu Fluchthelfern. Mehrere Möglichkeiten wurden erörtert, mehrere wieder verworfen. Schließlich zeichnete sich ein Versuch über den Checkpoint Charlie unter Hilfestellung einer diplomatischen Vertretung ab.

Menschlichkeit: Antonio wurde bei der Einreise gewarnt

Der Termin war noch nicht vereinbart, als die Abgesandten der Staatssicherheit vor meiner Wohnung standen, um mich in das Polizeipräsidium in der Keibelstraße zu verschleppen. Erst am Morgen des nächsten Tages, kurz vor dem Ende der ersten nächtlichen und stundenlangen Vernehmungsrunde eröffnete mir einer der Vernehmer: „Übrigens, Ihren Antonio haben wir auch!“ Mir fuhr ein Schreck in die Glieder. Was hatte der arme Kerl mit den Teilungs-Strapazen deutscher Befindlichkeiten zu tun?

Was ich an diesem grauen 8. November noch nicht wusste und erst später, nach der Maueröffnung erfuhr: Ein Mensch unter den Unmenschen hatte Antonio bei seiner Einreise in die DDR gewarnt: „Reisen Sie heute lieber nicht ein.“ Antonio hatte diesen Hinweis in übliches Abwehr-Blabla der Kontrollorgane eingeordnet und war dann verhaftet worden.

Gut war, dass mein Stasi-„Informant“ zwar von der Verhaftung, aber wohl nichts davon wusste, dass es an der Grenze auch Menschen gab, die versuchten, sich dem Unrechtssystem auf ihre eigene Art zu entziehen. Damals wusste auch ich nichts davon. Damals, am 7. November 1973, mussten Antonio und ich den langen Weg in die DDR-Haft antreten: Er nach Rummelsburg und ich in das größte Frauenzuchthaus Hoheneck.

Nach unserer Haft haben wir geheiratet, bekamen unsren Sohn Sandro. Aber Antonio überlebte die erlittenen Strapazen nicht. Er starb 2006 an den Folgen. Und ich? Ich trage die Erinnerungen an einen wunderbaren Menschen in mir und die Schmerzen der Erinnerung an einen Abend des 7. November, als drei Leute in meine Wohnung kamen, um ein weiteres Mal Schicksale zu zerstören.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.497).

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