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Wir wünschen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen hoffnungsfrohen Übergang in das Neue Jahr 2019.
Aus Anlass des 29. Jahrestages des legendären 9. November 1989 haben wir wieder einmal vielfache Heuchelei ertragen müssen. Die z.B. durch eine neuerliche Debatte um einen zusätzlichen Feiertag gegebene Gelegenheit, den geschichtsträchtigen 9. November endlich durch einen eigenen Feiertag zu würdigen, wird voraussichtlich ausgerechnet in Berlin vertan. Stattdessen wird hier ein einstiger DDR-Feiertag, der sogen. „Frauentag“ favorisiert. Vor vier Jahren schrieben wir über die Besorgnis, möglicherweise in einer reformierten DDR zu erwachen. Wir sind, vorsichtig ausgedrückt, auf dem (schlechten) Weg dorthin.
Wie weit unsere Bundeskanzlerin diesen Weg befördert hat, damit werden sich einst Historiker befassen. Sie a l l e i n damit zu belasten, würde unserem demokratischen Verständnis widersprechen. Der Marsch durch die Institutionen (und das Bewusstsein) hatte und hat viele Mütter und Väter.
Wir lassen uns trotzdem nicht entmutigen. Unser Selbstbewusstsein speist sich lebenslang aus der Vertretung unseres steten, seit dem Volksaufstand von 1953 beharrlich verfolgten Anspruches: In einem Staat zu leben, deren oberste und unumstößliche Prinzipien Einigkeit und Recht und Freiheit sind.
In diesem Sinn grüßen wir alle Kameraden, Freunde, Kritiker und Interessenten herzlich!
Vereinigug 17.Juni 1953 e.V. und Redaktion Hoheneck
Carl-Wolfgang Holzapfel, Vorsitzender; André Rühring, Geschäftsführer; Tatjana Sterneberg, Schatzmeisterin
Weihnachten 2016/cw – Montag, 19. Dezember. Auf dem Weg zu einer alten, 90jährigen Freundin. Wir kennen uns seit 53 Jahren. Meine längste Ehe dauerte 18 Jahre. Jetzt braucht sie meine Hilfe, meinen Rat.
Auf dem Weg zu ihr, fast vor der Haustür, wird mir übel. Alles fängt an, sich vor meinen Augen zu drehen. Das Problem: Ich sitze im Pkw, hinter dem Steuer. Mit Mühe gelingt mir das Parken am Straßenrand. Dann geht nichts mehr.
Panik
Vor einem guten Jahr starb mein Bruder. Einfach so. Im Urlaub. Wurde tot in seinem Hotel aufgefunden. Ist das jetzt auch bei mir so weit? Alles dreht sich, Autos, Häuser, Laternen drehen sich immer schneller. Ich fühle mich hundeelend. Panik ergreift mich.

Fünf Tage nach dem Anschlag verhindern Tränen den klaren Blick auf den Ort des Schreckens – Foto: LyrAg
Meine Frau macht alles richtig. Steigt aus, spricht einen Passanten an. Hat er ein Handy? Er ruft die Feuerwehr.
Eine halbe Stunde später bin ich im Krankenhaus. Erste Hilfe, werde gründlich untersucht. Erhalte Mittel gegen Übelkeit. Man spürt der oder den Ursachen nach. Das dauert. Schließlich Wartezone.
Dann strömen Pulks von Nicht-Kranken durch die Gänge. Es ist inzwischen nach 20 Uhr. Der Grund wabert sich langsam durch: Katastrophenalarm. Aber warum?
Entsetzen
21 Uhr. Weitere Hilfesuchende haben die Wartezone gefüllt. Erzählen von einem Terror-Anschlag in Berlin. Trotzdem mäkelt ein Mann ziemlich heftig über die langen Wartezeiten in der Notaufnahme, die für seine Mutter „unzumutbar“ seien. Quälend langsam sickern die Informationen: Viele Tote, noch mehr Verletzte. Wo? An der Gedächtniskirche. Weihnachtsmarkt. Wir versuchen, den Mann zu beruhigen, weisen auf die Notsituation hin, die den Ausnahmezustand erklären. Er wird ruhiger.
Gegen 22:00 Uhr erklärt ein Arzt, man habe entschieden, mich stationär aufzunehmen. Eine Wiederholung (des vermuteten Schlaganfalls) kann nicht ausgeschlossen werden. Meine Frau bietet an, das Personal zu entlasten, mich mit dem Rollstuhl auf die vorgesehene Station zu bringen.
Da beschäftigt mich schon lange nicht mehr meine Gesundheit. Ich denke an den Anschlag, an die Toten, die Verletzten, die Helfer im Noteinsatz. Mit Mühe unterdrücke ich immer wieder die aufkommenden Tränen. Entsetzen macht sich breit.
Demut
Gegen 22:30 Uhr liege ich im Bett. Angeschlossen am Monitor. Erschöpft. Aber meine Gedanken sind an der Gedächtniskirche. Ich weiß noch immer nicht, was passiert ist.
Am nächsten Tag kommt meine Frau mit einer gemeinsamen Freundin am Nachmittag zu Besuch. Sie besorgen mir eine Karte für den Fernseher. In Gedanken bin ich nicht mehr bei den möglichen Ursachen für meinen Notfall, lasse mir von den Frauen berichten, was passiert ist. Ein oder mehrere Terroristen haben einen Lkw in den Weihnachtsmarkt gesteuert. 12 Tote, 50 Verletzte.
Der Besuch ist fort. Ich informiere mich über die diversen TV-Sender bis in die späte Nacht. Am nächsten Tag. Die Einzelheiten sind fürchterlich. Kann mich der Tränen nicht erwehren, die über das Gesicht laufen.
Als ich am nächsten Tag, dem 22. Dezember, entlassen werde, habe ich eigentlich kaum noch Ohren für die Ermahnungen der freundlichen Ärztin. Nehme die Erläuterungen zu den aufgespürten Ursachen eigentlich kaum wahr. Sie interessieren mich nur noch am Rande, sind nicht mehr wichtig.
Meine Gedanken wandern zu den Familien der Todesopfer, der Verletzten und den Verletzten selbst. Zu dem polnischen Fahrer, der vermutlich seinen Versuch, Schlimmeres zu verhindern, mit dem Leben bezahlt hat. Nein, es gibt Wichtigeres, als so ein Unwohlsein hinter dem Steuer. Dankbarkeit stellt sich ein, dass es mir wieder gut geht. Und Demut.
Weihnachten? Wir werden Heiligabend an die Gedächtniskirche gehen, Kerzen aufstellen…
V.i.S.d.P.: redaktion.hoheneck@gmail.com , Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.196)
NS-Opfer im Dritten Reich – Fluchthelfer zur DDR-Zeit
Von Carl-Wolfgang Holzapfel
Werner G.* (*Name geändert) wird im Januar 84 Jahre alt. Von seiner Wohnung im 4. Stock fällt sein Blick auf die weltberühmt gewordene „Bornholmer Brücke“, die an jenem 9. November 1989 zum Sinnbild des Zusammenbruchs einer Epoche wurde. Dort wurden nach den legendären Äußerungen des Sprechers des ZK der SED, Günter Schabowski (1929 – 2015), die Schlagbäume gehoben, strömten Abertausende Ost-Berliner ungehindert in den freien Westteil der Stadt.
Werner könnte sich mit diesem täglichen Triumph von seinem Balkon vor Augen zufrieden geben. Er hatte selbst in den sechziger Jahren aktiven Widerstand gegen die DDR geleistet, Tunnelbauten organisiert, mit Freunden Grenzlampen ausgeschossen oder mittels eines Wagenhebers Mauerteile zum Einsturz gebracht. Der 84jährige bestreitet nicht, diesen Widerstand aus rein persönlichen Gründen geleistet zu haben.
Er war mit seiner jungen Frau Martina* 1960 in den Westteil der Stadt gezogen und dort schon bald Vater einer Tochter geworden. Dann kam der August 1961. Das junge Paar wollte umziehen, gab die einjährige Tochter in die Obhut der Großeltern in Ost-Berlin, um die wenigen Möbel in das neue Domizil transportieren zu können. Dann kam die Nacht vom 12. auf den 13. August: Ost-Berlin sperrte die bis dahin offenen Grenzen zu den Westsektoren, ersetzte wenige Tage später die ausgerollten Stacheldrahtrollen durch massive Mauer-Elemente. Seither sannen Werner und seine gerade achtzehnjährige Frau auf einen Weg, die von ihnen getrennte Tochter in den Westen zu holen.
Der Schwiegervater starb im Tränenpalast bei der Ausreise
Als im Sommer 1963 ein Tunnelbau an der Bernauer Straße fast fertig war, nur wenige Meter trennten die Fluchthelfer vom Keller des Hauses, in dem der Tunneleinstieg geplant war, wurde das Vorhaben verraten. 21 Verhaftungen und Verurteilungen folgten, darunter die Großeltern der kleinen Martina, die in ein Heim verbracht wurde. Erst viele Jahre später durften die (Schwieger-)Eltern ausreisen. Die Frau hatte ihre Haft im DDR-Zuchthaus Hoheneck verbüßt. Der Mann brach bei der Ausreise nach ebenfalls durchlittener Haft bei der Kontrolle im sogen. Tränenpalast, dem Kontrollgebäude in der Friedrichstraße für Westreisende, zusammen und starb.
Wenn Werner über diese Zeit berichtet, erschrickt der Besucher über seinen leidenschaftslos wirkenden Bericht, die stoisch wirkende Aneinanderreihung von Faklen und Ereignissen. Zunächst schreibt man dies der üblichen Bitternis über seine jetzige Einsamkeit zu. Die Ehefrau hatte ihn 1966 endgültig verlassen, eine neue Bindung hatte sich nicht ergeben. Werner spricht rückblickend von Verrat, will kein gutes Wort über „die Treulose“ verlieren. War da dann doch so etwas wie Emotion erkennbar?
Der Zugang zu Werners Leben gestaltet sich nicht einfach, gibt zunächst Rätsel auf. Auch der kleine Weihnachtsbaum, der ihm die Einsamkeit in den heurigen Frühlingstagen des Dezember 2015 – das Thermometer zeigt nahezu 15 Grad plus an – wohl erträglicher machen soll, ist nicht geeignet, über den Weg weihnachtlicher Stimmung das Tor der Erinnerung zu öffnen, seine Gedanken einem Dritten zugänglich zu machen.
Aus den wenigen Anmerkungen und Hinweisen Werners, aus den Einblicken in seine Stasi-Akte, den Forschungen im Landesarchiv Berlin, in Beerdigungsinstituten und Meldebehörden ergibt sich dann doch ein grausames, dem Weihnachtsfrieden nicht gerade dienliche Bild eines Lebens, das so – und vieltausendfach – in Deutschland stattgefunden hat, aber in seiner Brutalität und Härte auch heute noch, im Jahr 2015, erschüttert und bewegt.
Im Alter von zwei Jahren 1934 von der Mutter getrennt
Die Mutter von Werner, Waltraud U.*, hatte einen jüdischen Vater und eine nicht unvermögende, wie es später hieß „arische“ Mutter. Schon bald nach ihrer Geburt – zwei Jahre vor Beginn des ersten Weltkrieges – stellte sich immer deutlicher heraus, das es der Vater wohl mehr auf das Vermögen seiner Frau als auf diese selbst abgesehen hatte. 1919 – ein Jahr nach dem Weltkriegsende – kam es zur Scheidung. Waltraud wurde von ihrer nun ärmlich gewordenen Mutter alleinerziehend aufgezogen. Im Alter von zwanzig Jahren, damals noch unter der Schwelle der Volljährigkeit (21), gebar Waltraud im Januar 1932 einen Sohn und nannte ihn Werner. Ihr Verlobter, Ullrich M.*, war wohl weniger begeistert, zumal sich ein Jahr später, also im „Jahr der Machtergreifung“ durch Hitler, die jüdische Vaterschaft seiner Verlobten als mögliche Belastung herausstellte. Ulrich M. löste die Verlobung und wandte sich einer anderen Frau zu.
Aus den zugänglichen Archivalien geht hervor, dass Werners Mutter ihren Sohn zweijährig in das Jüdische Weisenhaus in Pankow einlieferte. Dann verlief sich ihre Spur. Und Werner ging immer davon aus, dass seine Mutter in einem KZ ums Leben gekommen sei.
Das Jüdische Weisenhaus ist ein wuchtiger, beeindruckender Bau nahe dem U-Bhf. Pankow. Es beherbergt heute (2015) u.a. eine Bibliothek und eine Dauerausstellung über die Geschichte des Hauses. Warum Werner hier nie eine Schulbildung genossen hat, nicht einmal Lesen und Schreiben gelernt hat, lässt sich heute, über achtzig Jahre später, nicht mehr rekonstruieren. Das Essen war gut, daran kann sich der heutige Greis erinnern, mehr nicht.
Der „Idiot“ in den Kinderheimen
Aus den Akten: Um 1940 wird das Weisenhaus „geräumt“, die Zöglinge gehen auf „Transport“. Nur wenigen Kindern und Jugendlichen bleibt die Reise in den Tod erspart, so auch dem kleinen Werner. Er durchläuft bis zum Kriegsende und danach mehrere Heime, auch hier ohne Vermittlung schulischer Kenntnisse. Nach dem Krieg kommt der abgemagerte Knabe in ein sogen. Päppelheim, wird hier wie später in folgenden Einrichtungen als „Idiot“ bezeichnet, weil er nicht Lesen und Schreiben kann. Einzig eine Erzieherin müht sich um den Jungen, versucht ihm Hilfen zu verschaffen. Nach den Ursachen, nach den Spuren seines Schicksals fragt niemand. Warum auch? In der zerstörten Stadt hat jeder mit sich selbst genug zu tun, muß in der Trümmerlandschaft zwischen den Ruinen um die eigene Existenz kämpfen.
In den ersten Tagen der DDR laufen Anträge auf Anerkennung als OdF (Opfer des Faschismus), auch die Jüdische Gemeinde nimmt sich vorübergehend des Heranwachsenden an. Doch der Tod der Mutter läßt sich nicht nachweisen, allerdings – seltsamerweise, wie wir später durch Nachforschungen erfahren – auch nicht deren Überleben. Eine Kommission lehnt die Anerkennung ab, deren Wirksamkeit wird nach dem „Ausbleiben eines Widerspruchs“ bestätigt. Aber wie soll der Sechzehnjährige Widerspruch einlegen, wenn er den Bescheid gar nicht lesen, einen Widerspruch gar nicht zu Papier bringen kann?
Ach ja, der Vater. Nach den Unterlagen hat er seinen Sohn einige Male im Jüdischen Weisenhaus besucht, bis ihm bedeutet wurde, dass ein weiterer Besuch bei dem „jüdischen Balg“ Nachteile für ihn haben könnte. Nach 1945 nahm er Werner sogar für rund eineinhalb Jahre in die (neue) Familie auf. Ullrich M.* hatte nach der Tennung geheiratet und zwei Kinder gezeugt. Vermutlich nahm er Werner nach dem Krieg nur auf, weil er sich dadurch eine Besserstellung mit Lebensmittelmarken versprach, meint sein Sohn. Jedenfalls blieben an diese Zeit – der Rückkehr in eine Familie – keine guten Erinnerungen. Der Vater verprügelte seinen „missratenen“ Sohn regelmäßig und ließ ihn Hilfsarbeiten verrichten. So war auch zu den Halbgeschwistern kein engerer Kontakt entstanden, als Werner auf Veranlassung der Jugendbehörden erneut in ein Heim eingewiesen wurde.
Drei Jahre im Gefängnis Rummelsburg
Gerade 18 Jahre alt und damit volljährig geworden, verließ Werner eigenmächtig, sprich aus eigenem Entschluß die Heimwelt und entwich ohne jede Rücksprache. Wer wollte ihm das verdenken? Aber das Leben außerhalb der gewohnten Heime und Anstalten – man hatte zwischendurch sogar versucht, den Analphabeten als „schwachsinnig“ in einer gechlossenen Anstalt unterzubringen – der Kampf um die tägliche Existenz war hart. So blieb es kaum aus, das Werner mit den Gesetzen in Konflikt kam und schließlich um 1956 verhaftet und verurteilt wurde. Kleinere Diebstähle und der Handel mit Hehlerware war ihm schließlich zum Verhängnis geworden. In den Vernehmungsakten wird von Werner die Aussage vermerkt: „Ich wollte doch nur leben.“
Drei Jahre mußte Werner im Gefängnis Rummelsburg verbringen. Bis er schließlich, 1960, seine blutjunge Martina* kennen und lieben lernte, eine Familie gründete. Werner machte sich 1965 selbsständig und führte bis zu seiner Verrentung erfolgreich mehrere Geschäfte. Was wäre aus diesem Menschen wohlmöglich geworden, wenn ihm die Geborgenheit einer Familie und eine ordentliche Ausbildung zur Verfügung gestanden hätten?
Der Großvater starb 1943 in Auschwitz, die Mutter überlebte
Heute möchte der alte Mann mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun haben: „Man soll die Toten ruhen lassen!“ Als Freund und zeitweiser Weggefährte (u.a. Fluchthilfe) liess mich sein Schicksal aber nicht in Ruhe. Nach dem freimütig gewährten Einblick in seine Stasi-Akte wurde ich neugierig. Erstmals stieß ich auf konkrete Daten, die zumindest Anhaltspunkte lieferten, wo und an welchen Stellen unter Umständen Näheres über seine Eltern herauszufinden wäre.
Nach diversen Recherchen wurde ich fündig, aktiv unterstützt von meiner Frau und vielen gutmeinenden Menschen. Ergebnis: Die Mutter von Werner hat den Krieg überlebt, starb erst 1998 in Berlin.
Sie hatte 1934, nach der – nach wie vor ungeklärten – Weggabe von Werner, eine Tochter zur Welt gebracht und geheiratet. Der Mann brachte es bis zum Offizier bei den Fallschirmspringern. Und hier dürfen die Gründe für das Überleben von Werners Mutter vermutet werden. Ihr Mann wurde mehrfach aufgefordert, sich von der „Halbjüdin“ zu trennen, was dieser Offizier kategorisch ablehnte. Es gibt einige Beispiele dafür, daß Ehepartner auf diese Weise dem anderen Teil ihrer Lebensgemeinschaft das Leben retteten.
Warum die Mutter Werners zumindest nach dem Krieg nie nach ihm gefragt hat, läßt sich nicht mehr feststellen, kann noch nicht einmal vermutet werden. Ihr Grab haben wir an der Seestraße im Wedding gefunden und zu Weihnachten geschmückt.
Auch die (Halb-)Schwester aus der Ehe mit dem Offizier haben wir ausfindig gemacht. Die ebenfalls über Achtzigjährige war sehr bewegt über unsere Forschungsergebnisse und würde sich über ein Kennenlernen des Bruders freuen. Dieser aber ist noch nicht so weit. Er zögert, sich seiner Vergangenheit erneut zu stellen, will „das alles ruhen lassen.“ Seine Schwester ist bereit, das zu akzeptieren. Und wir müssen das wohl auch.
Und so lassen wir tief bewegt und auch aufgewühlt den alten Freund in seiner Küche vor dem kleinen Weihnachtsbaum sitzend zurück. Nicht ohne ihm alles Gute für das bevorstehende Fest und den Jahreswechsel zu wünschen. Im neuen Jahr wird er gleich im ersten Monat seinen 84. Geburtstag begehen. Wir haben zugesagt, ihn an diesem Tag zu besuchen. Und vielleicht wächst ja bei ihm doch die Neugier auf seine Schwester. Eine Begegnung dieser zwei alten Menschen nach dieser unmenschlich langen Zeit wäre zumindest auch für uns ein besonderes Weihnachtsfest. Aber ich weiß, dass wir darauf keinen Anspruch haben. Sonst wäre es ja auch kein Geschenk…
V.i.S.d.P.: Der Autor und Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 (24.12.2015 / 1.065)
„Hört auf mit dieser Heuchelei, in Euren Häusern sind noch Zimmer frei!“
Carl-Wolfgang Holzapfel zu den Appellen gegen „Fremden- und Ausländerfeindlichkeit“ (1991).
Der seinerzeitige Kreisrat in Bayern schrieb bereits damals u.a. Politiker an und forderte sie auf, ein Zeichen zu setzen und zumindest in ihre Dienstvillen mindestens eine Familie aufzunehmen: „Ich habe kein Vertrauen in Appelle, wenn nicht hinter ihnen die Bereitschaft steht, sich persönlich dafür einzubringen,“ zitierte der Wahlbayer aus Berlin damals Mahatma Gandhi.
Siehe auch:
Stell dir den Heiligabend vor mit Bodo Ramelow
Thüringens Ministerpräsident ist progressiv, nun will Ramelow auch das Weihnachtsfest vergesellschaften. Durch gemeinsame Gesänge von Protestanten, Katholiken, Muslimen und Juden. Gott behüte! Von Henryk M. Broder
http://www.welt.de/kultur/article135703057/Stell-dir-den-Heiligabend-vor-mit-Bodo-Ramelow.html
und:
Das deutsche Festival des Wahnsinns
Bei den jüngsten Protesten wächst auseinander, was nicht zusammengehört: auf der einen Seite die Politik, die verordnet, was man hierzulande meinen darf – auf der anderen das angeblich „dumme“ Volk. Von Henryk M. Broder
… Was also bringt die politische Elite dermaßen in Rage, dass sie ihren Auftrag vergisst, dem Volke zu dienen und stattdessen dem Volk Gehorsam abverlangt? Es ist der Hochmut des Vormunds gegenüber dem Mündel, eine abgrundtiefe Verachtung der „Menschen da draußen im Lande“. Die werden immer wieder aufgefordert, sich zu engagieren, aber wehe, sie tun es wirklich! …
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article135586551/Das-deutsche-Festival-des-Wahnsinns.html
Beide Beiträge sind in DIE WELT am 24. und 21.12.2014 erschienen.
V.i.S.d.P.: redaktion.hoheneck@gmail.com – Berlin
Von Carl-Wolfgang Holzapfel
Neustadt a.d. Weinstraße/Berlin, 18.12.2014/cw – Weihnachtszeit – stille Zeit? Wer den tagtäglichen Trubel vor dem Fest auf unseren Straßen oder in den Kaufhäusern erlebt, hat da so seine berechtigten Zweifel. Aber muß man dem heutigen Leben gleich abschwören und sich womöglich nach den goldenen Zeiten des Glaubens im Mittelalter sehnen? Die Inquisition verbrannte Hexen, die sich dem Teufel verschworen hatten, folterte Glaubensabtrünnige und sorgte so für die Aufrechterhaltung des rechten Glaubens.
Gegen diese Ordnung war einst Martin Luther aufgestanden. Dennoch gibt es gerade in dieser protestantischen Kirche mit den Evangelikalen eine Bewegung, die sich aus Überzeugung wohl noch vor Luther zurück bewegen will, mit ihren Bibel-Auslegungen die Katholische Kirche von Heute in einem wahren liberalen und menschenfreundlichen Licht erscheinen lassen.
Moderne Theologie: Sentimentale Weihnachtsgefühle
Als einer der Vorreiter dieser „bibeltreuen Christen“ versteht sich der bereits als „Ayatollah von Neustadt“ bezeichnete Prediger Rainer Wagner, dessen Bekenntnis zur „wortgetreuen Auslegung der Heiligen Schrift“ vernachlässigt werden könnte, wenn nicht gerade Wagner in vielfachen weltlichen Positionen, also mitten im Bereich der „Wirkungsstätte Satans“, vertreten wäre.
Der Ayatollah schleudert wie gewohnt auch zu Weihnachten wieder seine Wort-Blitze in die Welt der Verlorenen, wirft der Amtskirche vor, dass „die moderne Theologie diese biblische Wahrheit zugunsten eines bloßen innerweltlichen Vernunftglaubens, der mit etwas sentimentalen Weihnachtsgefühlen gespickt ist, aufgegeben“ hat. http://www.stadtmission-neustadt.de/smb/stadtmissionsbrief_2014-12.pdf
In seinem Weihnachtsbrief der Stadtmission Neustadt stimmt der Prediger und Vorstandsmitglied der evangelikalen „Evangelischen Allianz“ zunächst auf die Weihnachtzeit ein, beschreibt die „ANKUNFT Jesu“ um dann fortzufahren: „Diese ANKUNFT hat zwei Aspekte die wir immer im Auge behalten sollten. Der Weihnachtsaspekt: Gott kam in Christus in die Welt, um uns zu erlösen“, aber: „Der Aspekt des Jüngsten Tages: Jesus wird wieder kommen, um die Welt zu richten.“
Wir gehen unbeirrt auf die Hölle zu
„Warum das alles? fragt Wagner und gibt die Antwort: „Auch das sagt uns die Heilige Schrift: Unsere Welt ist seit dem Sündenfall das Herrschaftsfeld des Bösen (Eph 2,1.2). Von Natur her sind wir Satans Sklaven und gehen unbeirrt auf die Hölle zu. Unserer Sünde Bezahlung ist die Verdammnis, der ewige Tod (Röm 6,23).“ Die weihnachtliche Tröstung durch den Ayatollah bleibt nicht aus: „Aber Gott will nicht, dass wir zur Hölle fahren (Hes 33,11).“ Gott sei Dank, wenigstens das nicht! Doch dann liest Wagner der Amtskirche die Leviten: „Die moderne Theologie hat diese biblische Wahrheit zugunsten eines bloßen innerweltlichen Vernunftglaubens, der mit etwas sentimentalen Weihnachtsgefühlen gespickt ist, aufgegeben.“ Und er bedauert: „Leider rückt diese Hauptlehre unseres Glaubens auch bei manchen Evangelikalen in den Hintergrund.“ Ach was.
Drohung oder Verheißung?
Wagner: „Nun erinnert bibeltreue Christen die Adventszeit auch daran, dass Jesus versprochen hat, wieder zu kommen. Im Glaubensbekenntnis reden wir davon: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“. Nach den Worten des Ayatollah gibt es „einen 2. Advent, ein zweites Kommen Jesu.“ Aber: „Wenn dies soweit sein wird, kommt Jesus nicht mehr als Kind und Retter der Sünder, sondern als Richter.“ Die weihnachtliche Verheißung – oder Drohung: „Für die, welche nicht glauben wollen, wird dieses zweite Kommen Jesu aber ein furchtbares Erschrecken nach sich ziehen. Die Bibel sagt, dass die Menschen an diesem jüngsten Tag lieber tot sein möchten, als Gottes Gericht zu erleben (Offb 6,15-16).“
Der Prediger, im Nebenberuf auch Vorsitzender der Verfolgten-Organisationen UOKG und VOS und Mitglied in zahlreichen politischen Gremien, erinnert beschwörend daran, dass die Bibel Zeichen nennt, „die auf das Ende der Welt hinweisen. Sie ermahnen uns, stets bereit zu sein für den letzten Tag unserer Welt.“
Globalisierung ein moralischer Verfall der Menschheit
Die Beweisführung: „Die Bibel redet von Naturkatastrophen, Kriegen, Bürgerkriegen, Seuchen, Wirtschaftskrisen, Christenverfolgungen, einer Zuspitzung der politischen Probleme auf den Nahen Osten. Dazu kommt das Streben der Welt nach Globalisierung. Ein moralischer Verfall der Menschheit wie in Sodom und Gomorrha (Mt 24,38; Luk 17,29). Man wird eine Welteinheitsregierung und Welteinheitsideologie anstreben (Offb 13)“.
Dieser Ayatollah lebt mitten unter uns. Während Tausende auf die Straße gehen, um gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu protestieren, wäre es vielleicht ratsamer, erst einmal das Augenmerk auf einige Sektierer zu richten, die sich – offensichtlich unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit – bereits in zahlreichen Funktionen eingenistet haben.
Weihnachten ist und bleibt wohl ein Fest der Widersprüche. Trotzdem: Fröhliche Weihnachten! Auch nach Neustadt. Denn wahrscheinlich ist der Ayatollah kein „Knecht Satans“. Er ist und bleibt wohl auch nur ein Mensch wie Du und ich – mit all seinen Widersprüchen. Bedauerlich, das er hier seine Position für recht obskure Weltvorstellungen missnutzt. (908)
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