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Berlin, 11.07.2022/cw – Das schlägt dem Haken das Kreuz aus: Da soll es tatsächlich Firmen geben, die mit dem Staatssymbol der Nazis Geschäfte machen  wollen: Hakenkreuze in vielfache Variationen auf ebenfalls vielfach gestalteten und geschneiderten T-Shirts. Stückpreise um die 20,00 €. Das kann nicht wahr sein?

Für den Schutz der Arbeiter- und Bauernmacht

Richtig getippt: Das kann nicht wahr sein, weil einen Tag später die Polizei in den Vertriebsläden und Produktionsstätten stehen würden (soweit diese in Deutschland liegen), um diese „Waren“ zu beschlagnahmen. Vermutlich würden dieser Beschlagnahme entsprechende Anzeigen folgen: Verstoß gegen das Verbot des öffentlichen Zeigens von NS-Symbolen etc.

So weit, so gut. Aber wußten Sie, daß im Internet seit kurzer Zeit eine nicht unerhebliche Werbung für T-Shirts verbreitet wird, die in zig Variationen die verbrecherische DDR buchstäblich „hochleben“ lässt? Da soll nicht nur das Staatswappen in zig Variationen auf der Brust oder dem Rücken getragen und gezeigt werden, da kann man sich auch entsprechende Schriftzüge, wie „Ministerium für Staatssicherheit“, flankiert von einem Gewehr mit aufgepflanzten Bajonett, bestellen.

Werbung für ein Verfolgungsorgang: „Ministerium für Staatssicherheit“

Sie glauben das nicht? (Ist ja auch unglaublich!) Rufen Sie doch mal die Seiten auf: https://www.spreadshirt.de/shop/design/ddr+dorfkind+leg+dich+niemals+mit+einen+an+maenner+premium+hoodie-D5d2a8c1d22250920da534da8?sellable=2LJORYQG75s0ZlQakoVX-20-22

oder:

https://www.redbubble.com/de/i/t-shirt/Deutschland-wieder-gro%C3%9F-machen-DDR-DDR-DDR-von-Martstore/31882366.NL9AC.XYZ

Mit Trump-Sprüchen Werbung für die zweite deutsche Diktatur

Unter „Deutschland wieder groß machen“ wirbt z.B. eine Firma Martstore für diese „tolle“ Werbung für einen Unrechtsstaat.

Oder: „Leg Dich niemals mit Einem an. Denn wir kennen Orte, wo Dich Niemand findet“. Steht so um ein farbiges DDR-Wappen herum dekoriert – auf dem Rücken (Wo denn sonst?).

Offene Verhöhnung der politischen Opfer des kommunistischen SED-Regimes

Ob sich Einer oder Eine aus der Politik, den Medien oder gar einer Staatsanwaltschaft findet, der/die diesen unerhörten Vorgang anprangert, gar anzeigt oder strafrechtlich verfolgt? Wohl kaum. Denn DDR-Symbole dürfen Sie zeigen, solange Sie Lust dazu haben oder gar einer kommunistischen Verbecherorganisation angehören. DDR-Symbole sind (noch immer) nicht verboten. Genauso wenig, wie Lobeshymnen auf den einstigen Arbeiter- und Bauernstaat, in dem es so gerecht zuging, der die Freiheit (des Sozialismus) verteidigt hat und ein (selbsternanntes) „Bollwerk des Friedens gegen Faschismus und Krieg“ – zumindest propagandistisch – gewesen sein will.

Trotzdem sollten Sie gegen diese „Verherrlichung“ der zweiten deutschen Diktatur ihre Stimme erheben. Fordern Sie ein endliches Verbot jeglicher DDR-Verherrlichung. Noch heute, jetzt!

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17.JUNI 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.711)

Berlin, 20.06.2022/cw – Ein Jahr v o r dem 70. Jahrestag des Volksaufstandes von 1953 können wir ein erschreckendes Desinteresse an den damalige Ereignissen in der zu Recht untergegangenen DDR konstatieren. Selbst die Medien, die bisher wenigstens annähernd von diesem Tag Kenntnis genommen und zumindest in BILD und Text über die Gedenkveranstaltung der Bundesregierung auf dem Friedhof Seestraße im Berliner Bezirk Wedding berichtet hatten (hier liegen Opfer des Aufstandes und seit 2005 auch ehem. Teilnehmer begraben), hielten sich auffallend zurück. Selbst die Presse aus dem Axel-Springer-Verlag, ansonsten in den vergangenen Jahrzehnten in gewisser Vorreiter-Funktion, verzichtete nicht nur auf Fotos sondern überhaupt auf eine Erwähnung der Gedenkveranstaltungen vor dem ehem. „Haus der Ministerien“ dem heutigen Bundesministerium für Finanzen („Platz des Volksaufstandes von 1953„) und dem Friedhof Seestraße.

Wir verzichten aus Protest auf eine weitere Textung und geben hier nur einige Fotos von diesem Tag wieder:

Ehrung der „Kämpfer für Einigkeit, Recht und Freiheit„, diesmal in den Farben der Ukraine, an den Mauerkreuzen zwischen Reichstag und Brandenburger Tor (Fotos: LyrAg-Press/Mario Bandi
Kranz am „Holzkreuz“ in Berlin-Zehlendorf, der einzigen originären Gedenkstätte an den Volksaufstand in Deutschland
Ehrung der einstigen Rot-Armisten am sogen. „Russenstein“ ggüb. dem „Holzkreuz“ (1954 in Anwesenheit von F. Kerenski, des letzten vorrevolutionären Ministerpräsidenten Russlands/1917 eingeweiht, der eigens aus New Yorck angereist war). Die hier Geehrten hatten sich nach der bisher nicht widerlegten Legende geweigert, auf deutsche Arbeiter zu schießen und waren dafür standrechtlich (z.B. im Wald von Biederitz b/Magdeburg) erschossen worden. Es soll sich vornehmlich um Ukrainer gehandelt haben. Die Ukraine gehörte zu dieser Zeit noch zur UdSSR.
Russische Panzer gegen die Selbstbestimmung und Freiheit: 1953 in Ost-Berlin und der DDR, 2022 vor Kiew und in der Ukraine
Auf dem „Platz des Volksaufstandes von 1953“ vor dem ehem. „Haus der Ministerien“, dem heutigen BMF
Auch am Steinplatz in der Hardenbergstraße ehrte die VEREINIGUNG die Kämpfer vom 17. Juni 1953. Ebenso werden seit vielen Jahren von uns am Steinplatz auch die Opfer der NS-Diktatur geehrt.
Am 17. Juni 2022 ehrten wir zeitgleich die Kämpfer um Einigkeit und Recht und Freiheit in der Ukraine.#

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17. JUNI 1953, Berlin – Tel.: 0176-48061953 (1.710)

Presseerklärung

Berlin, 01.03.2022/cw – Die in Berlin ansässige VEREINIGUNG 17. JUNI 1953 hat in einem vorab per Email versandten Schreiben an die Regierende Bürgermeisterin von Berlin diese gebeten, am kommenden Donnerstag, dem 1. Wochentag der Invasion in die Ukraine die Freiheitsglocke im Schöneberger Rathaus läuten zu lassen. Das vom Vorsitzenden der Verreinigung unterzeichnete Schreiben an die Regierende Bürgermeisterin hat folgenden Inhalt:

Am kommenden Donnerstag erinnern wir uns an den von uns allen für undenkbar gehaltenen Überfall auf die Ukraine. Seither hat es in aller Welt, nicht zuletzt am vergangenen Sonntag in Berlin (an der wir auch teilgenommen haben), eindrucksvolle Demonstrationen gegen diesen Bruch des Völkerrechts gegeben.

Wir möchten als Verein, der seine Historie auf den Freiheitskampf vom 17. Juni 1953 zurückführt, Sie sehr herzlich bitten, am kommenden Donnerstag, dem Wochentag des Überfalls, um 12:00 Uhr die Freiheitsglocke im Schöneberger Rathaus läuten zu lassen. Wenn wir dies außerdem für die Zeit des andauernden Krieges jeden Donnerstag wiederholen würden, wäre dies ein   unüberhörbares symbolisches Zeichen der Solidarität aus der „Stadt der Freiheit“. Manchmal bedarf es nicht viel Aufwand, um ein solches wichtiges Signal in die Welt und an die Bürger der Ukraine zu senden.

In der Hoffnung auf Ihre Zustimmung und die des Senats von Berlin verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Ihr Carl-Wolfgang Holzapfel, Vorsitzender„.

Der Verein teilt ergänzend mit, dass er dieses Schreiben allen Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin mit der Bitte zur Kenntnis gibt, dieses Anliegen zu unterstützen.

V.i.S.d.P.: VEREINIGUNG (AK) 17.JUNI 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.708).

Berlin, 24.12.2021/cw – Der Vorstand der VEREINIGUNG 17. JUNI 1953 wünscht allen Mitgliedern und besonders allen Förderern und Spendern des diesjährigen  Projektes „Den Opfern ein Gesicht geben“ trotz der misslichen Epidemie ein frohes Weihnachtsfest im Kreis einer gesunden Familie und einen  guten Übergang in ein hoffentlich bald freies CORONA-Jahr 2022.

Erneuerte Kreuze in der Ebertstraße: Am 60. Jahrestag des Mauerbaus enthüllt. Foto: LyrAg-Press

Am Anfang des zu Ende gehenden Jahres stand der Gedanke, zum 60. Jahrestag des unseligen Mauerbaus vom 13. August 1961 den Opfern ein Gesicht zu geben, im Fokus. Wir wollten die „Weißen Kreuze“, die in der Ebert-/Ecke Scheidemannstraße an die Opfer der Mauer erinnern, erneuern. Aus diesem Anlass sollten die bisherigen Namen und Todesdaten durch ein jeweiliges Portrait, die Hinzufügung des jeweiligen Geburtsdatums und mit einer Kurzbiografie, in der die Umstände des Todes geschildert werden sollten, ergänzt werden.

Unsere Absichten wurden überraschend schnell sehr positiv aufgenommen. Und nachdem diverse Bundestagsabgeordnete nach einer Sammlung in der Fraktion spontan 970 € überwiesen hatten, gab der Vorstand die Erneuerung in Auftrag. Zum 60. Jahrestag konnten wir dann tatsächlich in einer feierlichen Stunde in Anwesenheit des ehem. Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, der Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger und Antje Kapek, die stv. Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Beatrix von Storch, weiterer Abgeordneter des Berliner Parlamentes und des Bundestages, sowie von ehem. Fluchthelfern, Opfern der SED-Diktatur und Angehörigen von ermordeten Flüchtlingen die erneuerten Kreuze enthüllen.

Nachdem die Kosten von 5.000 € überwältigend schnell durch Spenden bewältigt werden konnten, fasste der Vorstand den Beschluss, auch die Kreuze am Spreebogen entsprechend zu erneuern. Anvisiert wurde der 9. November. Durch die unabweislichen Planungen der Entwürfe und die Auftragsvergabe war dieser Termin jedoch nicht zu halten. Da die Umsetzung aber noch in diesem Jahr erfolgen sollte, konnte der Verein die Realisierung bis zum Volkstrauertag, 14. November, umsetzen. Allerdings war es innerhalb der vergleichsweisen kurzen Vorlaufzeit nicht möglich, die Finanzierung (3.000 €) vorab durch Spenden auszugleichen. Hier übernahm der Vorstand ggüb. dem Verein eine persönliche Bürgschaft, um die Rechnung der ausführenden Firma begleichen zu können. Dank der eingegangenen Spenden konnte bereits ein großer Teil der Kosten aufgebracht werden, sodass der Vorstand guten Mutes ist, den Restbetrag i.H.v. rund 1.000 € noch „einspenden“ zu können.

Am Volkstrauertag (14.11.2021) am Spreebogen den Opfern eien Gesicht gegeben. Foto: LyrAg-Press Auf der Rück-(Wasser-)seite sind unter „Den Opfern der Mauer 13.08.1961 – 09.11.1989“ 140 Namen der Berliner Todesopfer vermerkt.

An dieser Stelle möchten  wir den bisherigen zahlreichen Spendern aus Berlin, dem Bundesgebiet und dem Ausland herzlich DANKE sagen: Wolfgang L., Rimbach; Joachim F., Berlin; Carl-Wolfgang H., Berlin; Edda S., Berlin; Tatjana S., Berlin; Fa. plott and print, Berlin; Brigitte B., Rheinland-Pfalz; Wolfgang u. Helga, Berlin; Burkhart V., Berlin; Edith F., Berlin; Goetz F., MdB, Berlin; Anton F., MdB, Berlin; Harald W., BRD; Thomas S., MdB, Berlin; Wolfgang W., MdB, Berlin; Ruth, Berlin; Herbert W., MdB, Berlin; Christoph N., Berlin/MdB; Ulrich O., Chemnitz/MdB; Holger T., Lohne; Klaus u. Gisela D., Berlin; Horst Rudolf Ü., Linz/Österreich; Klaus H., Jena; Eva A., Österreich; Frank D.; Barbara N., BRD; Unbekannt (Bar), Spanien; Hildegard D., Berlin; Brigitte K., Berlin; Fraktion Bundestag (ungenannt); Franz Josef W., BRD; Detlef D., Berlin; Yves, Berlin; Hartmut M., Berlin; Ralf J., BRD; Barbara B., Berlin; Bernd W., Bad Berka; Hermann von L., BRD; Rupprecht H., BRD; Barbara K., Berlin; Kathleen F-P., GB; Thomas B., Berlin; Horst S., BRD; Franz M-H., Berlin; Karl Wilhelm F., Köln; Christian u. Angelika H., BRD;  Peter u. Heidemarie St., Bonn; Rayk H., BRD; Anke u. Matthias J., Korchenbroich; Werner H., Schwaikheim; Peter B., Assen/Nederland; Frank u. Maritta P., Schweiz; Carsten J., Korchenbroich; Klaus H., Jena, Dr.Bernd K., Bonn, Wolfgang l., Hannover, Edda S., Berlin; Peter u. Heidemarie St., Bonn. (Stand: 30.06.2022).

Dieser Dank gilt auch allen Medien, die dieses wichtige Anliegen durch eine entsprechende Berichterstattung gefördert haben. Der gleiche Dank geht an die Bundestagsverwaltung und die Fraktionen des Bundestages, die sich ohne zu zögern hinter unser Vorhaben gestellt haben.

Wenn auch Sie als Besucher und Leser unserer Seite diese Aktion „Den Opfern ein Gesicht geben“ fördern wollen, sind wir auch für Ihre Spende dankbar. Bitte überweisen Sie an die

Vereinigung 17. Juni 1953 Ammerseebank, IBAN: DE27 7009 1600 0000 6329 02 Kennwort: Mauerkreuze Spreebogen.

Zuwendungen und Spenden sind steuerlich begünstigt.

V.i.S.d.P.: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V., Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.689).

Von Carl-Wolfgang Holzapfel*

Berlin, 26.11.2021/cw – Es war ein kalter Novembertag – vor sechzig Jahren: Die JUNGE UNION, deren Mitglied ich wenige Monate zuvor in Hamburg geworden war, hatte in Berlin am 21.11.1961 zu einer Demonstration aufgerufen: „Die Jugend protestiert gegen die Mauer“. Nach meiner spontanen Rückkehr aus Hamburg Ende August – nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 hielt mich auch das gerade begonnene Lehrverhältnis als Einzelhandelskaufmann nicht mehr in der Hansestadt – war dies meine erste aktive Teilnahme an einer Demonstration gegen die Mauer. Es sollte der Beginn einer 60jährigen politischen Aktivität sein. Grund genug , mich nach sechs Jahrzehnten dem Ruhestand zuzuwenden.

Rückblickend war dies die erste Schulung im demokratischen Widerspruch, die erste Erfahrung mit dem Begriff „Widerstand“. Der Zug bewegte sich – nach meiner Erinnerung – vom Wittenberg- über den Ernst-Reuter- zum Theodor-Heuss-Platz. Dort waren auf einem Stein die Worte unübersehbar zu lesen: „EINIGKEIT – RECHT – FREIHEIT“. Auf diesem Stein stand eine Schale, aus der eine „Ewige Flamme“ loderte.

Der 17jährige C.W. Holzapfel auf der Demei (Mitte, mit Brille, 5. v. re.) Quelle: rbb RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/protest-der-jugend-gegen-die-berliner-mauer/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTYxLTExLTIxVDE5OjMwOjAwXzFlZGU4OTQzLTdiOWItNDgzOS1iMWIzLWU1ZGJkMGM1NDIzMi9yZXRyb18xOTYxMTEyMV9Qcm90ZXN0bWFyc2No/

Warum ziehen wir nicht an die Mauer?

Schon auf dem Weg wagte ich, laut meinen Protest zu formulieren: „Warum ziehen wir nicht an die Mauer? Was soll der Weg durch Straßen, die keine Mauer versperrt?“ Ein Ordner ermahnte mich, die Leute nicht aufzuwiegeln, es ginge hier um eine ernste Sache.

Am Zielort angekommen – ich erinnerte mich an meine Kinderzeit, als hier allwöchentlich Britische Soldaten aufmarschierten und wir am Rande der Show um Kaugummi bettelten („Have you a gum?“) – sprach zunächst Jürgen Wohlrabe, ein späterer Freund, und dann Ernst Lemmer, der allseits anerkannte Minister für Gesamtdeutsche Fragen. Lemmers Rede war anklagend, ganz im Tenor der Empörung über die Aktion „Antifaschistischer Schutzwall“, als den das „Pankower Regime“ den Bau der Mauer bezeichnete.

Diese Demonstration ist nicht angemeldet

Nach dem Absingen der Nationalhymne und der obligatorischen Feststellung durch den Veranstalter „Die Kundgebung ist beendet“ blieben die Demonstranten stehen, als erwarteten sie eine weitere Aktion. „Wir Auf zur Mauer! Auf zur Mauer!“ Überraschend setzte sich dieser Ruf rasend schnell unter den Demonstranten fort. Bald klang es aus hunderten Kehlen: „Auf zur Mauer!“ Nur: Keiner bewegte sich.

Wieder wurde diese Klassenkameradin zu meiner ersten Lehrmeisterin, als sie bemerkte: „Wenn  Ihr nicht lost zieht, bleibt hier alles stehen.“ Dankbar nahm  ich diese Anregung auf und setzte mich mit lauten Rufen in Richtung Ernst-Reuter-Platz in Bewegung. Tatsächlich folgten immer mehr Teilnehmer dem Aufruf, zunächst noch zögerlich.

Bereits auf dem Kaiserdamm hörten wir die ersten Sirenen von Polizeiwagen und auch die ersten Durchsagen: „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Diese Demonstration ist nicht angemeldet. Bitte verlassen Sie die Fahrbahn und gehen Sie nach Hause!“müssten aufrufen, zur Mauer zu marschieren,“ sagte ich zu ein paar jungen Leuten, unter diesen eine ehemalige Klassenkameradin vom Gymnasium in Zehlendorf. „Da müsst Ihr wohl anfangen, sonst bewegt sich da nichts,“ erwiderte die Kameradin mutig. Also rief ich „

Auf dem Ernst-Reuter-Platz angekommen bemerkten wir, daß die „Straße des 17. Juni“, also der direkte Weg zur Mauer vor dem Brandenburger Tor, abgesperrt war. Darauf reagierten wir Demonstranten mit einem Sitzstreik auf den Fahrbahnen rund um die dortige Mittel-Insel. Nach mehreren erfolglosen Ermahnungen der Polizei, die „illegale Demonstration“ sofort abzubrechen, weil man sich sonst „polizeilichen Maßnahmen“ aussetzen würde, hieß es plötzlich „Knüppel frei“, und die eingesetzten Beamten schlugen mit Gummiknüppeln auf uns sitzende Jugendliche ein. Ich sprang auf und rannte in die Hardenbergstraße in Richtung Bahnhof Zoo.

Dort ziemlich atemlos angekommen, verabredete ich mich mit einigen Versprengten zu einer Fortsetzung unseres Protestes am berühmt gewordenen Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Nachdem ich noch angewidert beobachtet hatte, wie ein offenbar enthemmter Polizist auf einen jungen Mann grundlos und brutal mit seinem Gummiknüppel einschlug, der infolge mit blutender Kopfwunde zusammenbrach, eilte ich zur U-Bahn.

Große Worte und reale Wirklichkeit

In der Kochstraße angekommen, war ein Gang zum Checkpoint gar nicht möglich. Mit lautem „Tatütata“ fuhren  mehrere Mannschaftswagen des Typs HANOMAG auf. Kaum  waren  die Klappen gefallen, sprangen Polizeibeamte herunter und knüppelten auf gebildete Gruppen von Demonstranten ein. Mir ist dieser Tag unvergesslich als Widerspruch zwischen „Großen Worten“ („Die Mauer muß weg“) und realer Wirklichkeit. Man kann auch einfach sagen: An diesem Tag vor sechzig Jahren habe ich meine politische Unschuld verloren.

Dieser bitteren und realen Erkenntnis folgte die zunächst verzweifelte Suche nach vertretbaren Formen des Widerstandes gegen neuerliches Unrecht, wie dieses sich in der Mauer manifestierte. Schon bald entschloss ich mich zum „Gewaltlosen Widerstand“ nach Mahatma Gandhi. Dabei half mir ein kleiner, unscheinbar wirkender Mann  aus Indien: T. N. Zutshi. Er war erstmals nach dem Ungarn-Aufstand 1956 nach Europa gekommen, um uns in Europa im Kampf gegen die Rote Diktatur die Methoden Gandhis zu vermitteln. Legendär sein damaliger Fußmarsch (1960)  über hunderte Kilometer von München an die „Brücke von Andau“, über die viele Ungarn nach dem Zusammenbruch des Aufstandes nach Österreich geflüchtet waren.

Nach dem Mauerbau wollte Zutshi in Berlin diesen Kampf fortsetzen, uns vermitteln: „Der erste Schritt zur Freiheit – Legt Eure Furcht ab und sprecht die Wahrheit.“ 1964 verließ uns der mutige Inder. Von diversen Behördenschikanen und Androhungen bedrängt, ihn  als unerwünschten Ausländer abzuschieben, kehrte Zutshi nach Indien (Benares) zurück, wo sich seine Spur verlor. Berlin hat diesem tapferen und uneigennützigen Ingenieur aus Nehrus Indien bis heute keine Erinnerung gewidmet. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Mir blieb der gewaltlose Widerstand gegen bestehendes Unrecht. So forderten mein Freund Dieter Wycisk und ich anlässlich eines Hungerstreiks am zuvor aufgestellten Mahnkreuz für den am 25.12.1963 ermordeten Paul Schulz (Thomaskirche/Mariannenplatz) bereits plakativ die UNO zum Handeln auf: „Wir brauchen die TAT!“

Holzapfel bei seinem Hungerstreik 1963/64 am Mauerkreuz für Paul Schulz an der Thomas-Kirche in Kreuzberg – Quelle: rbb-RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/gebet-und-mahnwache-fuer-mauertoten/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTY0LTAxLTA0VDE5OjMwOjAwXzBiMmEzZDcwLTJlNTQtNGNkNS1hODkzLTMzOTcwOWQ5OGU2YS9yZXRyb18xOTY0MDEwNF9nZWJldHVuZG1haG53YWNoZW1hdWVydG90ZQ/

Nach 60 Jahren Widmung der Familie

Für mich ist es Zeit, mich nach sechzig engagierten Jahren der nachdenklichen Rückschau zu widmen und die verbleibenden, vermutlich wenigen Jahre meiner lieben Frau, meiner Familie und den verbliebenen Freunden, von denen viel zu Viele schon diese Erde verlassen haben, zu widmen. Meinen Pflichten für die Vereinigung 17. Juni, der ich seit 1963 angehöre und deren Vorsitzender ich seit 2002 bin, werde ich – wie den bereits begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Initiativen (z.B. für das stiefmütterlich behandelte originäre Denkmal an den 17. Juni 1953 in Berlin-Zehlendorf) – selbstver- ständlich und so gut ich es vermag nachkommen. Schon jetzt bitte ich um Nachsicht, wenn  dies nach sechzig kraftzehrenden Jahren nicht mehr so, wie gewohnt, erfolgt oder erfolgen  kann.

Time to say goodbye
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* CWH wurde als „Mauerdemonstrant“ bekannt.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.683).

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