Ein Einwurf

Berlin, 22.02.2013/cw – Um es vorweg zu sagen: Der angesehene und zur guten  PR fähige Forscher und Buchautor Ilko-Sascha Kowalczuk war nach allen bisherige Erkenntnissen kein IM der Stasi, weder haupt- noch nebenamtlich. Nach seiner neuesten Studie über „Die schlanke Stasi“ (so  spiegel-online / Stefan Berg) wird der Historiker aber nicht die Wissenschaftlichkeit vorgestellter Fragestellung bestreiten wollen. Denn Wissenschaft stellt die Fragestellung an den  Anfang jedweder Forschung und sucht Antworten, die sie mit ihren Erkenntnissen mal mehr oder weniger fundiert untermauert. Das ist ihre vornehmste Aufgabe.

Der Aufschrei gegen  Fragestellungen, die sich durch gefühlte oder bereits überprüfte Wahrnehmungen eigentlich erledigt haben, ist den Fragestellern gewiss, so auch mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit dem Verfasser dieser Zeilen. Dabei geht es hier nicht um eine vermeintlich echte wissenschaftliche Frage, sondern um ein  Beispiel, wie schnell vorgebliche wissenschaftliche Intention ein Geschmäckle bekommen kann, also genau das Gegenteil von Wissenschaftlichkeit belegt.

Wir wissen nicht, ob jetzt von der einstigen Generalität abwärts, zumindest bei deren Überlebenden, die Sektkorken knallen. Wahrscheinlich auch dies, belegt bisher nicht. Zumindest solange nicht, wie nicht eine Gestrigen-Postille triumphierend Fotos von Kelche schwingenden Obristen veröffentlichen (was nicht zu erwarten  steht, weil die Schreiber und Betreiber dieser Blätter ihr propagandistisches Handwerk gelernt haben).

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Interessante LINKS zum Thema STASI:

http://www.tagesspiegel.de/politik/streit-um-zahl-der-stasi-im-wer-gehoert-in-die-statistik-und-wer-nicht/7832420.html

http://www.epochtimes.de/ddr-forscher-es-gab-deutlich-weniger-im-als-angenommen-1062304.html

http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2013-02/26026432-ddr-forscher-es-gab-deutlich-weniger-im-als-angenommen-003.htm

http://www.insuedthueringen.de/regional/thueringen/thuefwthuedeu/Jahn-Ich-will-auch-Bruecken-bauen;art83467,2372904

http://www.insuedthueringen.de/regional/thueringen/thuefwthuedeu/Jahn-reicht-hauptamtlichen-Stasi-Mitarbeitern-die-Hand;art83467,2383624

http://www.neues-deutschland.de/artikel/811022.lange-her-nicht-vorbei.html

http://www.berlin.de/imperia/md/content/lstu/vortraege/vortrag_b__stlein_7_12_11.pdf?start&ts=1327579779&file=vortrag_b__stlein_7_12_11.pdf

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Wir dürfen aber vermuten, dass die jetzt vorgelegte Kowalczuk-Studie zur „Verschlankung der Stasi“, die inhaltlich bis auf die angesprochene Bezug nehmende Veröffentlichung in spiegel-online nicht bekannt ist, auf ein größeres Interesse bei den Alt-Vorderen stoßen wird, als bei den Verfolgten und Opfern der Stasi-Krake. Warum?

Staatssicherheit wurde dämonisiert

Den Verfolgten und Opfern ist der von Kowalczuk aufgelegte Streit um tatsächliche Zahlen über die Mitarbeiter ihrer Peiniger egal, weil sie noch heute unter vielfachen Traumata dieser Verfolgung leiden und bis ans Lebensende nicht werden ablegen können, verstärkt durch die mehr als zaghaften Ansätze der Politik zu einer Wiedergutmachung (Stichwort: Soziale Zuwendung). Was die Verfolgten und ihre Verbände aber unabhängig von jeder wissenschaftlichen Beurteilung zu Recht auf die Barrikaden treiben wird, ist die von Spiegel-Autor Berg behauptete Intention des Verfassers der Stasi-Studie. Man habe, so wird Kowalczuk zitiert, „den Staatssicherheitsdienst dämonisiert“, ein Bild von diesem geschaffen, welches „mit der Realität nichts gemein“ habe. Das bisher gezeichnete Bild „vom Stasi-Offizier sei ein  Zerrbild“, und (die Stasi-Opfer  brechen vermutlich in Tränen aus) „keine Personengruppe“ sei „so intensiv und systematisch“ überwacht worden, wie der hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter selbst.

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Hier sei eine aktuelle Anregung eingefügt: Es sollte schnellstens ein „Opferverband der durch Überwachung geschändeten Stasi-Mitarbeiter“ gegründet werden, um deren nunmehr berechtigten Ansprüche gegenüber den Verleumdern (Abtretung von Teilen,  im schlimmsten  Fall der gesamten sozialen Zuwendung) bis hin zu Ansprüchen gegenüber dem Staat wegen erlittener Verfolgungsmaßnahmen zu vertreten. Es finden sich sicherlich lässig Engagierte, die bei der Gründung und Satzungsformulierung behilflich sind.

Zurück zum Ernst der Wissenschaft: Niemand kann dem rastlosen Buchautor und Forscher Kowalczuk das Recht bestreiten, die bisherigen Zahlen über die Stasi-Krake zu hinterfragen und, wo notwendig zu korrigieren. Man wird auch nicht verlangen können, die sicherlich zumindest einseitig wirkende „westliche Sicht“  auf das SED-MfS-System der DDR fortsetzen zu müssen. Insoweit waren und sind sachlich und wissenschaftlich begründete Korrekturen sicherlich notwendig und ohnehin zulässig.

Was unter diversen Gesichtspunkten fragwürdig erscheint, sind die aufgeführten Intentionen der „Dämonisierung“ der durch und durch nach sowjetischem Vorbild verbrecherisch konzipierten Institution. So müsste die Gegenüberstellung von 6.000 Mitarbeitern der GESTAPO (bei 80 Millionen Staatsbürgern) den sechsstelligen Mitarbeiterzahlen (bei 17 Millionen Staatsbürgern) ebenso obligatorisch sein, wie der unzweifelhafte Kampf gegen „andere Meinungen“, die mit Hilfe der Stasi als „Vollstrecker der SED“, hier hat Kowalczuk zweifellos Recht,  zu kriminellen Delikten gegen Staat und Gesellschaft konstruiert wurden.

Wurden Müller-Enbergs und Hubertus Knabe befragt?

So sehr die „wunderbare Entlastung“ der SED und ihrer Mitglieder kritisiert werden muß (und nicht erst durch Kowalczuk thematisiert wird), unter diesen eine unbekannte Zahl von Überzeugungstätern, die vielfach als IM gar nicht erfasst waren, weil sie auch ohne Verpflichtung  ihrer Parteipflicht auf Denunzierung von Staats- und Parteifeinden nachkamen, so sehr sind Begriffe wie Dämonisierung der Stasi in diesem Zusammenhang völlig daneben, unangebracht und aufgrund bisheriger Erkenntnisse auch unwissenschaftlich.

Erinnert sei an die hilflose Argumentation von Kowalczuk und seiner Mitautoren gegenüber den seinerzeitigen Vorhalten der Vereinigung 17. Juni, einem nach dem Aufstand vor sechzig Jahren gegründeten „Kampfverband für die Umsetzung der Ziele des 17. Juni 1953“. Auf die Kritik an der Wiedergabe offensichtlich falscher Fakten über den  Verein  und einzelner Funktionäre in dem 2004 aufgelegten Buch „Die verdrängte Revolution“ räumten die Autoren ein, aus den vorliegenden Stasi-Akten abgeschrieben und wegen des Termindrucks keine Zeit gehabt zu haben, MfS-Vermerke zum Beispiel durch Rücksprachen mit einstigen  Akteuren zu hinterfragen. Eine notwendige Berichtigungs-Beilage zeigte kaum Wirkung. Noch heute zitieren Gegner des Vereins genüsslich diese falschen Angaben aus den Stasi-Akten, weil die Autoren außerhalb jeden Zweifels standen.

Auch hier steht die berechtigte Frage im Raum: Wurden die kritisierten, nicht weniger renommierten Forscher Helmut Müller-Enbergs und Hubertus Knabe zu den „Forschungsergebnissen“ von Kowalczuk befragt oder um ihre Meinungen  gebeten?

Bleibt zu hoffen, daß Ilko-Sascha Kowalczuk die ausdauernde und anhaltende Zitierung aus seiner neuesten Arbeit durch Ewig-Gestrige zur Verteidigung ihrer Untaten erspart bleibt. Das Werk wird sicherlich wie gewohnt auf Kosten des Steuerzahlers demnächst als Buch erscheinen. Vielleicht erklärt uns der Autor demnächst ja auch die Dämonisierung der GESTAPO, die mit ihrer vergleichbaren niedrigen Anzahl von Mitarbeitern eigentlich unbedeutend war und  absichtlich gegenüber ihrem Auftraggeber NSdAP dämonisiert wurde. Um ebenfalls die Partei und deren Genossen zu entlasten?

V.i.S.d.P.: C.W. Holzapfel, Berlin, Tel:: 030-30207785

Siehe auch: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/studie-zur-stasi-zahl-der-im-in-der-ddr-umstritten-a-884493.html