Berlin, 8.03.2012/cw – „Wie die Akten aus dem Archiv der Staatssicherheit, die dem Freitag vorliegen, belegen, hat er (Anmerk.: Gauck) dabei maßgeblich eine erneute „Kirche von unten“ – Veranstaltung verhindert.“ In ihrer Ausgabe vom 8.03. berichtet die Wochenzeitung der Freitag über Einsichtnahmen in die Stasi-Akten des Kandidaten „der Herzen“ , wie es medial kolportiert wird und über die Kritiken einstiger Weggefährten an der Selbstdarstellung Joachim Gaucks als Bürgerrechtler. Der freitag: „Die von der Staatssicherheit über seine Person angelegten Akten zeigen nun, wie er in der Vorbereitung des Kirchentages dem Druck staatlicher Stellen nachgegeben und dadurch die Arbeit von Dissidenten wie Heiko Lietz erheblich behindert hat.“
„Pastor der Unfreiheit“
Unter dem Titel „Pastor der Unfreiheit“ zitieren die Autoren Jana Hensel und Jakob Augstein aus den Stasi-Berichten von 1987 und 1988. Danach wurde Joachim Gauck 1987 „als Vorsitzender des Kirchentagsausschusses der Landeskirche“ von dieser beauftragt, „einen Kirchentag im Sinne der Kirchenleitung durchführen und dabei alle Konflikte mit dem SED-Regime (zu) vermeiden“.
In einem IM-Bericht vom 2. November 1987 wird Gauck dazu zitiert: „Zum Kirchentag 1988 in Rostock sagte Gauck eindeutig, dass ,wir‘ keinen sogenannten Kirchentag von unten haben wollen und es in Rostock nicht zu solchen Ausschreitungen wie in Berlin kommen wird. Der gesamte Kirchentag ist ein Kirchentag von unten, aber Missbrauchshandlungen läßt er nicht zu… Rostock ist nicht Berlin – Gäste haben sich zu fügen und einzuordnen.“
Rostock ist nicht Berlin
Heiko Lietz hatte als Schulkamerad, theologischer Studienkollege und damaliger Bürgerrechtler eine besondere Nähe zu Gauck. Er war bereits 1981 aus dem Kirchendienst entlassen worden und gehörte neben Hans-Jochen Tschiche und anderen zu den Gründern des DDR-weiten Netzwerkes der Friedensgruppen, Frieden konkret. Lietz heute: „Ich habe sehr genau gemerkt, dass ich von der Kirchentagsleitung ausgebremst wurde. Ich wurde als Vorsitzender der landeskirchlichen Arbeitsgruppe für konziliare Prozesse nicht in den Vorbereitungskurs eingeladen.“ Wenige Tage vor dem Kirchentag wurde Lietz dann als Leiter dieser Arbeitsgruppe abberufen und durch den staatsnahen Pfarrer Dietmar Prophet ersetzt. Prophet wurde nach dem Mauerfall als IM enttarnt, berichtet der Freitag. Lietz weiter: „Ich hatte auch nie die Erwartung, dass Jochen Gauck jemand ist, mit dem ich mich gemeinsam auf den konfliktreichen Weg in eine bessere Gesellschaft machen kann.“
Kirchentag zum Feiern – nicht zum Demonstrieren
In einer Aktennotiz der Geheimpolizei über ein Vorbereitungstreffen vom 9. Mai 1988 heißt es laut der freitag: „Wörtlich äußerte Gauck: ‚Der Kirchentag 1988 ist zum Feiern da und nicht zum Demonstrieren!‘ …“ Die staatlichen Behörden jedenfalls waren mit der Art, wie Joachim Gauck den Kirchentag organisierte, zufrieden. In einer Tonbandabschrift vom 27. Juli 1988 ist vermerkt, „… immer wieder bekräftigt Gauck, dass er mit dem Herrn Lietz nichts gemein habe, dass er schon mehrere Gespräche mit Herrn Lietz geführt hat, dass dieser Mann keine Chancen hat, ein Kirchentag von Unten zu organisieren… Im Nachhinein lässt sich eindeutig aussagen, dass die Versprechen, die Gauck gegeben hat, auch von Herrn Gauck verwirklicht wurden.“
Dass Joachim Gauck die jetzt hochgespülten Einzelheiten aus dem behaupteten bürgerrechtlichen Engagement peinlich sind, ist nicht zu vermuten. Er äußerte sich jüngst recht abfällig über die „zwei, drei Kritiker“ (http://www.focus.de/politik/videos/kurz-vor-der-wahl-ehemaliger-weggefaehrte-kritisiert-joachim-gauck_vid_30137.html). Und solange die mediale Jubel-Welle, angeführt von BILD, jegliche Befassung mit kritischen Stimmen vermeidet und gar gegenteilige Umfrageergebnisse ignoriert, kann er der Wahl in zehn Tagen gelassen und routiniert entgegensehen. Ob Joachim Gauck jemals gewulfft wird, darüber könnten wohl nur Unterlagen Auskünfte geben, die mutmaßlich in manchen Redaktions-Schubladen liegen – für den Fall der Fälle. Die Wochenzeitung der Freitag hat ihn jetzt zumindest teilweise gegauckt und so zumindest ansatzweise ihre Leser informiert, was diese von einem möglichen Präsidenten als vielbeschworene mündige Bürger wissen sollten.
Der vollständige Artikel aus der freitag: http://www.freitag.de/politik/1210-der-staatsdiener
V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V. Berlin, Tel.: 030-30207785
5 Kommentare
9. März 2012 um 19:23
Horst Anstatt
Ich habe erst nach der Wende von Herrn Gauck oder Herrn Stolpe gehört u.s.w. von diesen sehr vielen Helden.
Dass die Frauen und Männer, die sich in der DDR gegen das SED – Regime und für Freiheit und Demokratie einsetzten, ihrem Gewissen folgten und dafür schwer bestraft wurden. Durch Inhaftierung, durch Folter und in den frühen Zeiten häufig auch durch Ermordung.
Die Geschichte lehrt uns, dass manchmal nur wenige ihrem Gewissen folgen.
Die Geschichte lehrt uns auch, dass es diese wenigen sind, die einer unterdrückten Gesellschaft Hoffnung geben u.a. Pfarrer Brüsewitz
Das schreibt einer der für seine Meinung von !961 bis 1968 in der ehemaligen DDR im Gefängnis war.
9. März 2012 um 16:36
Christian
Gabriel stimme ich ohne Einschränkungen zu, dieser „Freitag-Kommentar“ kann nur jemand schreiben, der nicht in einer bedingungslosen Diktatur aufgewachsen und sein Leben versucht hat so gut wie möglich zu leben ohne sich verbiegen zu müssen sondern in aufrecht in den Spiegel schauen zu können.Gauck hat den kirchlichen Kirchentag organisiert, die Menschen kamen zusammen, in der Gemeinsamkeit des kirchlichen Feiern sahen die Menschen auch Hoffnungen für künftige gesellschaftliche Neu-Gestaltungen.
Diese Kritiker, z.B. Lietz,ging es um den Staat herausfordernde Provokationen, wozu? Als Veranstalter hatte Gauck auch Verantwortung für das „Kirchenvolk“, dieser ist er gerecht geworden, 16 Millionen DDR-Bürger haben demnach sich kritiwürdig verhalten in der Lesart der Gauck-Kritiker !
Christian
9. März 2012 um 09:40
Stefan Köhler
Gewulfft? Gemobbt? Nur eines ist sicher, jedes Schauspiel, jede Komödie und jede Tragödie, jedes Gaukelorium wird fortgeführt, bis der Vorhang am Ende fällt. Die besten Schauspieler setzen sich in jedem Theater durch!
Was mögen diese ganzen evangelischen Kirchengrößen einst zur „Selbstverbrennung von Pfarrer Brüsewitz“ verkündet haben? Hat man das von ihm gesetzte Zeichen verstehen wollen oder ihn für irrsinnig erklärt? Welche Haltung haben sie zum Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR 1968 bezogen? Welche Haltung beziehen sie heute zu Kriegen „unter falscher Flagge“?
Warum sind sie niemals in den Stasifolterhöllen gelandet, wie einst noch die Töchter und Söhne von Würdenträgern der evangelischen Kirche, als die Unikirche zu Leipzig abgerissen und
später deren Wiederaufbau vor internationaler Öffentlichkeit gefordert wurde?
Stefan Köhler
9. März 2012 um 09:06
Gabriel
Es gibt keine moralische Pflicht, in einer Diktatur ein Held zu sein. Niemand hat das Recht, Menschen dafür zu verurteilen, dass sie keine Helden waren. Man sollte aber niemanden, der kein Held war, im Nachhinein Heldentum zuschreiben.
Letzte Bemerkung:
Heldentum ist nicht die Qualifikation, die für einen Präsidenten erforderlich ist. Das sage ich als jemand, der für seine Meinung in der DDR im Gefängnis gesessen hat. Das macht wohl einen Teil meiner Erfahrung, nicht aber meine Qualifikation aus.
Gabriel
9. März 2012 um 00:17
Horst Anstatt
Natürlich: Herr Gauck ist der einzige, der natürlich nicht nur Frau Merkels Stasiakten komplett kennt.