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Berlin, 06.09.2019/cw – „Wohlan! Wenn es etwas gab, das mich neunundachtzig nicht interessiert hat, dann war es die deutsche Einheit. Für mich war schon Deutschland ein Unwort; ich konnte es mir nur gebrüllt vorstellen, Doitschland! Und was soll dieses Deutschland denn mit sich anstellen, wenn es denn wiedervereint ist? Natürlich wird es dort weitermachen, wo es zuletzt aufhören musste.“
So beginnt der Schriftsteller Thomas Brussig (*1965 Berlin) seine Fragestellung in einem Beitrag für den Berliner TAGESSPIEGEL (4.09.2019). Bekannt wurde Brussig, der in Berlin und Mecklenburg lebt, mit dem Wenderoman-Bestseller „Helden wie wir“. Mit Leander Haußmann brachte er seine „Sonnenallee“ ins Kino. Er schrieb das Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ und zusammen mit Edgar Reitz das Drehbuch zur ARD-Serie „Heimat 3“.
Gut, dass der sich als „ersten Altneunundachtziger“ Ausrufende nicht der AfD angehört. Denn viele seiner Thesen stellen das gewachsenes Selbstverständnis unserer Demokratie provokant auf den Kopf:
„Ich habe damals nicht über die deutsche Einheit nachgedacht, sondern über Demokratie. Ein großes Wort. Bedeutet Herrschaft des Volkes. Macht schon drei Wörter, davon immer noch zwei große. Aber wie wird sie ausgeübt, die Herrschaft des Volkes? Für die Westdeutschen war die Sache klar, Bundestag und so. Aber mich hat das nicht überzeugt.“
Man stelle sich vor, Alexander Gauland, um hier nur einen Namen aus der AfD-Szenerie zu nennen, hätte diese Äußerungen von sich gegeben. Ein Sturm der Entrüstung wäre vermutlich die Folge gewesen: „Gauland stellt Demokratie in Zweifel“ oder „Fraktionschef Gauland von demokratisch gewähltem Bundestag nicht überzeugt“. So oder ähnlich hätten die (harmloseren) Schlagzeilen gelautet. Die schlimmeren Überschriften hätten sich wahrscheinlich auf „Deutschland, ein Unwort“ bezogen.
Es ist eben nicht das Selbe, wenn zwei das Gleiche tun oder sagen. Ein Altneunundachtziger – Woher nimmt Brussig sich eigentlich das Recht, quasi alle 1989er durch diese frivole Benennung in das linke Kleid der Altachtundsechziger zu stecken? – reklamiert also auf diesem Weg die Deutungshoheit der politischen Linken für das demokratische Geschehen in Deutschland. Wahrscheinlich hat auch er Parolen wie „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ (hinter der widerspruchslos eine leibhaftige Bundestagspräsidentin herlief) oder den jüngsten Abgesang des Bundespräsidenten auf von Fallersleben gedachte Liebeserklärung an Deutschland verinnerlicht.
„Wenn es aber auf meine Lebensumstände keinen Einfluss hat, ob diese oder jene an der Macht sind, warum sollte ich dann wählen? Ja, ist es nicht ein Ausdruck von Freiheit, bin ich dem Paradies nicht ein Schritt näher, wenn ich mir eine Gleichgültigkeit darüber leisten kann, ob nun diese oder jene regieren?“
Brussig ruft also offen zur Gleichgültigkeit gegenüber demokratischen Regeln auf, die letztlich unsere Freiheit im weitesten Sinn sichern und stellt sich damit offen gegen jenen Konsens der etablierten Parteien, nachdem es gerade wichtig sei, zur Wahl zu gehen, um bestimmte oder behauptete negative Auswirkungen auf Volk und Land zu vermeiden. Letztlich ist ja die Teilnahme an Wahlen das vornehmste Recht der Bürger und in der Regel sein einziges Mittel, in einem demokratisch organisierten Staat auf dessen Gestaltung Einfluss zu nehmen.
Auch wenn Brussig schlussendlich unter dem hier obskur wirkenden Hinweis auf einstige Stasi-Akten den jungen „Fridays for Future“-Demonstranten empfiehlt, zur Vermeidung negativer Erfassung rechtzeitig „die unentschuldigten Fehltage ins Zeugnis eintragen“ zu lassen, könnte sein Beitrag dennoch zum Anstoß einer neuen und grundsätzlichen Debatte über Formen und Inhalte, insbesondere um unsere gelebte Demokratie führen. Ähnlich wie die Altachtundsechziger hätte er neben deren hippigem Unfug möglicherweise trotz aller Wenn und Abers oder sonstiger Einwände damit einen Beitrag zur Fortentwicklung unserer Freiheitskultur geleistet.
Einzig darum empfehlen wir die Auseinandersetzung auch mit Brussigs Meinung, denn wir leben und atmen nicht zuletzt durch die Meinungsfreiheit, durch die dadurch permanent ausgelöste Diskussion. Diese kann durchaus auch polemisch sein, sollte aber immer den Andersdenkenden respektieren und nicht vordergründig mit Injurien ersticken, gar (politisch) ermorden wollen.
Brussigs Artikel unter: https://www.tagesspiegel.de/kultur/bekenntnisse-eines-alt-89ers-wozu-sind-wahlen-eigentlich-gut/24974976.html?fbclid=IwAR3E2YsHzGkbK0yDXlQVmdCHrj4UnbtW2aOXv2RYfZzyOz-oW1dc-Qk0F6s
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.477).
Berlin, 25.11.2018/cw – Der TAGESSPIEGEL berichte aktuell, dass Hubertus Knabe am morgigen Montag der Zutritt zu seiner Arbeitsstelle verwehrt werden.
Die aktuelle Meldung des TAGESSPIEGEL vom 25.11.2018, 19:33 Uhr:
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.360).
Als Dichter war er unterschätzt. Am Ende applaudierte ihm die AfD. Jetzt ist Ulrich Schacht mit 67 Jahren in Schweden gestorben.
von Gregor Dotzauer
Das Schicksal meinte es von Anfang an nicht gut mit ihm. Schon seine Geburt im erzgebirgischen Frauengefängnis Hoheneck am 9. März 1952, wo seine Mutter als Antikommunistin einsaß, machte ihn zum Außenseiter. 21 Jahre später kam Ulrich Schacht wegen „staatsfeindlicher Hetze“ selbst in Haft. Von seinen sieben Jahren Gefängnis verbüßte er indes nur einen Teil: Im Herbst 1976 kaufte ihn die Bundesrepublik frei. Doch er blieb traumatisiert. Erzählerisch wusste er seine Geschichte wie in seinem letzten, autobiografisch geprägten Roman „Notre Dame“ (Aufbau) kühl zu halten, und dem naturlyrischen Feinsinn des Dichters waren die Verletzungen nicht anzumerken. Den Staatsbürger prägten sie umso mehr: Sein Hass auf alles Linke trug selbst ideologische Züge. Er wurde einer von denen, die der DDR-Sozialismus in der Bundesrepublik in die rechte Ecke trieb.
Er fand Aufnahme bei der „Welt“ in Hamburg
Im Osten hatte der gläubige Christ zuletzt evangelische Theologie studiert. Im Westen stürzte er sich auf Philosophie und Politikwissenschaft und fand als Kulturjournalist Aufnahme bei der „Welt“ in Hamburg, die schon rechtskonservativen DDR-Philosophen wie Günter Zehm Obdach gewährt hatte. Dietrich Bonhoeffers „Ethik“ wurde für ihn so wichtig wie Albert Camus’ „Mensch in der Revolte“.
Zu den Umwegen seines langen Wegs nach rechts gehören 16 Jahre SPD-Mitgliedschaft. Die Abkehr war nicht zu übersehen. 1994 gab er zusammen mit Heimo Schwilk „Die selbstbewusste Nation“ heraus, eine Gründungsschrift der Neuen Rechten. 1998 floh er das wiedervereinigte Land und sein politisches Klima. In Skåne län, Schwedens südlichster Provinz, fand er eine neue Heimat, die ihn zu zahlreichen Versen inspirierte. In seinem Haus in Förslöv ist er nach einem Herzinfarkt nun mit 67 Jahren gestorben. Erzrechte wie Götz Kubitschek und Michael Klonovsky, Alexander Gaulands persönlicher Referent, haben ihm schon nachgerufen. Es steht zu befürchten, dass dieser hochgebildete, als Schriftsteller unterschätzte Mann, der sich politisch in fragwürdigen Kreisen aufgehoben fühlte, davon geehrt gewesen wäre.
* Gregor Dotzauer (* 13. Mai 1962 in Bayreuth) ist ein deutscher Literaturkritiker, Essayist und Kulturredakteur. Als Essayist und Literaturwissenschaftler hat Dotzauer für text + kritik, Kursbuch, Sinn und Form sowie für den Hörfunk geschrieben, wie zum Beispiel für den Deutschlandfunk Köln oder das Deutschlandradio Kultur. Daneben moderierte er Podiumsdiskussionen und Autorengespräche. Seit 1999 ist Dotzauer Literaturredakteur des Berliner Tagesspiegels (wikipedia).
Weitere Nachrufe:
https://www.boersenblatt.net/artikel-der_aufbau_verlag_trauert.1519075.html
http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Wismar/Autor-Ulrich-Schacht-ist-gestorben
https://m.sz-online.de/nachrichten/ehemaliger-stadtscheiber-verstorben-4015790.html
https://www.mz-web.de/kultur/freigekauft-und-freigedacht-zum-tod-des-autors-ulrich-schacht-31323588
Berlin, 27.01.2017/cw – Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, hat in einer schriftlichen Erklärung von heute den neuen US-Präsidenten Donald Trump an die Worte Ronald Reagans erinnert: „Ich rufe dem amerikanischen Präsidenten zu: Denken Sie an ihren Vorgänger Ronald Reagan. Erinnern Sie sich an seine Worte: ‚Tear down this wall.‘ “
Müller appellierte an Trump: „Berlin, die Stadt der Teilung Europas, die Stadt der Freiheit Europas, kann nicht kommentarlos zusehen, wenn ein Land plant, eine neue Mauer zu errichten. Wir Berlinerinnen und Berliner wissen am besten, wie viel Leid eine durch Stacheldraht und Mauer zementierte Teilung eines ganzen Kontinents verursacht hat“.
Es gehöre zu den Sternstunden des 20. Jahrhunderts, als die Menschen am Brandenburger Tor, dem wichtigsten Symbol der Teilung, die Mauer eroberten und sie dann Stück für Stück abgetragen haben: „Das Brandenburger Tor steht für den Geist der Freiheit!“ betonte der Regierende.
US-Präsident Trump hatte per Dekret am gestrigen Donnerstag den Bau einer Mauer an der 3200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko angeordnet. Er will damit die illegale Einwanderung aus dem Süden verhindern. Laut einer vom TAGESSPIEGEL verbreiteten AFP-Meldung gab es bisher keine Reaktion des Weißen Hauses auf Müllers Appell.
Der Vorsitzende der Stiftung Berliner Mauer, Prof. Axel Klausmeier äußerte ebenfalls seine Bedenken: „Ich dachte ehrlich gesagt, wir wären schon mal weiter gewesen in der Entwicklung“ (Berliner Zeitung). „Langfristig führt das in die Irre,“ sagte der Historiker. Das eigentliche Problem der illegalen Einwanderung werde mit der Mauer nicht behoben.
Der Vorsitzende der in Berlin ansässigen Vereinigung 17. Juni hatte bereits am Mittwoch dieser Woche in einem Beitrag „No, Mister President, no!“ (https://17juni1953.wordpress.com/2017/01/25/no-mister-president-no/) die Absicht eines Mauerbaus zu Mexiko kritisiert. Holzapfel, selbst ursprünglicher aktiver Kämpfer gegen die Mauer, hatte zwar betont, dass die geplante Mauer in Mexiko nicht grundsätzlich mit der Berliner Mauer verglichen werden kann. Dennoch würde sich diese geplante Mauer erneut gegen Menschen richten, die aus freier Entscheidung in ein Land aufbrechen wollen, das ihnen als Sinnbild für Freiheit und Wohlstand erscheint. Eine Mauer würde dieses grundsätzliche Menschenrecht auf Freizügigkeit unterbinden und Menschen erneut brutal eines ihrer wesentlichen Grundrechte berauben. Das zweifellose Recht eines jeden Landes, auch der USA, eine Zu- und Einwanderung zu kontrollieren, ließe sich auch mit zivilen, menschenwürdigen Mitteln verwirklichen.
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Von Stefan Krikowski
Berlin, 11.01.2017/stK – Am Sonntag, den 8. Januar, ereignete sich ein ähnlicher Terroranschlag in Jerusalem wie in Berlin. Ein LKW raste in eine Menschenmenge mit vielen israelischen Soldaten: 4 junge Menschen wurden getötet. Wir kennen mittlerweile ihre Namen, ihr Alter und ihre Gesichter – und nehmen Anteil. Wir trauern mit den Angehörigen um den Verlust eines geliebten Menschen.
Am Montag, den 19. Dezember 2016 wurden bei dem ersten größeren islamistischen Terroranschlag in Deutschland 12 Menschen auf dem Breitscheidplatz getötet. Es ist in hohem Maße verwunderlich, dass von den 12 Todesopfern sämtliche sieben deutsche Opfer mit Gesicht und Namen unbekannt bleiben. Selbst nach über drei Wochen wissen wir nichts über sie: Kein Name, kein Gesicht, keine Familienbezüge, kein biografischer Hintergrund und kein Ort der Herkunft. Nichts. Einfach nichts! Es ist, als ob die Toten einfach spur- und geräuschlos verschwunden sind. Selbst bei einer Traueranzeige, die im TAGESSPIEGEL am 8.1.2017 abgedruckt war, trauerte die Deutsche Bank um „eine Kollegin“, die bei dem Terroranschlag vom 19.12. getötet wurde. Aber auch hier (bei einer Traueranzeige!) kein Name, kein Alter – nichts Persönliches. Eine eigentümliche Distanz ist so entstanden zu diesen Terroropfern. Berühren uns die Toten nur marginal?.
Schauert es uns nicht über so viel Unfähigkeit, zu trauern? Ist sie wirklich nur einer protestantischen Ausdrucksarmut (wie dies Timan Krause in DIE WELT schreibt: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article161007177/Die-Toten-vom-Breitscheidplatz-bleiben-uns-seltsam-fern.html) geschuldet? Oder ist das Schweigen, das Verschweigen, einer Scham geschuldet, sich nicht eingestehen zu können, dass der/die Attentäter (Anis Amri hatte 14 verschiedene Identitäten!) in Deutschland die offenen Grenzen, durch die unkontrolliert so viele Menschen ins Land kamen, mehrfach wiederholt für sich genutzt haben? Dass es eine Verbindung geben könnte zwischen den islamistischen Anschlägen (siehe auch das Selbstmordattentat in Ansbach und das Axtattentat bei Würzburg) und der Flüchtlingspolitik?
Oder soll uns einfach nur die Möglichkeit genommen werden, uns zu erinnern? Die Trauer mit den Familien zu teilen? Nach dem (politischen) Motto: Anonymität verflüchtigt sich am Schnellsten, Erinnerung ist schmerzhaft, wir sollten weiter ruhig schlafen? Verantwortung gegenüber den trauernden Familien und der Gesellschaft sieht anders aus.
V.i.S.d.P.: redaktion.hoheneck@gmail.com – Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.203).
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