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Berlin, 09.11.2019/cw –  Zum 30. Jahrestag der Maueröffnung ehrte die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. und die Bundestagsfraktion der AfD, vertreten u.a. durch die stv. Fraktionsvorsitzende von Storch, heute mit Ansprachen (Ulrich Oehme, MdB, sowie Carl-Wolfgang Holzapfel) und einer Kranzniederlegung  die Toten der Mauer an den Gedenkkreuzen zwischen  Reichstag und Brandenburger Tor. Nach dem Gedenken wurde der ehemalige politische Häftling Gustav Rust von dem Verein und der AfD durch die Überreichung von Urkunden geehrt. Rust pflegt seit zwanzig Jahren den Gedenkort am Reichstag und ist seither fast tagtäglich vor Ort, um die Würde des Ortes zu gewährleisten und  als Zeitzeuge für Fragen von Besuchern aus aller Welt zur Verfügung zu stehen.

Übergabe der Urkunden an Gustav Rust – Foto LyrAg

Urkunde Gustav Rust 09.11.2019

Der Ehrenvorsitzende der Vereinigung und jahrzehntelange Maueraktivist Carl-Wolfgag Holzapfel hielt in Vertretung der erkrankten Heike Eichenmüller, seit Juni d.J. Vorsitzende des Vereins,  folgende Ansprache :

Heute, vor 30 Jahren, wurde die Mauer für Millionen von Menschen durchlässig. Der Versprecher eines ansonsten geübten und geschulten SED-Funktionärs machte dies nach 28 Jahren möglich.

Den Traum von Freiheit mit dem Leben bezahlt

Wir haben uns aber heute nicht versammelt, um in Jubel auszubrechen und hier im Gedenken an jenen unvergessenen Novembertag einige Flaschen – Sekt, Wein oder Bier – zu verkosten.

Alles hat seine Zeit und seinen Platz.

Wir haben uns an diesem Ort heute verabredet, weil wir in all dem Jubel jener Menschen gedenken wollen, die ihren einst vorhandenen Traum von der Freiheit mit dem endlichen Einsatz ihres Lebens bezahlen mussten.

  • – Ob Ida Sieckmann, die am +22.8.1962 in der Straße der Tränen, in der Bernauer Straße, sechzigjährig vergeblich aus dem Fenster ihrer Wohnung, im sowjetischen Sektor gelegen, den Sprung in die Freiheit in den Französischen Sektor wagte und dabei in den Tod sprang;
  • – ob Günter Litfin, der den trennenden Humboldthafen am heutigen Hauptbahnhof durchschwimmen wollte und dabei als erster Flüchtling nach dem Mauerbau am +08.1961 Opfer tödlicher Kugeln von DDR-Grenzsoldaten wurde oder
  • Chris Gueffroy, der neun Monate vor der Maueröffnung bei dem Versuch, in der Nacht vom auf den 6. Februar 1989 zusammen mit seinem Freund Christian Gaudian durch den Britzer Verbindungskanal zu flüchten, von tödlichen Kugeln getroffen wurde. Welch tödliches Missverständnis. Hatte er doch zuvor von einem Freund, der an der Grenze Dienst tat erfahren, dass der Schießbefehl aufgehoben worden sei.

Alle diese Menschen hatten eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit empfunden, wollten einem zutiefst unmenschlichen System entfliehen.

Gerade in den letzten Wochen ist aus unbegreiflichen Gründen der Kampf um die Deutungshoheit von Begriffen erneut ausgebrochen: War die DDR ein Unrechtsstaat?

Gibt es „gute“ und „schlechte“ Diktaturen?

Erstaunlich scheint mir, dass hier keiner infrage stellt, dass das Dritte Reich ein Unrechtsstaat war. Dominiert also – dreißig Jahre nach dem Ende der Zweiten Deutschen Diktatur – eine linke Geschichtsdominanz unsere Gegenwart? Werden wir mit der Infragestellung des Unrechtsstaates den Mordopfern dieses Staates gerecht? Gibt es überhaupt eine „gute Diktatur“, die dann kein Unrechtsstaat wäre und eine „schlechte“ Diktatur, die automatisch „auch“ ein Unrechtsstaat wäre? Schlussgefolgert hieße dies im Ergebnis: Die kommunistische Diktatur ist eine „gute“, die NS-Diktatur eine „schlechte“ Diktatur?

Diese Kreuze hier im Hintergrund geben eine zweifelsfreie Antwort:

Jedes Kreuz ist eines zu viel. Und wir wissen, dass diese 15 Kreuze hier nur stellvertretend für unsäglich viel mehr Todesopfer dieser Roten Diktatur stehen. Dazu gehören die vielfachen Todesurteile in der SED-Diktatur ebenso, wie die in der Haft und unter Folter Verstorbenen. Auch jene, die wir unter dem Begriff „Erschossen in Moskau“ kennen.

Kranzniederlegung durch die AfD-Bundestagsfraktion, li. Ulrich Oehme, MdB
– Foto LyrAg

Der 9. November hat also nicht nur einen Freudenglanz. Hinter diesem Datum stehen ebenso unsere Trauer um unendliches, unfassbares Leid, welches am 9. November 1938 mit der sogen. “Reichskristallnacht“ über unsere jüdischen Bürger hereinbrach. Es wäre Zynismus, die Toten der Mauer als „Rache der Geschichte“ für die Toten von Auschwitz, Dachau, Birkenau und wie diese Orte des Schreckens alle hießen, zu sehen.

9. November: Kein Tag vermittelt so die historische Linienführung

Aber wir dürfen durchaus konstatieren, dass viele Menschen erst durch das erfahrene Leid besonders nach dem Bau der Mauer die schrecklichen Dimensionen der einstigen Verfolgungen und Menschenjagden erfasst und begriffen haben.

Kein anderer Tag, wie dieser 9. November, wäre, nein, ist dazu geeignet, diese historische Linienführung heutigen und künftigen Generationen zu vermitteln. Gerade weil sich dieser 9. November nicht dazu eignet, von der Politik missbraucht, in den üblichen Parteien-Hader einbezogen zu werden. Der 9. November birgt die große und wohl in dieser historischen Analogie einmalige Chance, a l l e   politischen und gesellschaftlichen Gruppen wenigstens hier zu einen: Welches Land dieser Welt hat einen Tag im Kalender, der sich mit diesem „deutschen Geschichts-Datum“ vergleichen ließe?

An einem 9. November, 1848, wurde in Wien der Abgeordnete der Frankfurter National-Versammlung; Robert Blum, infolge der Niederschlagung des Aufstands nach einem Standgerichtsurteil hingerichtet.

  • – An einem 9. November, 1918, wurde infolge des 1. Weltkrieges die Deutsche Republik
  • – An einem 9. November, 1923, wurde erstmals und einzig der am 8.November begonnene Hitler-Putsch durch die Weimarer Republik erfolgreich abgewehrt.
  • – Am 9. November, 1938, dies wurde schon erwähnt, erhielt das folgende Mord-Drama an den Juden seinen sichtbaren, weil unübersehbaren tyrannischen Start.
  • – Der mutige, leider gescheiterte Mord-Anschlag auf den Diktator Hitler durch Georg Elser am 8. November 1939 darf mit Recht auch diesem Tag zugeordnet werden, da Hitler hier seinen misslungenen, am 8.November begonnenen Putsch von 1923 feiern wollte.
  • – Und schließlich der Freudentag der Maueröffnung, der 9. November 1989.

Vorschlag von 1989: „Tag der Nation“

Wir, die Vereinigung 17. Juni 1953, bekennen uns auch 30 Jahre später zu unserem damalig vorgetragenen Vorschlag, den 9. November als „Tag der Nation“ einzuführen. Dafür waren wir sogar bereit, auf den 17. Juni als arbeitsfreien Gedenktag zu verzichten. Wir sahen in dem 9. November 1989 die Fortführung und Zielsetzung des Aufstandes von 1953.

Stattdessen wurde, wie wir alle erfahren mussten, der 3. Oktober als „Gedenktag nach Aktenlage“ eingeführt. Dieser 3. Oktober war und ist ein künstlicher, ein lebloser Gedenktag. Darüber können keine künstlichen Rummelatmosphären vor dem Brandenburger Tor und anderswo hinwegtäuschen.

Die Toten unserer leidvollen Geschichte, die Toten der Mauer mahnen uns an ein „gemeinsames Innehalten“ über alle Parteigrenzen hinweg.

Ida Sieckmann, Günter Litfin, Chris Gueffroy sind weder für die CDU, die SPD, die FDP oder sonst eine Partei gestorben. Sie starben für die Freiheit, für den Traum auf eine bessere Welt. Und nicht zuletzt darum haben sie es verdient, über jeglichen Streit der Parteien hinweg g e m e i n s a m geehrt und beweint zu werden.

Immer, auf alle Zeit und besonders an jedem 9. November.“

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.498).

Berlin, 17.07.2018/cw – Nach einer Online-Umfrage der BERLINER MORGENPOST sprachen sich 53% der Teilnehmer für die Wiedereinführung des „17.Juni“ als Gedenktag an den Volksaufstand von 1953 aus (Stand: 17.07., 11:00 Uhr). Damit erteilt die Mehrheit dem Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters eine klare Absage. Michael Müller hatte die Diskussion um eine zusätzlichen arbeitsfreien Feiertag mit dem Vorschlag eröffnet, den 18. März im Gedenken an die März-Revolution von 1848 zum Feiertag zu erklären. Dieser Vorschlag belegte mit 15% gerade einmal den 3. Platz im Online-Ranking. Den zweiten Platz in der Umfrage erzielte überraschend der 8. Mai (1945) mit 24%; der Frauentag (8.März) landete mit 8% abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Abschied vom „Gedenktag nach Aktenlage“?

Sollte sich der 17.Juni als jahrzehntelang begangener Gedenktag an den Volksaufstand in der DDR von 1953 durchsetzen, sehen Beobachter die Chancen für die Beibehaltung des „3.Oktober“ als „Tag der Deutschen Einheit“ schwinden. Von Vielen als „Gedenktag nach Aktenlage“ eingestuft, würde ein zweiter Tag der Deutschen Einheit wenig Sinn machen, zumal der 17.Juni 1953 im Gegensatz zum 3. Oktober 1990 mit allen notwendigen Insignien eines Gedenktages ausgestattet ist. Hingegen hatte die Bestimmung des 3. Oktober nur einen einzigen Merkpunkt: Die Unterschriften unter den Einigungsvertrag bestimmten das Ende der DDR zum 2.Oktober 1990, 24:00 Uhr; seit dem 3. Oktober 1990, 00:00 Uhr, war Deutschland wiedervereinigt.

Die Vereinigung 17. Juni, ein Historienverein, der sich nach den Ereignissen im Juni 1953 zunächst als Kampfverband gegründet hatte, um aktiv die Ziele des zunächst gescheiterten Volksaufstandes weiterzuverfolgen und an einem 3. Oktober (1957) unter seinem jetzigen Namen in das Vereinsregister eingetragen wurde, hatte sich allerdings bereits unmittelbar nach dem Mauerfall für einen nationalen Gedenktag am 9. November ausgesprochen.

9.November ein Tag der Trauer wie des Jubels

Vorstandssprecher Carl-Wolfgang Holzapfel (74) erklärte auf Nachfrage zu der jetzigen Debatte, dass „wir natürlich keine Einwände dagegen haben, den 17. Juni erneut als Tag der Deutschen Einheit in Form eines freien Arbeitstages zu begehen.“ Dies sei allemal besser, als die Fortführung eines „sehr gekünstelt wirkenden Feiertages, der einzig und allein auf einer Reihe von Unterschriften beruht.“ Dagegen habe der 9. November den Charme einer unvergleichlichen Historie in unserem Land, die Alt und Jung emotional verbinden könne und die Bevölkerung „von Links über die Mitte bis Rechts“ zusammenführen könne. Dies wäre eine „nicht zu unterschätzende wertvolle Konstellation für einen nationalen Gedenktag.“

Holzapfel, der zu diesem Thema nach dem Mauerfall bereits Vorträge gehalten hatte, erinnerte an die historischen Daten von 1948 (Ermordung des Pauls-Kirchen-Abgeordneten Robert Blum in Wien), 1918 (Ausrufung der Republik in Berlin), 1923 (Niederschlagung des Hitler-Putsches in München), 1938 (Auftakt der mörderischen Juden-Verfolgung durch die sogen. Reichskristallnacht) und 1989 (Fall der Mauer). Diese in ihrer Häufung für eine Nation einmaligen Daten „der Trauer wie des Jubels“, so Holzapfel, würden es rechtfertigen, den Tag der Deutschen Einheit in einen „Tag der Nation“ umzubenennen und diesen alljährlich am 9. November „in Würde, Trauer und Stolz“ zu begehen.

18.07.2018/Ergänzung: Auch die Berliner Zeitung hat das Thema aktualisiert: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/kommentar-zum-neuen-feiertag-der-9–november-ist-das-staerkere-datum–30968194

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.409).

Berlin, 23.09.2015/cw – Uns erreichen immer wieder Anfragen zu Geschehnissen und Hintergründen historischer Ereignisse. Wir haben uns entschlossen, diese Anfragen, soweit diese von allgemeinem Interesse sein könnten, in loser Reihenfolge im Rahmen eines „aktuellen LEXIKON“ zu beantworten.

Der Grund der Anfrage: Ein Gedenkstein in Worms - Foto: H.B.

Der Grund der Anfrage: Ein Gedenkstein in Worms – Foto: H.B.

Frage: „Den 17. Juni kenne ich vom „Hören und Sagen“, da ich 1961 geboren bin…. .
Dass dieser Tag schon vor 1990 als „Tag der Deutschen Einheit“ bezeichnet wurde war mir neu. Ich habe dazu keine klaren Informationen gefunden.“ H.B., Dornburg

ANTWORT:

Der ursprüngliche „Tag der Deutschen Einheit“ geht auf den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der einstige DDR zurück. Es handelte sich um den ersten Aufstand gegen ein kommunistisches Regime in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Folge waren Aufstände in Posen (Polen) im Sommer 1956, in Ungarn im Herbst 1956 und der Widerstand in der CSSR 1968. Auch die Bewegung der Solidarność in Polen war eine indirekte Folge.
Herbert Wehner (SPD), einst selbst Kommunist und in Moskau im Exil, beantragte 1953 zur Erinnerung an den Aufstand ein Gedenktag an den Aufstand als „Tag der Deutschen Einheit“,
der so mit großer Zustimmung durch den Deutschen Bundestag beschlossen und 1954 erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen wurde.

Infolge der eingeleiteten Politik des „Wandels durch Annäherung“ geriet auch dieser Feiertag in die Riege der politisch ungeliebten Erinnerungen. So wurden Mitte der sechziger Jahre die alljährlichen Kundgebungen vor dem Rathaus Schöneberg in West-Berlin abgesagt (Politische Begründung: Kein Interesse in der Bevölkerung), die übrigen Gedenkfeiern verkamen zunehmend zu einem Ritual mit abnehmender innerer Beteiligung der jeweiligen Akteure.

Nach dem Mauerfall hatte unsere Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. bereits im Dezember 1989 angeregt, den 9. November zum „Nationalen Gedenktag“ zu machen, da sich in diesem Datum eine unglaubliche Kette wichtiger historischer, freudevoller wie trauriger Ereignisse wiederspiegelte:

1848 die Ermordung des Mitgliedes der Paulskirchen-Versammlung, Bodo Blum in Wien; 1918 die (gleich zweimalige) Ausrufung der Republik (Liebknecht und Scheidemann); 1923 die erfolgreiche Niederschlagung des Hitler-Putsches in München; 1938 die berüchtigte „Reichskristallnacht“ und ein Tag zuvor das missglückte Attentat auf Hitler (Bürgerbräukeller in München); 1989 schließlich der Fall der Mauer.

Wir wären bereit gewesen, zugunsten dieses einmaligen Datums auf „unseren“ 17. Juni als arbeitsfreien Gedenktag zu verzichten. Leider entschloss sich die damalige Politik, den 17. Juni durch den 3. Oktober zu ersetzen. Einzige Grundlage: Das Inkrafttreten des Vertrages über den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik.

Seither vertreten wir die Auffassung, das einem „Gedenktag nach Aktenlage“ die notwendige innere Beteiligung, also eine Identifikation des Volkes abgeht. Der 9. November hingegen hätte alle Kriterien, ein Gedenktag „aller Deutschen “ zu werden. Hier können sich LINKS und RECHTS (im Sinne von konservativ) und die MITTE wiederfinden, eine grundsätzliche Voraussetzung für einen Nationalen Gedenktag (siehe Frankreich „Sturm auf die Bastille“ oder auch die USA mit ihrem „4.Juli“, um die bekanntesten Beispiele anzuführen).

Natürlich bleibt für uns der 17. Juni der herausragende Gedenktag an den ersten Aufstand im Nachkriegseuropa. Das tangiert keineswegs die überragende Bedeutung des 9. November in der deutschen Geschichte. Daher setzen wir uns weiterhin für diesen Gedenktag am 9. November und die Revidierung des „Gedenktages nach Aktenlage“ am 3. Oktober ein.
Einen ersten Erfolg sehen wir in der Verwendung dieses Begriffes („…nach Aktenlage“) vor ca. drei Jahren im Deutschen Bundestag durch den GRÜNEN-Abgeordneten Schulz, der sich in seinem Beitrag ebenfalls für den 9. November als Gedenktag einsetzte. Eine gute Idee braucht Zeit, um sich durchzusetzen. Unterzeichneter hat 28 Jahre aktiv gegen die Mauer gekämpft und den 9. November 1989 erleben dürfen… (1.033)

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785

Von Carl-Wolfgang Holzapfel*

Erfurt/Berlin, 16.01.2015/cw – Der Vorschlag des Thüringer Landtagspräsidenten Christian Carius (CDU), den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur zu proklamieren, hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Dabei wird allerdings übersehen, dass sich Carius nicht explizit für den Erinnerungstag an den Volksaufstand von 1953 ausgesprochen hat, sondern sich ebenso den 13. August (Tag des Mauerbaus 1961) vorstellen könnte.

Inzwischen hat Prof. Erardo C. Rautenberg, SPD, in einem Gastbeitrag für die Thüringer Allgemeine vom 16. Januar für eine Neubelebung des 17. Juni plädiert und sich ausdrücklich auf den Vorschlag des Thüringer CDU-Politikers bezogen http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Gastbeitrag-Prof-Dr-Erardo-C-Rautenberg-plaediert-fuer-Wiederbelebung-des-17-1135793792.

Rautenberg ist nicht Irgendwer. Der 1953 in Comodoro Rivadavia, Argentinien geborene Jurist dient seit 1996 als Generalstaatsanwalt in Brandenburg, seit 2007 ist er der dienstälteste Generalstaatsanwalt in Deutschland. In einem Essay über Schwarz-Rot-Gold hat er u.a. den Versuch unternommen, dem Nationalismus der Rechtsextremen einen Patriotismus der Demokraten entgegenzusetzen. Das SPD-Mitglied besitzt die deutsche und argentinische Staatsangehörigkeit (seine deutschstämmigen Eltern kehrten 1954 aus Argentinien nach Deutschland zurück), ist Mit-Herausgeber der Zeitschrift Neue Justiz, ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift Goltdammer´s Archiv für Strafrecht und seit September 2013 Honorarprofessor der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.
Rautenberg geht wesentlich ausführlicher auf die von Christian Carius angeregte Idee ein, als der Urheber. Er untermauert seine Unterstützung für den 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur, weil diese „wie die Opfer der NS-Diktatur auch Anspruch auf einen eigenen nationalen Gedenktag haben.“
Zwar habe der 17. Juni „die Stellung als nationaler Feiertag an den 3. Oktober abgeben müssen, doch wird auch nach der Wiedervereinigung an diesem Tag vielfach der Ereignisse des 17. Juni 1953 in der DDR gedacht und von dem gescheiterten Volksaufstand eine Brücke zur erfolgreichen friedlichen Revolution von 1989 geschlagen.“

Ideologische Nähe der Kommunisten zu Nationalsozialisten

Rautenberg erinnert daran, das seit 2009 in seinem Gebäude regelmäßig eine Gedenkfeier an die Ereignisse von 1953 stattfinde. An der „Pflege dieser Erinnerungskultur“ beteiligten sich „auch große Teile der Linkspartei“ aktiv, während „eine Minderheit alter Betonköpfe noch vom ´faschistischen Putschversuch´ schwafelt.“ Der Autor führt dann Beispiele an, dass auch Kommunisten, wie der einstige Justizminister Max Fechner, unter dem System gelitten hätten und zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt worden wären.

Die immer wieder ins Spiel gebrachten Versuche, geschichtliche Vorgänge zu vereinnahmen, um damit die Hoheit über die Blickwinkel auf diese Geschehnisse zurück zu gewinnen, ignoriert Rautenberg dabei völlig. Mit der Anführung des hohen Blutzolls von Kommunisten im Kampf gegen das NS-Regime wird zum Beispiel seit je versucht, die Unmenschlichkeit und ideologische Nähe des Kommunismus zum Nationalsozialismus zu übertünchen. So sehr auch wir von der Vereinigung 17 Juni durchaus die Bemühungen von geradlinigen Politikern der SED-Nachfolgepartei respektieren, sich von den ewiggestrigen Ideologen abzugrenzen, kann dieses achtenswerte Engagement nicht dazu führen, historische Konturen im Sinne einer erwünschten, gerade deswegen fragwürdigen Geschichtsbetrachtung zu verwischen.

Der 17. Juni 1953 war und ist kein Gedenktag an die Verfolgten der zweiten deutschen Diktatur. Er war der erste Aufstand überhaupt im Nachkriegseuropa der dominierenden kommunistischen Herrschaft gegen deren Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender. Die Toten dieses Aufstandes, derer wir alljährlich in Berlin auf dem Friedhof Seestraße und der Generalstaatsanwalt in der Stadt Brandenburg gedenken, waren a u c h Opfer und nachfolgend Verfolgte der Diktatur, aber nicht d i e Opfer oder d i e Verfolgten. Sie konnten es nicht sein, weil es diese Opfer und Verfolgungen vorher und nachher bis 1989 gab.

Gedenktag nach Aktenlage

Wir sollten uns davor hüten, einen Kanon von Gedenktagen zu inszenieren, auch wenn wir die ehrenwerte Wiederbelebung historisch bedeutsamer und ins Abseits geratene Gedenktage, wie den 17. Juni 1953 einbeziehen wollen. Der 3. Oktober war in dieser Reihe ein deutlicher Fehlgriff, weil er sich lediglich auf einen vertraglich geregelten Termin ohne jeden notwendigen Impuls oder eine bereits vorhandene Identifizierung durch die Bevölkerung bezieht. Wir haben diesen Tag daher richtigerweise als „Gedenktag nach Aktenlage“ bezeichnet und stehen dazu. Wir sind stolz darauf, das diese Erkenntnis bereits vor wenigen Jahren auch Eingang in eine Bundestagsrede des Abgeordneten Werner Schulz (GRÜNE) gefunden hat, wenn auch bisher ohne die erwünschten Nachdenklichkeiten und Konsequenzen.

Uns wurde ja immer unsere Unbeugsamkeit z.B. in Sachen Glauben an die Wiedervereinigung als Kompromisslosigkeit vorgeworfen. Noch 1989 haben wir die Fähigkeit zum Kompromiss mehr als deutlich bewiesen, als wir den Vorschlag unterbreitet haben, den 9. November zum Nationalen Gedenktag der Deutschen zu machen. Wir stützten uns dabei auf die in der Weltgeschichte beispiellose Historie dieses Datums, die so einmalig Freude und Trauer, Aufbruch und tiefe Demütigung in sich vereinigt. Wir waren und wir sind bereit, dafür sogar „unseren“ Gedenktag, den 17. Juni, einzubringen, weil wir den außerordentlichen Charakter des 9. November neidlos anerkennen.

Am 9. November 1848 wurde der Abgeordnete der Frankfurter Paulskirche , Robert Blum, in Wien erschossen. Am 9. November 1918 wurde das Kaiserreich beerdigt, die deutsche Republik ausgerufen. Am 9. November 1923 wurde in München der Hitler-Putsch erfolgreich durch die demokratische Republik niedergekämpft. Am 9. November 1938 wurde die Tragödie der Juden-Vernichtung für alle sichtbar durch die sogen. Reichskristallnacht eingeleitet. Am Vorabend des 9. November 1939 scheiterte das Attentat auf Hitler durch Georg Elser. Am 9. November 1989 fiel nach 28 viel zu langen Jahren die Berliner Mauer.

Rautenberg schreibt eingangs seiner Laudatio für den 17. Juni: „Mit nationalen Gedenktagen tut man sich in Deutschland bekanntlich schwer.“ Und spricht sich daher im Ergebnis seiner Argumente selbst gegen einen „nationalen Gedenktag“ aus. Nicht nur er sollte das noch einmal überdenken. Der 9. November böte gerade im Jahr 25 der Wiedervereinigung beider einstigen Teilstaaten die unwiederbringliche Chance, die vielen politischen Strömungen in unserem Land an diesem Tag zu vereinen, jeder dieser Strömungen einen Wiedererkennungswert in der deutschen Geschichte zu ermöglichen.

Kramladen der Gedenktage ordnen

Und es böte sich die Gelegenheit, unseren Kramladen der Gedenktage zu ordnen und auf einen wichtigen und unvergleichlichen Tag zu konzentrieren: den 9. November. Hier können sich Revolutionäre und Burschenschaften, Juden und Christen, Republikaner und Monarchisten, in Freude und Trauer vereinen und gemeinsam der wechselvollen Geschichte ihres Landes gedenken. Ein solcher Nationaler Gedenktag schließt weder die Erinnerung an den Volksaufstand von 1953, den Bau der Mauer von 1961 noch an die Kapitulation (oder Befreiung) von 1945 aus, um nur einige wichtige Daten zu benennen. Der 9. November umfasst sinntragend alle diese historischen Geschehnisse.
Allerdings: Des 3. Oktobers bedarf es in dieser Aufreihung nicht (mehr). Er ist in diesem Kanon schlicht überflüssig. (928)

*Der Autor gehört seit 1963 der Vereinigung 17. Juni als Mitglied und in diversen Vorstandsfunktionen an. Seit 2002 ist er Vorsitzender des Vereins.

V.i.S.d.P.: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

Berlin; 19. Juli 2012/cw – Wir haben am Vortag des 20. Juli, der Erinnerung an das Hitler-Attentat von 1944, die Gelegenheit genutzt, im  Internet zu surfen und zum hier angesprochenen Thema „DEUTSCHLAND VERRECKE“ Beiträge zu suchen. Die Hoffnung, keine nennenswerten LINKS und Beiträge zu finden, wurde bitter enttäuscht. Gleich dutzendweise wurden wir fündig, dafür nur drei Beispiele:

1. http://www.youtube.com/watch?v=YcmXKCb8CN8

Deutschland verrecke – und dann ?

2. http://www.youtube.com/watch?v=8nBzrjswHHM

Slime – deutschland muss sterben

3. http://www.youtube.com/watch?v=x9jPSLaz5Vk

    Kaltwetterfront – Deutschland verrecke

Natürlich fanden wir auch Widerspruch. So schrieb ein Leser drelux am 24.11.2010 im Leserforum von ZEIT ONLINE unter der Überschrift:

„Deutschland verrecke!!!“

„Er ist nicht zu übersehen, der Schriftzug „Deutschland verrecke!!!“, wenn man in Berlin (wo sonst?) die S-Bahn an der Warschauer Straße verlässt und sich umsieht: Mit weißer Farbe auf die Dächer einer Häuserzeile gesprüht.

Die erste Reaktion des damit erstmalig konfrontierten Berlinbesuchers ist eine ungläubige Verwunderung über diese Parole, dann eine gewisse Hochachtung über die artistisch-handwerkliche Leistung des Sprayers, gefolgt von einer – zumindest bei mir – abgrundtiefen Verachtung für einen Menschen, der sich zu einer solchen Tat hinreißen lässt.

Wie tief muss der Hass gegen Deutschland sein, das Land, dem er wahrscheinlich Erziehung, Ausbildung und den Lebensunterhalt verdankt, in welcher Form auch immer. Darüber hinaus genießt er den Schutz durch unser Gesundheits- und Sozialsystem. Millionen von Menschen wären froh und dankbar, wenn sie diese Privilegien hätten, mache riskieren dafür, z.B. als Bootflüchtling, ihr Leben, um in diesen Genuss zu kommen. …

… Ein anderer Aspekt, der mich nachdenklich gemacht hat, ist der Umstand, dass weder die Presse, schon gar nicht die Weltpresse und auch nicht unsere Gutmenschen sich mit der Forderung „Deutschland verrecke!!!“ kritisch auseinandergesetzt haben. Dies wäre sicherlich ganz anders, wenn das Wort „Deutschland“ durch „Juda“ ersetzt würde. Ein Aufschrei der Empörung wäre gewiss, weltweit, deutschlandweit und hier genau von jenen Gutmenschen, die zu der im Titel genannten Parole nachhaltig geschwiegen haben. Erinnerungen an unselige Zeiten würden beschworen und nach dem Eingreifen der Justiz gerufen. Hier aber, wo es „nur“ um Deutschland geht, wird geschwiegen und „Toleranz“ geübt.

Traurig auch, dass die Polit-Darsteller im Berliner Senat bislang untätig geblieben sind oder in ihren Bemühungen erfolglos waren, diese Schmiererei zu beseitigen. Und damit meine ich nicht nur diejenigen in Regierungsverantwortung, sondern auch die CDU-Opposition, die sich offensichtlich an dieser, von moralisch und sittlich verkommenen Menschen formulierten Parole nicht sonderlich stört.

Die Bundesrepublik Deutschland ist das freieste Deutschland, das es je gab. Niemand hindert die, die für diesen Staat nur Hass empfinden, ihr Glück woanders zu versuchen. Damit blieben den zurückgebliebenen Menschen solche unsäglichen Parolen erspart.“

Siehe: http://community.zeit.de/user/drelux/beitrag/2010/11/24/%E2%80%9Edeutschland-verrecke%E2%80%9C

Es bedurfte dieses Nachweises nicht, um aufzuzeigen, dass das von Klaus Hoffmann und uns aufgegriffene Thema tatsächlich schon einige Jahre alt ist. Mindert das die Brisanz?

Wir sind neugierig, mit welcher Gründlichkeit die Staatsanwaltschaft unsere Anzeige bearbeiten wird. Denn auch das haben wir im Internet gefunden: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) vom 3.11.2000 (- 1 BvR 581/00 -). In dieser Entscheidung wird „Deutschland verrecke“ als „künstlerisches Werk“ bewertet, das nach dem GG, Art. 5 Abs. 3 Satz 1, der Kunstfreiheit unterliege (http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20001103_1bvr058100.html).

Nun ja, im weitesten Sinn könnte man also die Akrobatik, mit der auf einem Schrägdach in luftiger Höhe die verunglimpfende Parole DEUTSCHLAND VERRECKE  aufgebracht wird, als KUNST einstufen, man muß sich nur verbal genügend verrenken.

Wir haben einen anderen Vorschlag: Schafft Gedenktage, wie den 20. Juli ab. Wir fordern: HEUCHELEI VERRECKE!!! Das wäre ehrlicher als die verlogen wirkende Ausstreuung salbungsvoller Worte in teuren, staatlich organisierten  Gedenkstunden, vielleicht sogar mit dem Zitat Stauffenbergs: „Es lebe das heilige Deutschland!“

Schafft den 17. Juni mit der Erinnerung an den Volksaufstand von 1953 ab, denn die damalige Forderung nach „Einigkeit und Recht und Freiheit für das Deutsche Vaterland“ passt nicht in  die Realität des 21. Jahrhunderts mit seiner widerwärtigen  Duldung von Vernichtungsparolen gegen  das eigene Land. „Deutschland – Einig Vaterland?“ Nein, auch der 9. November gehört als Erinnerungstag an den Fall der Mauer, den Freiheits-Demos in  Leipzig und anderswo abgeschafft. Zumindest sollten wir ihn wieder  beschränken auf die Erinnerung an die berüchtigte „Reichskristallnacht“.

Allmählich fange ich an zu begreifen, warum wir den 3. Oktober zum Nationalen Gedenktag bestimmt haben: Dieses Gedenken nach Aktenlage erspart uns jedwede Heuchelei und lässt sich beliebig für jedermanns Volksbelustigung verwenden.

Und noch etwas beginne ich zu verstehen, wenn  ich auch fast fünfzig Jahre dafür gebraucht habe: Als ich 1964 Heinrich Albertz an eine „flammende Rede“ vier Wochen  zuvor in Plötzensee zum 20. Juli erinnert habe und deren Umsetzung forderte, antwortete mir der einstige Pfarrer und nunmehrige Bürgermeister von Berlin regelrecht verstört ob dieser naiven Forderung: „Aber Herr Holzapfel, an so einem Tag wird doch manches gesagt!“ Eben.

Carl-Wolfgang Holzapfel

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

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