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Potsdam, 8.07.2018/cw – „Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Rechte klaut!“ Unüberhörbar skandierten rund 14 ehemalige Heimkinder Ende Juni vor dem Landgericht in Potsdam ihren Protest gegen die nur schleppend angelaufene oder bisher verweigerte Rehabilitierung ehemaliger Heimkinder durch die Justiz.
Anlass für den aktuellen Protest war eine angekündigte Buchlesung in den Räumen des Verfassungsgerichtes Brandenburg. Der Autor Dr. Christian Booß, Vorsitzender des „Bürgerkomitees 15. Januar“, las aus seinem im Juni 2017 erschienenen Buch „Im goldenen Käfig. Zwischen SED, Staatssicherheit, Justizministerium und Mandant – die DDR-Anwälte im politischen Prozess“ (Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN-10: 3525351259 – ISBN-13: 978-3525351253 , 616 S., 45,00 €). Es handelte sich um eine gemeinsame Veranstaltung des Verfassungsgerichtes und der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Kooperation mit dem Landgericht Potsdam (Wir berichteten vorab: https://17juni1953.wordpress.com/2018/05/26/buchvorstellung-im-goldenen-kaefig-zwischen-sed-staatssicherheit-justizm/ ).
Wegen Jugendsünde über zwei Jahre andauernder Terror
Lutz Adler, bekannter Aktivist für die Rechte ehemaliger Heimkinder, der die Demo ordnungsgemäß angemeldet hatte und zur Verstärkung des Protestes eine große Flüstertüte zum Einsatz brachte, sagte ggüb. der Redaktion: „Was helfen derartige Veranstaltungen, wenn durch die Vorstellung notwendiger Beiträge zur Aufarbeitung suggeriert wird, dass fast 30 Jahre nach dem Ende des DDR-Unrechts alles in Butter ist und unser Staat auf einem guten Weg ist? Die von Unrecht und teilweise üblem Terror betroffenen Heimkinder kämpfen mittlerweile seit Jahrzehnten um die Rehabilitierung, bis auf einzelne Entscheidungen bisher vergeblich. Darum sind wir hier und sind wir laut, weil man uns dieses Recht auf Rehabilitierung vorenthält, also schlicht klaut.“
Brigitte H. (Name geändert) hat bereits an vielen Demonstrationen ehemaliger Heimkinder teilgenommen. Sie wurde wegen einer „Jugendsünde“ von einem Jugendgericht „auf Bewährung“ verurteilt und war trotz Schadensbeseitigung (sie hatte in einem Laden eine Flasche Wein entwendet) in ein sogen. Sonderkinderheim eingeliefert worden. Dort wurde sie schikaniert und gedemütigt, mußte den Tod einer Heiminsassin verkraften und wurde erst nach über zwei Jahren wieder nach Hause entlassen. „Es war die schlimmste Zeit meines Lebens,“ sagt Brigitte heute, gerade 50 Jahre alt geworden. „Ich habe noch heute Alpträume und werde wohl nie verstehen, warum man das einem jungen Menschen angetan hat.“
Hat Brigitte eine Rehabilitierung beantragt? „Natürlich.“ Und warum wurde sie nicht rehabilitiert? Brigitte würgt, sucht sichtlich bewegt nach Worten: „Weil der Heimaufenthalt von den Gerichten als >übliche Praxis< eingestuft wird und eine Unrechtshandlung verneint wird.“ Das die Heimaufenthalte vielfach mit den Haftanstalten der DDR vergleichbar waren, bestätigen auch Lutz Adler und weitere Demonstranten.
Elf Jahre von den Eltern getrennt – keine Rehabilitierung
Waltraud L. (Name geändert) war durch den Mauerbau im Alter von gerade einmal zwei Monaten von ihren Eltern getrennt worden. Diese richteten am 12. und 13 August 1961 in Westberlin eine Wohnung her, Waltraud war aus diesem Grund bei den Großeltern in Ostberlin in Obhut gegeben worden. Nach dem Mauerbau verweigerten die Behörden Waltraud den Umzug zu ihren Eltern. Zwei Jahre später, nachdem ein Tunnelbau gescheitert war, durch den auch die Großeltern und Waltraud flüchten sollten, kam Waltraud in ein Kinderheim, weil die Großeltern wegen der versuchten „Republikflucht“ zu Zuchthausstrafen verurteilt worden waren (Hoheneck und Rummelsburg). Erst elf (!) Jahre später durfte Waltraud zu ihren Eltern nach Westberlin ausreisen. Unrecht? Auch Waltraud mußte von der Justiz die Ablehnung der Rehabilitierung zur Kenntnis nehmen. Der Heimaufenthalt sei „normale Fürsorge“ gewesen und daher nicht rehabilitierungsfähig. Von der elf Jahre andauernden erzwungenen Trennung von ihren Eltern war dabei nicht einmal die Rede.
Nach dem Ende der Demo wollte das Gros der Demonstranten, überwiegend Frauen, zur Lesung in das Verfassungsgericht gehen und verursachte damit erneut Aufregung. Eine Dame rief im Vorraum einen Sicherheitsbeamten zur Hilfe, weil sie offenbar mit der Entscheidung überfordert war, die Frauen und drei Männer in den Veranstaltungsraum, den Gerichtssaal des Verfassungsgerichtes einzulassen. Erst nachdem eine weitere Helferin der Veranstalter erschien und die Einlass-begehrenden auf die Brandenburgische Stasi-Beauftragte Maria Nooke verwiesen, die den Demonstranten zuvor eine (spätere) Teilnahme zugesagt hatte, durfte der Demo-Tross in angemessener Zurückhaltung in dem gut gefüllten Auditorium Platz nehmen.
V.i.S.d.P: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 0176-48061953 (1.405).
Berlin/Potsdam, 26.05.2018/cw – Der Autor Dr. Christian Booß, Vorsitzender des „Bürgerkomitees 15. Januar“, liest am 28. Juni 2018 um 18.00 Uhr im Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Jägerallee 9-12, 14469 Potsdam aus seinem im Juni 2017 erschienenen Buch (Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN-10: 3525351259 – ISBN-13: 978-3525351253 , 616 S., 45,00 €). Es handelt sich um eine gemeinsame Veranstaltung des Verfassungsgerichtes und der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Kooperation mit dem Landgericht Potsdam.
Booß, der sich bereits einen Namen als kritischer Medienberichterstatter (TV und Print-Medien) und als Pressesprecher der BStU gemacht hat, schildert in seinem spannenden Buch u.a. die Verstrickungen von Rechtsanwälten der DDR, die als prominent gewordene Persönlichkeiten in den Umbruchzeiten nach dem Mauerfall während der Friedlichen Revolution unter Stasi-Verdacht gerieten. Diese „Enthüllungen“ haben bewusst oder unbewusst das Bild der DDR-Anwälte bis heute geprägt, weil eine wissenschaftliche Analyse der DDR-Anwaltschaft auf breiter Quellenbasis bisher aussteht.
Idealbild „Sozialistischer Anwalt“
Der Autor untersucht die Tätigkeit der Verteidiger in den politischen Prozessen insbesondere der Honecker-Ära, wozu er sich durch über 1000 Prozess- und Ermittlungsakten arbeitete. Die Booß-Arbeit greift jedoch weit über diese Prozesse hinaus, um diese Akten überhaupt interpretieren zu können. So werden die Umstrukturierung der Anwaltschaft in Ostdeutschland seit 1945, die Ausbildung der Anwälte und die Versuche von SED, Justizapparat und Stasi, sie im Sinne des Idealbildes vom »sozialistischen Anwalt« zu beeinflussen, gründlich beleuchtet. Unter Anwälten der DDR war die Zahl der inoffiziellen Mitarbeiter höher als in anderen Berufsgruppen. Dennoch wurde interessanterweise oft auf anderen Wegen versucht, das Verhalten der Anwälte im Prozess zu beeinflussen.
In den meisten Verfahren wurden zum Beispiel Personen, die unter dem Verdacht der beabsichtigten Republikflucht verhaftet und angeklagt worden waren, von der Kanzlei Wolfgang Vogel vertreten, was nach Booß zur Verkümmerung der Prozesskultur beitrug. Die engen Handlungsspielräume der DDR-Anwaltschaft waren auch ein Symptom für die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen in der DDR und besonders der Angeklagten in politischen Strafverfahren, analysiert der Autor.
Justiz auch heute (noch) politisch beeinflusst?
Aktuelle Brisanz erhält der Vortrag durch die Tatsache, das der Justizminister Brandenburgs, Stefan Ludwig (DIE LINKE), jüngst eine Anzeige gegen die Arbeits- und Sozialministerin Diana Golze (LINKE), die Präsidentin des LaGeSo, Liana Klocek und den Vorsitzenden Richter der 11. Kammer des VerwGer. Potsdam, Fabian Eidtner, an den Generalstaatsanwalt übermittelt hat (Mai 2018).
Hintergrund der Anzeige ist die Auseinandersetzung eines ehemaligen, aus politischen Gründen verurteilten Häftlings, der bisher erfolglos juristisch gegen Entscheidungen geklagt hatte, dass die Verrechnung der sogen. „Opferrente“ mit dem erstrittenen Berufschadensausgleich rechtens sei. Die angezeigten Personen hatten sich mit ihrer Haltung bzw. Entscheidung gegen eine Rechtsanweisung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) aufgrund des Ergebnisprotokolls der Länderbesprechung vom 4.09.2007 (Durchführung und Vollzug des StrRehaG) gestellt, obwohl dieses Protokoll als verbindlich von allen Ländern, einschließlich dem Land Brandenburg, unterschrieben worden war. Mithin stellt sich anlässlich des Vortrages die Frage, inwieweit (auch) heute politische Vorgaben Auswirkungen auf Entscheidungen diverser Instanzen, auch der Gerichte, haben. Nach Recherchen der Redaktion ist das Land Brandenburg, oft als „kleine DDR“ bezeichnet, das einzige Bundesland, dass dieses Ergebnisprotokoll der Bund-Länderbesprechung nicht in die Praxis umsetzt. Nach diesem Protokoll „werden nachweisliche Leistungen auf Berufsschadensausgleich (BSA) und Ausgleichsrenten nach §§ 30 und 32 BVG als vergleichbare Leistungen im Sinne des § 17a, Abs.2, Satz 2, zweiter Halbsatz StrRehaG n i c h t als zu berücksichtigendes Einkommen bei der Zumessung der „Opferrente“ gewertet. Bei ihrer Ablehnung der Umsetzung des Ergebnisprotokolls beruft sich das von einer linken Koalition geführte Land auf die „Unverbindlichkeit“ von Bund-Länder-Besprechungen, diese hätten also keinen Einfluss auf die eigenständigen Vorgehensweisen der Länder.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.386).
Berlin, 29.05.2017/cw – „Bundesregierung und ostdeutsche Länder kommen im Bericht zu der Einschätzung, dass Zwang und Gewalt für viele Säuglinge, Kinder und Jugendliche in DDR-Heimen alltägliche Erfahrung waren, insbesondere in den Spezialheimen der Jugendhilfe wurden Menschenrechte verletzt. … Die Erlebnisse in den Heimen führten zu massiven Beeinträchtigungen der Lebenschancen und Entwicklungspotentiale der Betroffenen, die bis heute teilweise traumatisch nachwirken.“ https://www.fonds-heimerziehung.de/fonds/fonds-heimerziehung-in-der-ddr.html
Fehlende Beweislastumkehr
Vorstehende Feststellungen sind der Begründung des Deutschen Bundestages für die Schaffung eines Fonds „Heimerziehung in der DDR“ zu entnehmen. Durch den Fonds sollten analog zu dem Heimfonds WEST auch Heimkinder in der DDR für rechtlich nicht vertretbare Maßnahmen entschädigt werden. Allerdings ist neben diesem ziemlich pauschal gefassten Entschädigungsanspruch keine automatische Rehabilitierung staatlich verordneter Heimunterbringung verbunden. Diese Rehabilitierung muss nach wie vor über den Rechtsweg erstritten werden, wobei nur etwa ein Prozent der beantragten Rehabilitierungen positiv, also für das ehemalige Heimkind, entschieden werden. Als wesentliches Hemmnis sehen Experten das Problem der fehlenden Beweislastumkehr. Nicht der Staat (als Nachfolger der DDR) muss eine rechtstaatskonforme Unterbringung durch die Heimeinweisung beweisen, sondern der betroffene ehemalige Heim-Zögling muss die rechtsstaatswidrige Einweisung (und Unterbringung) beweisen.
Nach dieser Rechtslage, die der allgemeinen Handhabung der Feststellung politischer Verfolgungen durch die DDR-Diktatur entspricht, haben die Betroffenen so gut wie keine Chance auf Feststellung einer Rechtswidrigkeit ihrer Heimunterbringung in der DDR. Trotzdem versuchen einige Wagemutige – oder Verzweifelte – wie Erika Heimbach* (*Name geändert), die einstige Unterbringung im Nachhinein gerichtlich anzufechten, da die psychischen Folgen dieser empfundenen Ungerechtigkeit noch Jahrzehnte nachwirken.
Obwohl auch das Kammergericht in Berlin neben dem OLG Thüringen sowie dem OLG Sachsen-Anhalt aufgrund der Änderung des § 2 Absatz 1 StrRehaG durch die letzte StrRehaG-Novelle davon ausgeht, dass bei einer Heimeinweisung gesetzlich unwiderlegbar vermutet wird, dass diese eine Freiheitsentziehung darstellt, weist das Kammergericht in vergleichbaren Fällen Ansprüche auf Rehabilitierungen brüsk zurück. Dabei bezieht sich das KG – wie im Fall der hier zitierten Erika Heimbach* – ausschließlich auf Akten der DDR, ohne deren rechtsstaatlichen Grundlagen überhaupt zu hinterfragen. In seiner jüngsten Entscheidung (4 WS 47-4817 REHA / 22.Mai 2017) wird die Beschwerde Heimbachs* gegen den Beschluss der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Berlin vom 24.01.2017 als unbegründet verworfen.
Spezialfall allgemeiner kommunistischer Erziehung
Erika Heimbach* war im Alter von 15 Jahren durch Beschluss des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Marzahn vom 26.05.1983 im Spezialkinderheim „Maxim Gorki“ und hernach in Fortsetzung am 30.08.1984 (bis 19.06.1986) in das Spezialkinderheim „Adolf Reichwein“ eingewiesen worden. In „Heimerziehung“, 1984 von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Eberhard Mannschatz herausgegeben, wird die Heimerziehung als ein Spezialfall der allgemeinen kommunistischen Erziehung beschrieben: „Für die Heimerziehung sollten die gleichen Prinzipien für die Gestaltung der Erziehungsprozesse gelten, wie sie für alle Bürgerinnen und Bürger bzw. Kinder und Jugendlichen in der DDR galten. So wollte man den umfassenden Geltungsanspruch der marxistischen Pädagogik herausstellen“.
Trotz dieser als bekannt zu unterstellender Grundlagen der DDR-Heimerziehung hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die vom Heimbach* beantragte Rehabilitierung nicht befürwortet (7.12.2016): „Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Heimunterbringung seien nicht ersichtlich“. Das Handeln der Jugendbehörde sei „allein fürsorglich motiviert“ gewesen. Das Kammergericht schloss sich dieser Bewertung an: „Es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Einweisung und Unterbringung aus rechtsstaatswidrigen Gründen erfolgt sei…“.
Der Umgang mit den Jugendlichen einer Reha nicht zugänglich
Formal bezieht sich das Kammergericht mit dieser Begründung indirekt auf die Feststellung des Bundestages zur Schaffung des Heimkinderfonds Ost, nach der die gesetzlichen Voraussetzungen (für eine Rehabilitierung) deutlich machen, „dass der Schwerpunkt auf der Rechtsstaatswidrigkeit der auf die konkrete Person bezogenen Einweisungsentscheidung liegt. In erster Linie ist also entscheidend, warum ein Kind oder eine Jugendliche bzw. ein Jugendlicher ins Heim eingewiesen wurde. Der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen während der Unterbringung in den Jugendhilfeeinrichtungen ist für sich genommen einer Rehabilitierung nach dem StrRehaG nicht zugänglich“ (Bericht: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, hier: 4. Derzeitige Möglichkeiten der Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), Seite 47).
Ohne hier auf Einzelheiten der Vorgänge einzugehen, die seinerzeit zu dem Einweisungsbeschluss der zuständigen DDR-Behörden geführt haben (obwohl einige, wenn auch spärliche Fakten wie von Heimbach* aufgespürte Unterlagen in der BStU auf politische Motivierungen hinweisen), mutet hier die Abstellung auf die Einweisungsbegründung und nicht auf die Formen der Unterbringung jugendlicher Delinquenten durch den Gesetzgeber nach den historischen Erfahrungen mit beiden deutschen Diktaturen befremdlich an. Man stelle sich vor (ohne hier eine Heimunterbringung mit einem KZ-Aufenthalt in der NS-Zeit gleichsetzen zu wollen), die Einweisung in ein NS-KZ und nicht deren tödlicher Charakter wäre zum Ausgangspunkt jeglicher Rehabilitierungsansprüche durch NS-Opfer gemacht worden. Ein berechtigter Aufschrei der Gesellschaft wäre die Folge gewesen. Die Durchsetzung von Entscheidungsinstitutionen in Deutschland mit Alt-68ern und tatsächlichen oder Pseudo-Linken, die der DDR wegen ihrer antifaschistischen Attitüden schon immer freundlich gesonnen waren, haben offenbar auch hier ihre gesetzgeberische Wirkung entfaltet. Nach dem Grundsatz, dass nicht ist, was nicht sein darf, wurde auch in Sachen Rehabilitierung jede Möglichkeit genutzt, Konsequenzen aus dem DDR-Unrecht zu vermeiden und auf das Unabweisliche zu beschränken.
Zwar sehen die §§ 1 und 2 StrRehaG einen Anspruch auf Rehabilitierung im Einzelfall eine Prüfung anhand folgender Kriterien vor, nach denen die Unterbringung a) freiheitsentziehenden Charakter haben oder unter haftähnlichen Bedingungen erfolgt (was mit Neufassung des § 2 Abs. 1 StrRehaG für Kinderheime nicht mehr zu prüfen ist) und b) durch eine staatliche Stelle angeordnet und mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sein muss (insbesondere weil sie 1. der politischen Verfolgung oder 2. sonstigen sachfremden Zwecken gedient hat oder 3. in grobem Missverhältnis zu dem zugrunde liegenden Anlass gestanden hat – Unverhältnismäßigkeit -), die Rechtsprechung entspricht diesen oft widersprüchlichen Vorgaben im Wesentlichen nicht.
Erika Heimbach* hatte in ihrer „ausführlichen Begründung“ der Beschwerde (Kammergericht) u.a. auf den möglichen politischen Hintergrund der letztlichen Heimeinweisung hingewiesen, weil ihre Mutter von mindestens „zwei Verfahren des Ministeriums für Staatssicherheit“ betroffen gewesen sei. Auch habe man der Mutter seitens „deren Arbeitgeber und der Polizei wegen fehlenden Engagements für Partei und Gesellschaft Vorhaltungen gemacht“. Daher sei die Heimeinweisung der Beschwerdeführerin vermutlich „als Druckmittel gegen ihre Mutter“ eingesetzt worden. „Im Dezember 1988 sei ihre Mutter ohne nachvollziehbaren Anlass“ in einer „geschlossenen psychiatrischen Abteilung zwangsbehandelt worden“, begründete Heimbach* in ihrer Beschwerde. „Insoweit sei eine repressiv motivierte missbräuchliche Klinikeinweisung auf Veranlassung des Staatssicherheitsdienstes denkbar“. Auch aus diesem Grund sei „die Einweisung und Unterbringung (von Heimbach*) in einem Spezialkinderheim angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse über dort herrschende Verhältnisse regelmäßig als rechtsstaatswidrig einzustufen“. Erika Heimbach* machte geltend, dass sie selbst in den Heimen „unmenschlicher Behandlung sowie körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt“ gewesen sei.
Das Kammergericht bezieht sich in seiner Entscheidung (wenn es sich nicht um eine hochangesehene juristische Instanz handeln würde, wäre man geneigt, von einer „dreisten Begründung“ zu sprechen) eben auf die gesetzliche Regelung der §§ 1,2 Abs.1 StrRehaG, wonach „die Anordnung der Unterbringung in Heimen … der ehem. DDR unabhängig davon, ob die Unterbringung im konkreten Einzelfall freiheitsentziehenden Charakter hatte oder unter haftähnlichen Bedingungen im Sinne des § 2 Abs.2 StrRehaG vollzogen wurde, eine rehabilitierungsfähige Maßnahme darstellen“. Aber: „Ein Anspruch auf Rehabilitierung besteht jedoch nur dann, wenn die Anordnung … der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat oder wenn die Einweisungsentscheidung aus sonstigen Gründen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil die angeordnete Unterbringung in grobem Missverhältnis zu ihrem Anlass stand“. Diese Voraussetzungen sieht das Kammergericht im vorliegenden Fall als „hier nicht erfüllt“ an.
Demnächst Rückforderungen durch den Heimkinderfonds?
Die pubertär bedingten Entwicklungsschwächen sieht das Gericht also als ausreichend an, eine gerade einmal fünfzehnjährige Jugendliche einer Spezialkinderheimeinrichtung der DDR auszuliefern. Die rechtsstaatswidrigen Methoden in diesen Spezialkinderheimen können dabei geflissentlich übersehen werden, da es darauf nicht ankommt. Damit wird die Verfolgung unzähliger Jugendlicher in den Spezialeinrichtungen der DDR auch noch juristisch ad absurdum geführt. Erika Heimbach* (und ihren Leidensgenossen) ist zu empfehlen, schon einmal vorsorglich Rücklagen für Rückforderungen des Heimkinderfonds zu bilden. Denn bei dieser Rechtsprechung, die sich ja auf gesetzliche Vorgaben beruft, ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Entschädigungszahlungen des Fonds wegen „irrtümlicher Schadensfeststellungen“ zurückgefordert werden könnten.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.251).
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