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Stollberg/Hoheneck, 22.05.2019/cw – An diesem Wochenende treffen sich ehemalige Hoheneckerinnen in Stollberg. Der einst weit über 100 Mitglieder zählende Verein „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen“ hat zur Mitgliederversammlung eingeladen, um u.a. satzungsgemäß einen neuen Vorstand zu wählen.
Doch ob es überhaupt zu Neuwahlen kommen wird, steht buchstäblich „in den Sternen“, da
nach Informationen unserer Redaktion nicht einmal ordnungsgemäß zu der Versammlung eingeladen wurde. Das verwundert Insider insoweit, als die amtierende Vorsitzende nach einem jahrelangen juristischen Streit um die Auslegung der Satzung und den Bestimmungen des Vereinsrechtes gegen den einstigen Vorstand obsiegt hatte und im Gefolge zur Vorsitzenden gewählt wurde. In dem Anschreiben an die Mitglieder vom 25. Januar d. J. wurde lediglich „zum Treffen“ vom 24. – 26. Mai „mit Aktionstagen“ eingeladen. Unter der zeitlichen Angabe „24.05.“ wurde zwar als vierter Veranstaltungspunkt für „17:30 Uhr“ eine „Mitgliederversammlung mit aktuellen Themen und Vorstandswahl“ angekündigt, die Beifügung einer vorgesehenen Tagesordnung unterblieb jedoch.
Muss sich der Vorstand selbst wählen?
Aus diesen rechtlich-formalen Gründen erscheint die Versammlung als nicht beschlußähig, geschweige denn in der Lage, rechtsgültig einen neuen Vorstand zu wählen. Zudem werden nur wenige Frauen des nach den jahrelangen Auseinandersetzungen stark gesunkenen Mitgliederbestandes zum Wochenende auf Hoheneck erwartet. Es könnte also durchaus sein, dass sich der zu wählende siebenköpfige Vorstand im Falle einer überhaupt durchgeführten Wahl selbst wählen müsste, was die Fragwürdigkeit einer rechtlichen Basis des Vereins ggf. unterstreichen würde.
Nach der 2016 erfolgten Wahl waren von den sieben Mitgliedern allein vier „wegen unüberbrückbarer Meinungsunterschiede im Vorstand“ von ihrer Funktion zurück- und sogar aus dem Verein ausgetreten. Seither führte der verbliebene Rumpfvorstand unter der ehemaligen Hoheneckerin Regina Labahn die Geschäfte.
Abgesehen von diesen vereinsrechtlichen Kriterien werden zum Wochenende, präzise am 25.05. zum „Tag der offenen Zellentür“ neben dem sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Lutz Rathenow, auch der Psychologe und Buchautor Dr. Karl-Heinz Bomberg und der Bundestagsabgeordnete Peter Beyer (CDU-Fraktion) wie die wissenschaftliche Mitarbeiterin in der CDU-Fraktion des Bundestages, Melanie Meyer, erwartet. Bomberg wird um 12:00 Uhr sein Buch „Heilende Wunden“ mit „musikalischer Umrahmung und Signierstunde“ vorstellen.
Abschiedsvorstellung nach Austritt aus der UOKG?
Trotz der in der Einladung angeführten Unterstützung des Treffens durch die „Bundesstiftung Aufarbeitung Berlin“ könnte dieses Treffen das letzte in der Verantwortung des einst angesehenen Vereins sein. Ohnehin verlaufen die Planungen für die vom ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei seinem Besuch auf Hoheneck im Mai 2011 angeregte „Gedenkstätte Hoheneck“ ohne ersichtliche Einbindung des Vereins an den Frauen von Hoheneck vorbei. „Die Stadt kann in dem desolaten Zustand des Vereins, der einmal ein ernstzunehmender Gesprächspartner war, keine solchen mehr sehen,“ sagte der Redaktion gegenüber eine ehemalige Hoheneckerin, die namentlich nicht genannt werden möchte: „Kritikerinnen werden grundsätzlich nur noch mit Hass und Verleumdungen verfolgt, das möchte ich mir nicht mehr antun.“
Es sieht also so aus, dass der legendär gewordene Frauenkreis vor seinem endgültigen AUS steht. Mithin könnten die angekündigten „Aktionstage“ an diesem Wochenende die Abschiedsvorstellung des Vereins sein. Ohnehin hatte der Vorstand die Mitgliedschaft im Dachverband der Opferverbände – UOKG – bereits zum Jahresende 2018 gekündigt.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-85607953 (1.409).
von Martin Sachse*
Berlin, 20.03.2018 – Dr. Karl-Heinz Bomberg ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und auf Spätfolgen politischer Repression spezialisiert. Die politische Verfolgung in der ehem. DDR ist dabei ein Schwerpunkt seiner psychoanalytischen fachärztlichen Tätigkeit.
Das im Februar 2018 editierte Buch „Heilende Wunden“ umfasst neben wissenschaftlichen Exkursen zu den Themen Resilienz, Traumatisierung, Psychotraumatologie auch Therapieformen – so die Sinnestherapie und Psychoanalyse. Die Formen der Bewältigung beziehen dabei auch die Spiritualität und Religion, die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Trauma und das soziale Netz ein. Der Ansatz des Autors ist damit ein ganzheitlicher. Das Buch gibt einen Einblick in die komplexe Problematik. Fallbeispiele ergänzen seine Ausführungen.
Damit hat der Autor erneut ein wichtiges Werk vorgelegt, dass für Therapeuten und die Wissenschaft wichtige Impulse gibt – für Betroffene ist es begleitende Unterstützung bei der Bewältigung ihrer seelischen Verwundungen infolge erlittenes Unrecht.
Der Autor beginnt seine Ausführungen mit biografischen Notizen und eigenen Erfahrungen mit politischer Verfolgung. Zur Bewältigung von Traumata notiert er: „Allgemein gilt: Die Psyche ist nicht so stabil wie die Körpertemperatur. Wird ihr zu stark zugesetzt, so ist der entscheidende Punkt die Symbolisierung dieses Traumas. Das Erlebte muss in heilsame Gedanken gebettet werden.“ So wird auch schnell klar, dass Re-Traumatisierungen infolge verweigerter Anerkennung erlittenen Unrechts und antidemokratische wie autoritäre gesellschaftliche Entwicklungen der Resilienz entgegenstehen.
Im Buch wird der Zusammenhang der Art und Stärke des Traumas in Relation zu den Verarbeitungs- und Bewältigungsmöglichkeiten aufgezeigt. Hier zeigt sich auch der Gewinn des Buches durch die jahrelange praktische Erfahrung des Autors mit Betroffenen. So verbindet der Autor immer wieder persönliche Erfahrungen und Therapieansätze mit wissenschaftlichen Exkursen. Es ist ihm zu danken, dass er die Vielfalt der Betroffenen in den Fokus rückt und nicht Opfergruppen gegeneinander ausspielt.
Humor und Versöhnung
Der Autor gibt weiteren Bewältigungsformen breiten Raum. Dazu gehören Humor und Versöhnung. Humor und Freude am Leben bleiben nach schwerer und/oder langanhaltender politischer Verfolgung oft auf der Strecke. Auch die Stasi wusste diese Erkenntnis zu nutzen und so hörten Menschen in Verhören nicht selten den Ausspruch: „Ihnen wird das Lachen noch vergehen“. Dr. Bomberg setzt die Bedeutung des Humors für die Bewältigung von Traumata auch hier in den Kontext persönlicher Bewältigungsstrategien und ergänzt diese durch eigene Gedichte und Sentenzen, wie im folgenden Beispiel:
“Beide können gut hören.
Der Psychologe gut zuhören.
Der Sicherheitsbeamte gut abhören.“
Das Kapitel zu weiteren „Bewältigungsformen/Humor und Versöhnung“ wird mit persönlichen Erfahrungen des Autors und einem wissenschaftlichen Exkurs eingeleitet. Die Bedeutung des Lächelns bei Kindern wird dabei ebenso angesprochen, wie auch „Humor und soziale Kompetenz“ sowie die „Theorien des Humors“ und „Humor in psychotherapeutischen Ansätzen“.
Trotz der Wissenschaftlichkeit der Ausführungen erschließt sich dem Leser der Inhalt durch die klar gegliederten Ausführungen und Quellenbezüge. Der Autor beschreibt die Rolle des Humors in der Psychoanalyse. Er bezieht sich u.a. auf Sigmund Freud und seine Schriften „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten“ sowie „Der Humor“ und führt aus: „Freud hatte schon frühzeitig erkannt, dass die Dynamik der Witzentstehung eine enge Affinität zum primärprozesshaften Traumdenken aufweist und sich ähnlicher Vorgänge bedient (Verdichtung, Verschiebung, Doppelsinn)“ (S. 68).
Bomberg war auch immer Musiker, Liedermacher und Lyriker, bereits in der Zeit der ehem. DDR. Autobiografisch notiert er zu seiner Armeezeit bei der NVA: „Meine Armeezeit hätte ich ohne Trompete nicht überlebt (..). (S. 79 f.)
Die im Buch angefügte Lyrik und Gedichte prägte eine ganze Generation von Oppositionellen der ehem. DDR. So die Lyrik von Reiner Kunze (Der Vogel Schmerz, 1963/1996), Wolf Biermann (Was wird bloß aus unsern Träumen, 1981) oder Jürgen Fuchs (Auf dem Weg zum Briefkasten, 1978). Im Kapitel „Psychoanalyse und künstlerische Kreativität“ geht der Autor auf den wichtigen Zusammenhang zwischen künstlerischer Auseinandersetzung und der Psychoanalyse ein. Bomberg: „Kreativität schafft und zerstört. Beide Seiten wohnen ihr gleichermaßen inne: Sowohl konstruktive als auch destruktive Wirkungen werden ihr stets zu eigen sein.“
Soziales Netz
In der Einleitung des Kapitels „Soziales Netz“ schreibt Bomberg: „Ein soziales Netz ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen, die ein Mensch mit anderen Menschen eingeht. In der Familie, später im Kindergarten, in der Schule, dann in verschiedenen Lehrstellen sind wir immer wieder in soziale Systeme eingebunden. Der Ort, das Land, der Erdteil und schließlich die Erde selbst bilden den Rahmen für unsere Existenz.“
Transgenerationale Sicht
Sehr persönlich geprägt ist das Kapitel: „Transgenerationale Sicht“. Dort kommen die Kinder des Autors zu Wort, der durch eigene Verfolgung in der ehem. DDR geprägt wurde und weil gerade Kinder darunter besonders leiden mussten. Die Ausführungen der Kinder von Bomberg machen betroffen. Der Mut der Kinder, über das Erlebte zu schreiben, wie auch der Mut des Autors eine „transgenerationale Sicht“ zuzulassen, verdienen höchsten Respekt.
Fallbeispiele
Im Kapitel: „Fallbeispiele“ kommen Betroffene selbst zu Wort. Die Authentizität der Berichte und „Zustandsbeschreibungen“ über erlittene Haft, Heimaufenthalt, Psychiatrieeinweisungen und anderen Formen der Repression und Zersetzung sind von einer emotionalen Dichte, die betroffen macht. Auch für Freunde und Angehörige sind die Erfahrungen Betroffener im Sinne der transgenerationalen Weitergabe von immenser Relevanz.
Viele der politisch Verfolgten der ehemaligen DDR leiden bis heute an einer PTBS (Posttraumatischen Belastungsstörung). S. beschreibt im Buch das Gespräch mit einem Gutachter wegen der Anerkennung seiner Versorgungsansprüche. Zitat: „Der Kollege sagte ihm, dass die PTBS wie ein Holzwurm sei. Sie frisst und frisst“. Von der Unterstellung, sich lediglich nur Versorgungsleistungen erschleichen zu wollen bis zur Konfrontation mit belasteten oder voreingenommenen Gutachtern findet sich hier die gesamte Bandbreite an Verantwortungslosigkeit gegenüber schwer traumatisierten Betroffenen. Das Buch „Heilende Wunden“ soll Wege aufzeigen, mit dem Erlebten umzugehen. Das vorliegende Buch ist hier eine wichtige Hilfestellung, sowohl für Therapeuten als auch für Betroffene. Die Versäumnisse der Politik und Aufarbeitung kann es allerdings nicht kompensieren.
Der Autor widmet sich auch seiner eigenen Biografie, was dem Buch eine weitere Tiefe gibt. Er wechselt sozusagen die Seiten. Im Kapitel OV „Sänger“ notiert er seine eigenen Erfahrungen und die Verfolgung in der ehem. DDR. Bomberg bezieht hier ebenso Stellung zu aktuellen Tendenzen der Gesellschaft und schreibt (Zitat, S. 168):
„Die Spaltung der Gesellschaft ist eine Gefahr. Eine Gesamtidentität ist für eine lebendige Demokratie erforderlich. Nichts ist jemals einfach: In der DDR gab es zwar weniger Freiheit, dafür aber mehr >Einbettung<. Allerdings war diese an einen Kommandeur gebunden, der einem sagt, wo es langgeht. Dies ist in Diktaturen eine typische Erscheinung. Früher musste immer ein Genosse zugegen sein, heute ist es ein Techniker.“ Bomberg führt weiter aus: „Freiheit und Demokratie sind nicht selbstverständlich. Politische Haft kann in diese Hinsicht widerstandsfähiger machen. Aktivitäten helfen, um aus der Opferposition herauszukommen. Kunst setzt Wirkung. … Hafterfahrung macht stark. Wer flüchtet schon gerne?“
Die im Buch hinterlegten Lied- und Verszeilen des Autors sind zugleich Dokumente und literarische „Zeitzeugen“. Sie sind eine Art „poetisches“ Gleichgewicht zu den wissenschaftlichen Ausführungen und Analysen. Das Buch schließt mit der Vorstellung von Institutionen, die sich der Aufarbeitung widmen, einem ausführlichen Literaturverzeichnis und einem Anhang mit Abbildungen der künstlerischen Arbeiten.
Fazit
Die Verhaltensmuster von Menschen und politischen Systemen wiederholen sich in den geschichtlichen Abläufen. Und sie grenzen immer wieder Menschen aus und führen zur Verfolgung Andersdenkender. Bomberg will mit seinem Werk „Heilende Wunden“ Hoffnung machen, dass dieser Teufelskreis eines Tages durchbrochen werden kann.
Mit seinem Buch macht Bomberg den Menschen Mut, sich Verwerfungen der Gesellschaft entgegenzustellen. „Heilende Wunden“ ist ein gewichtiger Beitrag zur Aufarbeitung, Analyse und Bewältigung politischer Traumatisierung. Es zeugt vom großen Respekt gegenüber den Opfern politischer Verfolgung. Nicht zuletzt liegt auch darin seine Stärke.
Dr. Karl-Heinz Bomberg, Buchreihe: Forum Psychosozial, Verlag: Psychosozial-Verlag, 245 Seiten, Broschur, Februar 2018, ISBN-13: 978-3-8379-2775-7, Bestell-Nr.: 2775, 24,90 €
* Der Autor ist selbst Opfer der Stasi-Diktatur. Der professionelle und leidenschaftliche Fotograf (ullstein) betreibt unter http://www.medienfabrik-b.de/fotografie/bild012.html ein eigenes Forum. Die vorliegende Buchbesprechung ist redaktionell verkürzt. Sie ist vollständig nachzulesen unter: https://text030.wordpress.com/2018/03/19/heilende-wunden-wege-der-aufarbeitung-politischer-traumatiserung-in-der-ddr/
© 2018 Martin Sachse u. Redaktion Hoheneck (Kürzungen), Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.365).
Nr.058 –Einigkeit und Recht und Freiheit– 15. 10. 2016
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Brachte unter seiner ehem. Zelle in Cottbus am 1. Oktober Portraits politischer Gefangener in Russland an: Ronald Wendling aus Berlin – Foto: Lyrag
Berlin, 15.10.2016/cw – Am Donnerstag, dem 27. Oktober 2016, begeht der ehem. politische Häftling in Cottbus und Berliner Demonstrant Ronald Wendling die 100. Mahnwache für die Freilassung politischer Gefangener, vornehmlich aus der Ukraine, vor der Russischen Botschaft in Berlin (voraussichtlich von 13:00 – 18:00 Uhr). Seit 2014 demonstriert Wendling allwöchentlich Unter den Linden und lässt sich weder von Kälte, Regen, Schnee noch (im Sommer) unerträglicher Hitze von seinem Einsatz für Menschenrechte abhalten. Wendling wird in seinem Protest von Freunden aus Deutschland und der Ukraine sowie auch von der Vereinigung 17. Juni in Berlin unterstützt.
Vor sechzig Jahren: Der Freiheitskampf der Ungarn
Budapest/Berlin, 15.10.2016/cw – Als Freiheitskampf der Magyaren ging er in die Geschichte ein. Am 23. Oktober vor sechzig Jahren wurde die Revolution mit einem friedliche Marsch von Studenten der Budapester Universitäten durch die ungarische Hauptstadt. Sie forderten demokratische Veränderungen und zitierten u.a. den Nationalhelden und Dichter Sándor Petőfi (* 01.01.1823; † 31.07.1849), der bereits 1848 zum Helden der seinerzeitigen Ungarischen Revolution avanciert war. Petöfi forderte in seinen Werken einen unabhängigen ungarischen Nationalstaat und war damit beispielgebend für die aufbegehrende Jugend von 1956. Petöfi fiel im ungarischen Freiheitskampf gegen die Habsburger in der Schlacht bei Segesvár.
Das kommunistische Regime eröffnete noch am selben Tag das Feuer auf die friedlichen Demonstranten. Es war der Beginn des fast zweiwöchigen Aufstandes gegen die als Fremdherrschaft empfundene sowjetische Besatzung. Der eher sozialdemokratisch ausgerichtete Imre Nagy (* 7. Juni 1896 Kaposvár, † 16. Juni 1958 hingerichtet in Budapest), der in der kommunistischen Partei eher als Dissident gesehen wurde, wurde Ministerpräsident der Revolutionsregierung.
Imre Nagy war im April 1955 von der Parteiführung seiner Ämter enthoben, vier Tage später als Ministerpräsident abgesetzt und einige Monate später aus der Partei ausgeschlossen worden. Ihm gelang es zunächst, den Abzug der sowjetischen Truppen aus Ungarn zu erreichen. Nagy forderte die Neutralität Ungarns und den Austritt aus dem Warschauer Pakt.
Am 4. November marschierten die sowjetischen Truppen erneut in Ungarn ein und schlugen den Aufstand mit Brachialgewalt nieder. Imre Nagy und Pal Maleter (* 4.09.1917 Eperjes; † 16.06.1958 hingerichtet in Budapest), umjubelter Verteidigungsminister im Kabinett von Nagy, wurden verhaftet und nach einem Geheimprozess 1958 hingerichtet. Beide Helden der Revolution wurden nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums mit einem posthumen Staatsbegräbnis in Ungarn geehrt.
Arpad Göncz (* 10.02.1922 Budapest; † 6.10.2015), Teilnehmer am Ungarn-Aufstand und Staatspräsident Ungarns von 1990 bis 2000, schrieb zum 40. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in einer vom gleichnamigen Verein 1993 herausgegebenen Festschrift („Auf, Europa, zur Freiheit“):
„Ich erachte es als außerordentlich wichtig, die Geschehnisse des Berliner Aufstandes … in allen verborgenen Nuancen darzustellen und ihre internationalen Auswirkungen zu bewerten. Mehr als irgend jemanden sonst interessieren diese Dinge uns Ungarn, nachdem es nun schon allgemein bekannt ist, daß das, was in Ostdeutschland vor sich gegangen ist, Einfluss auch auf die Ereignisse in Ungarn gehabt hat …. Ich bin überzeugt, daß der Protest der Bauarbeiter am 16. Juni 1953 in Berlin einen neuen Abschnitt in der als sozialistische bezeichneten Geschichte der ost-mitteleuropäischen Völker einleitete. Zwischen den polnischen, ungarischen und tschechoslowakischen Stationen dieses Abschnittes – und darunter unser ruhmreiches 1956 – entsteht zumindest durch das zu befolgende Beispiel der Zusammenhang.“
Göncz war im August 1958 zu einer lebenslängliche Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er versucht hatte, ein Buch von Imre Nagy („In Verteidigung des Ungarischen Volkes“) ins Ausland zu schmuggeln. Unter dem postrevolutionären Regime von Janos Kadar wurde Göncz im Rahmen einer Amnestie 1963 begnadigt.
Die Vereinigung 17. Juni in Berlin hat den Bundestag gebeten, in geeigneter Form des 60. Jahrestages der Ungarischen Revolution zu gedenken.
Nach 26 Jahren: „Wir fühlen uns verarscht!“
Berlin, 15.10.2016/cw – Unter der souveränen Leitung des Polit-Profis Dieter Dombrowski (CDU), Vorsitzender der UOKG und Vizepräsident des Landtages Brandenburg, fand am vergangenen Wochenende im Besucherzentrum der Stiftung Berliner Mauer in der Bernauer Straße ein weiterer UOKG-Kongress statt. Das etwas sperrige Thema: „Wege zu einer verbesserten Begutachtung von Haft und Repressionsopfern der SED-Diktatur.“
Opfer und Täter
Zu Beginn referierte Prof. Dr. Dr. Theo R. Payk (Psychiater, Psychotherapeut und Dipl.-Psych.) zu „Opfer und Täter: Beihilfe von Psychiatern u. Psychologen bei der Traumatisierung von DDR-Bürgern“
Payk führte seine „eigene Stasi-Akte“ an und betonte, er sei „heute noch dankbar für die Beratung.“ Zu Missverständnissen führten seine Ausführungen zu den Verfassungsartikeln der DDR (Recht zur freien Meinung, zur friedliche Versammlung etc.) und die konterkarierende Praxis des MfS gegen die eigenen Bürger, da die meisten Anwesenden selbst Betroffene des Systems waren und Belehrungen über die Konstruktion des Unrechtsstaates weder auf diesem Kongress erwarteten noch brauchten. Payks Ausführungen würden sich in ein Seminar für Fachleute und Gutachter gut einpassen, die der Nachhilfe über die Arbeit von Diktaturen bedürfen.
„Der Mensch lernt nicht durch Geschichte,“ führte Prof. Payk aus und sagte, dass die Stasi viel durch die GESTAPO der Nazis gelernt und übernommen habe, ohne allerdings den obligatorische Zusatz nicht zu vergessen: „Ich will nicht vergleichen.“
Ausprägungen politischer Traumatisierung
Bewegend für die Zuhörer und sich dem Thema des Kongresses annähernd der folgende Beitrag des Arztes für Psychiatrie und Psychonalyse, Dr. Karl-Heinz Bomberg. Der durch sein Gitarre-Spiel ebenfalls bekannt gewordene Bomberg räumte freimütig ein, die Geschichten der Traumatisierten „selbst erlebt und durchlebt“ zu haben und daher eigentlich zu „nahe am Geschehen“ stände. Ihn erfülle der Gedanke daran mit Trauer. Dennoch sei Subjektivität „das Skalpell des Psychiaters.“ Die Anerkennung des Durchlebten und die notwendige Therapie sei gleichsam wichtig. Blomberg führte dann die diversen Erhebungen an, die aus der erlittenen, weil zu Unrecht verbüßten Haft herrührten: Körperliche Störungen, Herzerkrankungen, Erhöhung des Blutdrucks, Schlafstörungen etc. Das vielfache Misstrauen, geboren aus der schweren Verletzung von Vertrauen, führe oftmals auch zu Panik-Attacken oder/und auch – unter Berücksichtigung der eigenen Lebensbilanz – zu Alters-Depressionen, die den Ruhestand nachhaltig erschweren.
Aus alle dem folgere er die Notwenigkeit einer „individuellen“ Therapie, die in der Regel „nicht heilen, aber lindern“ könne. Der Mensch sei neurobiologisch festgelegt. Andererseits kennen wir keine geschlossenen Lebewesen. Wir müssen unser eigenes Talent entdecken. Die Therapie könne auch dazu beitragen, diese Ressourcen freizulegen.
„Folgen der Begutachtung für die Betroffenen, Problemschwerpunkte und Verbesse-rungsmöglichkeiten aus Sicht einer Therapeutin“
Über die „Folgen der Begutachtung für die Betroffenen“ aus der Sicht einer Therapeutin referierte Dipl.Psychologin Stefanie Knorr, die für die Beratungsstelle „Gegenwind“ tätig ist. Die psychischen Folgen der Haft wurden nach der Entlassung in die Bundesrepublik verdrängt, eigene Erfahrungen verleugnet. Es gab ja auch kaum Jemand, der das Erlebte verstanden oder gar geteilt hätte. Die Betroffenen wurden allein gelassen, mussten oft daraus resultierende berufliche Einschränkungen hinnehmen.
Die Erwartungen an die rechtsstaatliche Gesellschaft zur „Wiedergutmachung“ und „Unrechtsbereinigung“ würden nicht erfüllt werden. So würden an die Erfahrungsmöglichkeiten durch Anerkennung, Entschädigung und damit einhergehender neuer Lebenschancen das Erleben erneuter Ausgrenzung, Ablehnung, Ungerechtigkeit und das Fehlen sozialer Chancen treten.
Knorr zitierte dann aus einer Studie der FU von 2015 mit politisch Verfolgten der SED-Diktatur, die eine „Würdigung, Gleichstellung und die Abwesenheit von Missachtung“ postuliere und die „negativen Zusammenhänge von staatlicher Anerkennung mit PTBS und Depression“ beschreibe. Es beständen positive Zusammenhänge zwischen subjektivem Wohlbefinden und Gerechtigkeitserleben.
Die aktuelle Begutachtungspraxis
Die zwischenzeitlich wohl in ganz Deutschland bekannte Dr. Ruth Ebbinghaus, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, ging mit Furore die „aktuelle Begutachtungspraxis“ von politischen Haftopfern an. Ebbinghaus verhehlte nicht, dass ihr aufgrund von Vorträgen vor Betroffenen vielfach in einschlägigen Gerichtsverhandlungen Parteilichkeit und Voreingenommenheit unterstellt werde. Das sei ärgerlich und auch ungerecht, weil sie in ihrer Arbeit stets wissenschaftlich begründet vorgehe und sich nicht von Vorurteilen leiten lasse.
Die in Betroffenenkreisen hoch angesehene Fachfrau referierte ausführlich aus den „Allgemeinen Grundlagen der medizinische Begutachtung“ und gab den Anwesenden damit eine wichtigen Einblick in die häufig kritisierte Praxis der Gutachtertätigkeit. Ebbinghaus meldete aber Zweifel an, ob die so bestimmten Voraussetzungen immer beachtet oder eingehalten werden. So solle der Gutachter „über eingehende Kenntnisse in seinem Fachgebiet“ verfügen und „jede Expertise mit der erforderlichen Sorgfalt“ anfertigen. Dabei sei „die geforderte Unparteilichkeit und Unabhängigkeit, die geforderte Eigenverantwortlichkeit, Kompetenz, Beachtung der Rechtsgrundlagen und die vollständige Erfassung der Sachverhalte aus ihrer Sicht eine Selbstverständlichkeit.“ Unzulässig sei eine „wohlwollende Begutachtung“ z.B. zu Lasten der Versicherung ebenso wie eine Begutachtung in dem Sinne „im Zweifel für den Antragsteller.“
Auch sei es nicht Aufgabe des Gutachters, vermeintliche Auswüchse des Sozialstaates zu korrigieren oder für die Beitragsstabilität oder Finanzierbarkeit des Versicherungssystems Sorge zu tragen. Die allerdings häufig fehlende Erfahrung und diagnostische Kenntnis zu komplexen und chronischen Traumafolgen sei ein echtes Problem. Fehlende Kenntnisse zu gesellschaftlichen Hintergründen, politischer Repression und Haftbedingungen in Gefängnissen der DDR führten wiederholt zum Unterschätzen der traumatogenen Ursache („Verharmlosung“ der Haftbedingungen). Diese und andere Grundlagen würden in der Gestaltung der Begutachtungssituation und der Auswahl des Untersuchungsortes nicht ausreichend berücksichtigt.
Die engagierte Ärztin unterbreitete zum Schluss Vorschläge, wie diese unbefriedigende Situation zu verbessern wäre: Transparenz, Beschleunigung und Entbürokratisierung der Verfahren; Beurteilung nach Aktenlage anhand aussagekräftiger Atteste; Befundberichte und gutachterlicher Stellungnahmen von BehandlerInnen, Facheinrichtungen und Fachkliniken sowie bspw. Rentengutachten. Begutachtung nur bei mangelnder Befundgrundlage durch spezialisierte Fachgutachter mit Kenntnissen zu chronischen komplexen Traumafolge-störungen und zu Haftfolgeschäden und psychische Zersetzungsmaßnahmen in der DDR. Bundeseinheitliche Regelungen zur Begutachtung im versorgungsrechtlichen Verfahren zur Beschädigtenversorgung wären eine der wichtigen Voraussetzungen, den derzeit unbefriedigenden Zustand wesentlich zu verbessern.
„Die Begutachtungssituation aus der Perspektive der Versorgungsämter“
Als letzter Referent sprach Andreas Dittrich, Abteilungsdirektor soziales Entschädigungsrecht im Versorgungsamt Brandenburg. Dittrich löste, wie sich aus zahlreichen Nachgesprächen am Rande des Kongresses ergab, allgemein negative Reaktionen aus. Sein empathieloser Vortrag über die bürokratischen Notwendigkeiten, denen sich seine Behörde gegenüber sähe, löste eher ein Bestätigungsverhalten der Vorbehalte gegen seine Institution aus, als das etwa eingeforderte Verständnis für Schwierigkeiten in seiner Behörde.
Auch die nicht einmal engagiert sondern eher trockene Aufzählung von Bedingungen in seinem Amt, wie die regelmäßig erfolgende Fortbildung der Sachbearbeiter und medizinischen Kräfte hinterließen eher eine Resignation denn eine Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation politisch Verfolgter. Es entstand der Eindruck einer seelenlosen funktionalen Wiedergabe des Tagesablaufs einer sich gegen Kritik in der Verteidigung sehenden Behörde.

Sah sich heftiger Kritik für ihre Ankündigung ausgesetzt, die Ergebnisse des Kongresses zu prüfen. Iris Gleicke – Foto: LyrAg
PODIUMSDISKUSSION
In der abschließenden Podiumsdiskussion mit Dieter Dombrowski, Iris Gleicke (Staatssekretärin für die neuen Bundesländer) und Rechtsanwalt Thomas Lerche unter der Moderation von Ulrike Poppe (LAKD Potsdam) kamen dann vermehrt Betroffene mit Beiträgen und Fragen zu Wort.
Auf heftige Kritik stieß dabei Iris Gleicke, die zunächst den Kongress begrüßte und versicherte, man werde die „Anregungen und Ergebnisse sorgfältig prüfen“ und versuchen, das eine oder andere umzusetzen. Ihr wurde entgegengehalten, dass man sich „sechsundzwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung von der Politik verarscht“ fühle: „Wie lange wollen Sie denn noch warten, bis entscheidende Verbesserungen für die Betroffenen der Zweiten Diktatur durchgesetzt werden? Bis alle Betroffenen tot sind?“
Eine Antwort gab die Ostbeauftragte der Bundesregierung nicht.
Kongress? Mag sein, dass die Fördergelder nur fließen, wenn entsprechende Ansprüche auf Benennung und Größe einer Veranstaltung erfolgen (der „Kongress“ wurde von der Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert). Gleichwohl war diese, von rund neunzig Betroffenen (einschließlich der Funktionärs-Entourage und Referenten) besuchte Veranstaltung der UOKG ein durchaus vorzeigbarer Event. Es war im Ergebnis eine nüchterne Bestandsaufnahme des unzureichenden Engagements seitens der Politik für die Diktatur-Opfer.
18. Oktober: Erneute Demo gegen Rentenbetrug
Berlin, 15.10.2016/cw – Gegen den Rentenbetrug der seinerzeitigen Bundesregierung rufen die Initiatoren Dr. Wolfgang Mayer (Speyer) und Wolfgang Graetz (Berlin) erneut zu einer Demo auf. Am 18. Oktober 2016 wollen sich die Demonstranten um 14:00 Uhr vor dem Ministerium für Soziales (Andrea Nahles, SPD) treffen und über das Finanzministerium und den Bundestag vor das Kanzleramt ziehen. Zu Beginn, vor dem Finanzministerium und dem Deutschen Bundestag sollen jeweils Kundgebungen stattfinden, auf denen die Demonstranten, ehemalige Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR, ihren Unmut vortragen wollen. Auch besteht die Absicht, vor den Ministerien entsprechende Petitionen zu überreichen.
Zum Hintergrund heißt es in einer auch der Redaktion vorliegenden Presseerklärung: „Flüchtlinge und Übersiedler aus der DDR wurden bei ihrer Ankunft sofort im Rahmen ihrer Eingliederung nach den Regeln des Fremdrentengesetzes (FRG) in das bundesdeutsche
Rentensystem eingegliedert. Dieses Integrationsprinzip galt von 1959 bis zum Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR vom 18. Mai 1990. Der Einigungsvertrag vom 30. August 1990 enthält keine Aussage über die in der alten Bundesrepublik Deutschland eingegliederten DDR-Altübersiedler.
Selbst der Minister hatte keine Ahnung
Nach der Wiedervereinigung wurde diese Integration für alle nach 1936 Geborenen heimlich aufgehoben. Über diese Manipulation wurde nicht informiert! Die Rentner sollten erst bei Rentenbeginn davon erfahren, dass ihre Altersbezüge oft schlechter ausfallen als die ihrer ehemaligen Kollegen im Osten. Für diese Manipulation der Anwartschaften hat im 12. Bundestag niemand die Hand gehoben. Kein Abgeordneter wusste davon! Selbst der damals hierfür zuständige Minister Norbert Blüm erfuhr angeblich erst von den Betroffenen, was hier passiert ist.
Die Umsetzung der Manipulation der Anwartschaften erfolgt durch die Rentenversicherung auf Veranlassung des zuständigen Ministeriums für Arbeit und Soziales, weil es das entsprechende Gesetz bewusst falsch auslegt. Die Manipulation der Anwartschaften ist durch kein einziges Gesetz gestützt; sie ist also ungesetzlich! … Nachgewiesen ist inzwischen, dass viele Betroffene dadurch deutlich unter die Armutsgrenze sinken. Das trifft auch für Menschen mit hohen Qualifikationen zu. Fazit: Die Renten der betroffenen Übersiedler sind viel niedriger als die jener Menschen, die in der DDR geblieben sind. Gegen dieses Unrecht protestieren wir!“ heißt es abschließend.
Die Reaktionen im Bundestag sind unterschiedlich. Während die CDU/CSU nach wie vor die Regelung verteidigt und seinerzeit zusammen mit der damals noch im Bundestag vertretenen FDP eine Änderung gegen den erbitterten Widerstand von SPD, LINKE und GRÜNE abgelehnt hat, sah sich in diesem Jahr die SPD genötigt, zusammen mit der UNION gegen ihren eigenen Änderungsantrag zu stimmen, seinerzeit noch von ihrem verstorbenen Sozialpolitiker Othmar Schreiner vorgetragen. GRÜNE und LINKE hatten diesen Antrag in diesem Jahr nahezu wortwörtlich eingebracht.
Allerdings lehnten die Veranstalter der seinerzeitigen ersten Demo gegen den Rentenbetrug eine Einbeziehung von Vertretern der Oppositionsparteien wegen „grundsätzlicher Vorbehalte“ ab, was u.a. von der Vereinigung 17. Juni in Berlin als „politischer Fehler“ eingestuft wird. Hingegen wurde seinerzeit ein Unterstützerschreiben aus der Fraktion von Bündnis90/GRÜNE verlesen.
Anmeldungen und Nachfragen: Wolfgang Graetz, renten-demo@gmx.de – Tel. 0170 2928276 und/oder: Dr. Wolfgang Mayer, wol.mayer@web.de – Tel. 0163 2498184
Gedenkgottesdienst für Opfer stalinistischen Terrors
Gera, 15.10.2016/cw – Ein beeindruckender Gottesdienst, der an die Opfer des Stalinistischen Terrors erinnert hat, fand am letzten Sonntag in Gera statt. Der evangelische Pfarrer Michael Kleim erklärte danach: „Die literarischen Stimmen von Nadeshda und Ossip Mandelstam sowie Anna Achmatowa haben diesen Gottesdienst durchzogen.“ Als wohltuend sei von den Teilnehmern empfunden worden, dass das Gedenken ökumenisch getragen wurde. Schmerzlich hingegen sei, das es noch immer keine wirkliche Gedenkkultur für diese Opfer in der Gesellschaft gebe. Kleim merkt kritisch an, das „abgesehen von den >Piraten< keine Vertreter politischer Parteien, Gewerkschaft oder Opferverbände anwesend waren.“ Die Erinnerung sei bitter notwendig: Für die Würde der Opfer und uns zur Mahnung, gegenüber autoritären und ideologischen politischen Konzepten wachsam zu bleiben. Gedenken hat immer einen aktuellen Bezug,“ so der engagierte evangelische Pfarrer der Trinitatis-Gemeinde in Gera.
Die Predigt ist hier zu lesen:
FILM des Monats: Nebel im August
Berlin, 15.10.2016/cw – Seit dem 29. September ist auch in Berlin ein auch vom ZDF mitproduzierter Film angelaufen, dem man Rekordzuschauerzahlen wünscht, der aber wohl wegen seiner auch heute noch brennenden Thematik wohl wenig Aufmerksamkeit finden wird. Es geht um das hässliche Kapitel Euthanasie. Mit diesem Programm wurden annähernd 200.000 Menschen im Zugriffsbereich der Nationalsozialisten ermordet. Perfide Begründung, anders als bei den Ermordeten Juden: Erlösung von angeborenen Krankheiten und Missbildungen. Kaum zu fassen aber wahr: Noch nach der Kapitulation der braunen Verbrecher wurden z.B. im Bereich der Nervenheilanstalt Wiesengrund in (West-)Berlin die mit der Euthanasie einhergehenden medizinischen Versuche fortgesetzt, war ein Beteiligter an der Euthanasie noch jahrelang leitender Arzt in dieser Anstalt.
Zum Film: Er schildert nach einer wahren Begebenheit das Schicksal des damals dreizehnjährigen Ernst Lossa (Preisverdächtig dargestellt von Ivo Pietzcker), Sohn fahrender Händler und Halbwaise. Weil er in den bisherigen Kinderheimen als „nicht erziehbar“ eingestuft wird, wird Lossa schließlich 1943 wegen seiner rebellischen Art in die Nervenheilanstalt Irsee in der Nähe von Kaufbeuren abgeschoben. Bereits nach kurzer Zeit bemerkt Lossa, dass unter dem leitenden Arzt „Dr. Veithausen“ (Beklemmend beeindruckend gespielt von Sebastian Koch) Insassen getötet werden. Der Heranwachsende versucht, den behinderten Patienten und empfundenen Mitgefangenen zu helfen. Nachdem eine geplante Flucht, mit seiner ersten Liebe Nandl (Jule Hermann) wegen eines Fliegerangriffs scheitert, bei dem Nandl schwer verletzt wird, schreit Losse seine Verzweiflung dem Arzt ins Gesicht. Dieser sei ein „Mörder.“ Der Arzt, sich eben noch als „Erlöser“ kranker Menschen gebend, lässt nun seine fiktive Maske fallen und ordnet die Ermordung des möglichen Zeugen mittels einer Spritze an.
Henriette Konfurius als Schwester Edith spielt den betörenden Todesengel und ist stolz darauf, die Beimischung tödlicher Substanzen in den verabreichten Himbeersaft zur Vermeidung von „Aufregung und Leiden“ der zu Ermordenden erfunden zu haben. Der Arzt stimmt dieser Form des Mordes erleichtert zu, ehe er selbst zum Erfinder wird. Durch das mehrmalige Abkochen von Suppen wird jeder Nährgehalt entzogen, die damit „gefütterten“ Patienten nehmen mangels notwendiger Kalorien im Eiltempo ab und sterben eines Hungertodes. Das erleichtert die Ausstellung der notwendigen Sterbepapiere und verhindert unangenehme Nachfragen.
Dieser Film ist nichts für schwache Nerven. Wer aber den Anblick höchster schauspielerischer Kunst mit einem wachen Interesse für geschichtliche Geschehnisse verbindet, geht womöglich mit Tränen in den Augen aus diesem Film, wird sich aber wohl auch der Mitverantwortung bewußt, dieses dunkle Kapitel nicht im Orkus des vernebelnden Vergessens landen zu lassen.
Erwähnenswert unbedingt die zahlreichen, zum Teil behinderten Komparsen, die mit großartigen Leistungen diesem Film eine beißende Realität verleihen, die den Zuschauer nicht unberührt lässt. Wenn der Film „Das Leben der Anderen“ mit Ulrich Mühe zu Recht einen Oscar erfilmt hat, so verdient dieser Film nicht nur diese Auszeichnung. Allein die befürchtete mangelnde Zuschauerzahl wird die Aussicht auf kommerzialisierte Preise allerdings (leider) minimieren.
Eine weitere Rezension: ZEIT ONLINE http://www.zeit.de/kultur/film/2016-09/nebel-im-august-ernst-lossa-euthanasie – Ein Trailer: http://www.nebelimaugust.de/#home
In Berlin zur Zeit zu sehen: Filmkunst 66 (17:30); Bundesplatz-Kino (20:30); Cinemax X (15:00); Sputnik-Kino (19:00) und UCI Kinowelt Colosseum (17:15) – Ohne Gewähr.
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Reinhard Goering
*23.Juni 1987 † 14.Oktober 1936
Schöpfer der „Seeschlacht“, „Skagerrak“, „Die Südpolexpedition des Kapitän Scott“ u.v.m.
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HB 058/8
Berlin, 4.07.2013/cw – Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) befasst sich auf ihrer Versammlung am kommenden Wochenende in Berlin (6.-7.07.) mit „Gesundheitlichen Folgen politischer Repression – Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungsberichte“. Eröffnet wird die Thematik durch einen Vortrag von Rechtsanwalt Thomas Lerche am Samstag, 6.07., 13:00 Uhr: „Ein Überblick zur neuen Klassifikation DSM-V der Posttraumatischen Belastungsstörung und eigene Erfahrungen aus aktuellen Fällen“. Fortgesetzt wird das Thema am Sonntag, 7.07., ca. 11:00 Uhr mit einem Vortrag des Psychotherapeuten und Liedermachers Dr. Karl-Heinz Bomberg: „Unsichtbare Wunden – Traumatisierungen durch politische Verfolgung in der SBZ/DDR“.
Die Veranstaltung wird durch die Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert und wird in der Gedenkstätte Normannenstraße (Stasi-Museum), Ruschestr. 103, 10365 Berlin im Raum 418 (BStU-Projektwerkstatt) durchgeführt. Die Veranstaltungen sind öffentlich. Die dazwischen durchgeführte Mitgliederversammlung der UOKG ist nichtöffentlich, eine Teilnahme nur für Mitglieder der UOKG möglich.
Aufwandsentschädigung für Vorsitzenden
Der Mitgliederversammlung der UOKG liegt ein Tagesordnungspunkt vor, der eine „Diskussion und Abstimmung über eine Aufwandsentschädigung für den UOKG-Vorsitzenden“ vorsieht. Wie verlautet, macht der derzeitige Vorsitzende Rainer Wagner aufgrund der Entfernung zwischen seinem Wohnsitz und dem Sitz der UOKG erhöhte Aufwendungen für die Verbandsarbeit geltend. Bereits anlässlich des 20. Bestehens des Verbandes hatte Wagner im Roten Rathaus in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters eine Finanzierung seiner Arbeit angemahnt, da die UOKG mit „nahezu 25 Beschäftigten“ das Ausmaß eines „mittleren Betriebes“ angenommen hätte, der „so nicht mehr ehrenamtlich zu führen“ sei. Wagner setzt sich damit deutlich von seinen Vorgängern ab, die in dieser Funktion sämtlich ehrenamtlich tätig waren.
Wieweit die Mitgliederversammlung dem Begehren folgen wird, kann angesichts der nach wie vor als knapp bezeichneten Kassenlage des Verbandes nicht vorausgesehen werden. Wagner selbst hatte noch 2011 nach einem vorliegenden Gesprächsprotokoll formuliert: „Die UOKG wird ohnehin kurz gehalten und quasi ausgehungert. Das könne man bloß nicht so in der Öffentlichkeit sagen. Wir haben keine Mittel…“.
Andererseits verfügt Wagner unter den Mitgliedern über einen großen Rückhalt. „Wenn die Mehrheit dem Vorsitzenden sogar umstrittene Äußerungen gegenüber Juden, dem Islam und anderen Religionen nachsieht, wird diese Mehrheit dem Wunsch Wagners wohl entsprechen und auch hier über seine Widersprüchlichkeiten großzügig hinwegsehen,“ sagte ein Mitglied der UOKG, das namentlich nicht genannt werden wollte.
In der Tat sollten die umstrittenen Äußerungen des UOKG-Vorsitzenden nach Meinung von Kennern der Szene „wesentlich tiefer gehängt“ werden. So habe der pietistisch ausgerichtete Prediger in der Verbandszeitschrift Stacheldraht (Nr.2/2012, „Was brauchen wir, was braucht unser Land? Zur Wahl des neuen Bundespräsidenten“, S.2) zur Überraschung seiner Freunde zum Thema des verheirateten Joachim Gauck in Bezug auf dessen Lebensgefährtin formuliert: „Auch stört sich der eine oder andere an seiner persönlichen Lebensgestaltung. Moralapostel haben sich bereits zu Wort gemeldet.“ Wer sich derart flexibel zeige, dem sollte nicht jede Äußerung aus seinem hauptberuflichen religiösen Bereich vorgehalten werden.
Verbände ohne nachvollziehbare Verbandsaktivitäten
Womöglich wird ein weiterer Tagesordnungspunkt (6) die Gemüter der UOKG-Mitglieder weit mehr erhitzen, als die beantragte Aufwandsentschädigung. Es geht um die „Mitgliedschaft und Stimmrecht von Verbänden ohne nachvollziehbare Verbandsaktivitäten“. Schon der Ausgangspunkt dieses TOP ist im Vorfeld umstritten. Während einige Mitglieder einen „Maulkorb“ für allzu kritische Mitglieder durch die „wohl beabsichtigte“ Entziehung des Stimmrechtes befürchten, sehen andere Mitglieder den Diskussionspunkt rationaler. Es könne ja durchaus sein, daß die bisherige Praxis der „Mitgliedervermehrung“ durch leichtfertige, weil ungeprüfte Aufnahme in den Verband bei den Aufsichtsbehörden auf Kritik gestoßen sei und man daher „von oben“ eine Überprüfung verlange.
So waren kritische Anmerkungen von Vereinsmitgliedern stets ignoriert oder gar „hämisch“ zurückgewiesen worden, wie Frieda E. (Name geändert) bitter anmerkt. Sie habe in einem konkreten Fall bereits 2009 den Vorstand auf mögliche „unvereinbare Machenschaften“ eines Mitgliedes hingewiesen. Da ein UOKG-Vorstandsmitglied selbst Vereinsmitglied in dem fraglichen Verein gewesen sei, habe man diese im Übrigen immer wieder vorgetragene Kritik „brüsk“ abgewehrt. Im Gegenteil habe man diesen Vereinsvorsitzenden trotz der bekannten Vorwürfe demonstrativ zum Sprecher der UOKG in Niedersachsen ernannt. Jetzt sei dieses Mitglied nach Offenlegung offensichtlich veruntreuter Fördergelder aus der UOKG verschwunden, seine Förderer im Vorstand würden sich aber einer Aufklärung dieser „Kungelei“ entziehen. Auch hier wird wieder der Vorsitzende Wagner zitiert: „Die UOKG mischt sich grundsätzlich nicht in Angelegenheiten von Mitgliedsverbänden ein.“ Punkt. Flexibel eben…
V.i.S.d.P.:Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785
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