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Von Carl-Wolfgang Holzapfel*

Berlin, 26.11.2021/cw – Es war ein kalter Novembertag – vor sechzig Jahren: Die JUNGE UNION, deren Mitglied ich wenige Monate zuvor in Hamburg geworden war, hatte in Berlin am 21.11.1961 zu einer Demonstration aufgerufen: „Die Jugend protestiert gegen die Mauer“. Nach meiner spontanen Rückkehr aus Hamburg Ende August – nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 hielt mich auch das gerade begonnene Lehrverhältnis als Einzelhandelskaufmann nicht mehr in der Hansestadt – war dies meine erste aktive Teilnahme an einer Demonstration gegen die Mauer. Es sollte der Beginn einer 60jährigen politischen Aktivität sein. Grund genug , mich nach sechs Jahrzehnten dem Ruhestand zuzuwenden.

Rückblickend war dies die erste Schulung im demokratischen Widerspruch, die erste Erfahrung mit dem Begriff „Widerstand“. Der Zug bewegte sich – nach meiner Erinnerung – vom Wittenberg- über den Ernst-Reuter- zum Theodor-Heuss-Platz. Dort waren auf einem Stein die Worte unübersehbar zu lesen: „EINIGKEIT – RECHT – FREIHEIT“. Auf diesem Stein stand eine Schale, aus der eine „Ewige Flamme“ loderte.

Der 17jährige C.W. Holzapfel auf der Demei (Mitte, mit Brille, 5. v. re.) Quelle: rbb RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/protest-der-jugend-gegen-die-berliner-mauer/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTYxLTExLTIxVDE5OjMwOjAwXzFlZGU4OTQzLTdiOWItNDgzOS1iMWIzLWU1ZGJkMGM1NDIzMi9yZXRyb18xOTYxMTEyMV9Qcm90ZXN0bWFyc2No/

Warum ziehen wir nicht an die Mauer?

Schon auf dem Weg wagte ich, laut meinen Protest zu formulieren: „Warum ziehen wir nicht an die Mauer? Was soll der Weg durch Straßen, die keine Mauer versperrt?“ Ein Ordner ermahnte mich, die Leute nicht aufzuwiegeln, es ginge hier um eine ernste Sache.

Am Zielort angekommen – ich erinnerte mich an meine Kinderzeit, als hier allwöchentlich Britische Soldaten aufmarschierten und wir am Rande der Show um Kaugummi bettelten („Have you a gum?“) – sprach zunächst Jürgen Wohlrabe, ein späterer Freund, und dann Ernst Lemmer, der allseits anerkannte Minister für Gesamtdeutsche Fragen. Lemmers Rede war anklagend, ganz im Tenor der Empörung über die Aktion „Antifaschistischer Schutzwall“, als den das „Pankower Regime“ den Bau der Mauer bezeichnete.

Diese Demonstration ist nicht angemeldet

Nach dem Absingen der Nationalhymne und der obligatorischen Feststellung durch den Veranstalter „Die Kundgebung ist beendet“ blieben die Demonstranten stehen, als erwarteten sie eine weitere Aktion. „Wir Auf zur Mauer! Auf zur Mauer!“ Überraschend setzte sich dieser Ruf rasend schnell unter den Demonstranten fort. Bald klang es aus hunderten Kehlen: „Auf zur Mauer!“ Nur: Keiner bewegte sich.

Wieder wurde diese Klassenkameradin zu meiner ersten Lehrmeisterin, als sie bemerkte: „Wenn  Ihr nicht lost zieht, bleibt hier alles stehen.“ Dankbar nahm  ich diese Anregung auf und setzte mich mit lauten Rufen in Richtung Ernst-Reuter-Platz in Bewegung. Tatsächlich folgten immer mehr Teilnehmer dem Aufruf, zunächst noch zögerlich.

Bereits auf dem Kaiserdamm hörten wir die ersten Sirenen von Polizeiwagen und auch die ersten Durchsagen: „Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Diese Demonstration ist nicht angemeldet. Bitte verlassen Sie die Fahrbahn und gehen Sie nach Hause!“müssten aufrufen, zur Mauer zu marschieren,“ sagte ich zu ein paar jungen Leuten, unter diesen eine ehemalige Klassenkameradin vom Gymnasium in Zehlendorf. „Da müsst Ihr wohl anfangen, sonst bewegt sich da nichts,“ erwiderte die Kameradin mutig. Also rief ich „

Auf dem Ernst-Reuter-Platz angekommen bemerkten wir, daß die „Straße des 17. Juni“, also der direkte Weg zur Mauer vor dem Brandenburger Tor, abgesperrt war. Darauf reagierten wir Demonstranten mit einem Sitzstreik auf den Fahrbahnen rund um die dortige Mittel-Insel. Nach mehreren erfolglosen Ermahnungen der Polizei, die „illegale Demonstration“ sofort abzubrechen, weil man sich sonst „polizeilichen Maßnahmen“ aussetzen würde, hieß es plötzlich „Knüppel frei“, und die eingesetzten Beamten schlugen mit Gummiknüppeln auf uns sitzende Jugendliche ein. Ich sprang auf und rannte in die Hardenbergstraße in Richtung Bahnhof Zoo.

Dort ziemlich atemlos angekommen, verabredete ich mich mit einigen Versprengten zu einer Fortsetzung unseres Protestes am berühmt gewordenen Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Nachdem ich noch angewidert beobachtet hatte, wie ein offenbar enthemmter Polizist auf einen jungen Mann grundlos und brutal mit seinem Gummiknüppel einschlug, der infolge mit blutender Kopfwunde zusammenbrach, eilte ich zur U-Bahn.

Große Worte und reale Wirklichkeit

In der Kochstraße angekommen, war ein Gang zum Checkpoint gar nicht möglich. Mit lautem „Tatütata“ fuhren  mehrere Mannschaftswagen des Typs HANOMAG auf. Kaum  waren  die Klappen gefallen, sprangen Polizeibeamte herunter und knüppelten auf gebildete Gruppen von Demonstranten ein. Mir ist dieser Tag unvergesslich als Widerspruch zwischen „Großen Worten“ („Die Mauer muß weg“) und realer Wirklichkeit. Man kann auch einfach sagen: An diesem Tag vor sechzig Jahren habe ich meine politische Unschuld verloren.

Dieser bitteren und realen Erkenntnis folgte die zunächst verzweifelte Suche nach vertretbaren Formen des Widerstandes gegen neuerliches Unrecht, wie dieses sich in der Mauer manifestierte. Schon bald entschloss ich mich zum „Gewaltlosen Widerstand“ nach Mahatma Gandhi. Dabei half mir ein kleiner, unscheinbar wirkender Mann  aus Indien: T. N. Zutshi. Er war erstmals nach dem Ungarn-Aufstand 1956 nach Europa gekommen, um uns in Europa im Kampf gegen die Rote Diktatur die Methoden Gandhis zu vermitteln. Legendär sein damaliger Fußmarsch (1960)  über hunderte Kilometer von München an die „Brücke von Andau“, über die viele Ungarn nach dem Zusammenbruch des Aufstandes nach Österreich geflüchtet waren.

Nach dem Mauerbau wollte Zutshi in Berlin diesen Kampf fortsetzen, uns vermitteln: „Der erste Schritt zur Freiheit – Legt Eure Furcht ab und sprecht die Wahrheit.“ 1964 verließ uns der mutige Inder. Von diversen Behördenschikanen und Androhungen bedrängt, ihn  als unerwünschten Ausländer abzuschieben, kehrte Zutshi nach Indien (Benares) zurück, wo sich seine Spur verlor. Berlin hat diesem tapferen und uneigennützigen Ingenieur aus Nehrus Indien bis heute keine Erinnerung gewidmet. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Mir blieb der gewaltlose Widerstand gegen bestehendes Unrecht. So forderten mein Freund Dieter Wycisk und ich anlässlich eines Hungerstreiks am zuvor aufgestellten Mahnkreuz für den am 25.12.1963 ermordeten Paul Schulz (Thomaskirche/Mariannenplatz) bereits plakativ die UNO zum Handeln auf: „Wir brauchen die TAT!“

Holzapfel bei seinem Hungerstreik 1963/64 am Mauerkreuz für Paul Schulz an der Thomas-Kirche in Kreuzberg – Quelle: rbb-RETRO

LINK: https://www.ardmediathek.de/video/rbb-retro-berliner-abendschau/gebet-und-mahnwache-fuer-mauertoten/rbb-fernsehen/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvYmVybGluZXItYWJlbmRzY2hhdS8xOTY0LTAxLTA0VDE5OjMwOjAwXzBiMmEzZDcwLTJlNTQtNGNkNS1hODkzLTMzOTcwOWQ5OGU2YS9yZXRyb18xOTY0MDEwNF9nZWJldHVuZG1haG53YWNoZW1hdWVydG90ZQ/

Nach 60 Jahren Widmung der Familie

Für mich ist es Zeit, mich nach sechzig engagierten Jahren der nachdenklichen Rückschau zu widmen und die verbleibenden, vermutlich wenigen Jahre meiner lieben Frau, meiner Familie und den verbliebenen Freunden, von denen viel zu Viele schon diese Erde verlassen haben, zu widmen. Meinen Pflichten für die Vereinigung 17. Juni, der ich seit 1963 angehöre und deren Vorsitzender ich seit 2002 bin, werde ich – wie den bereits begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Initiativen (z.B. für das stiefmütterlich behandelte originäre Denkmal an den 17. Juni 1953 in Berlin-Zehlendorf) – selbstver- ständlich und so gut ich es vermag nachkommen. Schon jetzt bitte ich um Nachsicht, wenn  dies nach sechzig kraftzehrenden Jahren nicht mehr so, wie gewohnt, erfolgt oder erfolgen  kann.

Time to say goodbye
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* CWH wurde als „Mauerdemonstrant“ bekannt.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.683).

Berlin, 04.08.2019/cw – Im Zusammenhang mit der Aktion zum 30.Jahrestag der „Lebendigen Brücke“ : „WIR“ statt „IHR“ am Checkpoint Charlie (12.08.2019, 11:00 Uhr) erreichten mich zahlreiche Anfragen über meinen Weg zum gewaltlosen Widerstand gegen die Mauer. Bis zum 12. August werde ich an dieser Stelle Stationen auf diesem Weg und aus dem Kampf gegen die Berliner Mauer schildern. (7 -Teil 6 siehe 03.08.2019).

So schlimm, wie das Scheitern unseres Tunnels war, die Situation hatte sich nicht geändert. Die Mauer bestand nicht nur weiterhin, sie wurde durch permanente Ausbaumaßnahmen und Perfektionierung der dahinter liegenden Grenzstreifen undurchdringlicher. Es hatte den Anschein, als würde die Zweite Deutsche Diktatur für die Ewigkeit ausbetoniert.
Passierscheinabkommen bewirkte Veränderungen

Dazu trug sicherlich die sich allmählich wandelnde politische Stimmung bei. Die Bereitschaft, sich mit dem „Pankower Regime“ zu arrangieren, wuchs nicht zuletzt nach dem ersten Passierscheinabkommen, das es den Menschen 1963/64 erstmals ermöglichte, wieder ihre Verwandten im Ostsektor der Stadt zu besuchen (Vom 19. Dezember 1963 bis zum 5. Januar 1964, also über Weihnachten und Silvester, nutzten immerhin rund 700.000 West-Berliner diese Möglichkeit). Diese allgemeine Stimmung hatte auch Auswirkungen auf unsere Arbeit gegen die Mauer. Die Polizei, die unseren Aktionen mit höchstzulässiger Sympathie mehr oder weniger unterstützte, wurde schleichend restriktiver. War es in den ersten beiden Jahren nach dem 13. August 1961 noch möglich, die Mauer großflächig zu beschriften: „Trotz Mauer ein Volk – KZ“ oder „Diese Schande muss weg – KZ“, so war dies nur noch begrenzt und bald gar nicht mehr möglich.

Beschriftung in der Bernauer Straße durch C.W. Holzapfel

Ein Beispiel: Wir wollten die Mauer am Ende der Bernauer Straße „bemalen.“ Mit Farbeimer und Pinsel machten wir uns auf den Weg. „Na, Holzapfel, was haben wir denn wieder vor?“ fragte bald darauf ein aufmerksamer Polizist. Wir erklärten unsere Absicht und teilten den beabsichtigten Wortlaut mit. „Wie lange braucht Ihr?“ „Cirka eine halbe Stunde,“ antworteten wir. „Aber nicht länger,“ lautete der Bescheid. Dann wandte sich der Polizist ab. Folgend veränderte sich die Situation unmittelbar an der Mauer für uns deutlich: „Wenn Sie nicht bald verschwinden, bekommen Sie Ärger!“

Offener Brief an Heinrich Albertz

Verzweifelt wandte ich mich in einem Offenen Brief an den Innensenator und Bürgermeister Heinrich Albertz (*22.01.1915; † 18.05.1993). Die Berliner Morgenpost, die Zeitungen aus dem Hause Axel Springer gehörten über viele Jahre zu unseren treuesten publizistischen Verbündeten, veröffentlichte den Brief vollständig. Zuvor hatte ich im „7-UHR-Blatt“, eine Sonntags erscheinende Zeitung, einen langen Artikel veröffentlicht: „Albertz degradiert Polizisten zu Mauerwächtern“.

Im Gegensatz zu heutigen Gepflogenheiten reagierte Albertz keineswegs aggressiv oder gar beleidigt, sondern lud mich zu einem Gespräch in das Schöneberger Rathaus ein. Dort sprach wir uns im Beisein von Hanns-Peter Herz (*1927; † 2012), RIAS-Journalist und Chef der Senatskanzlei, offen aus. So hielt ich dem studierten Theologen Albertz seine jüngste Ansprache zum 20. Juli (Hitler-Attentat) in Plötzensee vor. Albertz hatte Berlin als Zentrum des Widerstandes bezeichnet und die Jugend der Stadt aufgefordert, „gerade hier und heute Widerstand zu leisten.“ Der Widerspruch zwischen Wort und Tat schien mir überdeutlich. Heinrich Albertz erwiderte geradezu fassungslos: „Aber Herr Holzapfel, an solchen Tagen wird doch manches gesagt!“ Der Sozialdemokrat konnte oder wollte nicht begreifen, dass ein junger Mensch seine Worte wirklich ernst nahm.

Mit Tonband und Megaphon Nachrichten aus der Freien Welt – Foto: LyrAg

In dem Gespräch kam dann aber auch das Thema „Studio Freies Deutschland – Sender am Stacheldraht“ zur Sprache. Ich hatte, zusammen mit meinem Freund Fridtjof Klintzsch, in unseren Sendungen und später der Stasi gegenüber als „Freddy Fischer“ benannt, damit begonnen, per Megaphon Nachrichten an der Mauer zu verlesen. Fridtjof kam dann auf die Idee, mittels eines tragbaren Tonbandgerätes vorher Sendungen zu schneiden, was unsere „Ausstrahlungen“ attraktiver machen würde. So hatten wir auch bald als Kennung die Ouvertüre zu AIDA, in der wird unsere Bezeichnung einblendeten: „Hier spricht Studio Freies Deutschland – Sender am Stacheldraht“ und „Wir bringen aktuelle Meldungen aus der Freien Welt.“

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DDR-Grenzer: „Runter oder es knallt!“

Diese Sendungen, als Alternative zu den aus politischen Gründen immer seltener werdenden Einsätzen des SAS („Studio am Stacheldraht“) gedacht, die 1965 dann auch tatsächlich eingestellt wurden, stießen zunehmend auf administrative Ablehnung. So kam sogar nach einer Sendung in der Bernauer Straße – vom Dach des Kartoffelschuppens, aus dem wir unseren Tunnel vorgetrieben hatten – die Abteilung I (Politische Polizei) zum Einsatz, um uns vom Dach zu vertreiben. Zuvor waren wir allerdings (erstmals) durch einen wütenden Grenzoffizier der DDR mit einer Maschinenpistole im Anschlag bedroht worden: „Runter, oder es knallt!“

Auch die Stasi fotografierte die Aktivitäten an der Mauer.  Foto: Holzapfel in der Bernauer Straße (BStU) – Archiv

Ich wollte also diese Sendungen, die ich sogar von einem Balkon des Reichstages ausstrahlte, unbedingt fortsetzen. Albertz war nach einem ernsthaften Diskurs bereit, mir die offizielle Absegnung zu geben. Bedingung: Die beabsichtigten Sendungen sollten zuvor im Rathaus Schöneberg von Hanns-Peter Herz gehört und genehmigt werden. Wohl im jugendlichen Überschwang lehnte ich diese Variante als „Zensur“ ab. Später war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich mit dieser vorschnellen Ablehnung nicht einen Fehler gemacht hätte. Schließlich war Herz im RIAS verankert und hätte mit wohlmöglich eines Tages angeboten, meine Kommentare besser über den RIAS zu verlesen. Vielleicht hätte sich mein ursprünglicher Traum, Journalist zu werden, auf diesem Wege verwirklichen lassen?

Werbungen durch CDU und SPD

Gleichwohl hatte ich mich immer möglichen Versuchungen widersetzt, aus meinem Widerstand persönliche Vorteile zu ziehen. Dietrich Stobbe (*25.03.1938; † 19.02.2011), späterer Regierender Bürgermeister, hatte mich ebenfalls in einem sehr langen Gespräch zum Eintritt in die SPD überreden wollen. Er würde „ein Auge“ auf mich haben, denn solche Leute wie mich brauche die Partei. Der damalige Referent des Jugendsenators und späteren Bürgermeisters Kurt Neubauer ( * 30.09.1922; † 09.12.2012) konnte sich ein halbes Jahr vor seinem Tod auf einem Empfang im Reichstag an dieses Gespräch erinnern: „Und, sind Sie der SPD beigetreten?“

Auch Jürgen Wohlrabe (* 12.08.1936; † 19.10.1995), damals noch Chef der Jungen Union in Berlin und später Präsident des Abgeordnetenhauses, hatte mir schon 1963 angeboten, mich verstärkt in der CDU einzubringen, er wolle mich „wohlwollend begleiten.“ Aber auch diesem jahrzehntelangen Freund hielt ich meine Befürchtung entgegen, meinen Widerstand an der Mauer „politisch abstimmen“ zu müssen, was ich mit meiner Überzeugung nicht in Einklang bringen könne. Außerdem wüsste ich nicht, wie ich mich nach einem so möglichen politischen Aufstieg verhalten würde. Würde ich mich im Zweifelsfall für meine Überzeugung oder nicht dann doch für meine erreichte Position entscheiden? Dieser Versuchung wollte ich mich erst gar nicht aussetzen.

Letztlich verblieb mir die Fortsetzung meines gewaltlosen Kampfes für die eingemauerten Menschen in der Sowjetisch besetzten Zone, für die politischen Gefangenen und damit gegen den Schießbefehl auf Flüchtlinge, gegen die Mauer an sich, die unsere Stadt und unser Land teilte.

-Wird fortgesetzt-

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.449)

Berlin, 22.04.2018/cw – Dem aktuellen Regierenden Bürgermeister kann man ja einiges vorwerfen, einen Mangel an Ideenreichtum wohl nicht. Michael Müller machte unlängst Furore mit seinem Vorschlag zur Grundsicherung. Jetzt ging der Auch-Bundesratspräsident mit der Idee an seine Berliner Öffentlichkeit, sich zwischen drei Feiertagsvorschlägen zu entscheiden: Dem 8. Mai (1945, „Tag der Kapitulation“ oder „Tag der Befreiung“, je nach Gusto), dem 17. Juni (1953, Volksaufstand in der DDR, bis 1990 gesetzlicher und arbeitsfreier Feiertag in der alten Bundesrepublik) oder dem 27. Januar (1945, dem Befreiungstag des Vernichtungslagers Auschwitz, bereits als nicht-arbeitsfreier Holocaust-Gedenktag etabliert).

Meisterhafte Verdrängung oder meisterhafter Polit-Circus?

Interessanterweise taucht bei Michael Müller der 9. November nicht auf (1918 Ausrufung der Republik; 1923 Niederschlagung des Hitler-Putsches in München; 1938, als „Reichskristallnacht“ bekannter Auftakt zur aktiven Juden-Verfolgung durch die Brandschatzung diverser Synagogen und jüdischer Geschäfte, 1989 Fall der Berliner Mauer). Für einen Berliner und dazu noch Regierenden Bürgermeister etwas seltsam. Meisterhafte Verdrängung oder meisterhafter Polit-Circus?

Der 9. November ist in der Geschichte der Deutschen und dadurch – zwangsläufig – in der Geschichte Europas in seiner Anhäufung historisch bedeutsamer Momente ein einmaliges Datum. Er vereint (hier nicht erwähnt die Ermordung des Mitgliedes der demokratischen Paulskirchen-Versammlung, Bodo Blum, 1848 in Wien) Höhepunkte der deutschen Geschichte mit der Erinnerung an deren absoluten Tiefpunkt, dem 9. November 1938. Das war auch der Grund, warum die Vereinigung 17. Juni in Berlin bereits am Jahresende 1989 den Vorschlag unterbreitete, den (bisherigen freien Arbeits-Feiertag) „17. Juni“ gegen den „Nationalfeiertag 9. November“ auszutauschen. Der damalige Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe (CDU) begrüßte diesen Vorschlag vorbehaltlos, der Bündnis90/GRÜNE-Abgeordnete Werner Schulz griff im Deutschen Bundestag vor einigen Jahren diesen Vorschlag auf, bisher vergeblich.

17.Juni dient offenbar nur als Alibi

Dem Verein, der sich nach dem Volksaufstand als KOMITEE 17.JUNI zur Erinnerung an die Erhebung gegründet und am 3. Oktober(!) 1957 unter seinem jetzigen Namen in das Vereinsregister eingetragen worden war, war die Entscheidung pro 9. November seinerzeit nicht leicht gefallen. Der einstige Mauerdemonstrant und damals stv. Vorsitzende Carl-Wolfgang Holzapfel, seit 1963 Mitglied, konnte sich aber schließlich mit seiner Argumentation durchsetzen: Mit dem 9. November 1989 seien die Ziele der Aufständischen von 1953 wesentlich umgesetzt worden, das würde den Verzicht auf den bisherigen Feiertag auch unter dem Aspekt der anderen historischen Ereignisse an diesem November-Tag rechtfertigen.

Das der „geschichtslose, lediglich nach Aktenlage“ entschiedene 3. Oktober den 17. Juni als arbeitsfreien Tag ablösen würde, davon hatten die 17er bei ihrem Vorschlag zum damaligen Zeitpunkt keine Ahnung. Wenn jetzt Michael Müller diesen 17. Juni neben zwei anderen Vorschlägen ins Gespräch bringt, könne das nur als „Polit-Klamauk“ verstanden werden, so der Vorstand der Vereinigung in einer Stellungnahme. Müller umgehe „aus unbegreiflichen Gründen eine notwendige Diskussion um den 9. November“ oder verdränge dieses Datum absichtlich, um „mittels Nebelkerzen namens 8. Mai oder 27. Januar unerwünschtes Nachdenken“ auszuklammern. Dabei spiele der 17. Juni offenbar nur die Rolle eines Alibis, um dem Vorwurf möglicher Einseitigkeit zu entgehen: „Dies hat dieser bemerkenswerte Tag in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands nicht verdient,“ so der historische Verein. Müller solle auch wegen seiner Glaubwürdigkeit diesen Polit-Circus „schnellstens beenden“ und einen ernstgemeinten Vorschlag in die Debatte einbringen, deren Notwendigkeit überfällig ist, erklärte der Vorstand heute in Berlin: „Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Geschichte durch derlei Vorschläge zum Spielball der Politik gemacht wird.“

V.i.S.d.P. / © 2018: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.376).

 

Von Carl-Wolfgang Holzapfel

Berlin, 2.Mai 2014/cw – Gestern, am 1. Mai 2014, starb Manfred von Richthofen, ein Urgestein der Berliner CDU. Richthofen kam am 9. Februar 1934 als ältester Sohn des Kaufmanns Bolko Freiherr von Richthofen (1903–1971) und der Viktoria Praetorius Freiin von Richthofen (* 1914) zur Welt. Sein Onkel war der als „Roter Baron“ berühmt gewordene gleichnamige Jagdflieger aus dem 1. Weltkrieg.

Auch wenn die ersten Nachrufe dem Sportfunktionär gewidmet wurden und WIKIPEDIA seltsamerweise seine herausragende, wenn auch relativ kurze politische Funktion verschweigt, ist Richthofen den „alten Hasen“ in der Berliner CDU als einstiges Mitglied der sogen. „Keulenriege“ unter Eberhard Diepgen, dem späteren Regierenden Bürgermeister und Jürgen Wohlrabe, dem späteren Präsidenten des Abgeordnetenhauses, bekannt und beliebt gewesen. Der im Alter von 80 Jahren verstorbene einstige Politiker und letztliche führende Sportfunktionär (Präsident des Deutschen Sport-Bundes – DSB) war immerhin von 1965 bis 1969 sogar stv. Landesvorsitzender der immer eine besondere Position einnehmenden West- Berliner CDU.

In dieser Zeit, in den sechziger Jahren, lernte ich ihn als Mitglied der Jungen Union wie der Berliner CDU kennen und schätzen. Mir bleibt Richthofen in Erinnerung als nachdenklicher und abwägender Politiker, der sehr gut zuhören konnte, ohne dabei seine eigene Meinung zu verleugnen. Die war durchaus im nach dem Mauerbau von 1961 gequälten Berlin kämpferisch, gleichwohl nicht draufgängerisch oder machiavellistisch wie oft bei seinen damaligen Weggefährten. Das sich Richthofen letztlich für den Sport entschied, mag wohl an diesen für ihn langfristig nicht akzeptablen Bedingungen der Tages- und – noch mehr – Parteipolitik gelegen haben. Auch war die damalige sehr kämpferisch ausgerichtete CDU wohl (noch) nicht bereit, einem Denker den gebührenden Raum einzuräumen. Das wurde erst mit Richard von Weizsäcker anders, aber da hatte sich Manfred von Richthofen bereits für seinen anderen Weg entschieden.

1967 wurde er bereits Präsidiumsmitglied im Landessportbund (LSB), ab 1969 deren Sportdirektor, von 1985 – 2000 war er Präsident. Als Unterhändler in der Ost-West-Verhandlungskommission konnte von Richthofen seine politischen Kenntnisse einbringen und seine in der Politik wenig gefragten Eigenschaften nutzen. Das mag ihn darin bestärkt haben, die gesponnene Drähte zur Politik nie ganz zu kappen, sich aber ansonsten dem zur Leidenschaft gewordenen Sport zu widmen.

Unabhängig von den sicherlich auch aus der CDU zu vernehmenden „politischen“ Nachrufen wird man diesem großartigen Menschen und seiner wirksamen Rolle wohl erst in späteren geschichtlichen Abhandlungen gerecht werden. Sein Tod war ungerecht, weil zu plötzlich und unerwartet. Er wird uns, besonders den alten Kämpen der CDU im einstigen West-Berlin, fehlen.

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V.,  Berlin, Tel.: 030-30207785

Berlin, 9.November 2013/ts – Bereits im November 1989 schrieb der Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni u.a. an den damaligen Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Jürgen Wohlrabe (CDU). Sein  Vorschlag: Den 9. November als Feiertag zum „Tag der Nation“ zu erklären. Unter diesen Umständen wäre die Vereinigung 17. Juni auch bereit, auf den arbeitsfreien Tag am 17. Juni („Tag der Deutschen Einheit“) zu verzichten, denn der 9. November sei im Guten wie im Schlechten der Tag, in dem sich alle Deutschen  wiederfinden könnten.

Das "Brucker Echo" berichtete auf Seite 1 über die Initiative - Archiv: 17.Juni

Das „Brucker Echo“ berichtete eine Woche nach der Maueröffnung auf Seite 1 über die Initiative – Archiv: 17.Juni

Holzapfel hatte seinerzeit, wissend um die Problematik gerade des 9. November, der bis zum vier Wochen zuvor stattgefundenen Mauerfall im öffentlichen Bewusstsein als Gedenktag an die sogen. Reichspogromnacht vermerkt war, den 10. November vorgeschlagen.

„Wir wollten damals die erwünschte Diskussion um diesen Tag nicht zusätzlich mit einer Debatte beschweren, die von vornherein mit Emotionen belastet gewesen wäre und jede Aussicht auf eine Realisierung von vornherein unmöglich gemacht hätte,“  so der mittlerweile fast Siebzigjährige heute. „Schließlich habe die eigentliche Begegnung der Menschen diesseits und jenseits der Mauer erst in der Nacht zum bzw. am 10. November stattgefunden.“

Jürgen Wohlrabe reagierte begeistert und teilte mit, er wolle diesen Gedanken transportieren und voll unterstützen. Es kam anders, Kohl bestimmte mehr oder weniger aus eigener Machtvollkommenheit den „3. Oktober“ zum den 17. Juni ablösenden Feiertag der Deutschen.

Seither vertiefte sich Holzapfel in die wechselvolle Geschichte des 9. November, die bereits 1848 mit der Ermordung des demokratische Politikers Robert Blum begann, hielt Holzapfel landauf, landab Vorträge zu dem Thema und kritisierte den 3. Oktober immer wieder als „Gedenktag nach Aktenlage“, der ohne Inhalt sei. „Ein Gedenktag bedarf der Emotionalität, der Identifizierung in der Bevölkerung mit diesem Tag, so wie zum Beispiel in Frankreich der „Sturm auf die Bastille“ die Menschen von links bis rechts vereint oder der „4. Juli“ in den USA für deren Einwohner die sinnstiftende Brücke zwischen den politischen Lagern ist,“ kommentiert der einstige Mauerkämpfer unermüdlich.

Unterstützung bekam er nach Jürgen Wohlrabe erstmals vor wenigen Jahren, als der Grünen-Politiker Werner Schulz erstmals in einem Beitrag im Deutschen Bundestag vom „Gedenktag nach Aktenlage“ sprach und sich verbal für den „9. November“ als Gedenktag einsetzte.

Nun bekam die Idee erneut, wenn  auch indirekt, prominente Unterstützung. In der gestrigen  ABENDSCHAU des Regionalsenders rbb (9.November, 19:30 Uhr / http://www.rbb-online.de/abendschau/) setzte sich der bekannte Journalist und Moderator Günther Jauch nachdenklich für eine Neubewertung des Tages ein: „Eigentlich ist für mich der 9. November der Tag der Deutschen, sich zu erinnern an die wechselvollen Momente in der deutschen Geschichte.“ Und der Moderator des Beitrages schloss seinen Bericht mit der Bemerkung ab: „Es ist das Datum, an dem sich das Gute und Schlechte einer Nation vereinigt.“

Positive Resonanz aus dem Rathaus Schöneberg - Archiv 17 Juni

Positive Resonanz aus dem Rathaus Schöneberg – Archiv 17 Juni

Der 17.Juni-Vorsitzende sieht denn auch Bewegung „in der Diskussion“. Und in der Beharrlichkeit bei der Verfolgung eines „einmal als richtig erkannten Gedankens“ (Holzapfel) lässt sich der Berliner nicht übertreffen. 2005 forderte er erstmals mit einem neuntägigen  Hungerstreik einen „Platz des 17. Juni“ vor dem Bundesfinanzministerium. Acht Jahre später wurde der „Platz des Volksaufstandes von 1953“ zum 60. Jahrestag vor dem einstigen  „Haus der Ministerien“ eingeweiht.

„Wir haben 28 Jahre auf den Fall der Mauer hingearbeitet, als andere schon längst die Teilung Deutschlands für unabänderlich hielten. Nächstes Jahr begehen wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Wir haben also noch vier Jahre Zeit, die Fehlentscheidung von 1990 zu korrigieren und den 9. November zum „Tag der Nation“ zu erklären,“ sagt Holzapfel zuversichtlich. Eine Änderung im Bewusstsein für die Bedeutung dieses Tages sei im  Gange, und die öffentliche Debatte stehe uns jetzt erst bevor. Und: „Günther Jauch, Werner Schulz und ein  Moderator im rbb werden eines Tages als „Beschleuniger dieses Gedankens“ gelten,“ so Holzapfel. „Damit habe ich keine Probleme.“

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

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