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von Dr. Christian Stücken

München/Berlin, 06.11.2019 – Checkpoint Charlie ’89: Ein Mann legt sich auf die Grenze und erregt weltweit Aufsehen. Als lebendes Mahnmal gegen die Trennung Deutschlands. 30 Jahre später liegt er wieder dort, um gegen die Mauer in den Köpfen zu protestieren!

„WIR statt IHR“ – Am 30. Jahrestag seiner Aktion vom 13.08.1989 demonstrierte Holzapfel erneut am Checkpoint Charlie. – Foto: LyrAg

Es ist der vielleicht berühmteste Grenzübergang zwischen Ost und West: der Checkpoint Charlie in Berlin. Hier standen sich Russen und Amerikaner direkt gegenüber. Jahrzehntelang verlief eine weiße Linie am Boden, markierte die Grenze zwischen Ost und West. Und genau diesen Ort hat sich Carl-Wolfgang Holzapfel 1989 für seine spektakuläre Protestaktion gegen die Mauer ausgesucht:

Ich habe natürlich gedacht, wenn ich mich dahin lege, dann dauert das nur wenige Minuten, dann werde ich abtransportiert. Daraus sind dann über drei Stunden geworden. Ich habe hinterher erfahren, dass es daran lag, dass Amerikaner und Russen verhandeln mussten, denn solche Demos hatte es noch nicht gegeben.

Friedliche Protestaktion am Checkpoint Charlie

Es ist der 13. August 1989, Gedenktag in West-Berlin, 28. Jahrestag des Mauerbaus. In West-Berlin gibt es an diesem Tag viele Aktionen gegen die Mauer. Doch keine erregt so großes Aufsehen wie die am Checkpoint Charlie. Um 11 Uhr begibt sich Holzapfel an jenem Tag an den Grenzübergang und legt sich genau auf die Demarkationslinie, mit der einen Hälfte seines Körpers im amerikanischen, mit der anderen im russischen Sektor. Er trägt eine Deutschlandfahne. Darauf gemalt eine weiße Linie, sie teilt seinen Oberkörper von seinem Unterkörper. In einem Originalvideo von damals ist Holzapfel zu sehen, als er sagt:

Und damit wird die ganze Widersinnigkeit deutlich, dass ein Körper und auch eine solche Stadt nicht teilbar ist.“ Carl-Wolfgang Holzapfel 1989

Dann liegt er einfach da. Unter den Augen der Weltpresse und der Stasi, die alles filmt. Angst hatte er keine, sagt er.

„Lebendige Brücke“ am 13.08.1989: „Was strengt Ihr Euch so an? Den 30. Jahrestag (des Mauerbaus) erlebt Ihr doch sowieso nicht mehr!“ rief Holzapfel damals den DDR-Grenzern zu. – Foto:LyrAg

Ich war mir ziemlich sicher, dass da nichts passieren würde. Je länger das dauerte, umso überzeugter war ich, denn früher haben die sofort zugegriffen, da gab’s überhaupt kein Zögern.

Protest gegen die Berliner Mauer von Beginn an

Es ist nicht seine erste Protestaktion gegen die deutsche Teilung. Als 1961 der Bau der Mauer begonnen wird, geht Carl-Wolfgang Holzapfel nach Berlin. Von Beginn an leistet er gewaltlosen Widerstand gegen die Mauer. Er nimmt an Demonstrationen teil, an Protestaktionen, Hungerstreiks.

Ich habe dann einfach vor mir selber den Schwur abgelegt: Du wirst so lange gegen die Mauer kämpfen, bis diese Mauer nicht mehr da ist oder du nicht mehr existierst. So hat dann hier mein Kampf gegen die Mauer begonnen.

Gefangenschaft in Bautzen und Hohenschönhausen

1965 erwischt es aber auch ihn. Als er die Grenze am Checkpoint Charlie überschreitet und die Freilassung von politischen Gefangenen fordert, wird er verhaftet. Er wird zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, sitzt in Bautzen und in Hohenschönhausen. Nach einem Jahr wird er von der Bundesregierung freigekauft. Es folgen weitere Protestaktionen. Aber die von 1989 ist seine spektakulärste. Lange ist an diesem Tag nicht klar, was mit ihm passiert. Nach etwa einer Stunde rücken Volkspolizisten aus der DDR auf ihn zu.

Man hat mich gepackt, dann riefen alle sofort, lasst den Mann los und zogen an meinen Füßen, und die zogen an meinen Armen. Dann haben sie mich wieder hingelegt.

Drei Stunden lang stehen sich west- und ostdeutsche Polizisten gegenüber. Im Hintergrund verhandeln Russen und Amerikaner, was mit ihm geschehen soll.

Bis 14.05 Uhr haben die mich liegen lassen. Dann hat mich die Polizei auf Anweisung der Amerikaner weggeräumt. Allerdings hat die Untersuchungsrichterin, zu der sie mich hingefahren haben, abgelehnt, gegen mich einen Haftbefehl auszustellen, weil sie gesagt hat, das ist eine ganz normale Geschichte.

Nicht einmal drei Monate danach, am 9. November ’89, fällt die Mauer, gegen die er fast 30 Jahre lang gekämpft hat.

Ich bin am 10. November nach Berlin gefahren und habe mich natürlich dann auch daran beteiligt, die Mauer mit Hammer und Meißel symbolisch anzuklopfen. Ich war rundum in diesem Moment einfach der glücklichste Mensch der Welt.

Deutsche Teilung existiert noch in zu vielen Köpfen

30 Jahre ist das her, doch für Holzapfel ist Deutschland noch immer weit davon entfernt, vereint zu sein. Und so will er sich 30 Jahre nach seiner Aktion von 1989 noch einmal an den Checkpoint Charlie legen.

Sowohl die Menschen in Osten wie die Menschen im Westen waren sich über alle Unterschiedlichkeiten hinweg darüber klar: Wir gehören zusammen, wir gestalten unsere Zukunft, wir leben in einem Land.“ Carl-Wolfgang Holzapfel

Dann legt sich Holzapfel auf den Boden, genau auf die Stelle, an der er vor 30 Jahren gelegen hat. Er will noch einmal Brücke sein zwischen Ost und West. Denn diese Brücken, so Holzapfel, braucht es auch drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer immer noch.

Sendung:                                                                                                                         Kontrovers vom 06.11.2019 – 21:00 Uhr / Text: Bayerischer Rundfunk (BR) / Fotos: LyrAg
https://www.ardmediathek.de/br/player/Y3JpZDovL2JyLmRlL3ZpZGVvL2VmODQ3Mjc3LWIxZmQtNGNiMS05ZDcyLTcyN2NkY2VjOTk3Mw/?fbclid=IwAR0dXA_EQBRvwiAPRSlxTomp2x68W4UWwxanI_-I7nkqDqLIzn5v7qyq6ZQ

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/checkpoint-charlie-protestaktion-gegen-deutsche-teilung,Rgp89R3

Berlin, 09.08.2019/cw – Im Zusammenhang mit der Aktion zum 30.Jahrestag der „Lebendigen Brücke“ : „WIR“ statt „IHR“ am Checkpoint Charlie (12.08.2019, 11:00 Uhr) erreichten mich zahlreiche Anfragen über meinen Weg zum gewaltlosen Widerstand gegen die Mauer. Bis zum 12. August werde ich an dieser Stelle Stationen auf diesem Weg und aus dem Kampf gegen die Berliner Mauer schildern. (12 -Teil 11 siehe 08.08.2019).

Am Abend vor dem 18. Oktober, exakt 24 Jahre vor dem Rücktritt Erich Honeckers (* 25. 08.1912; † 29.05.1994) von seinen politischen Funktionen, trank ich mit meinem Vater zum Abschied noch ein Glas Rotwein. Eine Verhaftung am nächsten Tag durch die DDR-Organe konnte diesmal nicht ausgeschlossen werden, da sich diese diesmal durch die unterbliebene Vorankündigung nicht auf mein Kommen einstellen konnten. Sie würden einen (zunächst) unbekannten Provokateur verhaften.

Im Haus, in dem mein Vater seit 1957 unter dem Dach wohnte, lebte auch ein hoher Mitarbeiter des seinerzeitigen Kuratoriums Unteilbares Deutschland (1954 – 1992). Dieser hatte meinem ob meiner Demonstrationen ständig besorgten Vater auf Nachfrage die Auskunft ermittelt, dass sein Sohn nach einer Verhaftung mit einer Zuchthausstrafe von acht Jahren rechnen müsste. Mich schreckte diese Aussicht nicht ab, hatte ich doch genügend Zeit gehabt, mich mit den Qualen der zu Unrecht Verurteilten eingehend zu befassen. Es gehörte für mich einfach dazu, auch die möglichen Konsequenzen inkauf zu nehmen, das Leid quasi auch real mit den Betroffenen zu teilen. Ohne diese in sich ruhende Einstellung hätte ich mich niemals mit den Formen des Gewaltlosen Widerstandes befassen dürfen.

Mein Vater (*01.08.1915; † 15.01.2008) ein begnadeter Lyriker (in seinem Nachlass befinden sich über 10.000 Gedichte), Maler, Zeichner und Skulpteur, machte mir trotz einer gewissen Traurigkeit über die zu erwartende Trennung Mut. Er erinnerte mich an seine Auseinandersetzungen im Dritten Reich, wo ihm schließlich sogar 1940 das Studium, Germanistik und Zeitungswissenschaften, bei Prof. Emil Dovifat (* 27.12.1890; † 8.10.1969) verboten worden war.

Der ruhige Abschied

Am Morgen des nächsten Tages setzte ich mit der gebotenen Behutsamkeit meine Zimmerwirtin Maria Weber in Kenntnis, daß mit meiner „längerandauernden Abwesenheit“ gerechnet werden müsste. Die Vereinigung 17. Juni in Gestalt des Ersten Vorsitzenden Friedrich Schorn (* 16.9.1914, † 1988), einstiger Streikführer in Leuna, würde sich um alle Fragen meines Mietverhältnisses bekümmern. Uns fiel dieser Abschied nicht leicht.

Bevor ich zum Checkpoint Charlie fuhr, schaute ich noch einmal bei meinen Kollegen in der BVG-Werkstatt in der Müllerstraße vorbei. Sie konnten meine Absicht ob der drohenden Gefahr nicht wirklich nachvollziehen, wünschten mir von Herzen aber alles erdenklich Gute.

Nach der 3. Demo für die Freilassung politischer Gefangener verhaftet und abgeführt: Checkpoint Charlie am 18.10.1965 . Foto: Archiv

In der Kochstraße erwartete mich Prof. Rubin, zudem ich inzwischen ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufgebaut hatte. Dazu hatte sicher auch das gemeinsame, wenn auch gescheiterte Tunnelprojekt (Weinstein-Tunnel) beigetragen. Er fuhr mich absprachegemäß mit seinem Pkw auf ein Ruinengrundstück, das direkt an der Zimmerstraße lag. Hier war die Grenzsituation spiegelverkehrt zur Bernauer Straße: Die Häuserfront befand sich im Westen (Amerikanischer Sektor), der Gehsteig befand sich bereits im Osten (Sowjetischer Sektor). Damit die Menschen in ihre Häuser kamen, hatte die DDR 1961 die Mauer entsprechend nach Osten versetzt errichtet. So konnte ich in den Ausländerübergang unbehindert einlaufen. Als ich dort sichtbar wurde, stand ich bereits vom Westen aus gesehen hinter dem berühmten weißen Strich, also hinter der Grenzlinie, die die Sektorengrenze markierte. Für die West-Berliner Polizei war ich damit unerreichbar.

Kurz nach Beginn der Demo abgeführt

Ich bemerkte, wie zwei DDR-Grenzposten, damals noch mit Maschinenpistolen bewaffnet, sich unter dem Schlagbaum hindurch in Bewegung setzten. Daraufhin gab ich ihnen zu verstehen, daß ich gleich von selbst käme, und sie blieben tatsächlich stehen. Nachdem mein Schild von der Westseite aus ausreichend fotografiert worden war, auf dem ich neben der Forderung „Menschen in aller Welt fordern…“ links und rechts alle Nationen aufgeführt hatte, aus denen sich tausende Menschen in meine Unterschriftenlisten eingetragen hatten, wandte ich mich ab und ging gemessenen Schrittes auf die wartenden DDR-Posten zu. Diese nahmen mich in die Mitte und führten mich durch die Mauer nach Ost-Berlin ab.

Hinter der Mauer, vom Westen aus nicht mehr einsehbar, wurde mir das Schild abgenommen und ich in eine Baracke geführt. Nachdem ein Grenzoffizier meinen Ausweis kontrolliert hatte, fragte er mich freundlich-sachlich, ob ich derjenige sei, der letzte Woche im Radio erwähnt worden war. Tatsächlich hatte ich gehört, daß man im DDR-Rundfunk über mich eine vermeintliche Satire verlesen hatte: „Der Westberliner >Freiheitskämpfer< Holzapfel wurde mit einer schweren Blutvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert. Er hatte sich bei seinen Hetztiraden gegen den Auftritt sowjetischer Kosmonauten in Westberlin aus Versehen auf die Zunge gebissen.“

Hintergrund war tatsächlich eine Demonstration gegen den Auftritt sowjetischer Kosmonauten auf einer SEW-Veranstaltung in West-Berlin. Über ein Megaphon hatte ich u.a. die Frage aufgeworfen, wann wir mit einem durch die Polizei geschützten Besuch von Walter Ulbricht in West-Berlin rechnen müßten.
Zwar hatten die DDR-Organe sehr schnell erfasst, wen sie da an der „GÜSt (Grenzübergangsstelle) Zimmerstraße“, wie die DDR den Checkpoint Charlie benannte, festgenommen hatten, eine baldige Freilassung „nach diesem Fehler“, war damit aber ausgeschlossen, wie wir das später in West-Berlin analysierten,. Man hatte einen „bisher vermiedenen Fehler“ begangen und einen gewaltlosen Demonstranten vor den Augen der Öffentlichkeit festgenommen, nun behielt man ihn auch.

Am späten Abend wurde Holzapfel in das Ministerium für Staatssicherheit verbracht. Foto: LyrAg

Über meine andauernde Gelassenheit war ich selbst ein wenig überrascht. Sie war aber wohl der Tatsache zuzuschreiben, daß ich im Gegensatz zu anderen Betroffenen, die oft unvorhergesehen und nichtsahnend in die Stasi-Maschinerie reingeraten waren, gründlich vorbereitet war. Das ging bis hin zu ziemlich guten Kenntnissen über die Abläufe nach einer solchen politisch bedingten Festnahme, was mit gewisse Vorteile verschaffte.

Die gründliche Vorbereitung war hilfreich

So war ich zum Beispiel informiert worden, daß es bei einem ersten Kreuzverhör nicht um die Klärung von Vorhalten sondern um die Festlegung des geeigneten Vorgehens ginge: Einsatz körperlicher Gewalt, Anwendung psychischen Drucks etc. Nachdem ich relativ schnell in die berüchtigte Magdalenenstraße (heute eher unter Ruschestraße firmierend), dem Sitz der Staatssicherheit, gefahren worden war, wurde ich tatsächlich in ein Kreuzverhör genommen. Man wollte in erster Linie meine Erwartungen im DDR-Gewahrsam abklopfen. Natürlich trug ich meine Kenntnisse über angewandte Folter durch Schläge, Isolationshaft oder gezielt ausgeübten psychischen Druck vor, was sämtlich in Abrede gestellt wurde. Ich war mir dadurch aber ziemlich sicher, dass man alles vermeiden würde, um diese meine Vorhalte zu bestätigen.

Nach dem einige Stunden andauernden Verhör wurde ich in der Nacht in das Untersuchungsgefängnis der Stasi nach Hohenschönhausen gebracht. Dort war ich insgesamt neun Monate in Einzelhaft, bevor ich dann überraschend, weil kaum noch erwartet, nach Bautzen verlegt wurde.

-Wird fortgesetzt-

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.455)

Schorfheide/Eichhorst/Berlin, 09.02.2019/cw – Die Teilnahme an einer spontanen Demo am 17. Juni 1953 hatte für Horst Wurmsee zunächst keine Folgen.

Auf der Baustelle der Bauunion in Neustadt/Dosse kommt am 17. Juni 1953 keine Lore mehr aus Finkenkrug/Biesdorf an, die laufende Arbeit kommt zum Erliegen. Wenig später des Rätsels Lösung: Ca. 500 Arbeiter und Angestellte, u.a. aus der Gummifabrik in Bieselang, ziehen in einem Demonstrationszug heran. Auf mitgeführten Plakaten steht: „Wir streiken!“

Die 600 Kollegen der Bauunion, darunter Heinz Wurmsee, schließen sich geschlossen dem Zug an. Man fordert die „Freilassung sämtlicher politischer und Kriegsgefangener“, die „Aufhebung der Oder-Neiße-Grenze“ und die „Rücknahme der Normenerhöhung“. Dafür wollte der Zug nach Berlin marschieren, was leider nicht gelang, wie sich Wurmsee erinnerte.

Der Demonstrationszug wird durch Panzerspähwagen der Sowjetischen Streitkräfte gestoppt. Die Arbeiter weichen der Gewalt, lösen die Demo auf. An Festnahmen kann Wurmsee zu diesem Zeitpunkt nicht erinnern.

Als er und seine Kollegen am nächsten Tag die Arbeit wieder aufnehmen, ist dies nur „unter den Bajonetten“ möglich. Sowjetische Soldaten wachen über jede Tätigkeit.

Der am 05.04.1934 in Schwibus (heute Polen) geborene Wurmsee wuchs ohne Mutter bei den Großeltern auf. Die Mutter starb bei seiner Geburt. 1941 wird der Vater eingezogen, am 28. Januar 1945 muß die Familie flüchten. Nach Abschluß einer Lehre als Stellmacher zieht der nunmehr 17jährige nach Neustadt/Dosse. Dort arbeitet er ab Januar 1953 im Bahnbau bei der Bauunion in Brieselang.

Zuchthaus wegen Staatshetze

Obwohl Wurmsee am 17. Juni einer Verhaftung entgangen war, wurde er im Frühjahr 1954 doch noch verhaftet. Er erinnert sich über 50 Jahre danach lebhaft an die folgenden Ereignisse.

Am 13. Oktober 1953, dem sogen. Aktivistentag, werden die ledigen Arbeiter der Firma nach Warnemünde entsandt. Dort sollen sie die von den Deutschen zum Kriegsende versenkten und nun gehobenen Schiffe für die Russen ausbauen. Als einmal schlechtes Wetter ist, sitzen die Arbeiter in der Kantine und erzählen sich Geschichten aus ihrem Leben.

Wurmsee erzählt dabei von den Ereignissen am 17. Juni 1953 und dem „Ausflug“ der Arbeiter nach Berlin. Fünf Monate später, am 4.2.1954, wird Horst Wurmsee verhaftet, kommt in die Stasi-U-Haft in Lichtenberg (Hohenschönhausen). Der Vorwurf: Er hetze die Arbeiter der Warnow-Werft gegen die DDR-Regierung auf. Am 30.04.1954 wird der nunmehr Neunzehjährige zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach dem Urteil und elf Monaten Haft in Lichtenberg wird er im Januar 1955 in die Strafanstalt in Rostock verlegt (Gef.Nr.: 1164/54), von dort nach Bützow-Dreibergen (Mecklenburg). Als er hier ankommt, liegt er anfangs mit weiteren 15 Mitgefangenen im Keller auf Stroh. Für 16 Gefangene gab es zunächst nur zwei Esslöffel zum mageren Essen. Wurmsee, jüngster Strafgefangener, wird Essensträger. Am 8.09.1956 wird Horst vorzeitig entlassen.

Ein Haftkamerad saß bereits als Kommunist im Nazi-KZ

Horst Wurmsee erinnerte sich bis zuletzt an seine Mitgefangenen, unter ihnen zwei Zeugen Jehovas und ein Offiziersschüler, der fremd gegangen war und daher von seiner Freundin wegen angeblicher Fluchtpläne in den Westen angeschwärzt worden war. Als „bleibendes Erlebnis“ aus der Gefangenschaft in Rostock ist ihm die Begegnung mit dem Alt-Kommunisten Rudi (Bechina?, der zum Zeitpunkt des Gesprächs mit unserer Redaktion >November 2016< über Achtzigjährige kann sich nicht mehr an den genauen Familiennamen erinnern) lebendig geblieben.

Rudi, der bekennende Kommunist, war bereits unter den National-Sozialisten eingesperrt gewesen und befand sich neun Jahre (!) in KZ-Haft. Nach dem Krieg hatte er in der kommunistischen DDR Karriere gemacht und sogar einen Regierungsposten erlangt. Nun wurde ihm vorgeworfen, er habe sich als Kommunist „getarnt“, um der DDR zu schaden. Rudi hatte sich geweigert, am 17. Juni auf deutsche Arbeiter zu schießen. Erneut mußte der Kommunist in die Gefangenschaft, das Urteil: 5 Jahre. Wurmsee erinnert sich bewegt, wie der Mann nach dem Urteil (30.04.1954) weinte. Wurmsee bedauerte zutiefst die Unkenntnis darüber, was aus diesem Haftkameraden geworden war.

Nach seiner Entlassung 1956 begann der einstige politische Häftling eine Arbeit in einer LPG. Als er 1958 mit seiner Brückenbaufirma nach Eichhorst kam, wo das Dorf seine 250-Jahr-Feier beging, lernte er seine später Frau Annemarie kennen. Beide heirateten 1960 und lebten seither in Eichhorst zusammen. Die Eheleute hatten drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, wovon Sohn Silvio es bis zum Ortsvorsteher brachte.

Abstand von der Politik – Ehrenmedaille in Gold

Im Gegensatz zu manchen ehemaligen Aktivisten am Volksaufstand hielt sich Wurmsee in der Folge von der Politik fern und engagierte sich vielfach ehrenamtlich. Für seinen Einsatz bei der Freiwilligen Feuerwehr im Ort erhielt er mehrere Belobigungsurkunden, zuletzt 2001 vom Brandenburgischen Innenminister die Ehrenmedaille in Gold „für treue Dienste in der Freiwilligen Feuerwehr“. Ganze 7.382 Stunden wandte Wurmsee während seiner aktiven Zeit für diese Tätigkeit seit dem 1.04.1960 auf, was akribisch erfasst und ihm eigens bestätigt wurde.

Nach einem Schlaganfall konnte sich Wurmsee nur noch mittels eines elektrisch betriebenen Rollfahrzeugs bewegen. Das hinderte ihn nicht, noch 2017 an dem Staatsakt zum 17. Juni auf dem Berliner Friedhof Seestraße teilzunehmen, wo er stolz in der ersten Reihe inmitten weiterer Veteranen vom 17. Juni 1953 saß. Seine Hoffnung, noch möglichst lange die Geschicke beobachten und sich selbst noch bewegen zu können, trog. Nach einer notwendigen Beinamputation starb Horst Wurmsee am 5.Februar diesen Jahres.

Die Vereinigung 17. Juni 1953 würdigte den Verstorbenen in einem Beileidsschreiben an die Familie und bedauerte, „diesen aufrechten Menschen zu spät kennen und schätzen gelernt zu haben.“ Man werde „Horst Wurmsee in steter und würdiger Erinnerung behalten,“ so der Vorstand.

Die Urne des Verstorbenen wird nach gegenwärtigem Sachstand am 23.02.2019 um 11.00 Uhr auf dem Friedhof in Lichterfelde* beigesetzt.

* ACHTUNG: Es handelt sich nicht um den Friedhof Lichterfelde in Berlin, sondern um den Friedhof nahe des Heimatortes Eichhorst von Horst Wurmsee, also den Friedhof in Lichterfelde bei Eberswalde, über die A11 hinter Finowfurt die nächste Abfahrt. (Nachtrag 13.02.2019/cw).

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 0176-48061953 (1.378).

Berlin, 14.12.2018/cw – Hat ein anderer glühender Anti-Kommunist nachgeholfen? Heute würde der Museums-Gründer vom „Haus am Checkpoint Charlie“ seinen 104. Geburtstag feiern und die nun mehr gütliche Einigung um die Auseinandersetzungen in Hohenschönhausen könnte als Geburtstagsbeigabe des einstigen Chefs der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU) gelten. Wenn dieser nicht schon seit 2004 verstorben wäre und die Mär von einem Einwirken Verstorbener auf unsere Geschicke mehr eine Sache des Glaubens als der Realität wäre.

Würde heute seinen 104. Geburtstag feiern können: Museums-Gründer Rainer Hildebrandt – Foto: LyrAg/RH

„Rechtsstreitigkeiten beendet“

Jedenfalls haben sich nach einer heutigen Pressemitteilung die „Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und Dr. Hubertus Knabe heute über das Ausscheiden von Herrn Dr. Knabe geeinigt, und einen Vergleich geschlossen, der die laufenden Rechtsstreitigkeiten beendet.“

Damit sind anstehende Gerichtsentscheidungen, wie die des Landgerichtes Berlin, die für den 18.12. angekündigt worden war, obsolet. Beide Parteien verzichten mit Rücksicht auf „die insgesamt notwendige SED/MfS-Aufarbeitungsarbeit“, für die „die Gedenkstätte Hohenschönhausen einen wichtigen Beitrag“ leistet, auf weitere juristische Auseinandersetzungen, um die „gute und erfolgreiche Arbeit der Gedenkstätte“ nicht zu belasten,“ wie es in der Pressemitteilung von heute heißt.                     (Siehe unter: https://www.berlin.de/sen/kulteu/aktuelles/pressemitteilung/2018/pressemitteilung.766890.php).

Verdacht einer politischen Intrige steht weiter im Raum

Damit findet ein „bitterer und in der Sache ungerechtfertigter Polit-Klamauk ein Ende,“ stellte als erster Opferverband die Vereinigung 17.Juni 1953 in Berlin fest. Der Verein bleibe bei seiner auch von anderen Verbänden geteilten Kritik, nachdem „die unbestreitbaren Verdienste von Hubertus Knabe eine andere Lösung gerechtfertigt hätten.“ Auch sind die „ungeklärten Umstände, wie das widersprüchliche Vorgehen einiger Akteure gegen Knabe aufklärungsbedürftig.“ Der „Verdacht einer politischen Intrige“ stehe nach wie vor ebenso im politischen Raum, wie die umstrittene Position des UOKG-Chefs Dieter Dombrowski, der „ohne jede Rücksprache mit seinem Vorstand oder Opferverbänden“ der „skandalösen Entlassung“ Knabes zugestimmt habe, sagte der Vereinsprecher. Die Anführung des UOKG-Chefs ausgerechnet durch links-orientierte Parteien zur weiteren Verschleierung der Motive der Akteure um die Entlassung Knabes in der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses sei „mehr als peinlich gewesen“ und habe sicherlich „keine Beglückung bei den Opfern der SED-Diktatur“ ausgelöst.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.369).

Berlin, 13.12.2018/cw – Auf heftigen Widerstand, allerdings unter Vortrag diverser Widersprüche der Koalitionsparteien, stieß der Antrag der AfD-Fraktion, Hubertus Knabe wieder in sein Amt als Gedenkstättenleiter in Hohenschönhausen einzusetzen. Der Antrag wurde nach über einstündiger Debatte ohne eigens durchgeführte Abstimmung („Es erhebt sich kein Widerspruch – dann gilt das so als beschlossen.“) an den Kulturausschuss überwiesen.

Nachdem Martin Trefzer (AfD) seitens seiner Fraktion den Antrag unter Aufzählung diverser Widersprüche begründet hatte, wies Dr. Clara West für die SPD darauf, dass ihre Fraktion „Ihre Hetze nicht zulassen werde.“ Ausdrücklich bedankte sich West bei Monika Grütters (CDU) und Dieter Dombrowski (CDU) als „Vorsitzenden der UOKG“ für deren Haltung bei der Entlassung Knabes.

CDU: Antrag nicht lebensnah

Distanzierter wirkte die Stellungnahme der CDU-Fraktion. Dr. Robin Juhnke lobte zunächst die „wissenschaftlich hervorragende Arbeit Knabes gegen die Ostalgie,“ bezeichnete den Antrag auf Wiedereinsetzung allerdings als „nicht lebensnah.“ Dieser sei „ein Schauantrag für die Galerie.“ Die CDU suche nach einer Nachfolge, allerdings dürfe Knabe nicht „durch eine Marionette ersetzt“ werden.

Erwartet heftig reagierte DIE LINKE auf den Antrag. Die AfD „verliere kein Wort für die betroffenen Frauen.“ Im Übrigen hätte der Leiter nach Bekanntwerden der Vorwürfe „keine Maßnahmen ergriffen,“ die Absetzung sei unausweichlich gewesen. Regina Kittler zitierte dann den „Brief der Bürgerrechtler“ und benannte dabei ausgerechnet auch Wolf Biermann, der durch seine ätzende Kritik gegen die SED-Partei bei seinem Auftritt im Bundestag Aufsehen erregt hatte. Kittler lobte ebenfalls die Mitwirkung Dieter Dombrowskis „von der UOKG,“ dieser habe der Entlassung Knabes ausdrücklich zugestimmt.

In einer direkten Entgegnung wies Martin Trefzer die Vorwürfe Kittlers als Unterstellung zurück: „Wir lassen nicht zu, dass die betroffenen Frauen von Ihnen instrumentalisiert werden.“ Und direkt an den Senator gewandt: „Sie, Herr Lederer, haben ihr politisches Spiel gespielt.“ Dies sei ein „klarer Rechtsverstoß“ gewesen.

FDP: Offene Widersprüche in offiziellen Darstellungen

Stefan Förster (FDP), der Hubertus Knabe bei seiner kurzfristigen Rückkehr an dessen Schreibtisch in Hohenschönhausen begleitet hatte, betonte, dass sich das Thema „eigentlich nicht für eine Plenardebatte eigne.“ Dafür hätte die FDP „gerne unabhängige Gremien,“ die in dieser Sache entscheiden könnten. Der FDP-Abgeordnete hielt dann dem Kultursenator eine Reihe offener Widersprüche in den offiziellen Darstellungen seines Hauses vor. So habe der Senator davon Kenntnis gehabt, dass Knabe sehr wohl Maßnahmen ergriffen habe, der Kultursenat hingegen lange untätig geblieben sei. So habe Knabe nach den ersten Vorwürfen in 2016 im März ein Gespräch mit seinem Stellvertreter geführt und diesen bei einer Fortführung oder Wiederholung auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hingewiesen. Das ei aktenkundig. Anfang Februar 2018 seinen neue Vorwürfe bekannt geworden, ohne dass die Kulturbehörde eingeschritten sei. Am 26.April habe Knabe schließlich Strafanzeige gegen „Unbekannt“ erstattet, nach dem ihm Einzelheiten aus dem Haus des Senators verweigert worden seien. Nachdem die zuständige Senatsverwaltung der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, dass es keine Übergriffe im strafrechtlichen Sinn gegeben habe, hat die Staatsanwaltschaft das eingeleitete Ermittlungsverfahren am 6. August eingestellt. „Hätte Knabe zu diesem Zeitpunkt mehr mache können?

GRÜNE: Verdrehung von Tatsachen

Sabine Bangert erläuterte die Haltung der Grünen-Fraktion und warf den Antragstellern vor, diese würden die Belästigungen der Frauen als „nicht ausreichend“ bezeichnen, dabei bewiesen diese Vorwürfe einen Machtmissbrauch. Schließlich wurde auch der Stellvertreter Fraundorfer entlassen, nachdem er entsprechende Vorgänge bestätigt hatte. Bangert: „Ihr Antrag ist der unzulässige Versuch, den Stiftungsrat in seiner Funktion zu bremsen.“ Auch Dieter Dombrowski von der UOKG habe der Entlassung Knabes und der Einsetzung der „unabhängigen Marianne Birthler“ zur Klärung der Vorwürfe zugestimmt. „Hören Sie auf mit der Verdrehung von Tatsachen,“ rief Bangert der AfD-Fraktion zu.

Erneut antwortete Martin Trefzer (AfD) direkt auf die Vorrednerin. Die AfD hat niemals sexuelle Übergriffe gebilligt oder als Nichtigkeit bezeichnet, dies sei eine böswillige Unterstellung. An Bangert gewandt: „Schauen Sie sich die Sitzung des Stiftungsrates vom 24.11. an. Ah, Sie haben den Bithler-Bericht gelesen? Sie nicken? Mir hat man diesen Bericht verweigert, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handele.“

Bangert, Grüne: „Ich habe diesen Bericht nicht erhalten.“ Die Abgeordnete räumte aber ein, den Bericht zu kennen. Sie wiederholte den Vorhalt, dass Knabe auf die Vorwürfe nicht reagiert habe.

Lederer: Wir sind verpflichtet, Fakten zurück zu halten

Schließlich nahm Klaus Lederer selbst Stellung. Es gehe bei diesen Anträgen nur darum „Stimmung zu machen.“ Es handele sich auch im Vortrag von Herrn Förster „um eine Liebe zu verschiedenen Theorien.“ Er könne ihm, Förster, aber nicht widersprechen, weil “ich darüber öffentlich nicht sprechen darf.“ Bereits zuvor hatte der Senator betont, dass „wir verpflichtet sind, die Fakten zurück zu halten.“

Wann das Abgeordnetenhaus über den vorliegenden AfD-Antrag abstimmt, ist derzeit nicht bekannt. Für den 18.Dezember hat das Landgericht Berlin seine Entscheidung bezüglich der ergangenen einstweiligen Anordnungen angekündigt.

Lesenswert zum Thema: „Geschichte ist Politik“ von Gunter Weißgerber  https://www.nwzonline.de/meinung/leipzig-nwz-gastbeitrag-geschichte-ist-politik_a_50,3,1991140308.html

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.368).

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