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Potsdam/Berlin, 26.04.2016/cw – Die Lagergemeinschaften, Opferverbände/- vereine und Aufarbeitungsinitiativen haben am 21. April 2016 in Potsdam zum Bericht der Expertenkommission des Deutschen Bundestages (Drucksache 18/8050) zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BSTU) Stellung genommen. Die Verbände fordern außerdem die Wiederwahl von Roland Jahn zum Leiter der BStU. Der Verein „Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.“ ist von der Versammlung beauftragt worden, die Erklärung dem Bundestag zuzuleiten.

Der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages befasst sich erstmals in einer öffentlichen Sitzung am 27.04.2016 ab 15:30 Uhr im Paul-Löbe-Haus mit den Vorschlägen der Expertenkommission sowie den bisher vorgetragenen Einwendungen.

Wir veröffentlichen nachstehend den Wortlaut des von 20 Verbänden und Vereinen unterzeichneten Papiers:

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„Wir, die unterzeichnenden Vertreter/innen brandenburgischer Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen, geben hiermit den Mitgliedern des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages und der Öffentlichkeit unsere Stellungnahme zum Vorschlag der Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des BStU bekannt.

Die Stellungnahme bezieht sich auf die Vorschläge im Expertenvotum, die wir für besonders grundlegend halten.

Wir begrüßen, dass – entsprechend dem Einsetzungsbeschluss – die Kommission vorschlägt, die Unterlagen der Staatssicherheit weiterhin gemäß Stasiunterlagengesetz (StUG) offen zu halten. Dass erstmalig in der Welt Bürgerinnen und Bürgern die Informationen, die eine Geheimpolizei über sie gesammelt hat, zugänglich gemacht wurden, ist ein bedeutendes Vermächtnis der Friedlichen Revolution von 1989. Die Einrichtung einer Stasi-Unterlagen-Behörde war die rechtsstaatliche Antwort auf unsere Revolutionslosung „Meine Akte gehört mir!“. Damit konnte es gelingen, die Struktur und Funktionsweise der Diktatur weitgehend sichtbar und die Verfolgung jedes einzelnen durch die Geheimpolizei nachvollziehbar zu machen. Die Behörde des BStU gibt heute für viele Transformationsländer ein Beispiel und ihre Erfahrungen sind nach wie vor in zahlreichen Ländern gefragt.

Die Auflösung der Stasi-Unterlagen-Behörde lehnen wir ab. Sie wäre ein Signal für die Abkehr von der Aufarbeitung als Ganzem.

Die Empfehlung der Expertenkommission, die Behörde des BStU aufzulösen und die MfS-Unterlagen bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode in das Bundesarchiv zu geben, halten wir für kontraproduktiv. Es sind im Expertenvorschlag keine Begründungen angeführt, welche Vorteile in der Aktenübernahme durch das Bundesarchiv zu erwarten wären. Stattdessen spricht manches dagegen. Mängel in der Verfahrenspraxis und der Professionalität der Aktenverwaltung lassen sich innerbehördlich beheben. Für die Spezifik in der Anwendung des StUG gegenüber dem allgemeinen Archivrecht besitzt die BStU-Behörde zweifellos die bessere Expertise. Die Spezifika im Umgang mit den Stasi-Akten, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen Betroffenen und Begünstigten, sind bisher im Bundesarchiv unbekannt. Der hohe Prüfungsaufwand bei der Aktenherausgabe ist dem Persönlichkeitsschutz geschuldet und wird für diesen besonderen Aktenbestand auch unter der Verwaltung des Bundesarchivs bestehen bleiben. Die Schaffung gemeinsamer Standards für die archivalische Arbeit und die Anwendung gleicher Software für den BStU und das Bundesarchiv waren längst überfällig und haben nun endlich begonnen. Der privilegierte Aktenzugang behördeneigener Forscher kann durch Gesetzesänderung oder die Ausgliederung der Forschungsabteilung aus der BStU-Behörde aufgehoben werden.

Die Verbände sehen in einer Auflösung der BStU den Untergang ihrer Interessen als Verfolgte der zweiten Diktatur - Foto: LyrAg

Die Verbände sehen in einer Auflösung der BStU den Untergang ihrer Interessen als Verfolgte der zweiten Diktatur – Foto: LyrAg

Die Auflösung der Behörde kann auch nicht durch den Vorschlag kompensiert werden, einen Bundesbeauftragten für die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur zu installieren. Stattdessen plädieren wir dafür, die bestehenden Aufarbeitungsinstitutionen und die mit der Aufarbeitung befassten zivilgesellschaftlichen Organisationen zu stärken. Dazu sind die notwendigen Mittel bereit zu stellen, damit sie in der Lage sind, professionell ihre Interessen in Politik und Öffentlichkeit zu vertreten. Aufarbeitung sollte vielfältig bleiben und dezentral verankert sein. In einer Dachorganisation, wie der UOKG, können die Interessen gebündelt und gegenüber den Gremien des Bundes vertreten werden. Uns ist wichtig, dass die Repräsentanten der Opfer der SED-Diktatur von ihnen selbst gewählt werden.

In der vorgeschlagenen Zusammenlegung der Gedenkstätten Normannenstraße / Magdalenenstraße und Hohenschönhausen unter dem Dach einer neu zu gründenden Stiftung sehen wir keinen Vorteil. Beide Gedenkstätten arbeiten sehr erfolgreich und es ist nicht plausibel, sie ihrer Eigenständigkeit zu berauben. Es bedarf keiner neuen Stiftungsgründung, da die bereits bestehenden Stiftungen und der BStU erfolgreich ihren jeweils eigenen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur leisten und sich einander gut ergänzen.

In den Vorschlägen zeigt sich ein personelles Defizit der Expertenkommission. Die Opferverbände waren unzureichend in der Kommission vertreten. Wir sehen lediglich im Minderheitenvotum von Hildigund Neubert unsere Interessen wiedergespiegelt.

Darüber hinaus votieren wir dafür, dass alle Möglichkeiten der Erhaltung des Stasiaktenbestands genutzt und die Digitalisierung und virtuelle Rekonstruktion von Archivgut fortgesetzt werden.

Außerdem sollte bis spätestens 2019 das geltende Stasi-Unterlagengesetz dahingehend geändert werden, dass die Überprüfungen, wie bisher in den §§ 19, 20 und 21 StUG geregelt, entfristet werden, damit sie weiterhin möglich sind.

In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass es dringend geboten ist, die Antragsfristen der Rehabilitierungsgesetze aufzuheben, um politisch Verfolgten weiterhin die gesetzlichen Möglichkeiten der Rehabilitierung und Unterstützung zu gewähren.

Im Übrigen sprechen wir Roland Jahn unser Vertrauen aus und plädieren für seine Wiederwahl als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.“

Unterzeichner:

Joachim Krüger, Michael Ney, Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e.V.

Detlef Fahle, DDR-Militärgefängnis Schwedt e.V.

Graf von Schwerin, Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) e.V.

Dieter Dombrowski, UOKG, Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.,

Claus Ladner, Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54“

Sylvia Wähling, Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.

Hans-Perter Freimark, DDR-Geschichtsmuseum im Dokumentationszentrum Perleberg e.V.

Jürgen Sydow, Interessengemeinschaft ehem. politischer Brandenburger Häftlinge 1945-1989

Roland Herrmann, Kindergefängsnis Bad Freienwalde / IG ehemaliger Heimkinder Ost

Carl-Wolfgang Holzapfel, Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V.

Jörg Moll, Vereinigug der Opfer des Kommunismus – Deutschland e.V.

Siegmar Faust, Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.

Heinz-Gerd Hesse, Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e.V.

Carla Ottmann, Verein zur Förderung der Projektwerkstatt „Lindenstraße 54“ e.V.

Wolfgang-Alexander Latotzky, Kindheit hinter Stacheldraht e.V.

Petra Ostrowski, Vereinigung. der Opfer des Stalinismus (VOS), Landesverband Brandenburg e.V.

Manfred Kruczek, Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg e.V.

Dr. Peter Boeger, Checkpoint Bravo e.V.

Carola Stabe, Gemeinschaft der Verfolgten des DDR-Systems Brandenburg“

Dr.Richard Buchner, Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis Potsdam e.V.

Prof. Ines Geipel, Doping-Opfer-Hilfe e.V.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 (1.113)

Ein Einwurf von Siegmar Faust*

Der Abschlussbericht der Expertenkommission des Deutschen Bundestages zur Zukunft der BStU ist eine Lachnummer. Kein Betroffener gehörte seit dem Ausscheiden Rainer Wagners zu den Experten. Dabei   dürfte doch klar sein, dass ehemalige Stasi-Opfer, wie der neue UOKG-Vorsitzende Dieter Dombrowski richtig einwarf, „ungewollt die eigentlichen Experten sind“. Wurde schon ver­gessen, wer mit Hungerstreik erzwang, dass die Stasi-Unterlagen-Behörde überhaupt  ent­stehen konnte? Die Partei, die zuerst protestierende Bürgerrechtler in Mielkes Haus unter­stützte, war die Volkskammerfraktion der DSU, was selbst die noch links eingestellten Bür­gerrechtler überraschte.

Anstatt sich dafür einzusetzen, dass Wartezeiten der Akteneinsicht verkürzt, begrenzende Fristen abgeschafft und sinnlose Schwärzungen verhindert werden, dass Forschung ausge­weitet und für Externe erleichtert wird, dass Säcke voller zerrissener Akten endlich be­schleunigt rekonstruiert werden und eine einheitliche Find-Datei zu nicht personenbezoge­nen Themen zur Verfügung steht, rüttelte die Kommission hauptsächlich an der Sonderstel­lung jener Behörde, die als Symbol der friedlichen Revolution gilt und anderen Ländern als Vorbild dient.

Schröder: Dass mit der Stasi muss auch mal gegessen sein

Natürlich lässt sich vieles optimieren, vor allem die Ausweitung auf SED-Funktionäre, denen die Stasi als „Schild und Schwert“ diente. Das weiß Roland Jahn selber, der sich alle Mühe gab, dort frischen Wind einzubringen, wo einst unter Gauck überwiegend ehe­malige SED- und Stasi-Mitglieder eingestellt worden waren. Gauck rechtfertigte damals die angeblich 19 Stasi-Mitarbeiter in seiner Behörde gegen die skeptischen Fragen der Beirats­mitglieder. Doch als seine Nachfolgerin Birthler 57 Stasi-Mitarbeiter entdeckte, fühlten sich nicht nur Beiratsmitglieder getäuscht, lediglich Prof. Richard Schröder nicht, der als typischer SPD-Funktionär agierte, um „über die Aufgabe der Stasi-Akten-Behörde (…) grundsätzlich nachzudenken“. 2009 meinte der Theologe in einem „Spiegel“-Interview mit Blick auf Kerstin Kaiser, ehemals Fraktionschefin der Linken in Brandenburg, dass für ihn, wenn sich die Stasi-Mitarbeiterin „als eine verlässliche Person präsentiert“, „das mit der Stasi auch mal gegessen“ sein müsse. Was passierte in der „Volksrepublik Brandenburg“ unterm Wap­pen des roten Adlers? Ein Stasi-Skandal jagte den anderen. Hunderte Stasi-Mitarbeiter wur­den in den Polizeidienst übernommen. Elitenaustausch unter IM „Sekretär“ Stolpe? Fehlan­zeige.

Aber darüber hörte man vom langjährigen Verfassungsrichter Schröder in diesem roten Land kaum etwas. Kein Wunder, dass der mit Ehrungen und Ämtern überhäufte und in den Natio­nalen Ethikrat berufene Professor immer wieder auf Roland Jahn eindrosch und das Verfalls­datum seiner Behörde beschwor. Ehemalige politische Gefangene samt Angehörigen jubel­ten, dass endlich mal einer, der mutig Widerstand leistete und Stasi-Hafterfahrung mit­brachte, in diese Position gewählt wurde. Denn der 1983 ausgebürgerte Jahn setzte sich fortan auch im Westen als Fernsehjournalist weiter für die Aufdeckung des Unrechtsstaates ein und förderte die Demokratisierung seiner Heimat.

Respekt für Hildigund Neuberts Minderheitenvotum

Schlimm an einer Parteien-Demokratur ist, dass nicht die Wahrheit, die Erforschung der Ge­schichte, der gesellschaftliche Konsens und die Bedürfnisse der Betroffenen im Zentrum ste­hen, sondern Machtspiele der Parteien. Die SPD hat es nötig, denn unvergessen bleibt ihr SPD-SED-Papier, mit dem sie die DDR-Despotie noch kurz vor ihrem Ende auf Augenhöhe zu hieven suchte.

Schon 2004 tauchte unter Knut Nevermanns (SPD) Konzept „zu den Gedenkstätten der SED-Diktatur in Berlin“ folgender Satz auf: „Die BStU wird in das Bundesarchiv integriert, die Bil­dungs- und Forschungsaufgaben der BStU werden der Stiftung Aufarbeitung und/oder  ande­ren Institutionen teilweise oder ganz übertragen.“ Rasch wurde es dementiert, doch nie zu­rückgenommen, wie sich wieder zeigte, besonders durch den Strippenzieher Richard Schröder, der, wie der Journalist Sven Felix Kellerhoff hinter vorgehaltener Hand erfuhr, als Vize seinen Kommissionschef Wolfgang Böhmer (CDU) nach Belieben ausgetrickst haben soll.

Respekt verdient das Minderheitsvotum Hildigund Neuberts. So wie sie sehen die ungewollt eigentlichen Experten keine zwingenden Gründe, die Behörde als Flaggschiff der Aufarbei­tung zu kentern. „Das Skandalon der totalitären SED-Herrschaft mit ihren noch schmerzen­den Nachwirkungen“, so Neubert, „soll in den Abgründen der Geschichte, den Labyrinthen von Archiven versinken, interessant nur noch für ein paar Spezialisten, die ‚die DDR als Chance‘ für ihre akademische Laufbahn sehen.“ Das zu einer Zeit, „in der Deutschland vor großen Herausforderungen steht, in der viele Bürger um ihre Identität in ihrem Land besorgt sind, in der neue totalitäre Regime und Ideologien uns herausfordern, ist es das falsche Sig­nal, diese Institution der Freiheit zu schleifen.“

 

* Siegmar Faust (geb. 1944 in Dohna) wurde 1966 vorzeitig vom Kunst- und Geschichtsstudium exmatrikuliert. Weil er versuchte, literarische Werke in der Bundesrepublik zu veröffentlichen, wurde er im Oktober 1971 vom Staatssicherheitsdienst erstmalig verhaftet und im Rahmen einer Amnestie im Oktober 1972 wieder freigelassen. Gestellte Ausreiseanträge wurden abgelehnt. Weil er eine Petition „Gegen die Verweigerung der Menschenrechte“ in Umlauf brachte, wurde er im Mai 1974 erneut verhaftet und zu vier Jahren und sechs Monaten wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt. Im September 1976 durfte er in die Bundesrepublik ausreisen. Sein Schicksal ist Inhalt zahlreicher Publikationen, u.a. „Der Freischwimmer. Gefangen in Cottbus“, „Ein jegliches hat sein Leid“ und „Ich will hier raus“.

Der Autor war von 1996 – 1999 auch Landesbeauftragter für Stasi-Unterlagen in Sachsen, bis er 1999 über eine bis heute ungeklärte PC-Affaire vom Landtag vorzeitig entlassen wurde. Heute ist Faust u.a. im Bürgerbüro des CDU-Landtagsabgeordneten Dieter Dombrowski (Vizepräsident des Brandenburger Landtages) tätig.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck und Autor, Berlin, Tel.: 030-30207785 (1.112)

 

 

 

Berlin, 4.04.2016/cw – Gegenüber dem Boulevard-Blatt B.Z. äußerte sich der Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen ebenfalls kritisch zu den bekannt gewordenen Epfehlungen der Experten-Kommission des Deutschen Bundestages. Diese soll dem Parlament geeignete Vorschläge für die Fortführung der bisherigen BStU-Arbeit unterbreiten (http://www.bz-berlin.de/berlin/lichtenberg/stasi-opfer-und-stasi-taeter-unter-einem-dach-das-waere-zynisch).

Knabe erinnert die empfohlene Zusammenlegung der bisherigen Behörde mit der von ihm geleiteten Gedenkstätte in einer neuen Stiftung an Zynismus: „Für die Opfer der Staatssicherheit wäre das fast zynisch“, zitiert die B.Z. heute den weltweit anerkannten Historiker, der neben dem Ausbau und der Leitung der von Millionen besuchten Gedenkstätte zahlreiche vielbeachtete Bücher über die DDR- und SED-Vergangenheit veröffentlicht hat.

Auch der Leiter des Trägervereins der Stasi-Zentrale an der Normannenstraße, Jörg Drieselmann (60), kritisiert die Kommissions-Pläne: „Auch wir sind weder angehört worden noch bereit, unsere Autonomie aufzugeben.“ Auch die ehemalige Stasi-Zentrale soll nach den bekannt gewordenen Vorstellungen in die neue vorgeschlagene Stiftung überführt werden.

Zwischenzeitlich regt sich auch in der CDU nach dem Minderheitenvotum von Hildigund Neubert (wir berichteten) weiterer Widerspruch. Der CDU-Kulturpolitiker Michael Braun (60) hat nach dem Zeitungsbericht „wenig Verständnis für die Fusions-Absichten“. Braun: „Ich frage, warum man zwei so erfolgreiche Einrichtungen zusammenlegen will.“ Der Politiker  warnt vor dem Versuch, mit der Zwangsfusion die Leiter beider Gedenkstätten politisch mundtot machen zu wollen und erinnert an die Verdienste beider Gedenkstättenleiter, die diese Einrichtungen zum Erfolg geführt hätten. „Die ganze Brutalität der Stasi wird hier in einer besonderen Weise in Erinnerung gerufen.“

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Tel.: 030-30207785 (1.096)

Titel HB 2014Nr.051 – Einigkeit und Recht und Freiheit – 15. 03. 2016
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Hoheneckerinnen warten seit fünf Wochen auf schriftliches Urteil

Am 3.02.2016 Berufung verworfen, am 15.03. noch kein schriftl. Urteil: LG Darmstadt, hier Vorsitzender Richter Volker Wagner (Mi.)

Am 3.02.2016 Berufung verworfen, am 15.03. noch kein schriftl. Urteil: LG Darmstadt, hier Vorsitzender Richter Volker Wagner (Mi.)

Darmstadt/Hoheneck, 15.03.2016/cw – Am 3. Februar hatte das Landgericht Darmstadt die Revision des Vorstandes gegen das vorhergehende Urteil des Amtsgerichtes Michelstadt verworfen und dieses inhaltlich bestätigt. In dem Urteil war die vom Vereinsvorstand in 2013 durchgesetzte Auflösung des Vereins der ehemaligen Hoheneckerinnen aufgehoben und die Neuwahl des Vorstandes für ungültig erklärt worden. Seither warten die erfolgreichen Klägerinnen, sämtlich ehemalige Hoheneckerinnen, auf das schriftliche Urteil.
„Wir benötigen die Schriftfassung, damit das Registergericht endlich den beantragten Notvorstand einsetzen kann, um Neuwahlen durchführen und damit die Fortführung des seit drei Jahren am Boden liegenden Vereins zu sichern,“ sagte Regina Labahn, die Sprecherin der Klägerinnen, dem Hohenecker Boten.
Das Landgericht erklärte auf Nachfrage, dass man die eingetretene Wartezeit bedauere. Man sei gegenwärtig personell zu stark belastet. Daher könne es zu Verzögerungen in der Urteilsfertigung kommen.

VOS: Vorstand diskutiert über Fortbestand des Verbandes

Berlin, 15.03.2016/cw – Steht der älteste Opfer- und Verfolgtenverband vor dem AUS? Das fragen sich ratlose Mitglieder der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) nach der jüngsten Mitteilung im Vereinsorgan Freiheitsglocke. Erstmals räumt dort der amtierende Vorstand ein, „über das langfristige Weiterbestehen des Verbandes“ ernsthaft diskutiert zu haben. Weit scheint man in der Vorstandssitzung am 15. Januar in Düsseldorf nicht gekommen zu sein, denn der hilflos wirkende Appell an die Mitglieder, deren Meinung und Kritik bisher eher weniger gefragt waren, spricht für sich: „Wer hat Ideen, wer verfügt über ein brauchbares Konzept?“ Für Insider sieht dieser Appell eher nach einer weiteren Legitimierung eigener Unfähigkeit aus, die Probleme des Vereins tatkräftig anzupacken und zu lösen.
So wird die Nichtwahl eines Nachfolgers für den vor einem Jahr zurückgetretenen Vorsitzenden Rainer Wagner vor allem mit fehlenden Vorschlägen aus den Reihen der Mitglieder begründet. Außerdem arbeite der Vorstand auch ohne Vorsitzenden reibungslos, so dass die Neuwahl getrost auf den regulären Termin in 2017 verschoben werden könne. Gegenwärtig amtiert der stv. Vorsitzende und Schatzmeister in Personalunion, Rainer Buchwald, als Vorsitzender.
Die VOS befindet sich seit mehreren Jahren in der jetzt offiziell eingeräumten Existenzkrise. Die bisherigen Vorstände hatten sich unter der Führung des intern als „Graue Eminenz“ eingestuften Hugo D. eher auf ein „Weiter so“ verständigt. Selbst zunächst reformwillige und neue Mitglieder im Vorstand erteilten bereits nach kurzer Amtszeit jeglicher gründlichen Aufarbeitung von Versäumnissen in der Vorstandsarbeit eine Absage: Die Befassung mit der Vergangenheit bringe nichts, man müsse in die Zukunft schauen.

Die Medien berichteten über die Krise, hier der BERLINER KURIER, 29.10.2013

Die Medien berichteten über die Krise, hier der BERLINER KURIER, 29.10.2013

Stunde der Wahrheit – Es geht um 104.000 Euro

Mochte diese Taktik bislang bei den überwiegend in die Jahre gekommenen Mitgliedern verfangen, so steuert der Verband möglicherweise auf eine „Stunde der Wahrheit“ zu: In diesem Monat wird im  Sozialgericht Berlin in der Invalidenstr. 52  über die Klage der VOS gegen die Deutsche Rentenversicherung verhandelt. Grund: Die DRV hatte nach sorgfältiger Prüfung von dem Verein eine Nachzahlung vorenthaltener Sozialabgaben in Höhe von 104.000 Euro zzg. Zinsen verlangt. Gegen diesen Bescheid erhob der Verein Klage und machte geltend, er habe von dieser Abgabepflicht „nichts gewusst“ und sei vielmehr von einem konsultierten Anwalt („leider nur mündlich“) falsch beraten worden. Nun schützt bekanntlich Unwissenheit nicht vor Strafe, in diesem Fall darf aber auch die behauptete Unwissenheit bezweifelt werden. Immerhin befanden sich unter den verantwortlichen Akteuren ein Finanzmakler, der überdies als Hochschultitel „Diplomkaufmann“ angibt und ein langjähriges Vorstandsmitglied, der seine berufliche Ausbildung nach eigenen Angaben in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfallen genossen hat.

Unwissenheit?

Es handelt sich nach Informationen aus dem Verein wohl eher um vorsätzlich praktizierte „Sparmodelle“ zu Gunsten einiger Funktionäre als um eine vorgegebene Unwissenheit der Verantwortlichen. Bereits 2009 wurde der Vorstand auf einen rechtsbedenklichen Vertrag zwischen diesem und dem seinerzeitigen stv. Bundesvorsitzenden, der zugleich Geschäftsführer und Schatzmeister war, aufmerksam gemacht. Dieser hatte zum Zwecke der Alimentierung seiner Geschäftsführungstätigkeit eine Ein-Mann-Firma gegründet, die dann mit dem Vorstand einen Geschäftsbesorgungsvertrag gegen einen monatlichen Festbetrag abschloss. Ein eingeholtes Gutachten vom seinerzeitigen vereinseigenen Anwalt wies klipp und klar einen Rechtsverstoß nach und empfahl eine neue rechtliche Grundlage, über die allerdings nur die Generalversammlung des Vereins beschließen könne. Der seinerzeitige Bundesvorstand wies zunächst eine Änderung mit der Bemerkung zurück, man „könne ja so tun, als wüsste man von dieser Rechtsverletzung nichts.“ Dennoch wurde auf Druck des zitierten Vorstandsmitglieds, der zuvor die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung gefordert hatte, beschlossen, eine schriftliche Entscheidung durch die Delegierten der Generalversammlung einzufordern. Der betroffene Geschäftsführer wurde mit der Durchführung zwar beauftragt, blieb jedoch untätig. Aus Protest trat der seinerzeitige stv. Vorsitzende von seiner Funktion zurück.
Anzumerken bleibt, dass sich der betroffenen Geschäftsführer und ein früherer Bundesvorsitzender darauf beriefen, das ein konsultierter Anwalt den Vertrag vor Vertragsabschluss als rechtmäßig beurteilt hatte. Völlig unberührt davon stand seither auch die Frage im Raum, inwieweit der Geschäftsführer aus seiner vereinbarten Leistungs-Vergütung Sozialabgaben hätte entrichten müssen.

Bewerber beurteilte Bewerbungen

Mitte Dezember 2010 wurden auf der Internetseite des Vereins für die Dauer von vierzehn Tagen vier Beratungsposten „mit akademischer Vorbildung“ ausgeschrieben. Bewerbungen sollten ausschließlich an den seinerzeitigen stv. Bundesvorsitzenden R.L. gerichtet werden. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist teilte die VOS mit, dass der Landesbeauftragte leider nur zwei Beratungsposten finanziere. Diese wurden dann durch den Adressaten für die Bewerbungen und stv. Bundesvorsitzenden und durch ein früheres Bundesvorstandsmitglied, jenen in NRW ausgebildeten Steuerfachmann, besetzt. Die mit dem Landesbeauftragten vereinbarten Vergütungen wurden dann offensichtlich vom Verein an die Empfänger ohne Abzüge durchgereicht. In der Summe dieser Praktiken entstanden dann die jetzt bekannten Forderungen der DRV.

Insolvenzverschleppung?

Der Verein geriet dadurch in zusätzliche Schwierigkeiten. Der zwztl. ebenfalls entlassene Berater und in NRW ausgebildete Steuerfachmann formulierte in einem Rundschreiben an Vereinsmitglieder in Brandenburg eine „nach wie vor drohenden Insolvenz, die noch nicht vom Tisch sei“ (2014).
Zwischenzeitlich hatte der amtierende Vorstand angeregt, zur Sicherung von Vereinsgeldern selbständige Vereine (e.V.) zu gründen bzw. eine Umwandlung der bis dato unselbständigen Landesverbände durchzuführen. Von zwei Landesverbänden ist diese Selbständigkeit bislang offiziell bekannt: Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Seither diskutieren Insider im Verein, inwieweit es sich hier möglicherweise um eine zumindest versuchte Insolvenzverschleppung handeln könnte.
„Ungeachtet der vorherigen Ausführungen stellten Rainer Buchwald als Bundesschatzmeister und Hugo Diederich als Geschäftsführer der VOS klar, dass die Finanzen des Verbandes in Ordnung sind. Wir sind mit unserem Bestand deutlich im Plus,“ so das Organ Freiheitsglocke in seinem jüngsten Bericht über die letzte Vorstandssitzung (FG 759/60, Jan./Feb.2016, Seite 4). Und: „Wir haben endlich (!) einen Termin beim Sozialgericht, um über die Höhe der uns monatlich auferlegten Abführungen zu verhandeln.“ Den Sitzungstermin wollte man aber doch nicht so genau mitteilen; der „Termin findet im März statt, so dass die nächste Fg-Ausgabe über das Ergebnis informieren könnte.“ (FG, ebda.) Immerhin.

UOKG: Verbändetreffen in Potsdamer Landtags-Kantine

Potsdam/Berlin, 12./13.03.2016/cw – Der neue Vorsitzende und Vizepräsident des Brandenburger Landtages, Dieter Dombrowski (CDU), ließ sich nicht lumpen und hatte zur ersten Mitgliederversammlung der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) unter seinem Vorsitz in die Räume des Brandenburger Landtages eingeladen. Auf die im ersten Domizil, der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Ruschestraße gewohnten Häppchen brauchten die von Hamburg bis Bayern angereisten Delegierten nicht zu verzichten. Der Landtag hatte seine Kantine zur Verfügung gestellt und damit die leibliche Versorgung gesichert.

Erstmals unter der Fahne Brandenburgs fand am vergangenen Wochenende die Mitgliederversammlung der UOKG statt. Foto: LyrAg

Erstmals unter der Fahne Brandenburgs fand am vergangenen Wochenende die Mitgliederversammlung der UOKG statt. – Foto: LyrAg

Präsident des Verfassungsgerichtes: Deutliche Worte

Zu Beginn der zweitägigen Veranstaltung am vergangenen Wochenende referierte im sogen. öffentlichen und von der Stiftung Aufarbeitung finanzierten Teil der Präsident des Verfassungsgerichtes Brandenburg, Jes Möller, zu „Fragen und Problemen, welche sich aus den unterschiedlichen Rechtssystemen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland ergeben“.
Möller erinnerte eingangs daran, dass auch in Potsdam am 4. November 1989 eine Demo der Freiheits- und Demokratiebewegung stattgefunden habe. Diese sei aber wegen der gleichzeitigen Demo auf dem Alexanderplatz in Berlin fast in Vergessenheit geraten.
In seinem Referat fand der Präsident, der in der Funktion als Verfassungsrichter „ehrenamtlich“, hauptberuflich dagegen als Sozialrichter tätig sei, deutliche Worte zur ggw. Rechtspflege im Hinblick auf die Situation der von der einstigen Diktatur Betroffenen. Dabei geriet im ersten Teil seines Referates die Problematik um das Fremdrentengesetz (FRG) in den Fokus. Möller erinnerte an die Änderung vom 1.01.1992, die erhebliche Folgen für die Betroffenen gehabt hätten und haben. Hier habe der Gesetzgeber den gegebenen Vertrauensschutz aufgehoben und – nach seiner Meinung – auch das Rückwirkungsverbot missachtet. Es sei bedenklich gewesen, das Schutzbedürfnis der Übersiedler und deren Vertrauen in den Rechtsstaat so zu übergehen. Ottmar Schreiner von der SPD habe dies klar ausgesprochen. Hier habe man rentenrechtliche Probleme „mal eben so geregelt.“
Man hätte den Stichtag für eine Bestimmung der „DDR-Rentner“ aus seiner Sicht durchaus früher legen können, aber die generelle Rückverweisung von bis 1989 in die Bundesrepublik gelangten Übersiedlern in das Rentenrecht der DDR sei unverständlich. Zwischenzeitlich ergangene Urteile auch des Bundessozialgerichtes (BSG) in dieser Sache lägen „total daneben.“
Das Bundesverfassungsgericht (BVG) habe die Rentenanwartschaften recht großzügig ausgelegt, warum sei das BSG darauf nicht eingegangen? Rechtspolitisch seien allerdings auch durch die neuerlichen Beratungen im Bundestag in der nächsten Woche wegen der anstehenden Klage vor dem Bundesverfassungsgericht keine Änderungen vor einer BVG-Entscheidung zu erwarten.
Verschiedene Verbände haben in dieser Sache auf Initiative von Wolfgang Graetz zu einer Protest-Demo am 13. April in Berlin aufgerufen.

Versorgungsausgleich und Bodenreform

Jes Möller, Präsident des Verfassungsgerichtes von Brandenburg, auf der UOKG-Veranstaltung - Foto: LyrAg

Jes Möller, Präsident des Verfassungsgerichtes von Brandenburg, auf der UOKG-Veranstaltung – Foto: LyrAg

In weiteren Teilen beleuchtete Möller den Versorgungsausgleich für geschiedene Frauen und die Bodenreform in der DDR. Einen Versorgungsausgleich habe es in der DDR nicht gegeben. Im Einigungsvertrag sei dies übersehen worden. Die rentenrechtlichen Regelungen seien für diese Frauen (ca. 300.000) nachträglich weg gefallen. Das BVG habe dies jedoch bestätigt.

Komplizierter sei der Umgang mit dem Bodenrecht. In der DDR wurde landwirtschaftlicher Grundbesitz im Erbfall im Rahmen der „Besitzerwechselverordnung“ („Junkerhand in Bauernhand“) dann in Bauernhände gegeben, wenn der oder die Erben keine Landwirte gewesen seien. Durch die folgende Betreibung durch eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) sei häufig keine Änderung im Grundbuch erfolgt. Die Volkskammer habe unter Modrow im März 1990 zwar die Besitzerwechselverordnung aufgehoben. Wenn aber ein landw. Nutzer den Grund ordnungsgemäß erworben hätte (Grundbuch), würden die ursprünglichen Eigentümer keine Rückgriffmöglichkeit haben. Wenn allerdings Grund und Boden wegen ungeklärter Verhältnisse an den Fiskus übertragen werde, sei das „nach meiner Meinung“ nicht ganz einsichtig. „Wenn ich sozialistische Regelungen aufhebe, wo ist dann die Lücke?“ fragte Möller. „Da sind bestimmte Leute begünstigt worden.“ Auch das BVG habe eine Rechtslücke gesehen.

Heimkinder und StrRehaG

Das mit viel Beifall bedachte Referat schloss der Präsident mit dem Thema Heimkinder ab. Laut BVG fallen Heimkinder unter das StrRehaG, wenn es zu Freiheitsentziehungen gekommen sei. Dies habe die Revision einer Entscheidung des OLG Nauen durch das BVG festgelegt. Das OLG „habe einfach nicht in das Gesetz geschaut.“ Man müsse als Gericht auch mal Recht erkennen, also eine umfassende Beweiswürdigung vornehmen, denn auch dort werde gelogen. Man müsse insbesondere der Frage nachgehen: Waren das Heime, waren das Strafeinrichtungen? So habe das OLG Dresden 2014 geurteilt, in Sachen Jugendwerkhof sei kein erhöhter Anspruch auf Vortrag gegeben. Dagegen stellte das BVG fest, das OLG hätte selbst ermitteln müssen. Die OLG´s hätten sich zu Recht „Klatschen vom Verfassungsgericht“ eingehandelt.
Richter und Unrechtsstaat

In der anschließenden, aus Zeitgründen leider zu kurz geratenen Diskussion wurden diverse Fragen angesprochen. Interessant zu erwähnen diese Interpretation eines führenden Juristen auf die Frage, warum so gut wie keine Richter der ehem. DDR wegen Rechtsbeugung belangt werden:
„Wenn in einem Unrechtsstaat Richter entscheiden, ist das „Ausführung“ der bestehenden Ordnung. Nur wenn gegen „bestehendes Recht“ verstoßen wird, ist das Rechtsbeugung.“ Wenn also in der DDR Rechtsbeugung stattgefunden hätte, „wäre die DDR ein Rechtsstaat gewesen.“

Hildigund Neubert zur Zukunft der BstU

Potsdam, 12./13.03.2016/cw – Die ehemalige Landesbeauftragte für Stasiunterlagen und zuletzt Leiterin der Staatskanzlei in Erfurt, Hildigund Neubert, berichtete auf der Mitgliederversammlung der UOKG im Landtag von Brandenburg „Zur Zukunft der Stasiunterlagenbehörde.“ Leider bezog sich die Referentin inhaltlich mehr auf die (den meisten Anwesenden bekannte) Geschichte der BstU als auf deren Zukunft. Das mochte der Verschwiegenheitspflicht für die Angehörigen des Expertengremiums im Deutschen Bundestag entsprechen, das über die Zukunft der Behörde beraten soll und dem Neubert seit dem Ausscheiden von Rainer Wagner angehört. Der Programmgestaltung für die UOKG-Sitzung war dies allerdings nicht förderlich. (Siehe zum Thema nachfolgenden Bericht).

BStU: UOKG-Resolution bestätigt Regierungspolitik

Potsdam/Berlin, 15.03.2016/cw – Von der Mitgliederversammlung der UOKG wurde eine Resolution zur Zukunft der BStU verabschiedet, die im Wesentlichen dem bereits in der Öffentlichkeit bekannten aktuellen Stand entspricht. Danach soll der bisherige Bundesbeauftragte Roland Jahn nach Vorstellungen der ggw. GroKo zum selbständig agierenden Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur mit einem „eigenen Stab“ ernannt werden. Die Unterlagen der BStU sollen hingegen „eigenständig“ in das Bundesarchiv überführt werden, wobei der Zugang wie bisher gesichert werden soll. (Siehe dazu auch unseren Bericht vom 26.02.2016 „SPD-Verweigerung: Jahn erhält Entlassungsurkunde“ https://17juni1953.wordpress.com/2016/02/25/spd-verweigerung-jahn-erhaelt-entlassungsurkunde/ .

In dem Schreiben von Dieter Dombrowski an die Mitglieder der Experten-Kommission, das der Mitgliederversammlung als Resolution der UOKG zur Abstimmung vorgelegt wurde, wurden im Wesentlichen diese bekannten Vorstellungen wiederholt. Kritische Mitglieder der UOKG sehen in dem Papier eine Bestätigung ihrer Befürchtungen, dass mit der Wahl des Landtags-Vizepräsidenten der Dachverband der Opferverbände in ein Zustimmungsgremium der Regierung umgeformt werden solle. Sie können keinen Sinn darin erkennen, durch die UOKG bereits vorhandene Planungen und Vorstellungen der Regierung durch „vorgeblich eigene Forderungen“ zu bestätigen. Aufgabe und Ziel einer Verfolgtenvertretung sei es nach Ansicht der Kritiker, zuvorderst eigene Ansprüche zu formulieren und eigene Ideen einzubringen. Dies schließe die angemessene Zustimmung zu  Maßnahmen für die Anliegen der Opfer der zweiten deutschen Diktatur durch Regierung oder Parlament nicht aus, bedürfe aber nicht eines eigenen zustimmenden Antrages oder eines Schreibens in Form einer Resolution. Das Schreiben Dombrowskis wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Dombrowski erklärt Kranzniederlegung mit Komsomolzen

Berlin/Potsdam, 12./13.03.2016/cw – In der diesmal friedlich verlaufenen UOKG-Versammlung im Potsdamer Landtag wurde der im Oktober vergangenen Jahres als Nachfolger von Rainer Wagner gewählte Dieter Dombrowski in der Diskussion durch den Vorsitzenden der VOK Deutschland, Jörg Moll, mit einer Kranzniederlegung konfrontiert, die der CDU-Politiker um 1985 gemeinsam mit sowjetischen Komsomolzen (Jugendverband der KPdSU) am sowjetischen Ehrenmal in West-Berlin vorgenommen hatte. Moll wollte wissen, warum es zu diesem Vorgang kam, zumal auch Komsomolzen aus der UdSSR, obwohl überzeugte Kommunisten, wie Bürger der DDR vor einem Besuch im Westen gründlich gebrieft worden seien.

Führte locker ud souverän durch die Veranstaltung: Dieter Dombrowski (CDU) - Foto: LyrAg

Führte locker und souverän durch die Veranstaltung: Dieter Dombrowski (CDU) – Foto: LyrAg

Dombrowski erwiderte, er habe „schon damals Kontakte über diplomatische Wege“ zu Widerständlern in der UdSSR gehabt, zumal er über gute Kenntnisse der russischen Sprache verfüge. Daher habe er keine Probleme damit, dass er an dieser Kranzniederlegung teilgenommen habe. Der Landtagsvizepräsident teilte in diesem Zusammenhang unvermittelt mit, er sei von der Landtagspräsidentin auf Unterlagen über diese Vorgänge in seiner Vergangenheit angesprochen worden. Diese habe ihn gefragt, wie sie darauf reagieren solle. Er habe geantwortet, sie solle sich für die Unterlagen bedanken. Er habe dazu nichts zu sagen.

Horst-Wessel-Lied und Hitler-Gruß

Nach Informationen, die der Redaktion vorliegen, soll in den zitierten Unterlagen u.a. auch ein Vorgang aus Dombrowskis Zeiten als JU-Vorsitzender in West-Berlin enthalten sein. Danach habe Dombrowski in den achtziger Jahren eine Fahrt der JU nach Hessen angeführt, auf der das Horst-Wessel-Lied gesungen und der Hitlergruß gezeigt worden sei. In dem folgenden Prozess, der mit Urteilen wegen Volksverhetzung endete, habe der Richter am Amtsgericht Tiergarten verschiedene Zeugenaussagen zu diesem Vorgang als fragwürdig bezeichnet. „Am unglaubwürdigsten sei der Zeuge Dombrowski gewesen,“ wird der Richter in Presseberichten zitiert. JU-Chef Dombrowski hatte als Zeuge vor Gericht versichert, von den nazistischen Vorgängen, die zur Anklage geführt hatten, „nichts mitbekommen“ zu haben.

UOKG-Satzung ohne Änderungsvermerke verabschiedet

Potsdam/Berlin, 12./13.05.2016/cw – Der UOKG-Mitgliederversammlung wurde am vergangenen Wochenende eine neue Satzung zur Abstimmung vorgelegt. Allerdings waren dieser keine Kennzeichnungen der vorgenommenen Änderungen zur bisherigen Satzung beigefügt. Die VOK Deutschland beantragte, deswegen die Abstimmung auszusetzen und die Änderungen den Mitgliedern bis zur nächsten Sitzung vorzulegen.
UOKG-Chef Dombrowski lehnte dies mit der Begründung ab, das Registergericht habe wegen der erfolgten diversen Änderungen in den vergangenen Jahren eine neue Satzung verlangt. Diese sei bereits eingereicht und könne daher nicht mehr geändert werden. Jörg Moll, Vorsitzender der VOK, stellte die Frage nach der vereinsrechtlichen Zulässigkeit dieses Procedere in den Raum.
Die Versammlung ignorierte auf Vorschlag des Vorsitzenden diesen Einwand und verabschiedete die neue Satzung nahezu einstimmig. Nach Beendigung der Mitgliederversammlung wurde der neue Satzungs-Text  auf der UOKG-Seite ins Netz gestellt.
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Titel HB 2014Nr.045 – Einigkeit und Recht und Freiheit – 15. 09.2015 _____________________________________________________________________

Ehem. Heimkinder: Protest im Brandenburger Landtag

Potsdam, 10.09.2015/cw – Rund zehn ehemalige Heimkinder aus der DDR unterbrachen am vergangenen Donnerstag die öffentliche Sitzung des Rechtsausschusses im Brandenburger Parlament. Rund zwanzig Minuten nach Beginn der öffentlichen Sitzung platzte Lutz Adler offensichtlich der Kragen. Lautstark unterbrach der Sprecher der anwesenden Protestgruppe den monotonen Beitrag des Vizepräsidenten am Landessozialgericht Herberth Oesterle, der gerade zur desolaten personellen Situation an den obersten Gerichten Brandenburgs referierte. Adler wandte sich direkt an den anwesenden Landesjustizminister Dr. Helmuth Markov (LINKE) und forderte diesen auf, den Heimkindern „endlich Rede und Anwort“ zu stehen. Markov habe zwar Versprechungen gemacht, diese aber nie eingehalten. Er wäre wohl „lieber Elektriker geblieben, statt Justizminister zu werden,“ führte

Zweite Reihe (stehend): Der Staatssekretär (rechts) versucht, die empörten ehem. Heimkinder zu beruhigen (Mitte Lutz Adler). - Foto: LyrAg

Zweite Reihe (stehend): Der Staatssekretär aus dem Justizministerium (rechts) versuchte, die empörten ehem. Heimkinder zu beruhigen (Mitte Lutz Adler).  Foto: LyrAg

Adler u.a. aus. Er bezog sich damit auf eine Äußerung Markovs ggüb. Demonstranten ehem. Heimkinder vor dem Justizministerium, als sich der ehemalige SED-Politiker damit entschuldigte, er sei „eigentlich nur Elektriker.“ Der gelernte Buchhändler hatte 1970 ein Ingenieur-Studium am Polytechnischen Institut in Kiew absolviert und 1976 als Diplom-Ingenieur für elektrische Antriebe und Automatisierung von Industrieanlagen beendet. 1984 erfolgte seine Promotion zum Doktor-Ingenieur (Quelle:Wikipedia).

Der Ausschuss-Vorsitzende Danny Eichelbaum (CDU) unterbrach die Sitzung, nachdem er den Redefluss von Adler unter Hinweis auf die Usancen von öffentlichen Sitzungen nicht stoppen konnte. Mehrere Ausschuss-Mitglieder verließen daraufhin demonstrativ die Sitzung. Während auf der linken Seite offensichtlich süffisante Bemerkungen ausgetauscht wurden, zeigte sich auf der rechten Seite die Vertretung der CDU offenbar betroffen, wie an den ernsten Gesichtern abzulesen war.

Nach dem Eklat im Ausschuss Demo vor dem Landtag . Foto: LyrAg

Nach dem Eklat im Ausschuss Demo vor dem Landtag . Foto: LyrAg

Bevor die einstigen Heimkinder nach Diskursen mit dem Pressesprecher einerseits und dem Staatssekretär im Justizministerium andererseits den Sitzungssaal verließen, forderte Lutz Adler den Justizminister auf, zum Anlass des Protestes Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte vor gut einem Jahr eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Brandenburg kritisiert bzw. aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen, wonach einem ehem. Heimkind die Anerkennung als Opfer der SED-Diktatur versagt worden war, ohne daß die Aktenlage seitens des Gerichtes  überprüft worden war. Dieses sei gehalten, eigene Untersuchunge anzustellen, so das BVG. Seither wartet die betroffene Klägerin auf eine neue Verhandlung oder zumindest eine Reaktion der Justiz in dieser Sache, was die Protestanten als „einen von vielen in einer unendlichen Kette von Skandalen um die Rehabilitierung von Opfern“ bezeichneten.

Der Justizminister beschied Adler mit der lapidaren Antwort, die Sitzung sei unterbrochen, er könne daher keine Stellungnahme zu den Vorhaltungen abgeben.

Die ehemaligen Heimkinder, unter diesen Mitglieder der Vereinigung 17. Juni in Berlin, setzten ihren (angemeldeten) Protest vor dem Eingang des Landtages mit zahlreichen mitgeführten Transparenten und unter Einsatz eines Megaphons bis in die Nachmittagsstunden fort.

Heimkinder: Verfügung für den Todesfall treffen

Berlin/Köln, 15.09.2015/cw – Tragische Todesfälle ehemaliger Heimkinder in diesem Jahr, die noch vor dem Empfang von Entschädigungsleistungen verstarben, veranlassten jetzt ehemalige Heimkinder, gegenüber der zuständigen Beratungsstelle eine Erklärung für den Todesfall abzugeben. In mehreren Fällen hatte der Heimkinderfonds die Übernahme von Beisetzungskosten abgelehnt, weil diese nicht direkt den (verstorbenen) Heimkindern zukommen würden. In Einzelfällen waren hingegen die Beerdigungskosten übernommen worden, weil entsprechende Verfügungen vorlagen.

Tatjana Sterneberg, ehemaliges Heimkind (Ost) empfiehlt daher Betroffenen, sofern diese registriert worden sind und/oder bisher keine Leistungen bezogen oder diese ausgeschöpft haben, schriftlich folgende kurze Erklärung ggüb. dem Fonds (jeweilige Beratungsstelle) abzugeben:
Ich beziehe mich auf meinen bei Ihnen vorliegenden Antrag auf Entschädigung vom …. Vorsorglich beantrage ich für den Fall meines Todes, die beantragten und zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Anspruch genommene Leistungen für eine würdige Beisetzung meiner sterblichen Überreste einschließlich eines Grabsteines zu verwenden. Ich bitte um eine kurze Bestätigung.

UOKG bleibt in CDU-Hand – Im Oktober Neuwahl des Vorstandes

Potsdam/Berlin, 15.09.2015/cw – Entgegen den ursprünglichen Absichten wird nach dem Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden der UOKG, Rainer Wagner, nun nicht nur dessen Nachfolger gewählt. In einer Mitteilung auf der Homepage teilt der Dachverband mit, das das dritte UOKG-Verbändetreffen im Jahr 2015 am Wochenende 17. und 18. Oktober 2015 stattfindet und neben wissenschaftlichen Referaten zum Diktaturapparat der DDR „die Wahl des neuen Vorstands“ durchgeführt wird.

Um die Nachfolge des im April „aus gesundheitlichen Gründen“ zurückgetretenen Wagner hatte es auf diversen Ebenen rege Diskussionen gegeben. Mehrere herausragende Persönlichkeiten, wie Roland Jahn (Bundesbeauftragter Stasiunterlagen), Hildigund Neubert, ehem. Landesbeauftragte (CDU) oder Stefan Hilsberg (vormals SPD) sollen eine Kandidatur „aus persönlichen Gründen“ abgelehnt haben. Der amtierende Vorstand hatte indes auf der letzten Verbänderunde im Juni lediglich eher sybillinisch erklärt, dass auf dem nächsten Treffen ein Kandidat vorgestellt werden würde.

Neuerdings tauchte unter den kursierenden Kandidaten neben der ehemaligen Leichtathletin und Doping-Expertin, Professorin Ines Geipel (angefragt) auch der Name des amtierenden Vizepräsidenten des Brandenburger Landtages Dieter Dombrowski (CDU) auf. Auf Nachfrage unserer Redaktion bestätigte Dombrowski seine Kandidatur für die Nachfolge Rainer Wagners als Chef der UOKG. Der CDU-Politiker sagte ggüb. unserer Redaktion, Roland Jahn habe ihn eindringlich von einer Kandidatur für dieses Amt überzeugt. Er bringe überdies neben seiner politischen und organisatorischen Erfahrung auch seine Vita als einstiger politischer Verfolgter (Cotbus) ein. Zu weiteren Einzelheiten wollte sich Dombrowski am Donnerstag letzter Woche im Brandenburger Landtag nicht äußern. Er werde auch bis zur Wahl keine Erklärungen abgeben.

Insider bedauern indessen, dass der amtierende Vorstand die Wahlen wohl als „Vorstandssache“ behandele und die ansonsten betonte Mitwirkung der Mitgliedsverbände offenbar nicht erwünscht sei. Jedenfalls ist von einer Aufforderung an die Mitgliedsverbände, sich aktiv an der Benennung eines Wagner-Nachfolgers oder jetzt des gesamten Vorstandes zu beteiligen, bislang nichts bekannt. Nach letzen Informationen soll mindestens einer der bisherigen Stellvertreter nicht mehr zur Wahl antreten.

Dublin ursächlich für das gegenwärtige Chaos in Ungarn

Ein Einwurf von Christian Richter, Berlin

Szeged/Ungarn, 10.09.2015/ChR – Der eigentliche Zweck meiner Ungarnfahrt ist ein Vortragsprojekt über den ungarischen Reformator Benedict Abadi zum 5OOjährigen Reformationsjubiläum in 2O17, den ich mit einem Literatur-Professor in Szeged in den Bibliotheken sitzend erarbeite.

Heute war ich von 10:00-13:00 Uhr an der grünen Grenze, an der Eisenbahnstrecke Subotica-Serbien nach Szeged-Ungarn in der Nähe der Ortschaft Röszke verlaufenden, die Grenze überquerenden Bahnlinie. Fünf Meter rechts und links der Gleise steht der fertige Zaun, das Loch im Zaun ist das Nadelöhr des Stromes in Europas Mitte. Leichter Nieselregen, aber unaufhörlich kommen Trupps von Flüchtlingen über den Bahndamm und die Gleise auf das ungarische Gebiet. Dort ist ein befestigter Grenzweg auf ungarischer Seite. Lkw stehen da, Arbeiter machen letzte Arbeiten am Zaun, viel Polizei. Diese lässt die Trupps weiter laufen bis zu einer Fernstrasse, dort ist die Auffangstation: Viele Helfer, Zelte mit Nahrungsversorgung. Viele Busse stehen bereit, sollen die Flüchtlinge in die Camos zu Registrierung bringen.

Das Problem: Fast 1OO Prozent der Flüchtlinge wollen sich nicht registrieren lassen. Sie alle kommen über die grüne Grenze, nicht über die Grenzübergänge, und die ungarischen Behörden sind bei diesem Ansturm völlig überfordert. Laut Dublin-Abkommen muss das erste EU-Land Asylsuchende Flüchtlinge registrieren, wenn sie über die Schengengrenze in die EU „einreisen“. Aber alle sind quasi illegal, deshalb erfolgt auch keine planmäßige Versorgung durch die Behörden und deshalb auch dieses Chaos in Budapest am Ostbahnhof. Alle Flüchtlinge sind dort illegal über die Grenze gekommen und nötigen quasi alle damit Betroffenen nur zum Zweck der Erzwingung der Fahrt Richtung Deutschland.

Aussenseiter? Momentaufnahme in der Wilmersdorfer Str. in Berlin - Foto: LyrAg

Aussenseiter? Momentaufnahme in der Wilmersdorfer Str. in Berlin – Foto: LyrAg

Ich war schon betroffen, als ich zusammen mit Schweizern am Aluzaun stand. Aber hier macht Ungarn, wie so oft in der Geschichte, die „Dreckarbeit“ für Europa. Man hackt auf Ungarn, weil das Land neue Grenzzäune baut, aber Ungarn erfüllt nur die EU-Gesetze des Schutzes der EU-Außengrenzen, was Merkel deutlich im Berliner TAGESSPIEGEL am 2.9. verlangte: „Die Dublin-Vereinbarungen müssen eingehalten werden“.

Wir sehen die Probleme auch in Italien und Griechenland. Ich sah viele Familien mit Kindern, wollte spontan einem Vater für seine drei Kinder 5.OOO Forint geben, ca. 17 Euro. Er lehnte dankend ab, in englisch, er hätte mehrere Tausend Euro bei sich. Ich las Personaldokumente auf, zerrissen, nass, werde sie trocknen… Diese werden weggeworfen um sich nicht identifizieren zu müssen…Warum lassen sich die tausenden Flüchtlingen nicht registrieren? Polizisten sagten mir, in spätestens vier Monaten kommen diese alle zu Euch!

Ursachen-Diskussion ist mühselig. Jahrelang schaute die Welt, die UNO, die EU zu im Irak, Afghanistan, Syrien, es passierte nichts. In der Griechenland-Finanzkrise jagten sich die hochkarätigsten Konferenzen, jetzt werden mühsam Termine unwillig in dieser Asylfrage vereinbart, habe ich eben im ungarischen TV gehört. Die USA sagen, Europa soll allein mit der Flüchtlingsfrage fertig werden. Dabei haben sich doch die USA in allen Brennpunkten dominant eingeschaltet und das heutige Dilemma in Gang gesetzt!

Ich sehe deutsche Nachrichtensendungen und parallel werden mir die ständigen ungarischen Berichte live übersetzt. In Deutschland wird offenbar vieles verschwiegen, ich bin über diese Informationspolitik entsetzt. Am Montag will ich mit dem Nachtzug nach Berlin zurückfahren vom Keleti-Ost-Bahnhof Budapest. Mal sehen, was mich da erwartet. Ich habe viele Fotos gemacht.

P.S.: Im Ungarischen gibt es die Redewendung: „Wenn der Gast zur Türe herein kommt, ist er willkommen, wenn er durch das Fenster einsteigt, ist er kein Gast.“ Alle Staaten Europas sind dringend auf den Schutz der Außengrenzen angewiesen.

Kommentar                                                                                                                         Völkerwanderung in 2015: Ängste ernst nehmen – Hass-Ausbrüche ablehnen

Von Carl-Wolfgang Holzapfel

Christan Richter, ehemals politischer Gefangener in der DDR, beschreibt authentisch aus eigener Wahrnehmung, noch dazu vor Ort. Ist er deswegen ein Rechter oder – schlimmer – ein Nazi? Mitnichten. Wir müssen aufpassen, nicht durch unbedachte und leichtfüßige Wortwahl zweifellos vorhandene Nester von Extremismus zu düngen und damit erst groß zu machen. Wir müssen Ängste ernstnehmen, nur dann können wir berechtigte Sorgen in eine dringend erforderliche Lösung einbinden.

Was sich hier in Europa derzeit abspielt, ist nicht mehr mit dem Begriff „Flüchtlinge“ zu verallgemeinern. Es handelt sich um eine längst einsetzende Völkerwanderung, deren Auswirkungen mit den bisherigen Handhabungen nicht in den Griff zu bekommen sein werden. Die Frage ist nicht mehr: Nehmen und  w i e  nehmen wir notleidende Menschen auf? Die Frage ist: Wie gehen wir mit dem Phänomen einer Völkerwanderung in der Neuzeit um?
Je eher unsere Politiker den Mut haben, dieses Problem offen anzusprechen, um so eher werden sie jeden Anflug von Extremismus im Keim ersticken. Wenn unser Bundespräsident öffentlich, nichts desto weniger hilflos wirkend verkündet: „Wir werden Lösungen finden,“ klingt das eher nach einem Pfeifen im Walde als nach einer klaren Ansage. Wir brauchen kein „Weiter so!“ mit der unterlegten Hoffnung auf eine Irgend-wann-Lösung. Wir brauchen die klare Ansage, daß hier eine Sondersitzung der UN-Vollversammlung einberufen werden muß und daß die EU hier vor ihrer wirklichen Bewährungsprobe steht. Ein europäischer Kongress, auf dem sowohl die Regierungen als auch Vertreter der gewählten Parlamente eine Mitsprache haben, sollte analog zur erforderlichen UN-Sondersitzung einberufen werden.
Nur wenn wir handeln, wenn wir ein europäisches und weltweites Fundament bauen, mit dem wir die Völkerwanderung, ihre Ursachen und deren Folgen bewältigen können, werden unsere Absagen an jedwede Hass-Ausbrüche gegen Menschen, die vor Not und Gewalt fliehen, mehr, als leere Phrasendrescherei, mit der wir lediglich eigene Ängste kaschieren. Hass ist ebenso wenig eine Antwort, wie der hilflos wirkende Druck auf die Tränendrüse, der als Alternative verkauft wird.

High Noon in Stollberg – Förderverein vor Neuwahlen

Stollberg/Hoheneck, 15.09.2015/cw – Nachdem der erste Förderverein, gegründet nach dem Besuch des Bundespräsidenten Christian Wulff im Mai 2011 in diesem Jahr auf eigenen Antrag aus dem Vereinsregister gelöscht wurde, engagiert sich nur noch ein Förderverein vor Ort für die Schaffung einer Gedenkstätte im ehemaligen Frauenzuchthaus Hoheneck. Dietrich Hamann, einst Mitbegründer des ersten Fördervereins, hatte diesen kurz nach der Gründung nicht zuletzt auf massiven Druck von Außen verlassen und den zweiten Verein 2012 mitbegründet. Seither hat der Verein allerdings vielfache interne Auseinandersetzungen ausfechten müssen, die schließlich zum Rücktritt Hamanns im Frühjahr 2014 „aus gesundheitlichen Gründen“ geführt hatten. Eine ohnehin anstehende Neuwahl in 2015 war an formalen Fehlern gescheitert, eine Eintragung ins Vereinsregister nach diversen Protesten nicht erfolgt.

Nunmehr sollen auf Anregung des Registergerichtes durch den im Register eingetragenen Vorstand (Jens Franz und Heike Opitz) im Oktober Neuwahlen durchgeführt werden. Beobachter sehen in der ordnungsgemäßen Durchführung die letzte Chance für den Verein, an der Konzeptionierung und dem Ausbau einer würdigen Gedenkstätte mitwirken zu können. Die Große Kreisstadt Stollberg unter OB Marcel Schmidt hatte bereits aufgrund der Querelen zumindest vorübergehend alle Aktivitäten um die Gedenkstätte an sich gezogen.

Wer für den Vorstand kandidiert und ob der umstrittene Dietrich Hamann noch einmal für den Vorsitz antritt, war bei Redaktionsschluss (14.09.) nicht bekannt. Hamann muß sich unterdessen wohlmöglich einer gerichtlichen Auseinandersetzung stellen. Er hatte in einer breit gefächerten Mail an Mitglieder des Vereins, unter diesen Mitglieder des Bundestages und (ehemals) des Landtages in Dresden Verleumdungen gegen einstige politische Verfolgte verbreitet und sieht sich nun jüngst mit einer Aufforderung zur Unterlassung konfrontiert. Am 11.September hat der streitbare Funktionär eine entsprechende Erklärung abgelehnt.

Hat der Frauenkreis ehem. Hoheneckerinnen Chancen auf Neubeginn?

Darmstadt, 15.09.2015/cw – Das Amtsgericht Darmstadt hat in einem jüngsten Schreiben die Initiative für Neuwahlen im Frauenkreis unter Führung von Regina Labahn aufgefordert, Nachweise vorzulegen, dass der bisherige Vorstand Aufforderungen zu Neuwahlen im Frauenkreis der ehemalige Hoheneckerinnen abgelehnt hat. Das Gericht wolle nach Vorlage ggf. über die von den Klägerinnen beantragte Einsetzung eines Notvorstandes entscheiden.

In der Tat sehen viele ehemalige „Hohenecker Frauen“ in einer baldigen Neuwahl und damit beabsichtigten Befriedung im Verein die letzte Chance auf einen Neubeginn. Die Altersstruktur der aktuellen Mitglieder ließen „keine unendliche Vertagung dieser wichtigen Entscheidung auf den Nimmerleinstag“ zu, sagte eine der Klägerinnen ggüb. unserer Redaktion.

Landgericht Berlin: UOKG verliert Rechtsstreit um Verleumdungen

Berlin, 15.09.2015/cw – Der Dachverband der Opferverbände, UOKG, hat auch die zweite Stufe in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin verloren. In einer von Interessierten gut besuchten Verhandlung wies die 27. Kammer den Einspruch gegen eine einstweilige Unterlassung ab. In dieser  war der UOKG untersagt worden, einen angeblichen Beschluss der Mitgliedsverbände vom Juni 2015 weiterhin zu verbreiten. In diesem offenbar von dem einstigen Justiziar der UOKG Florian K. entworfenen und verbreiteten Beschluss waren gegen den Vorsitzenden der Vereinigung 17. Juni und verantwortlichen Redakteur des Hohenecker Boten Vorwürfe kolportiert worden, die einer rechtlichen Beurteilung nicht standhielten.

Warum der amtierende UOKG-Vorsitzende die Vorhaltungen der Kammer ignorierte und den Vorschlag einer Rücknahme des Widerspruchs aus Kostengründen wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit  ablehnte, wird dieser wohl den Mitgliedern zu erklären haben. Ohnehin hatte einer der beisitzenden Richter an die UOKG – wenn auch vergeblich – appelliert, sich doch „eher den eigentlichen Aufgaben der Vertretung von Kommunismus-Opfern“ zu widmen, als hier einen „kostspieligen Krieg gegen Herrn H.“ zu führen. Die UOKG verwende schließlich “gemeinnützige Gelder.“

Eine Entscheidung über die beantragte Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die UOKG steht hingegen noch aus, nachdem der Dachverband offenbar nicht alle Auffindungsquellen im Internet zu dem untersagten Beitrag gelöscht hatte.

Sachsenhausen: Verein will keinen Streit importieren

Oranienburg/Sachsenhausen, 15.09.2015/cw – Bei schlechtem, weil kaltem und regnerischem Wetter fand das diesjährige Herbsttreffen der Lagergemeinschaft Sachsenhausen 1945-1950 im ehemaligen NS-KZ Sachsenhausen statt. Die Sowjets hatten die nationalsozialistische Einrichtung zur Verfolgung und Vernichtung politischer Gegner für den gleichen Zweck nach 1945 bis 1950 für sich genutzt. Über 12.000 Menschen waren in diesen fünf Jahren unter den unmenschlichen Bedingungen gestorben. Dieser Teil der KZ-Geschichte war unter dem DDR-Regime kontinuierlich verschwiegen, hingegen die NS-Vergangenheit in den Vordergrund gestellt worden.

In Sachsenhausen setzten die Sowjets das düstere NS-KZ-Kapitel nach 1945 fort - Foto: LyrAg

In Sachsenhausen setzten die Sowjets das düstere NS-KZ-Kapitel nach 1945 fort – Foto: LyrAg

Nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung bemühte sich der Verein in langjährigen und „teilweise zermürbenden Verhandlungen“, so die langjährige Vereins-Vorsitzende Gisela Gneist, um die Einbeziehung der Opfer des kommunistischen Terrors in das Gedenken. Gneist, 2007 verstorben, hatte selbst einige Jahre als Vierzehnjährige im KZ Sachsenhausen  verbringen müssen.

Zu dem Treffen waren wieder zahlreiche Mitglieder erschienen. Einmal mehr präsentierte sich der Verein in der Öffentlichkeit als einer der wenigen verbliebenen Verbände, die frei von internen Querelen ihrer wichtigen und damit überzeugenden Aufgabe der historischen Erinnerung nachgehen. Der wiedergewählte Vorsitzende Joachim Krüger (MdA Berlin, CDU) wies denn auch in der gut besuchten Mitgliederversammlung unter Beifall darauf hin, dass sich die Lagergemeinschaft nicht an den „leider üblich gewordenen Auseinandersetzungen“ in der Opfer-Szene beteiligen wolle. Auch der übrige bisherige Vorstand wurde durch Wiederwahl in seinen bisherige Positionen bestätigt. Lediglich im Beirat gab es unwesentliche Veränderungen.

Lenin-Kopf in Berlin: Wann wird Hitler-Kopf ausgegraben?

Berlin, 15.09.2015/cw – Unter großem medialen Getöse wurde der Kopf der nach der Wende gestürzten und im märkischen Sand verbuddelten Lenin-Statue wieder ausgegraben und feierlich in die Zitadelle nach Spandau verbracht. Dort soll der Kopf im Rahmen einer Ausstellung dauerhaft präsentiert werden.
Opfer und Verfolgte der Diktatur sind von dem Vorgang wenig begeistert. Für die Vereinigung 17. Juni in Berlin ist Lenin der Anführer und Begründer des Bolschewismus, der weltweit über 100 Millionen Todesopfer gefordert hat. Es stelle sich die traurige Frage, wann im märkischen Sand oder anderswo nach Büsten oder Überbleibseln von Hitler-Statuen gegraben werde. Den NS-Opfern wäre eine solche Präsentation ebenso wenig zuzumuten wie den Opfern des Kommunismus die Lenin-Statue. (1.029).
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Hinweis: Die bisherigen Ausgaben des Hohenecker Boten können unter http://www.17juni1953.de abgerufen oder direkt bei der Redaktion gegen Kostenbeitrag bestellt werden (Redaktion: Siehe Impressum). Die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. hat der Redaktion Gastrecht auf der Homepage eingeräumt, der Verein ist für die Inhalte nicht verantwortlich. Namentlich gezeichnete Artikel geben die Meinung des/der Verfasser/Verfasserin wieder.
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VEREINIGUNG (AK) 17.JUNI 1953 e.V. Berlin
(Ehem. „Komitee 17.Juni“ von 1953)

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