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Berlin, 08.08.2019/cw – Im Zusammenhang mit der Aktion zum 30.Jahrestag der „Lebendigen Brücke“ : „WIR“ statt „IHR“ am Checkpoint Charlie (12.08.2019, 11:00 Uhr) erreichten mich zahlreiche Anfragen über meinen Weg zum gewaltlosen Widerstand gegen die Mauer. Bis zum 12. August werde ich an dieser Stelle Stationen auf diesem Weg und aus dem Kampf gegen die Berliner Mauer schildern. (11 -Teil 10 siehe 07.08.2019).
Mein Selbstbewusstsein war mit der Demonstration am 17. Juni 1965 erneut gewachsen. Der Weg des Gewaltlosen Widerstandes, des friedlichen Protestes gegen ein unfriedliches System erschien mir ob der offenbaren Hilflosigkeit der DDR-Organe gegenüber dieser Form des Protestes als richtig.
Ein anderes Problem wurde damit aber nicht geringer. Die Fortführung einer solchen Demonstration mußte ständig kreativ gestaltet, also für die Öffentlichkeit interessant sein, um die notwendige Aufmerksamkeit für dieses wichtige Anliegen wachzuhalten. So kam ich nach der letzten Demonstration am 17. Juni auf den Gedanken, in mehreren Großstädten der (alten) Bundesrepublik Unterschriften für die Freilassung politischer Gefangener zu sammeln. Ich wollte damit in Hamburg beginnen und das täglich über Hannover, Frankfurt, Nürnberg, München und Stuttgart und anderen Städten fortsetzen. Das bedurfte einer strategischen Logistik, die im Vergleich zu heute rückwirkend recht mühsam erscheint. Zwölf Städte mussten via zuständiger Ordnungsbehörden angeschrieben und um Erlaubnis gebeten werden, alles mit Schreibmaschine und Marsch zum Postamt. Facebook, Twitter oder Emails gab es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht.
Helmut Schmidt engagierte sich für das Anliegen
Bis auf zwei Städte, Hamburg und Kassel, gab es seitens der Behörden keine großen Schwierigkeiten. Hamburg widersprach zunächst der Absicht, die Unterschriften vor dem Hamburger Rathaus einzuwerben, weil es sich dort um die sogen. Bannmeile handelte. Kassel wiederum wandte ein, ich hätte in Berlin verbotene NS-Symbole verbreitet, hätte also einen rechtsradikalen Hintergrund. Tatsächlich hatte ich in einem Wahlkampf in Berlin die Brillengläser des damaligen SEW-Vorsitzenden Gerhard Danelius (* 02.04.1913; † 18.05.1978) auf Wahlplakaten der kommunistischen Partei mit roten Hakenkreuzen bemalt, um die Übereinstimmung beider Diktaturen zu kennzeichnen. Die SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin) war ein Ableger der SED. In diesem Zusammenhang war ich auch in der Weddinger Brunnenstraße von einer zehnköpfigen kommunistischen Schlägertruppe zusammengeschlagen worden.

Die Vereinigung 17.Juni unterstützte von Beginn an die Aktionen an der Mauer. Das „V“ in der Vereinsfahne stand/steht für „Victory“ – Sieg (der 1989 errungen wurde) – Foto: LyrAgRH
Im Fall Hamburg ergab sich hingegen ein direkter Weg. Auf einer Wahlveranstaltung im historischen Berliner Sportpalast trat unter anderem der Innensenator der Hansestadt und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt (* 23.12.1918; † 10.11.2015) auf. Ich nutzte die Gelegenheit, den Innensenator in der ersten Reihe anzusprechen, während ein anderer Politiker sprach. Schmidt hörte sich mein Anliegen geduldig an und wandte dann ein, dass man vor dem Hauptbahnhof wesentlich mehr Unterschriften einsammeln könnte. Unter Hinweis auf meine Ortskenntnis, weil ich 1961 in Hamburg gewohnt hätte, gab ich Folgendes zu bedenken: Zweifelsohne hätte der Senator mit seiner Bemerkung recht, andererseits würde die Ermöglichung einer Unterschriften-Sammlung vor dem Rathaus auch ohne jegliche Erklärung des Hamburger Senates der anderen Seite, sprich der DDR, die stillschweigende aber wichtige Unterstützung der Stadtspitze für dieses Anliegen signalisieren.
Nach kurzer Überlegung erklärte Helmut Schmidt, meine Argumente würde ihm einleuchten. Er übergab mir seine private Visitenkarte und bat mich, eine kurze Zusammenfassung zuzusenden. Er würde schnellstmöglich antworten. Helmut Schmidt hielt Wort. Knappe drei Wochen später hielt ich sein Schreiben in der Hand, in dem er mir die Unterstützung der Hansestadt bestätigte.
Über 6.000 Unterschriften aus 26 Nationen
Schließlich konnte ich im August meine zweiwöchige Reise durch zwölf Großstädte antreten. Zu Beginn hatte sich Ernst Lemmer am Rande einer Kundgebung vor dem Ernst-Reuter-Haus in der Straße des 17. Juni in Berlin als erster Politiker in das Unterschriftenbuch eingetragen. In jeder Stadt begann ich die Aktion mit einem Besuch im jeweiligen Rathaus, um – meist mit Erfolg – zunächst die Unterschrift des jeweiligen Oberbürgermeisters einzuholen. Das erschien mir wichtig, um die Bürger ebenfalls zu einer Unterschrift zu animieren.

Die stete Erinnerung an die NS-Verbrechen war auch Motiv für den Kampf um die Menschenrechte . Foto: Gedenken am Steinplatz in Berlin – LyrAg/RH
Noch heute bin ich erstaunt über die Bandbreite. Neben dem ehemaligen Bundesjustizminister Ewald Bucher, FDP (* 19.07.1914; † 31.10.1991) unterzeichnete eine ehemal. Altistin der Budapester Staatsoper, ein Offizier aus dem ehem. Königlich-Ungarischen Generalstab, der bekannte OB von Frankfurt am Main, Prof. Willi Brundert (* 12.06.1912; † 07.05.1970) und die Bürgermeister zahlreicher weiterer Städte, wie Nürnberg und München. Später, nach meiner Verhaftung am Checkpoint Charlie, trug sich auch Bundeskanzler Ludwig Ehrhardt (* 04.02.1897; † 05. 05.1977) am 1. Mai 1966 in Berlin in das Unterschriftenbuch ein.
Eine Auswertung nach meinem „Urlaub“ ergab: Menschen aus 26 Nationen hatten die Forderung auf Freilassung der politischen Gefangenen in der DDR unterzeichnet. So groß meine Freude darüber war, brachte mich dieses Ergebnis in ein echtes Dilemma: Auf der einen Seite stand für mich klar die einzige mögliche Forderung auf einem neu zu erstellenden Protestschild fest: „Menschen in aller Welt fordern: Freiheit für Harry Seidel und 14.000 politische Gefangene“. Diese Forderung mußte daher am sogen. Ausländerübergang am Checkpoint Charlie vorgetragen werden. Auf der anderen Seite hatten mir die West-Alliierten „ihren Checkpoint“ für Demonstrationen „gleich welcher Art“ strikt untersagt. Der Inspektionsleiter von Wedding hatte mir eigens diese alliierte Anordnung auf der Arbeitsstelle bei der Vereinigten Verkehrs-Reklame (VVR/BVG) in der Müllerstraße überbracht.
Eine Verhaftung stand im Raum
Meine bisherige Praxis, jede Demonstration eine Woche vorher öffentlich anzukündigen, um dem Adressaten der vorgetragenen Forderung die „Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren, also (möglicherweise) auf die Forderung einzugehen“ (Gandhi) konnte ich diesmal nicht umsetzen. Ich wäre Gefahr gelaufen, morgens um 6:00 Uhr von der (West-)Berliner Polizei in der Wohnung abgeholt und in sogen. Sicherungsverwahrung genommen zu werden.
So konnte ich also nur einen ganz kleinen und vor allem vertrauensvollen Kreis einweihen. Allerdings war mir auch bewusst, dass die geplante Demonstration aus den gen. Gründen diesmal durchaus mit einer Festnahme durch DDR-Grenzer enden konnte. Denn diese wüssten ja durch die unterbliebene Ankündigung zunächst nicht, wer dort über die Sektorengrenze kam. Sie würden zunächst einen „unbekannten Provokateur“ festnehmen.
Auch dies machte eine sorgfältige Vorbereitung notwendig, denn sowohl meine Wohnung mußte gesichert werden, meine Angehörigen wie meine Arbeitstelle auf eine mögliche „längere Abwesenheit“ vorbereitet werden.
-Wird fortgesetzt-
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Berlin/Chemnitz, 7.12.2017/cw – Am 16. Juni 2017 starb Helmut Kohl, der unbestritten als der „Kanzler der Einheit“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Darüber hinaus war er der am längsten im Amt befindliche Bundeskanzler (1982 – 1998), überholte damit sogar den legendären ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer (1949 – 1963).
Die Ehrung legendärer Persönlichkeiten der Zeitgeschichte durch die frühzeitige Benennung von Straßen und Plätzen ist nicht ungewöhnlich, obwohl die einschlägigen Bestimmungen oft zeitliche Mindestanforderungen vorsehen. So sieht das Berliner Straßenbenennungsgesetz eine „Wartezeit“ von fünf Jahren zwischen Tod und Benennung im Straßennetz vor. Allerdings sind Ausnahmen zugelassen.
Während sich die Hauptstadt mit einer Ehrung Helmut Kohls noch schwer tut – auch Helmut Schmidt hat in Berlin zwei Jahre nach seinem Tod (2015) bisher keine Ehrung erfahren – wird andernorts bereits heftig über eine Straßenbenennung diskutiert. Die FREIE PRESSE berichtete am gestrigen Mittwoch über den heftigen Disput in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt, nach der Wiedervereinigung wieder mit dem alten Namen Chemnitz benannt. Während die Fraktionsgemeinschaft CDU/FDP im Stadtrat bereits Mitte August den Vorschlag einbrachte, einen Platz oder eine Straße nach Helmut Kohl zu benennen, fühlten sich die anderen Fraktionen, vor allem SPD, Linke und Grüne überrumpelt. SPD-Fraktionschef Detlef Müller: „Bislang war es immer üblich, einen Konsens zu suchen, bevor ein solcher Vorschlag öffentlich gemacht wird.“
Erinnerung an DDR-Propaganda-Sprache
Müllers weitere Argumentation erinnert allerdings fatal an ähnliche Argumente der SED-Nachfolger im Zusammenhang mit Straßenumbenennungen: Man habe seit 1990 in der Stadt „bewusst darauf verzichtet, Straßen und Plätze nach Politikern der jüngsten Geschichte zu benennen.“ Auch die dominierende linke Mehrheit in Strausberg bei Berlin wehrte sich bisher erfolgreich gegen Forderungen, die Straße eines Mauerschützen nach dem in Strausberg geborenen Stasi-Mauer-Opfer Michael Gartenschläger umzubenennen. Begründung: Man habe genug von politisch insistierten Straßenbenennungen in der Vergangenheit. Höhnischer oder zynischer geht es kaum noch.
Zurück nach Chemnitz: Nachdem der erste Vorstoß der konservativen Fraktionsgemeinschaft nicht die erforderliche Mehrheit erreicht hatte, hat der Stadtrat am gestrigen Mittwoch über den Antrag von Rot-Rot-Grün abgestimmt, anstelle der abgelehnten Helmut-Kohl-Straße nunmehr den Platz vor dem neuen Technischen Rathaus in der Bahnhofstraße als „Friedensplatz“ zu benennen. Die Mehrheit stimmte diesem Antrag zu. SPD-Fraktionschef Müller hatte den Antrag im November so begründet: „Man hebe nicht einzelne Personen hervor, sondern werde allen gerecht, die bedeutende Beiträge für Frieden und Freiheit in Europa geleistet haben.“ Es liegt nahe, dass sich auch hier viele Bürger an die sattsam bekannte, von der SED dominierte Propaganda in der DDR erinnert fühlen.
Der Kanzler der Einheit wird wohl noch einige Zeit in seinem Grab ruhen müssen, ehe ihm seine Nachkommen ein sichtbares Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung für seine unzweifelhaften Verdienste setzen werden. Denn immerhin dominieren in der ehemaligen DDR nach wie vor Namen, die für die Inhalte der Zweiten Deutschen Diktatur stehen: Von den Wilhelm-Pieck- bis zu den Ernst-Thälmann-, Karl-Marx- und Friedrich-Engels-Straßen. Auch das ist Deutschland anno 2017.
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Münster/Güstrow, 11.11.2015/cw – Die Onlineseite „Kirchensite.de“ des Bistums Münster erinnert an den Besuch des gestern verstorbenen Helmut Schmidt (96) am 13. Dezember 1981 im Güstrower Dom. Der Besuch des Bundeskanzlers in Begleitung von Erich Honecker versetzt die DDR-Sicherheit in Alarmstimmung: „Keinesfalls sollen sich die 1970er-Ereignisse von Erfurt wiederholen, als DDR-Bürger Kanzler Willy Brandt zujubelten.“ Der Ausnahmezustand in Güstrow hat die Verdrängung der 30.000 Bewohner aus der Innenstadt zur Folge. In gewohnter Manier werden Statisten aus dem Sicherheitsbereich angekarrt, „spielen 30.000 Sicherheitskräfte Bewohner.“

Im April 2013 trafen ehemalige Hoheneckerinnen den Pfarrer und Bürgerrechtler Heiko Lietz (li.) auf einer Veranstaltung in Schwerin, hier Gespräch mit T. Sterneberg, – Foto: LyrAg
Hausarrest für Gauck-Freund Heiko Lietz
Einer darf auf keinen Fall in Erscheinung treten, wird deswegen unter Hausarrest gestellt: der Pfarrer und Bürgerrechtler Heiko Lietz, theologischer Kollege und Freund des späteren Behördenchefs der Stasi-Unterlagen und Bundespräsidenten Joachim Gauck. Bischof Heinrich Rathke zeigte Solidarität, setzte gegen den Willen der Stasi, die einen Eklat verhindern will, eine Stunde vor Schmidts Eintreffen einen demonstrativen Besuch bei Lietz durch.
Danach heißt der Bischof die hohen Besucher im Mecklenburger Platt willkommen: „Kamt man rin, fäult juch woll!“ („Kommt rein, fühlt euch geborgen!“). „Schmidt lächelt, Honecker bleibt verklemmt ernst,“ beschreibt Kirchensite.de die angespannte Situation.
Während Schmidt in einer Kirchenbank dem Wunsch-Choral „Vom Himmel hoch“ lauscht, nutzt der Bischof die Gelegenheit, Honecker „unter vier Augen“ einige unangenehme Probleme der Kirche nahe zu bringen: „Zur Militarisierung, zur Lage der Jugend – keine „gute Mär“.
Welches Ergebnis diese durchaus mutige Intervention im Schatten des Schmidt-Besuches hatte, darüber schweigt sich der Erinnerungs-Autor aus. Auch wer den Hausarrest für Heiko Lietz veranlasste, wäre durchaus von historischem Interesse. Das Kapitel „DDR“ hat auch 25 Jahre nach dem staatlichen Exitus noch viele weiße Seiten… (1.059)
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
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