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Berlin, 28.05.2019/cw – Trotz der allgemein festzustellenden Meinungsmache in den öffentlichen und veröffentlichten Medien, einer Propagandamaschine unseligen Angedenkens ähnlich, können die Ergebnisse der Wahlen zum Europa-Parlament als Sieg für Europa und als Sieg der Demokratie verstanden und gewertet werden.
Die erfreulich hohe Wahlbeteiligung – in Deutschland – weist ein neues Bewusstsein f ü r Europa aus. Eine Mehrheit hat die Vorzüge eines Kontinents mit freien Grenzen, ohne Mauern und Barrieren oder sonstige Abschottungen verstanden und möchte keineswegs zurück in vor-nationalistische Zeiten.
Kritik am „Zentralkomitee“ in Brüssel
Das hat nichts mit mangelnder Kritikfähigkeit an kritikwürdigen Auswüchsen der EU zu tun, hier sei besonders das im Volksmund vielfach so genannte „Zentralkomitee“ in Brüssel angeführt. Im Gegenteil: Die Ergebnisse der Stimmauszählungen haben zu deutlichen Verschiebungen in der bisherigen Parteienlandschaft geführt. Das ist kein Widerspruch.

Sie kämpften im geteilten Europa am 17. Juni 1953 für Einigkeit und Recht und Freiheit: Bürger der sowjetisch besetzten Zone (DDR) – Foto. Archiv
Der Wähler bekennt sich (in der klaren Mehrheit) zu Europa, aber er möchte offensichtlich weg von einer Verordnungsbürokratie, die immer mehr zum Selbstzweck wurde und sich nicht mehr in erster Linie als Vertretung der Interessen ihrer Bürger verstand. Die üppige Versorgung der Abgeordneten wie der vorgesetzten Bürokratie-Kraken, die in keinem annähernden Verhältnis mehr zu den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der vertretenen Bürger stehen, stieß zum Beispiel auf zunehmende, endlich aufwachende Kritik der Wähler.
Abgesehen auch von den verabschiedeten Verordnungen, wie die Beschreibung eines „europäischen Kondoms“, für die kein Verständnis erwartet werden kann, haben selbst die auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Ergebnisse, überragende Gewinne der GRÜNEn, trotz einhelliger und weithin diffamierender Kampagnen die Zuwächse der AfD wie die Verluste für die bisherigen Volksparteien CDU und SPD die hoffentlich nicht einmalige Chance eröffnet, auf europäischer Ebene wieder sachlich um die besten Wege zu streiten.
Offener und ehrlicher Diskurs statt Diffamierungen
Diffamierungen von Parteien und Gruppierungen, die aus anerkannten freien und geheimen, also demokratischen Wahlen hervorgegangen sind, sollten der vielfach zu recht beklagten Vergangenheit in Europa angehören. Das ist eine der Lehren aus den Wahlergebnissen vom letzten Sonntag, zumindest auf Deutschland bezogen. CDU und SPD, die Medien einmal außen vor gelassen, sollten ihre Niederlagen als Aufforderung begreifen, künftig im verstärkten Maße demokratisch um Inhalte zu ringen, statt sich auf Diffamierungen vermeintlicher oder tatsächlicher politischer Gegner zu beschränken. Der offene und ehrliche Diskurs um eine Vervollständigung europäischer Politik, die diesen Namen auch verdient, wäre der einzige Weg, diesen Kontinent dauerhaft zu einer Gemeinschaft zu formen, die sich nicht in jedem kleinen politischen Wind verbiegt und ihre (einstigen) Vorsätze tagtäglich vergisst.
Die CDU hat ihre Heroen Konrad Adenauer, Walter Hallstein und auch Helmut Kohl schamhaft verborgen, statt mit diesen Europäern und deren ursprünglichen Antrieben für Europa zu haussieren. Die SPD hat ihren Wahl-Norweger (während des Dritten Reiches) und überzeugten, in Polen in die Knie gegangenen Willy Brandt hinter ihren Phrasen versteckt. Beide Parteien sind Opfer ihrer Überheblichkeit geworden, mit der sie ihre Machtanspruch-Abos als Selbstläufer und nicht hinterfragungswürdige Popanz-Kulisse vor den ratlos gewordenen Bürgern aufgebaut hatten. Sie haben die Quittung erhalten. Die GRÜNEN müssen nun aufpassen, nicht ebenfalls in dieser Macht-Arroganz-Falle zu verschwinden. Sonst könnten sie in fünf Jahren ebenfalls ihre dann vom Wähler zugefügten Wunden lecken. Das gilt auch ohne Einschränkung für die Newcomer auf dem Brüsseler Parkett.
Die errungenen Stimmen sind nur geliehen, gelten nur für eine beschränkte Zeit. Wer Parolen auf der einen Seite und auf der anderen Seite in vorderster Linie den durch das Mandat erworbenen Privilegien lebt muß sich nicht wundern, wenn der Erfolg zur Eintagsfliege wird. Es geht um ein bisher einmalig gebliebenes Experiment: Europa. Wir sollten – alle zusammen – die gegebenen Chancen nicht verspielen, gerade weil die Ergebnisse der jüngsten Wahl Mut gemacht haben.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-85607953 (1.412).
Von Tatjana Sterneberg und Carl-Wolfgang Holzapfel*
Köln/Stollberg-Hoheneck/Berlin, 06.05.2018/cw – Ellen Thiemann (80) ist tot. Heute teilte ihr Sohn die traurige Nachricht der Öffentlichkeit mit. Die bekannte Buchautorin und vormalige Redakteurin im Kölner Express hatte im Herbst vergangenen Jahres die bestürzende Diagnose Krebs erhalten. Seither bereitete sie sich mutig und gefasst auf ihren Tod vor.
Mit Thiemann verlieren die ehemaligen Hohenecker Frauen eine überaus engagierte Kämpferin für die Erinnerung an das größte Frauenzuchthaus der einstigen DDR. Sie war über Jahrzehnte die Stimme von Hoheneck, ehe andere Frauen, vielfach ermutigt durch sie, eigene Biografien über ihre Erlebnisse in dem Gemäuer der ehemaligen historischen Burg schilderten.
Die Verstorbene wurde am 23.Mai 1937 in Dresden geboren. Dem heranwachsenden Mädchen blieben die furchtbaren, weil bewußten Erlebnisse besonders der letzten Kriegstage nicht erspart, die Bombardierung ihrer Geburtsstadt durch angloamerikanische Bomberverbände blieb ihr als leibhaftige Hölle auf Erden in bleibender Erinnerung.
Vielleicht trugen diese jungen Erfahrungen zu ihrer Politisierung bei. Jedenfalls arbeitete sich die junge Frau bis in den Diplomatischen Dienst der DDR hoch, war schließlich als Dolmetscherin (Spanisch) tätig, die Thiemann zu einer Zeit Aufenthalte im Ausland ermöglichten, die normalen DDR-Bürgern verwehrt waren. Nachdem sie Ende der fünfziger Jahre den in der DDR bekannten Fußballer und Sportjournalisten Klaus Thiemann kennengelernt hatte, heiratete das junge Paar. Nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 empfand Thiemann trotz gewisser Vorteile, die ihr die berufliche Tätigkeit einbrachten, ihren Staat zunehmend als Beengung. Vor allem sah sie für ihren über alles geliebten Sohn die Chancen für eine Zukunft schwinden. Nach vielen Diskussionen entschloss sich das Paar zur Flucht in den Westen. Dabei sollte der Sohn praktisch im Voraus in einem Auto in die Freiheit geschmuggelt werden. Offensichtlich durch Verrat scheiterte diese Flucht am 29. Dezember 1972 am durch mehrere Fluchtunternehmen bereits bekannten Grenzübergang Invalidenstraße. Thiemann, die die Flucht ihres damals elfjährigen Sohnes Carsten und das Scheitern beobachtet hatte, wurde verhaftet. Um ihren Sohn und den Ehemann zu schützen, nahm sie alle Schuld auf sich und wurde am 22. Mai 1973 zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, während ihr Sohn in die Obhut des Vaters kam. Ellen Thiemann wurde zunächst nicht freigekauft, sondern Ende Mai 1975 in die DDR entlassen. Nach intensiven Bemühungen ihres Anwaltes Wolfgang Vogel, zu dem sie nach dessen Umzug an den Schliersee in Bayern bis zu dessen Tod eine herzliche Verbindung unterhielt, konnte sie mit ihrem Sohn endlich freigekauft werden und am 19. Dezember desselben Jahres die DDR verlassen.
Im Westen angekommen, begann Thiemann eine journalistische Karriere, die sie bis zur Ressortleiterin im Kölner Express empor trug. Von Beginn an nutzte sie die dadurch ermöglichte Chance, die Öffentlichkeit über Hoheneck und die in der DDR furchtbaren Bedingungen in den Haftanstalten zu informieren. Ihr gelang es schließlich, hochrangige Politiker, wie den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, zu einem Besuch in Hoheneck zu veranlassen. Der bereits vorbereitete, von Thiemann angestoßene Besuch von Helmut Kohl in Hoheneck scheiterte an den widrigen Wetterbedingungen, die eine Nutzung des Hubschraubers unmöglich machte.
Über ihre Haft in Hoheneck veröffentlichte sie viel beachtete Bücher (Stell dich mit den Schergen gut. Herbig, München 1990, ISBN 3-7766-1655-5; Der Feind an meiner Seite. Herbig, München 2005, ISBN 3-7766-2453-1 (mit einem Geleitwort von Joachim Gauck) und Wo sind die Toten von Hoheneck? Herbig, München 2013, ISBN 978-3-7766-2750-3 (mit einem Geleitwort von Norbert Lammert). Ihr zweites Buch basierte auf der erschütternden Erkenntnis, dass ihr eigener Mann als IM „Mathias“ die seinerzeitige Flucht an das MfS verraten hatte. Die Enttäuschung über diesen Verrat durch „den engsten Vertrauten“ hat Thiemann nie wirklich verwunden. In ihrem Buch Der Feind an meiner Seite hat die Autorin sich ihre Erkenntnisse und ihre verletzten Gefühle über diesen Verrat nach dem Studium ihrer Stasiakten von der Seele geschrieben.
Auch durch vielfache TV-Futures, unzählige Interviews und zahlreiche Artikel wirkte Ellen Thiemann an der Bewusstwerdung über die politischen Verfolgungen in der DDR in einem unübersehbaren Umfang mit. Bis zuletzt galten ihre Gedanken der Sorge, dass die Leiden von Hoheneck und den anderen Haftanstalten in Vergessenheit geraten könnten. In einem letzten Telefonat appellierte sie eindringlich, in ihrem Sinn weiterhin engagiert zu bleiben. Die unverwechselbare Stimme von Hoheneck ist tot. Ihr Vermächtnis wird weiter leben, solange Zeitzeugen das gemeinsame Anliegen und damit die Erinnerung an diese eindrucksvolle Frau bewahren. Liebe Ellen, wir werden Dich nie vergessen.
* Tatjana Sterneberg war selbst von 1973 – 1976 in Hoheneck inhaftiert. Carl-Wolfgang Holzapfel war 1962 durch die Zeitzeugin Anneliese Kirks (1950-1960) erstmals auf Hoheneck aufmerksam geworden und hatte sich seither für die Freilassung politischer Gefangener engagiert. Beide Autoren waren mit der Verstorbenen befreundet.
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Berlin/Chemnitz, 7.12.2017/cw – Am 16. Juni 2017 starb Helmut Kohl, der unbestritten als der „Kanzler der Einheit“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Darüber hinaus war er der am längsten im Amt befindliche Bundeskanzler (1982 – 1998), überholte damit sogar den legendären ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer (1949 – 1963).
Die Ehrung legendärer Persönlichkeiten der Zeitgeschichte durch die frühzeitige Benennung von Straßen und Plätzen ist nicht ungewöhnlich, obwohl die einschlägigen Bestimmungen oft zeitliche Mindestanforderungen vorsehen. So sieht das Berliner Straßenbenennungsgesetz eine „Wartezeit“ von fünf Jahren zwischen Tod und Benennung im Straßennetz vor. Allerdings sind Ausnahmen zugelassen.
Während sich die Hauptstadt mit einer Ehrung Helmut Kohls noch schwer tut – auch Helmut Schmidt hat in Berlin zwei Jahre nach seinem Tod (2015) bisher keine Ehrung erfahren – wird andernorts bereits heftig über eine Straßenbenennung diskutiert. Die FREIE PRESSE berichtete am gestrigen Mittwoch über den heftigen Disput in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt, nach der Wiedervereinigung wieder mit dem alten Namen Chemnitz benannt. Während die Fraktionsgemeinschaft CDU/FDP im Stadtrat bereits Mitte August den Vorschlag einbrachte, einen Platz oder eine Straße nach Helmut Kohl zu benennen, fühlten sich die anderen Fraktionen, vor allem SPD, Linke und Grüne überrumpelt. SPD-Fraktionschef Detlef Müller: „Bislang war es immer üblich, einen Konsens zu suchen, bevor ein solcher Vorschlag öffentlich gemacht wird.“
Erinnerung an DDR-Propaganda-Sprache
Müllers weitere Argumentation erinnert allerdings fatal an ähnliche Argumente der SED-Nachfolger im Zusammenhang mit Straßenumbenennungen: Man habe seit 1990 in der Stadt „bewusst darauf verzichtet, Straßen und Plätze nach Politikern der jüngsten Geschichte zu benennen.“ Auch die dominierende linke Mehrheit in Strausberg bei Berlin wehrte sich bisher erfolgreich gegen Forderungen, die Straße eines Mauerschützen nach dem in Strausberg geborenen Stasi-Mauer-Opfer Michael Gartenschläger umzubenennen. Begründung: Man habe genug von politisch insistierten Straßenbenennungen in der Vergangenheit. Höhnischer oder zynischer geht es kaum noch.
Zurück nach Chemnitz: Nachdem der erste Vorstoß der konservativen Fraktionsgemeinschaft nicht die erforderliche Mehrheit erreicht hatte, hat der Stadtrat am gestrigen Mittwoch über den Antrag von Rot-Rot-Grün abgestimmt, anstelle der abgelehnten Helmut-Kohl-Straße nunmehr den Platz vor dem neuen Technischen Rathaus in der Bahnhofstraße als „Friedensplatz“ zu benennen. Die Mehrheit stimmte diesem Antrag zu. SPD-Fraktionschef Müller hatte den Antrag im November so begründet: „Man hebe nicht einzelne Personen hervor, sondern werde allen gerecht, die bedeutende Beiträge für Frieden und Freiheit in Europa geleistet haben.“ Es liegt nahe, dass sich auch hier viele Bürger an die sattsam bekannte, von der SED dominierte Propaganda in der DDR erinnert fühlen.
Der Kanzler der Einheit wird wohl noch einige Zeit in seinem Grab ruhen müssen, ehe ihm seine Nachkommen ein sichtbares Zeichen der Dankbarkeit und Anerkennung für seine unzweifelhaften Verdienste setzen werden. Denn immerhin dominieren in der ehemaligen DDR nach wie vor Namen, die für die Inhalte der Zweiten Deutschen Diktatur stehen: Von den Wilhelm-Pieck- bis zu den Ernst-Thälmann-, Karl-Marx- und Friedrich-Engels-Straßen. Auch das ist Deutschland anno 2017.
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