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Hoheneck/Berlin, 19.05.2014/cw – Der erst 2008 gegründete „Vergangenheitsverlag“ in Berlin versteht sich als „Publikumsverlag für historische Sachliteratur,“ so der Verlag in seiner Selbstvorstellung. „Wir verstehen Geschichte als wichtigen Identitätsfaktor, Reflexionsebene und aufklärerischen Impuls. Die Geschichte, die wir präsentieren wollen, soll dabei eine Relevanz für jeden Menschen haben, sie soll auch unseren Alltag und uns selbst zum Thema machen.“ Und: „Das Ziel ist die Pflege einer aufgeklärten, demokratischen und offenen Geschichtskultur.“
Dies sei vorausgeschickt, um sich dem neuesten Produkt des kleinen, aber anspruchsvollen Verlages zu nähern. Am morgigen Dienstag, 20.Mai, gelangt der Bildband „Hoheneck – Das DDR-Frauenzuchthaus“ in den Buchhandel. Die bekannte Berliner Fotografin Rengha Rodewill stellt in über 200 schwarz-weiß-Fotos die Burg in Stollberg vor, von dem es in der Einführung heißt, daß es Orte gibt, „die zum Begriff geworden sind, die für Schrecken, Grauen und unbeschreibliches menschliches Leid stehen.“
Bedrückender Blick in eine der fürchterlichsten Haftanstalten
Rodewill lässt den Betrachter behutsam von Außen in die Innenwelt eines der fürchterlichsten Haftanstalten der zweiten Diktatur eintauchen. Von dem dominant und historisch wirkenden Gesamtblick führt sie in die immer düsterer wirkenden Innereien der Anstalt. Allein die vielfachen Sichten auf Details des Eingangsbereichs komponieren ohne Worte die Barrikaden, die ein Entrinnen, falls es jemals in die Vorstellungskraft gelangte, als unmöglich erscheinen lassen. Die sachlich abgebildeten Propagandalügen und Kappen der Macht (Mützen der Wärter) mit dem hinter einer uniformierten Puppe hervorgrinsenden verantwortlichen „Ersten Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik“, wie das langatmig und ermüdend jeder Nachricht von und über Erich Honecker vorausgestellt wurde, lassen den einstigen Spuk so erscheinen, wie es Verena Ersfeld ihrer Hohenecker Kurzbiografie vorausstellt: „Tolle DDR-Tugenden? Was ist das für ein Mist?“ (Seite 26).

Anita Goßler (re.) 2011 mit Christian Wulff vor der Wasserzelle in Hoheneck: Nicht in dieser Wasserzelle gewesen – Foto LyrAg
Überhaupt ist die wohlüberlegte Einstreuung von Berichten ehemaliger Frauen von Hoheneck in die zahlreichen, oft überwältigenden Fotos eine begrüßenswerte Variante, die nicht zuletzt dadurch „den Alltag (und die Frauen von Hoheneck) selbst zum Thema machen.“ Neben Ersfeld kommen Konstanze Helber: „Unglauben im Westen“ (S.68), Julia Klötzner: „Wir wurden wie Abschaum behandelt“ (S.98), Heidrun Breuer: „Ich hatte vor Ekel eine Gänsehaut von oben bis unten“ (S.156), Petra Schulz: „Ich war trotzig, man konnte mich nicht brechen“ (S.186), Anita Goßler: „Der Körper funktioniert einfach weiter“ (S.208), Sylvia Öhlenschläger: “Man musste jede Scham ablegen“ (S.234) und Elke Scheffer: „Frauen sind untereinander grausamer“ (S.280) zu Wort. Dass die zitierten Frauen nur im Wort „sichtbar“ werden, mag der bildlichen Konzentration auf die düstere Einrichtung über der Großen Kreisstadt Stollberg geschuldet sein
Bedauerlich: Aufgewärmte und längst widerlegte Lügen
Womit ich bei aller Hochachtung und Akzeptanz ein Ärgernis ansprechen muss, das geeignet ist, das ganze und lobenswerte Vorhaben in einen ärgerlichen Misskredit zu bringen. Der bebra-Verlag, ebenfalls Berlin, hatte bereits bei der 2012 erfolgten Vorlage des ebenso beachtlichen Bandes „Der Dunkle Ort“, der die Portraits ehemaliger Hohenecker Frauen in den Mittelpunkt stellte, auch Anita Goßler vorgestellt bzw. portraitiert. Zu dieser Zeit konnte der Verlag (und die Frauen von Hoheneck) nicht wissen, welche Lügen die kurzfristige Vorsitzende des Frauenkreises in die Welt setzte. Diese Lügen wurden ausgebaut und ergänzt durch ein Buch der einstigen Gauck-Freundin, Autorin und Redenschreiberin in Bellevue, Helga Hirsch („Endlich wieder leben“, Siedler 2012), in dem Goßler berichtete, der Vater ihres im Haftkrankenhaus Meusdorf geborenen Kindes sei in Bautzen gestorben und die Urne an der Ostsee beigesetzt worden.
Diese schreckliche Nachricht sei ihr in Hoheneck von einer von Bautzen nach Hoheneck verlegten Insassin übermittelt worden. Recherchen in den Archiven ergaben nachweisbar eine andere Realität. So verzehrt der zusammen mit Goßler verurteilte und angeblich in Bautzen verstorbene Kindsvater in Nordrhein-Westfalen seine Rente (2013). Auch die Mär von der Stasi-Haft konnte nicht mehr aufrecht erhalten werden. Goßler war nach Aktenlage im Polizeigewahrsam in Delitzsch und verschiedenen Haftkrankenhäusern, hingegen auschließlich zur Gerichtsverhandlung im Mai 1953 in Leipzig. Ebenso wenig stimmt die Story von den Wasserzellen-Aufenthalten in Leipzig und Hoheneck. Während Goßler noch 2011 dem Bundespräsidenten Christian Wulff gegenüber in Hoheneck bekundete, sie sei zwar „in Leipzig, aber nicht in Hoheneck“ in der Wasserzelle gewesen, wärmt sie diese Lüge in dem vorgelegten Fotoband wieder auf: „Sie berichtet, dass sie in die sogenannte Wasserzelle kam, dass der Vernehmer ihr durch Schläge das Knie brach (neu!) und das ein Bewacher ihr eine (neu!) lebensgefährliche Kopfverletzung beibrachte,“ schreibt die Interviewerin Rita von Wangenheim.
Neben der bis heute nicht nachgewiesenen Wasserzelle in Leipzig will Goßler nun wieder auch in Hoheneck „als Strafe … in die Wasserzelle gesperrt“ worden sein.
Diese und andere Lügen sind auch deshalb ärgerlich, weil von Wangenheim diese Interviews laut Klappentext bereits 2012 geführt haben will und somit der Verlag bis zur Drucklegung genügend Zeit gehabt hätte, den öffentlichen Aufruhr um Anita Goßler und ihre falschen Legenden gerade unter den Hohenecker Frauen zu bemerken und zumindest zu hinterfragen. Diese vermeidbare Oberflächlichkeit trübt das Gesamtwerk nicht unerheblich, auch wenn der Verlag darauf hoffen darf, das die meisten seiner Leser den Hintergrund in Sachen „Märchen“ mangels Kenntnis nicht als solche bemerken. Für einen ausgewiesenen „Publikumsverlag für historische Sachliteratur“ sicherlich ein vermeidbar gewesenes, weil im Kontrast zum Auftrag stehendes Ärgernis.
Waren kriminelle Gefangene „schlechtere“ Gefangene?
Fraglich auch, aber eine Sache der Betrachtungsweise, einige Formulierungen von Katrin Göring-Eckardt, der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag, die das im Übrigen sensible Vorwort geschrieben hat: „Wenn man eines an diesem beeindruckenden Buch vermisst, dann sind es O-Töne der „normalen“ Kriminellen, die mit im Frauenzuchthaus Hoheneck einsaßen. Nachträglich wird durch ihr Fehlen der Eindruck erweckt, sie seien die „schlechteren“ Gefangenen gewesen.“ Hier stand wohl mehr die Kirchenfrau im Vordergrund, als politischer Sachverstand. Denn beim Thema Hoheneck geht es primär um die Frauen, die aus rein politischen, also rechtsstaatlich nicht zu vertretenden Gründen, von der zweiten Diktatur verfolgt und inhaftiert wurden. Kriminelle gab und gibt es zu allen Zeiten und sie werden auch im Rechtsstaat rechtmäßig abgeurteilt. Die seelsorgerische Zuwendung auch für diese Frauen durch die Kirche ist davon unbenommen, hat aber ansonsten in diesem Zusammenhang wenig Substanz.
Auch die Feststellung von Göring-Eckardt, „Die Gefangenen von Hoheneck, über die wir in diesem Buch eindringliche Portraits lesen können, wollten nichts anderes als frei sein. Allein der Plan, die DDR zu verlassen, reichte aus, um inhaftiert zu werden,“ hätte ein Lektor bei allem Respekt vor der engagierten Politikerin so nicht durchgehen lassen sollen. Zum Beispiel saß Anita Goßler nicht ein, weil sie frei sein wollte. Sie war im Gegenteil bereits zuvor ein Jahr im Westen gewesen und freiwillig in die DDR zurückgekehrt. Der Pflege einer Geschichtskultur entsprechen derart leichtfertige Äußerungen, pauschal auf alle politisch Verfolgten von Hoheneck ausgedehnt, nicht.
Trotz dieser Einschränkungen: In dieser Konzentration einmalig intensives Bildmaterial über Hoheneck im Erzgebirge, zumindest insoweit sehr empfehlenswert.
Carl-Wolfgang Holzapfel
Ab 20.05.2014 im Buchhandel, 22,90 Euro, Format: 21 x 24,5 cm, Hardcover, 295 Seiten (davon Text: ca.33 Seiten) – ISBN: 978-3-86408-162-0
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
Berlin, 3.03.2014/cw – In der wichtigen und überaus erfolgreich gestarteten Ausstellung „DER DUNKLE ORT“ über die Schicksale der Frauen von Hoheneck, gefördert durch die Heinrich-Böll-Stiftung und die Bundesstiftung Aufarbeitung wurden nach dem Buch von Dirk von Nayhauß und Maggie Riepl (bebra-verlag, Berlin, 2012) diverse Schicksale der Frauen von Hoheneck vorgestellt. Eine beeindruckende Sammlung ausgewählter Daten und Fakten über das einstige Frauenzuchthaus der DDR. Wenige Wochen später wurden erste Informationen über offenbare Unrichtigkeiten in dem veröffentlichten Buch und damit der Ausstellung bekannt. Eine der Frauen hatte wohl zu tief in die Kiste erfundener Geschichten gegriffen und dabei als aktive Funktionärin diverser Organisationen den Überblick verloren. So stand in einem Buch der Bundespräsidenten-Beraterin Helga Hirsch („Endlich wieder Leben“, Siedler, München, 2012) etwas anderes, als im DUNKLEN ORT. Und dem Bundespräsidenten Christian Wulff erzählte die einstige Hoheneckerin wieder andere Versionen bei seinem Besuch in Hoheneck.

Irritationen: „Dafür kam ich in die Wasserzelle… (S.40), die kannte ich schon aus der U-Haft.“
Wasserzelle im Krankenhaus? Folter für „gute Führung“ und angepasstes Verhalten?
Mal war die ein Jahr in Hoheneck einsitzende Anita G. in Wasserzellen in Leipzig und in Hoheneck, dann nur in Leipzig (Nicht in Hoheneck, Herr Präsident!), mal will sie von einer Waffe ihres Verlobten gewusst haben, dann wieder nicht. Mal grämte sie sich um ihren Verlobten, der in Bautzen verstorben und seine Urne an der Ostsee begraben worden war, mal will sie sich nach dem Prozess von ihm getrennt haben und wollte nichts mehr von dem Vater dreier Kinder wissen. Mal wurde sie im Haftkrankenhaus Meusdorf bei und nach der Geburt ihres Kindes geschunden, dann wieder war in Meusdorf eine beispielhafte Versorgung der Kinder gewährleistet. Die meisten der in dem Buch und der Ausstellung portraitierten Frauen distanzierten sich von ihrer einstigen Haftkameradin und forderten den Verlag zu Korrekturen auf, weil sie durch die Verbreitung von Lügen Schaden für ihr Image befürchteten. Bisher trotz mehrfacher Interventionen vergeblich.
Mauern, Gitter, Stacheldraht
Nun stellt auch der Dachverband der Opferverbände (UOKG) zum 25. Jahrestag des Mauerfalls eine Wanderausstellung vor. Unter dem Namen „Mauern, Gitter, Stacheldraht“ werden 13 Schicksale aus den Haftanstalten der DDR vorgestellt. Auch die IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) wird als gehasstes Zielobjekt des MfS aufgeführt. Die Stiftung Aufarbeitung finanziert das Projekt. So weit, so gut. Oder nicht?
Die Ausstellungsmacher bilden ausgerechnet als Vertreterin der Frauen von Hoheneck jene Anita G. und deren Schicksal ab, gegen deren Unwahrheiten zahlreiche Frauen von Hoheneck vehement protestiert hatten. Anita G. war im Gefolge dieser Kritik sogar 2013 vom Vorsitz des Vereins „Frauenkreis der ehem. Hohndeckerinnen“ zurückgetreten. Ihre Funktion im Vorstand der UOKG behielt sie allerdings bis heute. Vielleicht war das auch ein Grund für ihre Berücksichtigung?
Die gen. Frauen von Hoheneck empört vor allem, dass sich nun auch die UOKG neben der Stiftung Aufarbeitung über die berechtigte Kritik hinwegsetzt und Anita G. als Vertreterin der Frauen von Hoheneck trotz der auch der UOKG bekannten Kritik in einer neuerlichen Ausstellung präsentiert. Damit werde die Aufarbeitung über die zweite deutsche Diktatur nachhaltig diskreditiert und in ihrer Glaubwürdigkeit schwer geschädigt. Der Vorwurf: Zumindest hätte man erwarten können, dass die UOKG angesichts der Vorwürfe die Darstellungen in den Texten der Ausstellung einer besonders sorgfältigen Prüfung unterzogen hätte, erklärten betroffene Frauen in Telefonaten mit der Redaktion.
Start mit einer vermeidbaren Hypothek
In der UOKG-Ausstellung wird u.a. erneut verbreitet, Anita G. hätte in Leipzig in einer Wasserzelle gesessen, obwohl a) es bisher keinen Nachweis für die Existenz einer solchen Zelle in Leipzig gibt und b) Anita G. laut Archiv-Unterlagen in Delitzsch durch die Kripo vernommen und inhaftiert worden war. Durch die Verbringung in Haftkrankenhäuser nach Abschluss der Ermittlungen im März 1953 war sie nach den vorliegenden Unterlagen nur zur Durchführung des Prozesses in Leipzig.
Auch die weiteren Angaben zum angeblich verhinderten Abitur (nach ausgewiesenen acht Jahren Schulbesuch) und verweigertem Studium stimmen mit den Archiv-Erkenntnissen, die der Redaktion vorliegen, nicht überein. Die Darstellung, sie habe sich „nicht am sozialistischen System“ beteiligen wollen, lassen sich ebenfalls nicht mit den Archiv-Dokumenten belegen, nach denen Anita G. bei der Reichsbahn sogar „Betriebs-Gewerkschaftsleitungs (BGL)- Vorsitzende“ war und in diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Schulung erfahren habe. So schrecklich die Erfahrungen in der DDR-Haft und hier besonders in Hoheneck waren: Aus den Berichten der Anstaltsleitung geht eine angepasste, um die Wiedergutmachung bemühte Strafgefangene hervor, die sich dem Aufbau des sozialistischen Staates widmen wolle und regelmäßig das NEUE DEUTSCHLAND und die JUNGE WELT lese. Sperrte man derartig positiv bewertete Gefangene in den Arrest oder gar in die (in Hoheneck tatsächlich vorhandene) Wasserzelle („Der Dunkle Ort“)?

„Verbreitung tendenziöser Gerüchte?“ – Erklärungsbedürftiger Fund in den Gerichtsakten von 1953 – Archiv Leipzig
Auch die vierseitige Werbung über die Verwendung des Hakenkreuzes auf Fähnchen, Bannern und Girlanden in den Prozessunterlagen wäre ebenso hinterfragungsbedürftig gewesen, wie die verbreitete Mär über den Tod ihres Verlobten in einem Zuchthaus, in dem der nie einsaß. Die „Odyssee durch mehrere Haftorte“ (UOKG-Ausstellung) fand nicht nach Hoheneck sondern, immerhin erstmals eingeräumt, vor der Verbringung nach Hoheneck statt (Altenburg und Görlitz).
Angesichts dieser Präsentation eines Vorstandsmitgliedes, dass es nachweislich und nach wie vor mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, startet die UOKG-Ausstellung mit einer vermeidbaren Hypothek. Schade um einen sicherlich gut gemeinten Beitrag zum Jubiläumsjahr des Mauerfalls.
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Berlin, 1.12.2013/cw – Der neue Vorstand der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) bleibt wesentlich der alte. Nach einer Mitteilung der UOKG bestätigte die Mitgliederversammlung am gestrigen 30.11.2013 in der ehemaligen Machtzentrale der Stasi und Sitz des Dachverbandes in der Ruschestraße in Berlin den Theologen Rainer Wagner im Amt des Vorsitzenden (27/0). Ebenso wurden die bisherigen Stellvertreter, Rechtsanwalt Roland J. Lange (27/0) und Ernst Otto Schönemann (26/1) und die Beisitzer Anita Goßler (22) und Sybille Krägel (21) bestätigt, neu gewählt als Beisitzer wurden Hans-Peter Schudt (22) und Klaus Gronau (19).
Die Wahl Wagners stand nicht von Vornherein fest, da er eine erneute Kandidatur auf dem vorhergehenden UOKG-Treffen im Sommer an eine Zusage der Öffentlichen Hand gebunden hatte, daß der Geschäftsführer künftig aus Steuermitteln bezahlt werden würde. Diese Zusage soll jetzt von der Stadt Berlin für 2014 vorliegen. Die wegen seiner umstrittenen Äußerungen zu Juden, Islam und anderen Religionen teils heftig vorgetragene Kritik an Wagner spielte für die Verbandsmitglieder bei der erneuten Wahl keine Rolle. Wagner, der in dieser Funktion seit 2006 amtiert, hatte seine Äußerungen stets als „theologisch begründet“ verteidigt.
Auch die in den Beirat gewählte Anita Goßler, im Frühjahr 2013 zurückgetretene Vorsitzende des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen, konnte von der womöglich vorhandenen Wagenburg-Mentalität der Verbandsvertreter profitieren. Goßler wurde und wird von Kritikern vorgeworfen, in verbreiteten biografischen Daten zu ihrer DDR-Haft unwahre Tatsachen zu behaupten (siehe u.a. Helga Hirsch „Endlich wieder Leben“ , Siedler 2012 und „Der Dunkle Ort“, be-bra-Verlag 2012). So sei sie zweimal, in Leipzig und in Hoheneck, in einer Wasserzelle gewesen; auch sei der Vater ihrer in der Haft geborenen Tochter in der Haftanstalt Bautzen verstorben, die Urne an der Ostsee beigesetzt worden. Gegenüber dem Bundespräsidenten Christian Wulff hatte sie hingegen bei dessen Besuch in Hoheneck 2011 eingeräumt, nicht in Hoheneck sondern in Leipzig in einer Wasserzelle gewesen zu sein. Im Gegensatz zum einstigen Frauenzuchthaus Hoheneck ist in Leipzig bisher keine Wasserzelle nachgewiesen worden, auch war Anita Goßler nach Aktenfunden nicht in den Leipziger Vernehmungs-Zellen der Stasi. Der verstorbene Vater ihrer Tochter hingegen war nie in Bautzen inhaftiert und lebt seit seiner Entlassung aus DDR-Haft (1958) im Rheinland.
Der langjährige Schatzmeister der UOKG, Ewald Ott, wurde anlässlich des Treffens mit der goldenen Ehrennadel ausgezeichnet.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
Berlin, 27.08.2013/cw – „Bundespräsident Gauck: Seine Ex schreibt ihm die Reden“ schrieb BILD gestern eher verstohlen, wenn auch immerhin auf Seite 2 der Bundesausgabe des Boulevardblattes. Eher unterkühlt ruft BILD eine alte Liaison in die Erinnerung: Die einstige Beziehung zwischen dem nunmehrigen Staatsoberhaupt und der bekannten Buchautorin Helga Hirsch. Diese wurde nun im Februar 2013 von Joachim Gauck als „freie Beraterin“ mit einem Vertrag vom Bundespräsidenten verpflichtet, nachdem sie zuvor, wie BILD anmerkt, „unentgeltlich“ für Gauck seit dessen Amtsantritt gearbeitet hatte.
Antje Sirleschtov vom Berliner TAGESSPIEGEL setzt sich da in der heutigen Ausgabe schon kritischer mit der Personalie auseinander und fragt gleich am Anfang ihres Artikels: „Was wäre wohl geschehen, wenn Christian Wulff als Bundespräsident seine erste Ehefrau zur offiziellen Kommunikationsberaterin ernannt und aus dem Etat des Präsidialamtes bezahlt hätte?“
Möglich, dass BILD in gewohnter Manier durch den Boulevard-Beitrag erst diese kritische Fragen (durch andere) anstoßen wollte. Uns interessieren eher andere Aspekte in diesem Zusammenhang. Dabei registrieren wir zwar, dass auch Helga Hirsch eine konvertierte einstige glühende Kommunistin war, auch wenn sie jetzt im Tagesspiegel mit Bezug auf Gauck zitiert wird: „Wir waren beide antikommunistisch“. Waren oder sind? Egal. Hirsch steht hier ja neben Jürgen Trittin und anderen in einer Agenda, stellt also keine Ausnahme dar.
Zum Problem könnte die jetzt publizierte Personalie (neben dem Bundespräsidenten) für andere „Personen der Zeitgeschichte“ werden. So eifert der Neustädter pietistische Prediger Rainer Wagner seit vielen Jahren für christliche Moral und Ethik in unserem Land, gegen Homosexuelle ebenso wie gegen buddhistische Geisterbeschwörer, den erfundenen Islam oder gegen sonstige Heiden und Juden, die nach seiner Bibel-Interpretation ebenso „Knechte Satans“ sind.
Der theologische Bruder überzeugte Gauck
Das Problem: Wagner ist nicht nur nebenberuflich Vorsitzender des Dachverbandes UOKG (Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft), sondern auch theologischer „Bruder“ (Wagner) von Joachim Gauck, der Wagner (laut Wagner) jüngst erst attestierte „staatspolitische Entscheidungen“ zu treffen, als er Gauck von einer notwendigen (erneuten und erfolgreichen) Kandidatur „überzeugte“. Der Bundesverdienstkreuzträger vergaß denn auch schnell seine religiösen Überzeugungen, als er im Frühjahr letzten Jahres im UOKG-Blatt „Stacheldraht“ gegen die „Moralisten“ wetterte, die sich an dem verheirateten Gauck rieben, der mit einer Lebensgefährtin in das Schloss Bellevue einziehen wollte.
Nun hat der theologische Bruder auf vertraglicher Grundlage eine weitere, wenn auch ehemalige Lebensgefährtin ins Bellevue geholt, und man kann darüber rätseln, ob der Prediger Wagner darob Bauchschmerzen bekommt („Joachim Gauck nun auch ein Knecht Satans?“) oder der nebenberufliche Vereinspolitiker erneut über die Moralisten in Rage gerät. Letzteres wird wohl eher greifen, denn wenn es um das weltlich anmutende Ansehen geht, lässt auch der Prediger Wagner mal „Fünfe gerade sein.“
BILD und ein brisantes Wespennest
Denn im Vorstand der UOKG sitzt eine Frau, über die Gauck-Freundin Helga Hirsch in ihrem 2012 erschienenen Buch „Endlich wieder leben“ (Siedler, München) eine inzwischen sehr umstrittene, weil weitgehend erfundene Biografie veröffentlicht hat. Der Haken bei der Sache ist weder die (wenn auch denkwürdige) Nibelungentreue des Predigers zu seiner Vorstandkameradin, auch nicht der Umstand, dass kein(e) Autor(in) vor derartigen Reinfällen geschützt ist. Der Haken ist ein anderer: Helga Hirsch wurde bereits vor Drucklegung des Buches auf „gewisse Widersprüche“ in der gen. Biografie hingewiesen. Weder sie noch der Verlag haben bisher darauf reagiert.
Mit der Nähe oder gar Mitgliedschaft beider Damen zur bzw. in der SPD allein kann dieses Schweigen wohl weniger begründet werden, obwohl sich das anbieten würde. Eher erscheint hier die Frage nach einer zumindest fragwürdig wirkenden Seilschaft im durch Joachim Gauck zweifellos vorhandenen politischen Raum zu stehen. Jedenfalls könnte sich nun auch erklären, warum ein Mann, der in unserer Zeit mit seiner religiös begründeten These provoziert, auch Juden seien „Knechte Satans“, der gegen den Bau einer Moschee in seinem Wirkungsort mit gewagten Thesen wettert oder die Evangelische Kirche Deutschlands u.a. wegen ihrer sündhaften Haltung gegenüber Homosexuellen zur Umkehr aufruft, nach wie vor vom Bundespräsidenten zu „Staatsakten“ (Wagner) eingeladen wird. Die hier erkennbare mögliche Vernetzung zwischen den Beteiligten könnte auch erklären, warum Helga Hirsch die „Genossin“ und Vorstandskameradin Rainer Wagners schont und deren, auch von Helga Hirsch publizierte Lügen ignoriert.
Es scheint, dass BILD mit einem harmlos erscheinenden kleinen Beitrag am Montag des 26. August auf Seite 2 wieder einmal in ein brisantes Wespennest gestochen hat.
Siehe auch:
V.i.S.d.P.: C.W. Holzapfel, Freier Journalist, Berlin – Tel.: 030-30207785
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