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Berlin, 29.05.2017/cw – „Bundesregierung und ostdeutsche Länder kommen im Bericht zu der Einschätzung, dass Zwang und Gewalt für viele Säuglinge, Kinder und Jugendliche in DDR-Heimen alltägliche Erfahrung waren, insbesondere in den Spezialheimen der Jugendhilfe wurden Menschenrechte verletzt. … Die Erlebnisse in den Heimen führten zu massiven Beeinträchtigungen der Lebenschancen und Entwicklungspotentiale der Betroffenen, die bis heute teilweise traumatisch nachwirken.“ https://www.fonds-heimerziehung.de/fonds/fonds-heimerziehung-in-der-ddr.html
Fehlende Beweislastumkehr
Vorstehende Feststellungen sind der Begründung des Deutschen Bundestages für die Schaffung eines Fonds „Heimerziehung in der DDR“ zu entnehmen. Durch den Fonds sollten analog zu dem Heimfonds WEST auch Heimkinder in der DDR für rechtlich nicht vertretbare Maßnahmen entschädigt werden. Allerdings ist neben diesem ziemlich pauschal gefassten Entschädigungsanspruch keine automatische Rehabilitierung staatlich verordneter Heimunterbringung verbunden. Diese Rehabilitierung muss nach wie vor über den Rechtsweg erstritten werden, wobei nur etwa ein Prozent der beantragten Rehabilitierungen positiv, also für das ehemalige Heimkind, entschieden werden. Als wesentliches Hemmnis sehen Experten das Problem der fehlenden Beweislastumkehr. Nicht der Staat (als Nachfolger der DDR) muss eine rechtstaatskonforme Unterbringung durch die Heimeinweisung beweisen, sondern der betroffene ehemalige Heim-Zögling muss die rechtsstaatswidrige Einweisung (und Unterbringung) beweisen.
Nach dieser Rechtslage, die der allgemeinen Handhabung der Feststellung politischer Verfolgungen durch die DDR-Diktatur entspricht, haben die Betroffenen so gut wie keine Chance auf Feststellung einer Rechtswidrigkeit ihrer Heimunterbringung in der DDR. Trotzdem versuchen einige Wagemutige – oder Verzweifelte – wie Erika Heimbach* (*Name geändert), die einstige Unterbringung im Nachhinein gerichtlich anzufechten, da die psychischen Folgen dieser empfundenen Ungerechtigkeit noch Jahrzehnte nachwirken.
Obwohl auch das Kammergericht in Berlin neben dem OLG Thüringen sowie dem OLG Sachsen-Anhalt aufgrund der Änderung des § 2 Absatz 1 StrRehaG durch die letzte StrRehaG-Novelle davon ausgeht, dass bei einer Heimeinweisung gesetzlich unwiderlegbar vermutet wird, dass diese eine Freiheitsentziehung darstellt, weist das Kammergericht in vergleichbaren Fällen Ansprüche auf Rehabilitierungen brüsk zurück. Dabei bezieht sich das KG – wie im Fall der hier zitierten Erika Heimbach* – ausschließlich auf Akten der DDR, ohne deren rechtsstaatlichen Grundlagen überhaupt zu hinterfragen. In seiner jüngsten Entscheidung (4 WS 47-4817 REHA / 22.Mai 2017) wird die Beschwerde Heimbachs* gegen den Beschluss der Rehabilitierungskammer des Landgerichts Berlin vom 24.01.2017 als unbegründet verworfen.
Spezialfall allgemeiner kommunistischer Erziehung
Erika Heimbach* war im Alter von 15 Jahren durch Beschluss des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Marzahn vom 26.05.1983 im Spezialkinderheim „Maxim Gorki“ und hernach in Fortsetzung am 30.08.1984 (bis 19.06.1986) in das Spezialkinderheim „Adolf Reichwein“ eingewiesen worden. In „Heimerziehung“, 1984 von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Eberhard Mannschatz herausgegeben, wird die Heimerziehung als ein Spezialfall der allgemeinen kommunistischen Erziehung beschrieben: „Für die Heimerziehung sollten die gleichen Prinzipien für die Gestaltung der Erziehungsprozesse gelten, wie sie für alle Bürgerinnen und Bürger bzw. Kinder und Jugendlichen in der DDR galten. So wollte man den umfassenden Geltungsanspruch der marxistischen Pädagogik herausstellen“.
Trotz dieser als bekannt zu unterstellender Grundlagen der DDR-Heimerziehung hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die vom Heimbach* beantragte Rehabilitierung nicht befürwortet (7.12.2016): „Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Heimunterbringung seien nicht ersichtlich“. Das Handeln der Jugendbehörde sei „allein fürsorglich motiviert“ gewesen. Das Kammergericht schloss sich dieser Bewertung an: „Es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Einweisung und Unterbringung aus rechtsstaatswidrigen Gründen erfolgt sei…“.
Der Umgang mit den Jugendlichen einer Reha nicht zugänglich
Formal bezieht sich das Kammergericht mit dieser Begründung indirekt auf die Feststellung des Bundestages zur Schaffung des Heimkinderfonds Ost, nach der die gesetzlichen Voraussetzungen (für eine Rehabilitierung) deutlich machen, „dass der Schwerpunkt auf der Rechtsstaatswidrigkeit der auf die konkrete Person bezogenen Einweisungsentscheidung liegt. In erster Linie ist also entscheidend, warum ein Kind oder eine Jugendliche bzw. ein Jugendlicher ins Heim eingewiesen wurde. Der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen während der Unterbringung in den Jugendhilfeeinrichtungen ist für sich genommen einer Rehabilitierung nach dem StrRehaG nicht zugänglich“ (Bericht: Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR, hier: 4. Derzeitige Möglichkeiten der Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), Seite 47).
Ohne hier auf Einzelheiten der Vorgänge einzugehen, die seinerzeit zu dem Einweisungsbeschluss der zuständigen DDR-Behörden geführt haben (obwohl einige, wenn auch spärliche Fakten wie von Heimbach* aufgespürte Unterlagen in der BStU auf politische Motivierungen hinweisen), mutet hier die Abstellung auf die Einweisungsbegründung und nicht auf die Formen der Unterbringung jugendlicher Delinquenten durch den Gesetzgeber nach den historischen Erfahrungen mit beiden deutschen Diktaturen befremdlich an. Man stelle sich vor (ohne hier eine Heimunterbringung mit einem KZ-Aufenthalt in der NS-Zeit gleichsetzen zu wollen), die Einweisung in ein NS-KZ und nicht deren tödlicher Charakter wäre zum Ausgangspunkt jeglicher Rehabilitierungsansprüche durch NS-Opfer gemacht worden. Ein berechtigter Aufschrei der Gesellschaft wäre die Folge gewesen. Die Durchsetzung von Entscheidungsinstitutionen in Deutschland mit Alt-68ern und tatsächlichen oder Pseudo-Linken, die der DDR wegen ihrer antifaschistischen Attitüden schon immer freundlich gesonnen waren, haben offenbar auch hier ihre gesetzgeberische Wirkung entfaltet. Nach dem Grundsatz, dass nicht ist, was nicht sein darf, wurde auch in Sachen Rehabilitierung jede Möglichkeit genutzt, Konsequenzen aus dem DDR-Unrecht zu vermeiden und auf das Unabweisliche zu beschränken.
Zwar sehen die §§ 1 und 2 StrRehaG einen Anspruch auf Rehabilitierung im Einzelfall eine Prüfung anhand folgender Kriterien vor, nach denen die Unterbringung a) freiheitsentziehenden Charakter haben oder unter haftähnlichen Bedingungen erfolgt (was mit Neufassung des § 2 Abs. 1 StrRehaG für Kinderheime nicht mehr zu prüfen ist) und b) durch eine staatliche Stelle angeordnet und mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sein muss (insbesondere weil sie 1. der politischen Verfolgung oder 2. sonstigen sachfremden Zwecken gedient hat oder 3. in grobem Missverhältnis zu dem zugrunde liegenden Anlass gestanden hat – Unverhältnismäßigkeit -), die Rechtsprechung entspricht diesen oft widersprüchlichen Vorgaben im Wesentlichen nicht.
Erika Heimbach* hatte in ihrer „ausführlichen Begründung“ der Beschwerde (Kammergericht) u.a. auf den möglichen politischen Hintergrund der letztlichen Heimeinweisung hingewiesen, weil ihre Mutter von mindestens „zwei Verfahren des Ministeriums für Staatssicherheit“ betroffen gewesen sei. Auch habe man der Mutter seitens „deren Arbeitgeber und der Polizei wegen fehlenden Engagements für Partei und Gesellschaft Vorhaltungen gemacht“. Daher sei die Heimeinweisung der Beschwerdeführerin vermutlich „als Druckmittel gegen ihre Mutter“ eingesetzt worden. „Im Dezember 1988 sei ihre Mutter ohne nachvollziehbaren Anlass“ in einer „geschlossenen psychiatrischen Abteilung zwangsbehandelt worden“, begründete Heimbach* in ihrer Beschwerde. „Insoweit sei eine repressiv motivierte missbräuchliche Klinikeinweisung auf Veranlassung des Staatssicherheitsdienstes denkbar“. Auch aus diesem Grund sei „die Einweisung und Unterbringung (von Heimbach*) in einem Spezialkinderheim angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse über dort herrschende Verhältnisse regelmäßig als rechtsstaatswidrig einzustufen“. Erika Heimbach* machte geltend, dass sie selbst in den Heimen „unmenschlicher Behandlung sowie körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt“ gewesen sei.
Das Kammergericht bezieht sich in seiner Entscheidung (wenn es sich nicht um eine hochangesehene juristische Instanz handeln würde, wäre man geneigt, von einer „dreisten Begründung“ zu sprechen) eben auf die gesetzliche Regelung der §§ 1,2 Abs.1 StrRehaG, wonach „die Anordnung der Unterbringung in Heimen … der ehem. DDR unabhängig davon, ob die Unterbringung im konkreten Einzelfall freiheitsentziehenden Charakter hatte oder unter haftähnlichen Bedingungen im Sinne des § 2 Abs.2 StrRehaG vollzogen wurde, eine rehabilitierungsfähige Maßnahme darstellen“. Aber: „Ein Anspruch auf Rehabilitierung besteht jedoch nur dann, wenn die Anordnung … der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat oder wenn die Einweisungsentscheidung aus sonstigen Gründen mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil die angeordnete Unterbringung in grobem Missverhältnis zu ihrem Anlass stand“. Diese Voraussetzungen sieht das Kammergericht im vorliegenden Fall als „hier nicht erfüllt“ an.
Demnächst Rückforderungen durch den Heimkinderfonds?
Die pubertär bedingten Entwicklungsschwächen sieht das Gericht also als ausreichend an, eine gerade einmal fünfzehnjährige Jugendliche einer Spezialkinderheimeinrichtung der DDR auszuliefern. Die rechtsstaatswidrigen Methoden in diesen Spezialkinderheimen können dabei geflissentlich übersehen werden, da es darauf nicht ankommt. Damit wird die Verfolgung unzähliger Jugendlicher in den Spezialeinrichtungen der DDR auch noch juristisch ad absurdum geführt. Erika Heimbach* (und ihren Leidensgenossen) ist zu empfehlen, schon einmal vorsorglich Rücklagen für Rückforderungen des Heimkinderfonds zu bilden. Denn bei dieser Rechtsprechung, die sich ja auf gesetzliche Vorgaben beruft, ist nicht auszuschließen, dass entsprechende Entschädigungszahlungen des Fonds wegen „irrtümlicher Schadensfeststellungen“ zurückgefordert werden könnten.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.251).
Berlin, 1.09.2015/cw – Claus U.* war glücklich. Vier Wochen Urlaub in seinem geliebten Bayern. Die wohl „letzte große Reise in seinem Leben“ war Teil einer Entschädigung aus dem sogen. Heimkinderfonds. Zwei Tage nach seiner Ankunft im Urlaubsort wurde er tot im Schlafzimmer aufgefunden. Herzversagen. Claus war seit 1999 Mitglied der Vereinigung 17. Juni.

Stets engagiert: Claus (re.) 2012 vor dem Finanzministerium am heutigen „Platz des Volksaufstandes von 1953“ – Foto: LyrAg
Claus war das zweite Kind seiner Eltern und wurde 1942 inmitten der beginnenden Luftangriffe auf Berlin geboren. Nachdem sein Bruder Ulli bereits nach einer Stunde Leben verstorben war, wollten die Eltern erst einmal abwarten, ob Claus länger leben würde. Ein halbes Jahr später heirateten die Eltern im Roten Rathaus. Claus hatte überlebt.
1944, sein Bruder war gerade geboren, erlitt Claus eine Hirnhautentzündung, deren Folgen ihn – neben einer Erbkrankheit – zeitlebens belasten würden. Wann Claus zum ersten mal in ein Heim abgeschoben wurde, lässt sich nicht mehr eruieren. Fest steht, daß er zusammen mit seinem Bruder erstmals 1946 (vierjährig) in einem Heim in Berlin untergebracht war. 1947/48 folgte ein ebenfalls nachgewiesener gemeinsamer Aufenthalt in einer Heimeinrichtung des Berliner Johannesstift. Als er 2013 mit seinem Bruder auf Spurensuche ging, befand sich in dem einstigen Heim ein Hotel.
Die Eltern hatten sich bereits 1944 getrennt, die Ehe wurde 1949 nach der Geburt einer Schwester geschieden. Etwa ab diesem Zeitpunkt trennten sich auch die Heim-Wege der Geschwister. Claus – durch die Hirnhautentzündung und die ererbte Myoclonie (eine seltene Blutplättchen-Deformation, die ähnliche Symptome wie die Parkinson-Krankheit hervorrief) behindert, wurde von seiner Mutter in der Folge hauptsächlich in Einrichtungen für Nervenkranke untergebracht. Später, in den sechziger Jahren, gelang es ihr, Claus in Baden Württemberg unterzubringen. Dieses Bundesland stand damals in dem Ruf, besonders leicht sogen. Entmündigungsverfahren gegen Behinderte durchzuführen.
Statt Claus – wie heute üblich – in entsprechende Förderungsmaßnahmen zu integrieren, nutzten besonders kirchliche Einrichtungen die gegebene billige Arbeitskraft. Für ein Taschengeld, das diesen Namen nicht verdiente, mußte Claus seit frühester Jugend in der Landwirtschaft und in gewerblichen Einrichtungen arbeiten. Natürlich wurden in dieser Zeit keine sozialen Abgaben entrichtet. Rentenkasse? Damals offenbar ein Fremdwort für diese christlichen Institutionen.
Als Claus 1970 auf Antrag seiner Mutter endgültig in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden sollte, gelang es dem zwei Jahre jüngeren Bruder zusammen mit dem Vater, den 28jährigen im wahrsten Sinne des Wortes aus dieser Zwangsmühle zu befreien und ihn nach Berlin zu holen. Erst hier konnte er das schwere Kapitel – zwanzig Jahre Heimunterbringung – abschließen, lebte seither nahezu selbständig in einer eigenen kleinen Wohnung, immerhin ganze 45 Jahre lang. Eine nachträgliche Ohrfeige für Jene, die immer wieder neue Argumente bemüht hatten, um die „erforderliche“ Unterbringung in einer Heim-Einrichtung zu begründen.
Vor drei Jahren konnte ihn sein Bruder in ein Seniorenheim vermitteln, in dem Claus überaus glücklich war, weil ihm die permanente Sorge um seine Befindlichkeit im Alter genommen wurde. Schnell wurde er in der Einrichtung zum beliebten Kommunikator, besuchte Heimbewohner im Krankenhaus, half in der Essensversorgung und anderswo aus. Im Frühjahr wurde er in die Heimbewohnervertretung gewählt.
Behinderte warten seit Jahren auf den „Runden Tisch“
Nachdem Claus für seine in den diversen Heimeinrichtungen erbrachten Arbeitsleistungen einen zustehenden Rentenausgleich beantragt hatte, machte ihn der Heimkinderfonds darauf aufmerksam, dass er eigentlich keine Entschädigung (max. 10.000 €) hätte erhalten dürfen, weil er behindert sei.
Für die behinderten ehemalige Heimkinder aber sollte ein gesonderter „Runder Tisch“ abgehalten werden. Man legte Claus nahe, seinen Antrag zurückzuziehen, um sich nicht einer Rückforderung bereits erbrachter Sachleistungen auszusetzen, zu denen auch jene eingangs erwähnte Urlaubsreise gehörte. Auf die Nachfrage, wann denn dieser seit nunmehr einigen Jahren avisierte Runde Tisch für die behinderten ehemaligen Heimkinder stattfinden werde, wurde ausweichend geantwortet, dieser werde wohl „irgendwann“ einberufen werden.
Natürlich zog Claus U., förmlich die Pistole auf der Brust, den Antrag auf Rentenersatzleistungen zurück, er wollte seine „letzte Reise“ nicht gefährden. Am 25.August verstarb er am Urlaubsort.
Die Frage bleibt: Einmal Heimkind, immer Heimkind? (1.027)
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* Vornamen aus Datenschutzgründen verfremdet.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
Mönchengladbach, 3.07.2015/cw – Wieder einmal wurde ein ehemaliges Heimkind zu Grabe getragen. Und obwohl der sogen. Heimkinderfonds dem Verstorbenen 9.500 Euro als Entschädigung zugebilligt hatte, wurde die Finanzierung eines ehrenvolles Begräbnisses verweigert. Begründung: Der Verstorbenen hatte es bei der Antragstellung versäumt, für den Fall seines Todes – vor Eintritt der Leistung – eine solche Bitte vorzutragen. „Die Bestimmungen des Heimkinderfonds lassen leider eine andere Entscheidung nicht zu,“ so der Ablehnungsbescheid aus Köln, Sitz der Stiftung Heimkinder, an den langjährige Freund Uwe Werner, der sich bis zuletzt um eine würdige Beisetzung bemühte.
Werner kann die Entscheidung bei allem Verständnis für bürokratische Erfordernisse nicht verstehen: „Der Fonds hat durch den Tod 9.500 Euro eingespart. Selbst wenn 3.000 Euro für die Beisetzung erforderlich geworden wären, wäre es bei einer Ersparnis von 6.500 Euro geblieben. Kann man in dieser Form vom einstigen Leid ehem. Heimkinder profitieren?“ fragt Werner, und dabei schießen ihm erneut Tränen der Enttäuschung in die Augen.
Werner hatte sich zunächst berechtigte Hoffnungen auf eine Finanzierung der Beisetzung seines Freundes Hermann-Josef Humeny gemacht. Hatte doch der Heimfonds in anderen Fällen menschlich zugunsten von Verstorbenen entschieden. Anders im vorliegenden Fall, der nach Meinung von Werner „rein bürokratisch unter Außerachtlassung sicherlich vorhandener Spielräume“ entschieden wurde.
So sammelte Werner unter Freunden und ehemaligen Heimkindern Geld für den letzten Weg von Humeny, der im Alter von gerade 62 Jahren am 25. April nach schwerer Krankheit gestorben war. Humeny war nach Werner „Zeit seines Lebens traumatisiert gewesen.“ Seine Kindheit und einen Teil seiner Jugend hatte er in Kinderheimen der Vinzentinerinnen Köln und in Heimen vom „Orden vom armen Kinde Jesus“ in Aachen verbracht. Er war gedemütigt, sexuell missbraucht und körperlich gezüchtigt worden. Trotzdem fand er die Kraft, sich „bis zu dem Zeitpunkt, als ihm die Krankheit keine Raum mehr ließ“ (Uwe Werner) für die Rechte der einst Entrechteten einzusetzen.
Zugesagter Runder Tisch für Behinderte bislang Absichtserklärung
In der Brandts-Kapelle, Rudolfstr.7, in Mönchengladbach fand jetzt die schlichte Trauerfeier statt. Einige Freunde, unter ihnen Eddi Erlemann und Uwe Werner, hatten sich eingefunden. Schwester Stefanie, Oberin des Hardter St. Josefshauses, hatte vermittelt und die Feier ermöglicht. Danach wurde die Urne nach Venlo/Holland überführt. Heute fährt Schwester Stefanie mit Uwe Werner nach Venlo, um das frische Grab mit Weihwasser aus der Heimat seiner letzten Lebensjahre zu segnen.
Uwe Werner aber will weiterkämpfen. Gegenüber unserer Redaktion sagte der Humeny-Freund, selbst ehemaliges Heimkind: „Jetzt gilt es dafür zu sorgen, das allen anderen ehemaligen Heimkindern in vergleichbarer Situation, also vor der Zahlung von Leistungen, dieses Schicksal, anonym beerdigt zu werden, erspart bleibt.“ Und: “Es wird und ist noch ein langer politischer Kampf.“ Werner würde sich wünschen, in diesem Kampf von vielen Menschen für diese Arbeit Zeichen der Unterstützung zu erfahren.
Ihm ist besonders wichtig, das sich alle 16 Bundesländer einheitlich für einen 2. Heimfond stark machen, damit auch die ehemaligen Heimkinder, welche seinerzeit in Behinderteneinrichtungen untergebracht waren und vom ersten Heimfond ausgeschlossen sind, Entschädigungen erhalten. Bisher haben nur Bayern und NRW diesem Fond zugestimmt, ein zugesagter weiterer Runder Tisch zu diesem Personenkreis ist bisher über das Stadium einer Absichtserklärung nicht hinaus gekommen. (1.008)
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
Berlin, 2.06.2015/cw – Am vergangenen Freitag nahmen im Hospiz Havelhöhe Freunde, unter ihnen zahlreiche ehemalige Heimkinder, bewegenden Abschied von Christiane Kieburg, die am 26. Mai dort nach einem Krebsleiden verstorben war.
Christiane wurde am 15.06.1959 in Berlin geboren, kam nach der Geburt in ein Säuglingsheim und anschließend mit ihrer Schwester zunächst zu Pflegeeltern. Später mußte sie ihre Jugend in Heimen verbringen. Das muß eine verstörende und zerstörende Zeit gewesen sein. Ein Weggefährte aus dieser Zeit, der von 1967 bis 1972 mit ihr zusammen in einem Heim war und eigens aus dem Süden angereist war, um die Jugendfreundin zu verabschieden, berichtet am Rande, dass Christiane „diese Zeit bis zu Ihrem Tod nicht verarbeitet hat.“ Christiane wollte über diese Zeit nie sprechen, da sie davon überzeugt war, dass man durch staatliche Hilfe systematisch ihre Kindheit, Jugend ja sogar ihr Leben zerstört hat. „Sie hatte bis zum Tode die schlimmsten Albträume.“ Erst 2014 fand sie den Mut, eine Therapie zur Überwindung dieser Traumata zu beginnen.
Christiane wollte nie, das über Einzelheiten je gesprochen wird und bat auch ihre Freunde, dies zu respektieren. Daran wollen wir uns auch in diesem Nachruf halten.
Das Schicksal von Christiane ist sicherlich symptomatisch für unzählige Heimkinder, die heute noch unter den dadurch verursachten Verwerfungen in ihrem Leben zu leiden haben. Viele von diesen sind auch sicherlich vor dem Anflug von Hilfe, den der Runde Tisch nach Jahren des Zögerns und Verdrängens über diesen Teil der gesamtdeutschen Geschichte beschlossen hat, verstorben.
Heimkinderfonds übernimmt Bestattungskosten
Um so mehr empfinden ihre Freunde Dankbarkeit dafür, daß der Heimkinderfonds erneut die Kosten für eine würdige Beisetzung übernommen hat. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie der tragische Fall aus Mönchengladbach aus jüngerer Zeit belegt. Hier wurde eine Übernahme der Kosten für ein verstorbenes ehemaliges Heimkind vor Ort abgelehnt.
In Erinnerung wird Christiane allen ihren Freunden als eine Frau bleiben, die sich über das eigene Leid der Linderung anderen Leids gewidmet hat. Ihre aufopferungsvolle Arbeit für Obdachlose, ihre Tröstung ehemaliger Heimkinder, die ebenfalls mit dem Schicksal haderten und ihre kontinuierliche Teilnahme an unzähligen Demonstrationen für die Rechte der Entrechteten, darunter ein an die Physis gehender 13tägiger Hungerstreik vor wenigen Jahren für die Rechte missbrauchter Kinder werden allen Menschen, die Christiane begegnen durften, in lebendiger Erinnerung bleiben. Eine Schwester, die die Verstorbene im Hospiz begleitet hat, erzählte in bewegenden Worten, wie Christiane buchstäblich bis zur letzten Lebensminute über ihr iPad Verbindung zur Außenwelt, zu ihren Freunden hielt. Diese Verbindungen waren ihr Kraftquelle, halfen ihr über die auch dunklen Zeiten eines doch kurzen und leider schmerzerfüllten Lebens hinweg. Ihrem Wunsch entsprechend wird die Asche ihrer verblichenen Körperlichkeit dem endlosen Meer übergeben.
Am kommenden Freitag, 5. Juni 2015, um 14:00 Uhr findet im Krematorium in 16761 Henningsdorf bei Berlin, Hermann-Schumann-Straße 2, die Trauerfeier für diese ungewöhnliche und unvergessene Frau statt. (996)
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin,. Tel.: 030-30207785
Nr.041 Einigkeit und Recht und Freiheit 15. 05. 2015
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Auflösung abgewehrt:
Historischer Frauenkreis kann Arbeit fortführen
Michelstadt/Stollberg, 11.05.2015/cw – Das Urteil des Amtsgerichtes Michelstadt/Hessen war klar und deutlich: Die Beschlüsse der Mitgliederversammlungen vom 3. und 4. Mai 2013 werden aufgehoben. Damit sind die Bestrebungen einer offenkundigen Minderheit (16:104) gescheitert, den geschichtsträchtigen Verein „Frauenkreis der ehemalige Hoheneckerinnen e.V.“ aufzulösen. Auch sind alle verbreiteten Behauptungen, nach denen diese Auflösung „rechtsgültig“ erfolgt sei, Makulatur. Mechthild Günther, eine der maßgeblichen Kräfte, die sich für eine Auflösung einsetzten, hatte noch kürzlich auf der Mitgliederversammlung des Fördervereins Stollberg die Auflösung zitiert.
Günther: „Das sind Stasi-Methoden!“
Unter den Frauen, die einst aus politischen Gründen für oft viele Jahre in dem DDR-Zuchthausgemäuer in Hoheneck zubringen mussten, löst die Haltung von Günther seit längerem Rätselraten oder gar Unmut aus. Mechthild Günther hatte Dank einer Amnestie nur kurze Zeit im Aufnahmetrakt des Zuchthauses verbringen müssen, war dadurch schnell entlassen worden. Die einstige Direktorin der Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen in Berlin, die bis vor Kurzem das Archiv der Gedenkstätte führte, irritierte einstige Insassinnen ebenfalls durch ihr lautstarkes Agieren gegen eine von Mitgliedern des Fördervereins Stollberg geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung zumindest für Vorstandsmitglieder. „Das sind Stasi-Methoden!“ bürstete Günther die Antragsteller ab. Sie stellte sich mit der Ablehnung einer entsprechenden Überprüfung auf eine mögliche Nähe zum einstigen MfS an die Seite des erneuten Vorsitzenden Dietrich Hamann, der ebenfalls vehement auf der „Freiwilligkeit“ einer Überprüfung bestand. Erst kürzlich hatte die Presse vor Ort über die einstige Tätigkeit des Optikers in der Haftanstalt zur Versorgung der Gefangenen mit optischen Geräten berichtet.
Verein: Außergerichtliche Einigung abgelehnt
Zur Fortsetzung der „mündlichen Verhandlung“ über die Klage diverser ehemaliger Hoheneckerinnen gegen den Auflösungsbeschluss von 2013 waren neben Mechthild Günther für den beklagten Verein Edda Schönherz, Konstanze Helber und Angelika Grünewald mit Rechtsanwalt Hoffmeister erschienen. Günther hatte als einzige Befürworterin der Auflösung, obgleich kein Vorstandsmitglied, bereits an der ersten Verhandlung im November vergangenen Jahres teilgenommen.
Regina Labahn vertrat zusammen mit Rechtsanwalt Matzkeit die Klägerinnen. Vor dem Sitzungssaal hatte Tatjana Sterneberg als mögliche Zeugin Platz genommen, ihre Aussage wurde jedoch nicht mehr benötigt.
Die kurze Verhandlung wurde erneut sehr souverän von Amtsrichter Dr. Rothfritz geführt. Dieser stellte die Frage einer möglichen außergerichtlichen Einigung zum Beispiel durch Neuwahlen in den Raum. Regina Labahn wollte sich einer solchen Lösung namens der Klägerseite nicht verweigern, betonte aber, dass dies nur durch einen Notvorstand erfolgen könne, da „jegliches Vertrauen in den gegenwärtige Vorstand“ fehle.
Für den beklagten Verein erklärte Konstanze Helber, die „Auflösung sei rechtmäßig und mit ausreichender Mehrheit beschlossen worden. Daher habe man keinen Anlass, Wahlen für einen aufgelösten Verein durchzuführen.“
RA Matzkeit wandte ein, dass die „formalen Voraussetzungen für einen Auflösungsbeschluss“ gar nicht gegeben gewesen seien.
Dr. Rothfritz erinnerte daran, dass es dabei ja auch um die Frage der gültigen Satzung ginge.

2012 noch einträchtig: Ehem. Hoheneckerinnen bei der Ehrung der Toten von Hoheneck in Stollberg – Foto: LyrAg
RA Matzkeit: Dies sei zwar u.U. zu klären. Es käme aber aus seiner Sicht gar nicht mehr darauf an, weil allein die Wahl des Vorstandes entgegen der Tagesordnung satzungswidrig erst am nächsten Tag durchgeführt worden war. Mithin sei der Vorstand nicht rechtmäßig gewählt worden und hätte daher keine Befugnis gehabt, eine außerordentliche Mitgliederversammlung zum Zwecke der Auflösung einzuberufen.
Dr. Rothfritz: Das müsse sicherlich auch bedacht werden.
Matzkeit: Frau Helber, warum sollen wir auf Formalismus beharren statt an einer konstruktiven Lösung mitzuwirken? Im Übrigen sei es doch den Mitgliedern, die eine Auflösung wollten unbenommen, den Verein zu verlassen und die Fortsetzung willigen Mitgliedern zu überlassen.
RA Hoffmeister: Wir wollen eine Entscheidung.
Dr. Rothfritz: Eine gütliche Einigung ist also gescheitert.
Unterstellungen gegen die Hessische Justiz zurückgewiesen
Daraufhin verlas RA Matzkeit eine Erklärung der Klägerseite und bat darum, diese zu Protokoll zu nehmen. In dieser Erklärung verwahrten sich die „einst von einer manipulierten Justiz Betroffenen“ gegen den Versuch der Beklagten, dem Registergericht in Darmstadt oder der Hessischen Justiz zu unterstellen, diese hätte wohlmöglich „Akten manipuliert oder eine Manipulation zugelassen.“ Die Klägerseite habe „volles Vertrauen sowohl in die Amtsführung des Registergerichtes wie in die Hessische Justiz als Vertreter unseres Rechtsstaates.“
RA Hoffmeister verwahrte sich gegen diese Unterstellungen, man habe dies nie behauptet. Er sei dagegen, dass diese Erklärung zu Protokoll genommen werde.
Labahn: „Sie wissen jetzt, dass Sie lügen, Herr Rechtsanwalt!“
RA Matzkeit: Herr Kollege, wollen wir aus den Akten die entsprechenden Schriftsätze hervorholen?
Nach diesem kurzen und heftigen Disput erklärte Richter Dr. Rothfritz, dass es beidseits bei den eingereichten Anträgen vom 10.11.2014 bleibe. Er unterbreche die Sitzung und werde gegen 15:00 Uhr im Sitzungssaal das Urteil, zumindest aber den Tenor verkünden.
Verein ohne amtierenden Vorstand
Im Ergebnis des verkündeten Urteils, das noch nicht rechtskräftig ist, hat der Verein nunmehr keinen amtierenden Vorstand, da alle Beschlüsse der Mitgliederversammlungen aufgehoben worden sind und der vorhergehende Vorstand zuvor geschlossen seinen Rücktritt erklärt hatte. Daher wollen die Klägerinnen nach Rechtskraft unverzüglich die nächsten Schritte beraten, wozu zuförderst die „rechtsgültige Wahl eines neue Vorstandes gehört,“ so Regina Labahn nach der Urteilsverkündung. Sie sei erleichtert, dass „unser Vertrauen in den Rechtsstaat endlich Früchte getragen hat und wir jetzt mit neuer Kraft an die Arbeit gehen können.“
Siehe auch das nachfolgende Interview .
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Tatjana Sterneberg: Wir wollen das Gedächtnis gestalten
Berlin, 14.05.2015/cw – Der Hohenecker Bote sprach nach dem Urteil von Michelstadt in Berlin mit der Vorsitzenden des „Fördervereins Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck e.V.“, Tatjana Sterneberg.
HB: Frau Sterneberg, ein Verein gerettet, einen anderen Verein abgemeldet. Zufrieden?
TST: Zunächst einmal bin nicht nur ich überglücklich über das Urteil. Es eröffnet zweifellos die notwendige Perspektive, die nunmehr dreijährigen Auseinandersetzungen im Frauenkreis endlich beenden zu können und erlaubt uns – einen arbeitsfähigen Vorstand vorausgesetzt – an der zukünftigen Gestaltung der Gedenkstätte aktiv mitzuwirken. Wer anders als wir betroffenen Frauen könnte das Gedächtnis an diese Horrorjahre glaubwürdig gestalten? Wir haben durch diese Querelen, wenn auch in der Sache wichtige rechtliche Auseinandersetzungen, ohnehin viel Zeit verloren. Jetzt müssen wir zu-. und anpacken.
Mit der „Abmeldung“ ist wohl unser erster Förderverein BuG gemeint? In der Tat haben wir diesen 2011 im nachfolgenden Schwung durch den Besuch des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehörte übrigens auch Dietrich Hamann, der sich dann allerdings durch Einflüsse von Außen hat abwerben lassen und fast ein Jahr später einen zweiten Förderverein gründete. Wir sind Realisten. Unsere Hauptziele haben wir erreicht: Eine von Christian Wulff bei seinem Besuch angemahnte Gedenkstätte wird es nun unbestritten geben. Es existiert ein Förderverein, der hoffentlich seine gegenwärtigen internen Auseinandersetzungen bald beendet. Und unser bereits 2011 vorgelegtes und vielbeachtetes Konzept für eine Zukunft in Hoheneck wird in wesentlichen Teilen bereits umgesetzt.
Wir haben also unsere Arbeit getan und sehen keinen Sinn darin, zwei Vereine – vielleicht nur aus Reputationsgründen – nebeneinander zu führen. Uns ging es und geht es um die Sache. Darum ist die letzte Mitgliederversammlung unserer Empfehlung gefolgt, den Verein aufzulösen, und darum haben wir jetzt die Abmeldung auf den Weg gebracht.
HB: Also ist die Auflösung eines Vereins doch Normalität? Warum haben Sie sich dann, zusammen mit anderen Frauen, gegen die Auflösung des Vereins „Frauenkreis“ gestemmt?
Frauenkreis Urzelle jedweden Gedenkens
TST: Das muss man nun wirklich auseinanderhalten. Unser Förderverein war zur Unterstützung der berechtigten Anliegen der Frauen von Hoheneck vor Ort gegründet worden. Wir wollten direkt vor Ort die Notwendigkeit einer würdigen Gedenkstätte vertreten. Dafür ist die Einbeziehung der Bürger vor Ort unabdingbar. Diese sahen doch in Hoheneck eher eine permanente Anklage als die Aufforderung, sich an einem würdigen Gedenken aktiv zu beteiligen. Der Frauenkreis hingegen ist aus einer jahrzehntelangen Verbindung ehemaliger Hoheneckerinnen hervorgegangen, die sich regelmäßig getroffen haben. Nach der Wiedervereinigung hat die unvergessene Maria Stein, die eigentlich vor dem Gefängnis eine Straße bekommen sollte, die losen Treffen in einem Verein zusammengefügt. Dieser Frauenkreis ist die Urzelle jedweden Gedenkens. Jeder Förderverein, das sagt ja auch schon der Begriff, sollte dieses Gedenken, diesen permanenten Anspruch des Nicht-Vergessens fördern und unterstützen. Das haben wir getan, das wird, so hoffe ich, auch der jetzige einzige Förderverein tun, den es ohne unsere Initiative von 2011 sicherlich auch nicht geben würde. So gesehen waren wir zwar kurz auf der Stollberger Bildfläche, aber wir haben unsere Arbeit gemacht. Auftrag erfüllt, Verein abgemeldet, so einfach ist das.
HB: Der einstige Vorstand des Frauenkreises sieht das wohl ähnlich in Bezug auf den Frauenkreis. Wozu diesen noch bestehen lassen, wenn es einen Förderverein gibt?

Die Freie Presse in Stollberg über den Aufruhr im Förderverein: „Gründungsmitglied stellt die Stasi-Frage“ (Interview mit Theo Schreckenbach / Ausschnitt).
Auflösungsbeschluss des Frauenkreise wurde förmlich durchgepeitscht
TST: Ich sagte bereits: Förderverein geht von fördern einer Sache, einer Idee oder der Förderung eines anderen Vereins aus. Er kann also nie einen Ursprung ersetzen. Natürlich kann sich auch ein Verein erschöpfen und zum Ergebnis kommen, wir lösen uns auf. Da das aber in jedem Fall eine schwerwiegende Entscheidung ist, muss hier bei einer Umsetzung besondere Sorgfalt eingebracht werden. Das war ja hier nicht der Fall. Der Vorstand des Frauenkreises hat sich wählen lassen, ohne den Mitgliedern vorher die eigene Option auf die beabsichtigte Auflösung mitzuteilen. Diese Wahl wäre dann vermutlich anders ausgegangen. Zweitens hat er unter gröblicher Verletzung des Vereinsrechtes und der eigenen Satzung diese Auflösung faktisch durchgepeitscht, praktisch an den Mitgliedern vorbei. Wir können uns hier Einzelheiten ersparen, da ja das Urteil darüber gerade verkündet wurde. Hier lässt sich also keine Vergleichbarkeit herstellen, auch wenn wir die Auflösung unseres ersten Fördervereins rechtlich konform mit den Stimmen von über 90% unserer Mitglieder durchgeführt haben.
HB: Der jetzige Förderverein hat ja wohl aktuell das Problem einer Überprüfung von Mitgliedern und besonders von Mitgliedern des Vorstandes auf eine ehemalige Nähe oder gar Mitarbeit zur Stasi…
Ablehnung von Überprüfungen gegen die Vereinsinteressen
TST: Ich verstehe diese Debatte nicht, weil es hier um Selbstverständlichkeiten geht. Man kann doch nicht einen Verein begründen oder führen, der das Gedächtnis an die Verbrechen der zweiten Diktatur und hier vornehmlich der Stasi zum Thema hat und dann dem Problem einer möglichen früheren Stasi-Nähe von Mitgliedern oder gar Vorständen gleichgültig – oder grob fahrlässig? – gegenüberstehen.
Wenn Dietrich Hamann trotz seiner Tätigkeit für die oder auch in der Haftanstalt keine Probleme hat, warum beantragt er nicht einfach diese Unbedenklichkeits-bescheinigung? Wenn Mechthild Günther keine Probleme mit ihrer glücklichen schnellen Entlassung hat, warum wehrt sie so vehement diese Überprüfung ab? Das ist kein Engagement für den Verein, das ist eine Haltung gegen die Interessen des Vereins. Denn diese ganze Diskussion hätte man sich durch eine klare Linie von vornherein ersparen können.
HB: Vielen Dank!
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Verwirrung um Heimkinderfonds:
„Können Sie uns den Sterbetag benennen?“
Köln, 15.05.2015/cw – Große Befriedigung kürzlich in Berlin: Ein ehemaliges Heimkind (Ost) war verstorben und sollte nun, mangels nicht aufzufindender Angehöriger, durch das Ordnungsamt mittels eines sogen. Sozialbegräbnisses, anonym beigesetzt werden. Durch das Engagement der gerichtlich eingesetzten Betreuerin, einst selbst Heimkind, wurde innerhalb von 24 Stunden eine Entscheidung des Heimkinderfonds in Köln herbeigeführt, der die anteiligen Kosten für eine „würdige“ Beisetzung übernahm (wir berichteten).
Die Freude über diese unbürokratische und menschliche Entscheidung (die Verstorbene hatte zwar einen Antrag gestellt, es war aber noch nicht zu einer Entscheidung oder Mittelausreichung gekommen) hielt jedoch nur kurz an. Im Schatten dieser erfolgreichen Durchsetzung einer würdigen Beerdigung wurden Details aus den diversen Beratungsstellen bekannt, die durchaus geeignet sind, neue traumatische Belastungsstörungen auszulösen.
In einem Fall wurde sogar davon berichtet, dass die Antragstelle vor Ort von einem ehemaligen Heimkind wissen wollte, wann „denn sein Tod eintreten“ werde. Das Heimkind war lebensbedrohlich erkrankt, sein Tod absehbar. Daher wurde vorsorglich ein Antrag gestellt, mögliche bewilligte Mittel, die im Falle des Todes noch nicht ausgereicht worden wären, für eine Beisetzung zu verwenden.
Der Verein „Ehemalige Heimkinder Deutschland e.V.“ berichtet über mehrere Fälle, in denen eine Beerdigung aus Mitteln des Fonds abgelehnt werde. Häufige Begründung: Wenn eine solche Mittelverwendung nicht unmittelbar bei der Antragstellung vorgetragen werde, könne der Fonds diese unabhängig davon, ob bereits Mittel ausgereicht worden seien, nicht bewilligen. Im Falle einer Mittelverwertung könne eine Kostenübernahme ohnehin nicht erfolgen.
Mangelnde Information
Die Crux sehen viele externe Berater in der mangelnden Information durch die Beratungsstellen. Zwar gäbe es eine Regelung für den Fall von Beisetzungen, diese sei aber meist nur intern bekannt, würde nicht transportiert oder Antragstellern vorgetragen bzw. erläutert. Im Falle mangelnder oder gar unterbliebener Beratung sieht man allerdings den Fonds in der Pflicht.
Nach Kenntnis der Redaktion soll der Lenkungsausschuss, der für die grundsätzlichen Festlegungen von Leistungen an ehemalige Heimkinder zuständig ist, kurzfristig einen Musterantrag für die Berücksichtigung von Vorsorgewünschen beschlossen haben (siehe Einfügung weiter unten). Einzelheiten sollen den Beratungsstellen demnächst übermittelt werden.
Erst kürzlich hatte RP ONLINE über eine aktuellen Fall berichtet http://www.rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/feilschen-um-ein-wuerdiges-begraebnis-aid-1.5070602. Darin wurde über den Sterbefall eines ehemaligen Heiminsassen berichtet, dem bereits Mittel aus dem Heimkinderfonds bewilligt worden waren. Der Freund Uwe W. hatte sich daraufhin an die zuständige Beratungsstelle mit der Bitte gewandt, anstelle der noch nicht ausgereichten Leistungen die Beerdigungskosten in Höhe von 3.000 € zu übernehmen. Ansonsten, so W., würde das Ordnungsamt eine anonyme Beisetzung veranlassen, was nicht im Sinne des Verstorbenen wäre. Nachdem die Beratungsstelle zunächst eine Übernahme unter Hinweis auf die Bestimmungen abgelehnt hatte, wandte sich der Freund, selbst einstiges Heimkind, an
die Zentrale mit Sitz in Köln.
Nach einem erneuten Gespräch in der Beratungsstelle ist Uwe W. nun vorsichtig optimistisch, dass sich auch beim Heimkinderfonds eine Lösung finden lässt, die „einem menschlichen Umgang mit den einstigen Opfern einer rigiden Heimerziehung“ entspricht.
Skandal im Umgang mit einstigen DDR-Dissidenten
Steht für den Todesfall in Mönchengladbach und hoffentlich in den vergleichbaren anstehenden Fällen eine Lösung in Aussicht, liegt der Redaktion auf der anderen Seite ein Bericht vor, der im Jahr 26 nach dem Mauerfall und 25 Jahre nach der Wiedervereinigung einem Skandal gleichkommt.
Der Mann von Regina L. wurde in den siebziger Jahren aufgefordert, in die SED einzutreten, was dieser verweigerte. Die danach einsetzenden Probleme auf der Arbeit löste Heinz L. durch eine Kündigung und den Aufbau einer zunächst erfolgreichen Schweinezucht. Nachdem dieser Betrieb durch gezielte Intrigen scheiterte, verlegte sich der findige DDR-Bürger auf die Zucht von Nutrias (Biberratten/Pelztierzucht). Nachdem alle Tiere vergiftet worden waren, stellte das entnervte Ehepaar einen Antrag auf Familienzusammenführung mit der im Westen lebenden Mutter des Mannes.
Doch die Diktatur des Proletariats schlug zurück. Im Sommer 1981 kamen zwei Kinder, Tochter und Sohn, nicht mehr von der Schule nach Hause. Sie waren abgefangen und in ein Kinderheim verbracht worden. Den Eltern stellte man die Rückkehr in Aussicht, wenn der Ausreiseantrag zurück genommen werden würde. Das standhafte Ehepaar lehnte ab, der Familienvater wurde verhaftet. Die Mutter floh daraufhin mit dem jüngsten Sohn nach Rügen, wo sie allerdings von dem Ortspfarrer an die Stasi verraten wurde. Auch das dritte Kind kam in ein Heim, Regina L. wurde inhaftiert. Die Begründung für den Kindesentzug im typischen Stasi-deutsch: Die Eltern könnten die Kinder nicht im Sinne der sozialistischen Moral erziehen. Eine erste Verurteilung erfolgt 1982, eine weitere nach erneuter Verhaftung 1984 „wegen Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit“ sowie „Vereitelung von erzieherischen Maßnahmen.“

Noch heute Schikanen alter Kader beim Kampf um ihre Rechte ausgesetzt: Das Ehepaar vor dem Ministerium der Justiz im Meck-Pom – Foto: LyrAg
Nachdem das Ehepaar nach der Haftentlassung „innerhalb von zwei Stunden“ ausreisen durfte, wurde eine Familienzusammenführung mit den Kindern verweigert. Erst nach dem Fall der Mauer konnten die Eltern ihre Kinder aus dem Heim befreien und zu sich nehmen.
DDR-Massnahmen rechtens – Leistungen abgelehnt
Als jetzt ein Sohn (der zweite Sohn war zwztl. verstorben) Antrag auf Entschädigung aus dem Heimkinderfonds Ost beantragte, wurde dies abgelehnt. Die zuständige Beratungsstelle hatte die Unterlagen nach Mecklenburg-Vorpommern mit der Bitte um eine Stellungnahme übersandt. Von dort kam die Auskunft, dass die Kinder wegen „asozialen Verhaltens der Eltern“ zu Recht in ein Heim eingewiesen worden waren. Daraufhin hatte der Fonds Leistungen abgelehnt.
An der Öffentlichkeit gehen bislang offenbar diese skandalösen Vorgänge vorbei. Die Diktatur-Opfer werden ja entschädigt, Heimkinder erhalten Entschädigungsleistungen aus einem eigens geschaffenen Fonds. Der soziale Staat hat offenbar seine Aufgaben gemacht. Doch wie heißt es in der Dreigroschenoper von Bert Brecht: „Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht und man siehet die im Lichte die im Dunkeln sieht man nicht.“
Es wird Zeit und es ist im Jahr 25 nach der Wiedervereinigung überfällig, sich den Schicksalen im Dunkeln zuzuwenden, ihre Leidensgeschichten ans Licht zu holen und da, wo man nichts wieder gut machen kann, wenigstens die Zuwendungen zu ermöglichen, die gesetzlich eigentlich dafür geschaffen worden sind. (985)
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