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Berlin/Konstanz, 14.04.2020/cw – Wolfgang Schuller (3.10.1935 Berlin; † 4.04.2020 Konstanz) war ein deutscher Alt- und Zeithistoriker und auch Jurist. Er lehrte von 1976 bis zu seiner Emeritierung 2004 als Professor für Alte Geschichte an der Universität Konstanz und arbeitete zur griechischen und römischen Antike sowie zur DDR-Geschichte. Erst heute erfuhren wir von seinem Tod: Wolfgang Schuller starb am 4.April im Alter von 84 Jahren in Konstanz.
Der Nachfahre des Philosophen Johann Caspar Lavater studierte nach seinem Abitur 1955 in Lüneburg zunächst Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der Université de Lausanne und der Uni Hamburg (1960 Erstes Staatsexamen), das Zweite Staatsexamen absolvierte er in Berlin. Nach dem Assessorexamen war er zwischen 1965 und 1967 als Wissenschaftlicher Assistent an der Juristischen Fakultät der Universität Hamburg tätig. Dort begann er während seiner rechtswissenschaftlichen Promotionsarbeit zudem mit einem Studium der Klassischen Altertumswissenschaften, der Ägyptologie und der Geschichte. 1967 wurde er in Hamburg mit einer Dissertation zum Politischen Strafrecht in der DDR 1945–1963 zum Dr. jur. promoviert und beendete schließlich sein Zweitstudium an der Freien Universität in Berlin, wo er sich 1971 in Alter Geschichte habilitierte.
1972 erhielt er an der PH Berlin seine erste ordentliche Professur für Alte Geschichte; 1972 folgte er einem Ruf auf einen Lehrstuhl für Alte Geschichte an die Universität Konstanz, wo er bis zu seiner Emeritierung Anfang 2004 verblieb. Schuller hatte neben vielen Ämtern an der Universität Konstanz auch eine Honorarprofessur an der rumänischen Partneruniversität Alexandru Ioan Cuza Iasi inne.
Wissenschaftlich blieb Schuller bis ins hohe Alter aktiv. In der Forschung beschäftigte er sich neben der Rechtswissenschaft auch mit der Geschlechtergeschichte und trat außerdem mit mehrfach aufgelegten Einführungswerken über die Antike hervor, unter anderem als Verfasser des ersten Bandes der Reihe Oldenbourg Grundriss der Geschichte. Seine Biographien über Kleopatra und Cicero fanden einen breitgefächerten Leserkreis.
Nachdem Mauerfall, seit 1990, war Schuller ordentliches Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Aber neben der Antike galt sein Forschungsinter-esse auch der Geschichte der DDR, zu der er ebenfalls mehrere Publikationen vorgelegt hat, zuletzt 2009 zu den Ereignissen von 1989. Wolfgang Schuller publizierte ferner zahlreiche Aufsätze, nicht nur in althistorischen Zeitschriften und Sammelbänden, u.a. in der Zeitschrift Mut. Das Mitglied der Görres-Gesellschaft edierte zudem Tagebücher von Carl Schmitt aus den Jahren 1930 bis 1934.
In einem Nachruf der Lagergemeinschaft Workuta würdigte Gerald Wiemers Schullers stete Verbundenheit mit den ehemaligen Workutanern: „Der Professor mit der klaren tiefen Stimme war ein großer Freund der Lagergemeinschaft Workuta: Zusammen mit Horst Hennig hatte er Ende Juli 1995 die Stätte der Kälte und des Grauens, die Reste des Lagers Workuta, besichtigt. Auf der Hinfahrt hatten die beiden Freunde die Lubjanka in Moskau besucht, mit dem Arbeitszimmer von Stalins Ankläger Andrej Wyschinski und das KGB-Museum. Die Gruppe unter Leitung von General Günter Kießling (1925-2009) bestand aus 25 Personen, darunter ehemalige politische Häftlinge und Journalisten.
Für Schuller blieben die Eindrücke lebenslang haften. … In Vorträgen und Publikationen beschäftige sich Schuller mit den Menschen, die in Workuta umgekommen sind, aber auch mit den Lebenden. Wichtig war ihm die Entlarvung der Strukturen des sowjetrussischen Systems, eines Lagersystems von ungeheurem Ausmaß, wo die Menschenwürde nicht zählte. Ebenso kritisch sah er, wie sich dieses System auf die von der Roten Armee befreiten und eroberten Gebiete im Osten Europas ausdehnte.
Bereits in seiner juristischen Doktorarbeit zum „Politischen Strafrecht in der DDR 1945-1963“ setzte er sich mit dem Unrechtsstaat auseinander. Auch künftig sollte das auf gesicherter Quellenbasis einer der Schwerpunkte seiner Forschungen sein. 1971 habilitierte er sich für Alte Geschichte mit der besonderen Neigung zur griechischen Antike.
Ob sein letztes Werk „Zwischen Jerusalem und Rom“ im Herbst bei Herder erscheinen wird, ist ungewiss. In der Ankündigung heißt es: „Schuller liest die biblische Apostelgeschichte des Lukas als historische Quelle“. Eine ausführliche Besprechung von drei Büchern „Den Osten verstehen wollen. Drei persönliche Bücher über Folgen und Fragen von 1989“ ist soeben in der Zeitschrift „Gerbergasse 18“ erschienen. Dagegen wird die Würdigung des Anglisten Wolfgang Iser (1926-2007), sein letztes Projekt, über die Materialsammlung nicht hinauskommen.
Mit Wolfgang Schuller haben wir einen großen Freund verloren, der durch seine Einzigartigkeit als Mensch und großartige Vielheit in seinem Werk hervortrat. Er wird uns fehlen,“ schließt Gerald Wiemers (Quelle: http://www.workuta.de/aktuelles/index.html).
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.533).
von Gerald Wiemers
Halle, 4.11.2016/gh – Das 22. Halle-Forum vom 3. und 4. Nov. 2016 stand unter dem Motto „Der Umgang mit den Opfern kommunistischer Diktaturen. Aufarbeiten-Entschädigen-Anerkennen“. Dabei sollte das „Anerkennen“ vor dem „Entschädigen“ stehen.
Der langjährige verdienstvolle Leiter der Gedenkstätte „Roter Ochse“ – dort fand die Veranstaltung statt – Dr. Andrè Gursky gab einen kurzen Überblich zur positiven Entwicklung des Halle-Forums. Er begrüßte die rund 80 Teilnehmer, darunter allerdings nur sechs ehemalige Opfer. Zu den Gründungmitgliedern des Forums gehört der ehemalige Hallenser Medizinstudent, Workuta-Häftling und spätere Generalarzt der Bundeswehr Dr. Horst Hennig aus Köln. Am 24. Febr. 1994 hat er zum 1. Halle-Forum den Militärstaatsanwalt der russischen Föderation, Kopalin, für einen Vortrag gewinnen können. Kopalin hat die Rehabilitation der politischen Häftlinge im GULag durchgeführt und später auf weiteren Veranstaltungen in Deutschland gesprochen.
Den Staffelstab übernehmen
Die sachsen-anhaltinische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Birgit Neumann-Becker, forderte die Lebensleistungen der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft anzuerkennen. Das Schicksal dieser Menschen gilt es, vor allem jungen Menschen stärker bewusst zu machen. Die Generation der politisch Verfolgten wird nicht mehr lange über die kommunistischen Gewaltverbrechen authentisch berichten können. Die Töchter und Söhne, vielleicht sogar die Enkel der ehemaligen Opfer müssen den Staffelstab übernehmen und das Geschichtsbewusstsein stärken. Horst Hennig erinnerte im kleinen Kreis daran, dass die Überlebenden des Aufstandes vom 1.August 1953 in Workuta, Lager 10, Schacht 29, mit über 60 Toten und 123 Verletzten, auf sechs* zusammengeschrumpft sind.
Erinnern wird als Aufgabe immer bleiben. Die Opfer politischer Gewalt brauchen, so der Bürgermeister der Stadt Halle, Egbert Geier, die Anerkennung durch die Gesellschaft Ähnlich äußerte sich der Bildungsminister des Landes Sachsen-Anhalt, Marco Tullner, der die Lager mit politischen Gefangenen in der DDR geißelte.
Für den erkrankten und leider inzwischen gestorbenen Hans-Jürgen Grasemann sprach der Oberstaatsanwalt im Ruhestand, Bernhard Jahntz zum Thema „Der Umgang mit den Opfern kommunistischer Diktaturen“. Tatsächlich lag die Anklagequote bei der DDR-Regierungskriminalität niedriger als bei der allgemeinen Strafverfolgung. Das ist bis heute für die Opfer unbefriedigend, zuweilen traumatisierend. Dennoch zog Jahntz eine positive Bilanz, weil „die Justiz kenntlich macht, dass auch das Unrecht von Politikern, die sonst immun sind, konsequent verfolgt wurde.“ In der Diskussion ist deutlich geworden, dass die DDR als Mitglied der UNO dem Völkerrecht verpflichtet war, aber die einfachen Menschenrechte nicht einhielt, eben ein Unrechtsstaat.
Opferrente wird als Almosen empfunden
Viel zu spät und unzureichend ist den Verfolgten der kommunistischen Gewaltherrschaft eine Opferrente zuerkannt worden. Das gesetzgebende Verfahren zog sich zwischen 1992 bis 2007 hin, ehe die Eckpunkte fixiert waren. Die Opferrente betrug am 28. August 2007 maximal 250 Euro monatlich. Sieben Jahre später beschloss der Bundestag am 4. Dezember 2014 diese Rente auf 300 Euro zu erhöhen. Nicht zu Unrecht empfinden zahlreiche politisch Verfolgte diese Opferente als ein Almosen. Den strafrechtlichen und beruflichen Rehabilitationen folgte nicht, wie Dr. Clemens Vollnhals vom Hannah-Ahrendt-Institut in Dresden festhielt, der gerechte finanzielle Ausgleich. Die Eingliederungshilfen durch die jeweils regierenden Parteien bleiben stets eng begrenzt. Die ungleiche Behandlung von KZ-Häftlingen und Häftlingen im GULag ist nicht nur der Bürokratie geschuldet sondern vor allem der politischen Opportunität und dem herrschenden Zeitgeist.
Horst Böttge stellte ein Jahr nach dem Tode seines Bruders Richard dessen Lebensweg in einem Buch vor: „Drangsaliert und dekoriert. Von der Kunst des Überlebens in der DDR.“ Als 16-Jähriger wird Richard Böttge verhaftet und von einem Sowjetischen Militärtribunal (SMT) zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt. Sein Vergehen bestand darin, ein Lenin-Bild verunziert zu haben, bestenfalls ein Dummejungenstreich. Es folgte später eine Karriere voller Ehrlichkeit, Zielstrebigkeit und Erfolg in der DDR-Wasserwirtschaft, wie sie zahllose DDR-Bürger so oder ähnlich erlebt haben.
Über die Errichtung von Denkmalen und musealen Gedenkorten zur Erinnerung an die kommunistische Diktatur erinnert Dr. Anna Kaminsky. Sie spannt den Bogen weit über Sachsen-Anhalt hinaus bis nach Mittel– und Osteuropa: Lager und Gefängnisse, Orte, die an Mauern und Grenzen erinnern und anderes mehr.
* Die heute noch lebenden Zeitzeugen des Aufstandes sind: Dietmar Bockel, Günther Friedrich, Heini Fritsche, Horst Hennig, Günter Rehbein und Horst Schüler.
Kommentar:
Die Veranstaltung hat ihren Zweck nur teilweise erfüllt. Der Umgang mit den Opfern kommunistischer Diktaturen ist heute ein anderer als noch vor 20 Jahren. Die kommunistischen Zwangsherrschaften erscheinen in einem milderen Licht. Die Wiederauferstehung des Massenmörders Stalin in Russland und in einigen ehemaligen Staaten der UdSSR sind ebenso ein sichtbares Zeichen wie die ungebrochene Verklärung des sogenannten Nichtangriffspaktes zwischen der Sowjetunion und Deutschland. Es ist auch nicht gelungen, das Geschichtsbild vom GULag einer breiten Öffentlichkeit oder gar in die Geschichtsbücher der Schulen zu transportieren. Es bleibt noch viel zu tun. Nicht alles kann das Halle-Forum leisten.
Mit freundlicher Genehmigung / Quelle: http://www.workuta.de/aktuelles/index.html
Zwischenüberschriften (Bearbeitung) durch Redaktion Hoheneck.
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