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Thema: 17. Juni 1953

ZDF-Journal, 14.06.2013, 21:45 Uhr

                                                     Ein Zeitzeuge berichtet

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ZDF-Mittagsmagazin, 14.06.2013, 13:00 Uhr

     „Bezwungener Protest – Zeitzeuge berichetet über den 17. Juni 1953“

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Der 17. Juni 1953 – Fanal  oder Fußnote der Geschichte?

von Michael Wolffsohn*

Weder noch, lautet die erste Antwortet. Der 17. Juni 1953 war weder Fanal noch Fußnote der Geschichte. Diese These kann sowohl empirisch-faktisch als auch methodisch-grundsätzlich belegt werden.

Zum Methodisch-Grundsätzlichen: Der 17. Juni 1953 war ein geschichtliches Ereignis, doch kein geschichtliches Ereignis ist an sich schon Geschichte. Geschichte ist die Addition vieler Ereignisse, sozusagen alles. Und eines ist bekanntlich nicht alles. So viel zur Logik.

In der Geschichtsanalyse muss zwischen folgenden Faktoren unterschieden werden:

Prof.Dr. Michael Wolffsohn

Prof.Dr. Michael Wolffsohn

Konstanten bzw. dauerhaften, z. B. geografischen Voraussetzungen oder auch natürlich anthropologischen, also Faktoren des menschlichen Seins an sich;

Strukturellen bzw. langfristig wirksamen, die, wenn überhaupt, nur unter hohen gesellschaftlichen, mentalen, politischen oder wirtschaftlichen Kosten verändert werden können;

Zyklischen bzw. Auf-Ab-Auf-Ab-Entwicklungen;

Aktionen, Personen, Ereignisse.

Von Faktor 1 bis 4 sinkt die Wichtigkeit und Gewichtigkeit der Faktoren. Und wieder gilt: Der 17. Juni 1953 war ein Ereignis, wenngleich ein wichtiges, doch kein entscheidendes. Er war (leider) auch kein Fanal  zu einer Revolution. Eine, die Deutsche Revolution erlebten Deutschland und die Welt erst 1989/90.

Revolutionen verändern die Faktoren 2 bis 4, nicht Faktor 1, den wir bei unserer Fragestellung außer Acht lassen dürfen.

Es gibt Aktionen, Personen und Ereignisse, die sozusagen kommen und gehen. Als wäre sie nicht(s) gewesen. Der 17. Juni 1953 war ein Ereignis, das in Erinnerung blieb.

Im deutschen Westen, der Bä-Är-Dä = BRD, verkümmerte die Erinnerung an den 17. Juni 1953 zur ritualisierten, manchmal peinlichen Pflichtübung. Gipfel der Peinlichkeit war (aus meiner subjektiv fachlichen Sicht als Geschichtswissenschaftler) die Ansprache des deutsch-amerikanischen  „Starhistorikers“ Fritz Stern. Der verstieg sich (wohl eher ohne vorherige Forschung betrieben zu haben) in seinem Vortrag am 17. Juni 1987 zum 17. Juni 1953 zu der – empirisch ganz und gar unhaltbaren – These, dass beim damaligen Bürgeraufstand Wiedervereinigung kein Thema gewesen wäre. Nur um bürgerliche Freiheitsrechte hätten die DDR-Bürger gekämpft. Nach dieser Sternstunde klatschten und jubelten fast alle: Parlamentarier ebenso wie mündige Journalisten, Historiker und andere „mündige Bürger“. Die Starstudie zum 17. Juni 1953 hat Hubertus Knabe im Jahre 2003 vorgelegt. Spätestens dann und dort wurde sichtbar, dass auch bezogen auf den „deutschen Aufstand“ (Hubertus Knabe) vom 17. Juni 1953 nicht jeder Stern hell wie ein Fanal leuchtet.

Titel unserer Schrift zum 60. Jahrestag © 2013 c.w.holzapfel

Titel unserer Schrift zum 60. Jahrestag
© 2013 c.w.holzapfel

In der DDR bleib der 17. Juni 1953 in Erinnerung, weil „die danach“, das heißt „die da unten“, sich an diesem Maßstab messen mussten, ob sie wollten oder nicht. Wer nur über „die da oben“ der DDR „meckerte“, jammerte, stöhnte oder sich beschwerte, hat – willentlich oder nicht, wissentlich oder nicht –  eine Art Blinkzeichen, ja, Fackel, Leuchtfeuer = vom Italienischen „Fanal“ gesehen: „Denk an den 17. Juni. Die damals haben sich gewehrt.“ Zugleich hatten sie aber sowjetische Panzer gesehen. Dieses zweite, entgegengesetzte  Fanal wirkte stärker als jenes erste. Das ist verständlich, denn – Faktor Anthropologie und Psychologie – die wenigsten Menschen waren oder sind Helden.

Erst als die realistische Möglichkeit – nicht Sicherheit! – darüber bestand, dass nicht wieder sowjetische Panzer gegen DDR-Widerständler rollen würden, kam es zu einer Aktionskette, die in die sanfte Deutsche Revolution vom 9. November 1989 mündete. Die Person, die den entscheidenden Unterschied ermöglichte, war – wer wüsste es nicht? –  Michail Gorbatschow, „Gorbi“. Der wiederum wurde nur möglich, weil die Strukturen der Sowjetunion brüchig geworden waren.

Fazit: Bis zum 9. November 1989 schien der 17. Juni 1953 eine Fußnote der deutschen Geschichte geworden zu sein. Erst seitdem wurde erkennbar, dass er, zumindest als vor-, unter- oder unbewusster Widerstandsmotivator Signal, ja, Fanal war. Ein Licht, das nicht erloschen war. Leitbild und Vorbild. Doch nur die Gesamtheit von Ereignis(sen), Aktion(en), Person(en) und Strukturen führte zur Revolution, deren Höhepunkt (nicht Anfang oder Ende) der 9. November 1989 war.

Dank und Respekt denen, die jenes Fanal entzündet hatten.

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* Der Autor ist Historiker, Publizist und Autor diverser Standardwerke. Er lehrte von 1981 bis 2012 an der Universität der Bundeswehr in  München Neuere Geschichte.

Anmerkung: Vorstehender Artikel ist ein  Beitrag für unsere Schrift zum 60. Jahrestag des Volksaufstandes. Da unser Antrag auf Förderung aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt worden ist, wird unsere Schrift erst im  Laufe dieses Jahres, also verzögert erscheinen. Wir sind bemüht, die entsprechenden Kosten selbst aufzubringen.

V.i.S.d.P. © 2013: Der Autor und Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin,        Tel.: 030-30207785

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Berlin, 10.06.2013/cw – Aus Anlaß des 60. Jahrestages des Volksaufstandes von 1953 referiert der Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni, Carl-Wolfgang Holzapfel am     11.Juni ab 19:30 Uhr in der ehem. Filmbühne am Steinplatz an der Hardenbergstraße in Berlin-Charlottenburg zum Thema: „17. Juni 1953 – Fanal oder Fußnote der Geschichte“.

Der Gesprächskreis „Diskurs und Dialog“ lädt zu diesem Abend ein. Voranmeldung unter Tel.: 0178-8189282 oder Vereinigung 17. Juni 1953 e.V., Tel.: 030-30207785.

V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V.

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