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Ortenberg/Hessen, 25.10.2018/cw – Ortenberg liegt an den südlichen Ausläufern des Vogelsbergs im Tal der Nidder, etwa acht Kilometer nordwestlich von Büdingen. Obwohl eine Besiedelung im Gebiet von Ortenberg schon seit der Steinzeit nachweisbar ist und in der Eisenzeit Kelten in der Region siedelten, denen später die Römer und noch später die Franken folgten, braucht es heutzutage schon heiße Wahlkämpfe, um eine solche Örtlichkeit in den Fokus öffentlichen Interesses zu rücken.

„Tragen Sie mir Ihr Anliegen vor, ich werde das prüfen!“ Aufforderung der Kanzlerin vor Demonstranten am 11.08.2018 in Berlin – Foto: LyrAg

Und wenn sich dann sogar eine leibhaftige Kanzlerin der Republik in ein Ortenbergisches Bierzelt verliert, kommen sogar überregionale Medien in diese Lokalität, die zuvor wahrscheinlich erst auf der Landkarte ausfindig gemacht werden mußte.

In Hessen stehen (wieder einmal) „Schicksalswahlen“ an, denn nach den Wahlen in Bayern steht nicht nur die SPD im Kampf gegen eine drohende Bedeutungslosigkeit. Auch die Union wird unruhig, weil sie im Niedergang der SPD Parallelen zum möglichen eigenen drohenden Schicksal erkennt. Auch die Bundeskanzlerin, in Personalunion Vorsitzende der CDU, scheint nach langem Zögern wahrzunehmen, dass die Prozente auch für die UNION nicht mehr „vom Himmel“ fallen, die Wähler mithin offensichtlich selbstbewusster und vor allem kritischer geworden sind.

So kämpft die langjährige christ-demokratische Vorzeigefrau auch im Bierzelt von Ortenberg um jede noch erreichbare Stimme und kann, was seltener geworden ist, „stehende Ovationen“ der eineinhalbtausend Bierzelter entgegennehmen, wenn man einem Bericht von „BÖRSE-online“, 24.10.2018, (https://www.boerse-online.de/nachrichten/aktien/schicksalswahl-hessen-merkel-kaempft-um-ihre-zukunft-1027644650 ) folgt.

Ein Satz prägt sich dabei dem aufmerksamen Verfolger des Zeitgeschehens besonders ein: „Wenn Sie Wut haben auf das, was in Berlin läuft – schreiben Sie mir einen Brief„, ruft Angela Merkel in vermittelter vollster Überzeugung ins Bierzelt. Nun ist das ja gerade in Bierzelten so eine Sache, was diese vielleicht gerade so attraktiv für Wahlkämpfende Parteien macht. Es steht im konkreten Fall nicht zu befürchten, dass die Poststelle im Kanzleramt infolge dieser von Ovationen begleiteten Äußerung Überstunden ob der vielen Post aus Ortenberg einlegen müsste. Denn bekanntlich gehen die meisten Inhalte kleiner und großer Wahlkämpfer mit der Inhalierung des geliebten Gerstensaftes ohnehin unter, weil es eher auf die unverwechselbare Stimmung im Zelt als um sowieso meist nur halb verstandene Wahrheiten oder Un-Wahrheiten geht.

Der Brief-Appell ist so ein schönes Beispiel. Bürger, die dieser (gerne wiederholten) Aufforderung tatsächlich vertrauten und kurze oder längere Briefe an die „verehrte“ oder „geehrte“ Frau Bundeskanzlerin versandten, wurden nach Wochen mit einem Brief aus dem Bundeskanzleramt geadelt. Dort stand dann meist etwas von einer „ernsthaften Prüfung des Anliegens“, das mit dem Bedauern verbunden wurde, „leider in der Sache nichts tun zu können.“ Unterschrieben sind diese Briefe dann meist von einem Kanzleramts-Adlatus, den man noch nicht einmal kennen muss, wenn man als Empfänger des Prüfungsbriefes gar Mitglied der CDU wäre. Die Kanzlerin als eigentliche Adressatin? Die hat den Brief nicht einmal im Briefumschlag gesehen. Geht ja auch gar nicht, da sie sich um die Weltpolitik kümmern muß.

Und ihre Aufforderung im Bierzelt von Ortenberg (oder anderswo)? Was kann sie denn dafür, wenn es im Bierdunst tatsächlich noch Menschen gibt, die eine Aufforderung (oder Einladung?) noch für bare Münze nehmen? Im Wahlkampf, egal wo und zu welcher Zeit, geht es ohnehin „um Ihre Heimat,“ so Merkel in Ortenburg (oder anderswo). Bei diesem Anspruch darf man nicht so kleinlich sein und eine bürgerfreundlich gemeinte Aufforderung für bare Münze nehmen. Schließlich kommt es auf diese Kleinigkeiten doch nicht an. Wesentlich wichtiger ist das Kreuz in der Wahlkabine. Eben.

© 2018: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.350).

Augsburg/Berlin, 09.10.2018/cw – Die alte Kader-Partei SED hat diverse Häutungen hinter sich, ob in der Namensfindung oder auch auf der Suche nach neuer Glaubwürdigkeit. Für Letzteres strampeln sich einige LINKE durchaus glaubhaft ab, werden aber immer wieder auf den Boden der Realität zurückbeordert.

Allgemein tobt in Bayern der Wahlkampf in seiner Schlussphase. Obwohl die Medien-Auguren der über Jahrzehnte mit absoluten Mehrheiten regierenden CSU ein katastrophales Wahlergebnis voraussagen, können sich die Christsozialen mit Sicherheit nach Überwindung einer gewissen Schockstarre am Wahlabend erneut auf die Besetzung des Ministerpräsidenten-Postens einstellen. Letztendlich beruhigt das, Söder hin, Seehofer her.

Doch das ist – zumindest hier – nicht der Punkt. Die bereits etablierten Parteien, also die Alt-Parteien, sind sich bei allen Unterschieden um die Umsetzung von Bürgerrechten gegen die Konkurrenz von RECHTS einig („Faschisten“, „Neo-Nazis“, „Rechtsextremisten“ etc.). Andererseits schweigt man sich in selber Übereinstimmung gegenüber „Ausrutschern“ bei den bereits etablierten „Konkurrenten“ aus. Man denke an die Bundestagsvizepräsidentin, die bisher ungerügt durch das Parlament hinter einem Transparent marschierte: „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“!

Karikatur aus der SZ (Hanitzsch/2001) – Geplante Provokation? Himpenmacher vielleicht ein V-Mann des Verfassungsschutzes?

„AfD fordert KZ´s für politische Gegner“

Jedenfalls wäre vermutlich in der Republik die politische und mediale Hölle los, wenn ein AfD-Abgeordneter oder auch nur ein AfD-Kandidat öffentlich von sich gegeben hätte, alle LINKEN müssten „zentral untergebracht“ werden. Die Empörung würde zu Recht erfolgen. Die Schlagzeilen kann man sich auch vorstellen: „AfD fordert KZ´s für politische Gegner“, „Verfassungsschutz braucht nicht mehr Argumente für Verbot sammeln“ etc.

Nun hat ein – freilich bisher eher unbekannter – Kandidat der LINKEn in Bayern, namens Tobias Himpenmacher (46) eben dies gefordert. In einer Befragung von örtlichen Kandidaten in Schwaben zu der bevorstehenden Landtagswahl sprach sich Himpenmacher in der Augsburger Allgemeinen und der Donauwörther Zeitung für „eine zentralisierte Unterbringung für Neonazis“, also für die (Wieder-)Einrichtung von Konzentrationslagern für politische Gegner aus. Ob Himpenmacher schon einmal bayerische KZ-Gedenkstätten, zum Beispiel in Dachau, schon einmal besucht hat, ist nicht bekannt und darf nach einer solchen skandalösen Äußerung zumindest bezweifelt werden.

Aber vielleicht hat dieser LINKE-Kandidat sich mit den Programmen und Aktionen seiner Partei befasst, als diese noch SED hieß? Dort hat er dann wohlmöglich gelesen, dass die DDR-SED schon 1976 Pläne entwarf, für den Fall der Fälle (Widerholung des 17. Juni zum Beispiel) unliebsame, sprich kritische Bürger in (neu) zu schaffenden Lagern zu „konzentrieren“. Was gestern richtig war, kann heute doch nicht falsch sein, oder?

Wir haben an dieser Stelle gegen den Kandidaten der AfD protestiert, der früher für das MfS der SED gearbeitet hat und den Rückzug von der Kandidatur gefordert (was dieser und seine Partei ignoriert hatte). Wir fordern ebenso, dass Genosse Himpenmacher umgehend seine Kandidatur zurückzieht, falls seine Partei ihn (vermutlich) nicht von der Liste streicht. Das geht zwar bürokratisch nicht, weil die Listen nicht mehr verändert werden können. Aber als „erklärter Wille“ geht das allemal. Zumindest würde an dieser Stelle der schlimme Verdacht ausgeräumt werden, Politiker der LINKEn würden bereits ein neues Dachau planen. Schon der Verdacht wäre skandalös. Auch wenn außer ein paar Menschen in Schwaben vermutlich keiner Herrn Himpenmacher kennt. Aber wer weiß schon (noch), dass sich die SED heute LINKE nennt? Und wer hat schon 1946 (Zwangsvereinigung SPD/KPD) einen Erich Honecker gekannt?

P.S.: Wie hätten wohl die angeführten Redaktionen reagiert, wenn der AfD-Kandidat und nicht Himpenmacher „eine zentralisierte Unterbringung“ politischer Gegner formuliert hätte? Empörte redaktionelle Kommentare wären geradezu Pflicht gewesen und hätten -nebenbei- beide Zeitungen vermutlich deutschlandweit in die mediale Hype gebracht (angesichts von Auflagenschwund ein nicht zu unterschätzender und dazu kostenloser Vorteil).

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.438).

Berlin, 1.09.2015/cw – Claus U.* war glücklich. Vier Wochen Urlaub in seinem geliebten Bayern. Die wohl „letzte große Reise in seinem Leben“ war Teil einer Entschädigung aus dem sogen. Heimkinderfonds. Zwei Tage nach seiner Ankunft im Urlaubsort wurde er tot im Schlafzimmer aufgefunden. Herzversagen. Claus war seit 1999 Mitglied der Vereinigung 17. Juni.

Stets engagiert: Claus (re.) 2012 vor dem Finanzministerium am heutigen

Stets engagiert: Claus (re.) 2012 vor dem Finanzministerium am heutigen „Platz des Volksaufstandes von 1953“ – Foto: LyrAg

Claus war das zweite Kind seiner Eltern und wurde 1942 inmitten der beginnenden Luftangriffe auf Berlin geboren. Nachdem sein Bruder Ulli bereits nach einer Stunde Leben verstorben war, wollten die Eltern erst einmal abwarten, ob Claus länger leben würde. Ein halbes Jahr später heirateten die Eltern im Roten Rathaus. Claus hatte überlebt.
1944, sein Bruder war gerade geboren, erlitt Claus eine Hirnhautentzündung, deren Folgen ihn – neben einer Erbkrankheit – zeitlebens belasten würden. Wann Claus zum ersten mal in ein Heim abgeschoben wurde, lässt sich nicht mehr eruieren. Fest steht, daß er zusammen mit seinem Bruder erstmals 1946 (vierjährig) in einem Heim in Berlin untergebracht war. 1947/48 folgte ein ebenfalls nachgewiesener gemeinsamer Aufenthalt in einer Heimeinrichtung des Berliner Johannesstift. Als er 2013 mit seinem Bruder auf Spurensuche ging, befand sich in dem einstigen Heim ein Hotel.

Die Eltern hatten sich bereits 1944 getrennt, die Ehe wurde 1949 nach der Geburt einer Schwester geschieden. Etwa ab diesem Zeitpunkt trennten sich auch die Heim-Wege der Geschwister. Claus – durch die Hirnhautentzündung und die ererbte Myoclonie (eine seltene Blutplättchen-Deformation, die ähnliche Symptome wie die Parkinson-Krankheit hervorrief) behindert, wurde von seiner Mutter in der Folge hauptsächlich in Einrichtungen für Nervenkranke untergebracht. Später, in den sechziger Jahren, gelang es ihr, Claus in Baden Württemberg unterzubringen. Dieses Bundesland stand damals in dem Ruf, besonders leicht sogen. Entmündigungsverfahren gegen Behinderte durchzuführen.

Statt Claus – wie heute üblich – in entsprechende Förderungsmaßnahmen zu integrieren, nutzten besonders kirchliche Einrichtungen die gegebene billige Arbeitskraft. Für ein Taschengeld, das diesen Namen nicht verdiente, mußte Claus seit frühester Jugend in der Landwirtschaft und in gewerblichen Einrichtungen arbeiten. Natürlich wurden in dieser Zeit keine sozialen Abgaben entrichtet. Rentenkasse? Damals offenbar ein Fremdwort für diese christlichen Institutionen.

2008 auf einem Schiff; Claus hatte gelernt, kleine Freuden zu genießen - Foto: LyrAg

2008 auf einem Schiff; Claus hatte gelernt, kleine Freuden zu genießen – Foto: LyrAg

Als Claus 1970 auf Antrag seiner Mutter endgültig in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden sollte, gelang es dem zwei Jahre jüngeren Bruder zusammen mit dem Vater, den 28jährigen im wahrsten Sinne des Wortes aus dieser Zwangsmühle zu befreien und ihn nach Berlin zu holen. Erst hier konnte er das schwere Kapitel – zwanzig Jahre Heimunterbringung – abschließen, lebte seither nahezu selbständig in einer eigenen kleinen Wohnung, immerhin ganze 45 Jahre lang. Eine nachträgliche Ohrfeige für Jene, die immer wieder neue Argumente bemüht hatten, um die „erforderliche“ Unterbringung in einer Heim-Einrichtung zu begründen.

Vor drei Jahren konnte ihn sein Bruder in ein Seniorenheim vermitteln, in dem Claus überaus glücklich war, weil ihm die permanente Sorge um seine Befindlichkeit im Alter genommen wurde. Schnell wurde er in der Einrichtung zum beliebten Kommunikator, besuchte Heimbewohner im Krankenhaus, half in der Essensversorgung und anderswo aus. Im Frühjahr wurde er in die Heimbewohnervertretung gewählt.

Behinderte warten seit Jahren auf den „Runden Tisch“

Nachdem Claus für seine in den diversen Heimeinrichtungen erbrachten Arbeitsleistungen einen zustehenden Rentenausgleich beantragt hatte, machte ihn der Heimkinderfonds darauf aufmerksam, dass er eigentlich keine Entschädigung (max. 10.000 €) hätte erhalten dürfen, weil er behindert sei.
Für die behinderten ehemalige Heimkinder aber sollte ein gesonderter „Runder Tisch“ abgehalten werden. Man legte Claus nahe, seinen Antrag zurückzuziehen, um sich nicht einer Rückforderung bereits erbrachter Sachleistungen auszusetzen, zu denen auch jene eingangs erwähnte Urlaubsreise gehörte. Auf die Nachfrage, wann denn dieser seit nunmehr einigen Jahren avisierte Runde Tisch für die behinderten ehemaligen Heimkinder stattfinden werde, wurde ausweichend geantwortet, dieser werde wohl „irgendwann“ einberufen werden.

Natürlich zog Claus U., förmlich die Pistole auf der Brust, den Antrag auf Rentenersatzleistungen zurück, er wollte seine „letzte Reise“ nicht gefährden. Am 25.August verstarb er am Urlaubsort.

Die Frage bleibt: Einmal Heimkind, immer Heimkind? (1.027)

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* Vornamen aus Datenschutzgründen verfremdet.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785

Wembley, 25.05.2013:

D a s  Tor...

D a s Tor…

Geschafft

Geschafft

Endlich...

Endlich…

Wimbledon2013 006 Wimbledon2013 073

Wimbledon2013 025 Wimbledon2013 023

Freude an einem großen Kampf...

Freude an einem großen Kampf…

Danke, Dortmund!

Danke, Bayern!

Es

war

ein

wunderschöner Abend!

Verdient...

Verdient…

Danach...

Danach…

Berlin, 15.Juni 2012/cw – Die LINKE entdeckt den 17. Juni. Allerdings nicht, um sich des Versagens der einstigen Staatsführung und -Partei zu erinnern, die wesentlich identisch waren, sondern um dem Tag offensichtlich ein  anderes Gepräge, sprich Erinnern zu geben.

Die SED/PDS, PDS und heute DIE LINKE feiert an diversen Orten vom 15. – 17. Juni eigens organisierte Feste. Während sich in Berlin bereits Opferverbände empörten, wird in Thüringen eine Debatte offenbar auf höherem Niveau geführt.

Auslöser dafür war ein offener Brief  des Thüringer FDP-Generalsekretär Patrick Kurth, in dem dieser die LINKE auffordert, das Fest abzusagen, das bis zum Tag des Volksaufstandes in der DDR dauern soll. Im Gegensatz zur Berliner Partei-Formation, die auf die Proteste gegen die rote Festivität zum Volksaufstand nicht einging, nahm der rührige Fraktionsvorsitzende der einstigen Honecker-Partei den Ball auf und warf im Gegenzug – ebenfalls in einem offenen Brief – den Liberalen vor, mit dem Kurth-Brief zu versuchen, den Stammtisch zu besetzen.

Wir dokumentieren den öffentlichen Disput unwesentlich gekürzt:

Grenzwertiges Fest an diesem Tag geschmacklos

Sehr geehrter Herr Ramelow,

am Wochenende jährt sich zum 59. Mal der DDR-Volksaufstand.

Beginnend in den Abendstunden des 15. Juni 1953 wagten unter anderem Arbeiter auf Baustellen und in Fabriken der DDR den Widerstand gegen die Diktatur. Die Rote Armee und die Volkspolizei schlugen den Aufstand zwei Tage später direkt nieder.

Im Nachgang sicherten Volkspolizei, Staatssicherheit und Justiz die Macht des SED-Staates durch regelrechte Säuberungen. Mehr als 1600 Aufständische und Verdächtige wurden verurteilt, zum Teil zu langen Haftstrafen in Gefängnissen, Zuchthäusern oder in Sibirien.

Die Ereignisse vom 15. bis 17. Juni 1953 waren der erste Aufstand im kommunistischen Teil Europas. Er wurde von den kommunistischen Machthabern als Konterrevolution bezeichnet, die SED hat bis zuletzt das gewaltsame Vorgehen gerechtfertigt.

Bis zur Wiedervereinigung war der 17. Juni Nationalfeiertag in der Bundesrepublik. Noch heute erinnern zahlreiche Veranstaltungen richtigerweise an den DDR-Volksaufstand. Der Mut und die Opfer der Bürger gegen einen diktatorischen Staat, die Achtung für ihr Eintreten gegen Willkür und ihr letztlich blutiges Scheitern sind Kerninhalt unseres Grundkonsenses. Gerade die Toten mahnen uns.

Die Linke hat entgegen des angebrachten Gedenkens für eben dieses Jubiläumswochenende ein sogenanntes „Fest der Linken“ organisiert. Bereits am 15. und 16. Juni werden laut Programm unter anderem Partys mit kubanischen Livebands oder auch „Das besondere Mega-Konzert“ gefeiert. Am Tag der blutigen Niederschlagung finden sich Programmpunkte wie „Andrej Hermlin and his Swing Dance Orchestra“, „Ulf und Zwulf“ oder „Alice auf Kaninchenjagd“ – also insgesamt ein buntes Programm mit Jazz-Musik, Kinderunterhaltung und Diskussionsrunden.

Den krönenden Abschluss bietet das „Liebeslieder-Konzert“ vom allseits bekannten Kollegen Diether Dehm. Eine Gedenkminute oder eine Kranzniederlegung findet sich auf dem umfangreichen Programm indes nicht.

Ich halte es für undenkbar, dass diese Veranstaltung zum anberaumten Termin stattfinden kann.

Es ist eine große Provokation, am Jubiläumswochenende dieses geschmacklose und für den gesellschaftlichen Grundkonsens zumindest grenzwertige „Fest“ durchzuführen. Dies geht zu weit und überschreitet die Grenze des gesellschaftlich Erträglichen.

Wie dem offiziellen Programm zu entnehmen ist, planen indes auch Sie persönlich, an der Veranstaltung teilzunehmen. Daher fordere ich Sie zu einer Erklärung auf, wie Sie Ihre Teilnahme mit dem gesellschaftlichen Grundkonsens und Ihrer historischen Verantwortung vereinbaren können, die DDR-Diktatur gegenüber den Nachfolgegenerationen nicht zu beschönigen. Ich bitte Sie dringend, Ihren Auftritt beim „Fest der Linken“ dahingehend zu überprüfen. Überdies habe ich die beiden Parteivorsitzenden heute aufgefordert, das „Fest der Linken“ umgehend abzusagen. Ihrer Erklärung sehe ich mit Interesse entgegen und freue mich über eine zeitnahme Antwort.

Mit freundlichen Grüßen, Patrick Kurth“

 

Hier die Replik von Bodo Ramelow:

DIE LINKE muss sich mit dem 17. Juni auseinandersetzen

„Sehr geehrter Herr Patrick Kurth,

 in der Tat – Ihr Brief trägt „grenzwertigen“ Charakter und zeigt mir, auf welch seltsame Art Sie als Geschmacksbestimmer des Stammtisches tätig werden wollen.

Tatsächlich ist der 17. Juni ein wichtiges Datum, und die 59. Wiederkehr der Ereignisse in der damaligen Stalin-Allee sowie die daraus resultierenden Proteste sind für mich starke Argumente, mit denen sich Die Linke auseinandersetzen muss.

Der Bundestagsabgeordnete, der für die PDS kandidiert hat – der Schriftsteller Stefan Heym – hat in seinem Buch „5 Tage im Juni“ eine spannende Lektüre geschaffen. Dass in der DDR dieses Buch zwar in den 50er Jahren in einer Vorfassung noch abgedruckt wurde, später aber nicht mehr zugelassen war, zeigt, wie engstirnig die DDR-Oberen zum Thema 17. Juni agiert haben.

Ich glaube kaum, dass Sie ernsthaft mit mir darüber reden wollen, denn als Generalsekretär einer Blockpartei hätten Sie Gelegenheit, über den LDPD-Teil selbst zu reflektieren. Dass Sie mich sogar auffordern, auf meine Lesung aus dem Buch „Made in Thüringen?“ – Nazi-Terror und Verfassungsschutz-Skandal“ zu verzichten und zudem meine Lesung überhaupt nicht am 17. Juni stattfinden wird, zeigt nur, dass es Ihnen weder um differenzierte Sichten noch um den 17. Juni selbst geht, sondern offenbar um Ihre Form, sich nur des Themas zu bemächtigen.

Ich könnte Ihnen genauso dringlich die Frage vorlegen, wie Sie und Ihre schlagende Verbindung sich zu den Ereignissen von Eisenach stellen. Da Sie aktives Mitglied der „Germania Jena“ sind, die – soweit ich weiß – nicht in der DB vertreten ist, frage ich Sie nach Ihrer burschenschaftlichen Sicht, ob es legitim ist, Herrn Bonhoeffer heute so zu bezichtigen, wie es die Vertreter der DB getan haben und wie es der Mehrheitsbeschluss anschließend sogar noch faktisch bekräftigt hat.

Da Sie aber von der DB als aktiver Burschenschaftler im Deutschen Bundestag präsentiert wurden, bezieht sich zumindest die DB auf Sie und deshalb meine Frage, wie geschmacklos diese Provokation durch die Burschenschaftsorganisation zu werten ist, die den Grundkonsens in Deutschland mit Füßen tritt. Ihrer Stellungnahme sehe ich entgegen.

Eine letzte Frage habe ich allerdings auch an Sie als Thüringer Bundestagsabgeordneten und als Generalsekretär einer Partei, die von Thüringerinnen und Thüringern gewählt werden möchte: Verlangen Sie auch, dass das am gleichen Tag stattfindende Krämerbrückenfest eingestellt wird?

Oder verlangen Sie von mir, dass ich – falls ich zum Krämerbrückenfest gehen möchte – dort nicht hingehen darf? Oder verlangen Sie, dass der 17. Juni zu einem stillen Gedenktag wird, an dem Feiern in genereller Art verboten sein sollen oder geht es Ihnen nur darum, dass meine Partei am 17. Juni, am Tag des Mauerbaus oder an anderen Gedenktagen der DDR nicht feiern darf, damit es generell keine Irritationen gibt?

Bedeutet das, dass wir in Zukunft den Tag der Maueröffnung nicht mehr feiern dürfen, weil er gleichzeitig einer der schrecklichsten Tage des Nationalsozialismus ist?

Dass Sie und Ihre Partei aber auf der Seite der Arbeiter stehen würden, wage ich zu bezweifeln. So oder so: Arbeiterkämpfe um gerechten Lohn sind nun wahrlich nicht die Angelegenheit Ihrer Partei, und deshalb gedenke ich dem 17. Juni auf meine Art – unbelästigt von Ihren Vorschriften, die Sie versuchen, anderen zu machen.

Mit freundlichen Grüßen, Bodo Ramelow“

 

Kommentar:

Nicht DIE LINKE hat diesen Tag aus dem Gedächtnis rasiert

Die Aufregung um  die Festivitäten am 17. Juni erscheint uns als aufgesetzt. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir als Vereinigung fast gleichlautende Proteste gegen den Missbrauch des Gedenktages an den Volksaufstand durch entsprechende Nutzung für „Freizeit, Sport und Spiel“ erhoben. Wir sind dafür zunehmend müde belächelt oder gar zynisch mit Injurien bedacht worden. Keine Partei, auch die FDP nicht, trat uns seinerzeit zur Seite. Ausgenommen von dieser Kritik: Bayern. Auf unseren seinerzeitigen Protest gegen die Veranstaltung der Ritterspiele in Kaltenberg, einer international einmaligen  Reminiszenz an das Mittelalter am Tag der Deutschen Einheit, wurde diese Veranstaltung bis auf den heutigen Tag auf einen anderen Zeitraum verlegt.

Natürlich entspricht es dem üblichen  Stil dieser Partei, an die Stelle von Sachargumenten mit anderen Themen aufzuwarten, so Ramelow mit seiner Anführung der Burschenschaften und Kurths Mitgliedschaft in der Verbindung. Schlägst du meinen Lukas, hau ich deinen Lukas.

Abgesehen von diesem leicht durchschauten  Geplänkel hat Bodo Ramelow aus unserer Sicht allerdings Recht: Warum soll nicht auch an einem Tag gefeiert werden, der immerhin von den Urhebern als arbeitsfreier Gedenktag zugunsten  eines „Gedenktages nach Aktenlage“ abgeschafft wurde? Nicht DIE LINKE hat diesen Tag wesentlich aus dem Gedächtnis des Volkes rasiert, sondern der Einheitskanzler Kohl und seine willigen  Gefolgsleute.

Wir sollten also die Kirche im Dorf lassen. Solange in Berlin jedes Jahr am 17. Juni feierliche Reden gehalten werden und die gleichen verantwortlichen Politiker sich der Benennung eines kleinen, aber wichtigen Platzes vor dem Bundesfinanzministerium in „Platz des 17. Juni 1953“ mit haarsträubenden Argumenten widersetzen, solange haben Proteste, wie die von Herrn Kurth , so ehrenvoll seine Motivation sein mag, einen mehr als schalen Beigeschmack. Denn die FDP sitzt auch in der Bundesregierung. Herr Kurth, wir wären Ihnen dankbar, wenn  Sie zumindest die selbe Energie dafür aufbringen  würden, diesen Platz zumindest bis zum  60.Jahrestag des Volksaufstandes zu benennen. Von hier ging am 16. Juni der Aufruf zum Generalstreik über den Äther und die Mundpropaganda: „Morgen früh, am Strausberger Platz“.

Wir werden auch heuer wieder der Opfer und Toten des Volksaufstandes gedenken. Wir werden aber ebenso feiern, dass die Forderungen, Träume und Ziele der Aufständischen von 1953 so traumhaft friedlich 1989/1990 in Erfüllung gegangen sind.

Carl-Wolfgang Holzapfel                                                                                                                                           Vorsitzender der Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.

 

 V.i.S.d.P.: Vereinigung (AK) 17. Juni 1953 e.V., Berlin, Tel.: 030-30207785

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