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Berlin/Erfurt, 09.02.2020/cw – Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion , Alexander Gauland, hat gegenüber dpa bestätigt, nach der die AfD in Thüringen nach dem Rücktritt des gewählten Ministerpräsidenten Kemmerich dem Kandidaten der LINKE-Fraktion, Bodo Ramelow, ihre Stimmen geben solle.

Die kopflose Reaktion von CDU und FDP bringt mich zu der Empfehlung an die thüringischen Freunde, das nächste Mal Herrn Ramelow zu wählen, um ihn sicher zu verhindern – denn er dürfte das Amt dann auch nicht annehmen“, zitiert dpa Gauland.

Gauland bestätigte damit Informationen unserer Redaktion, die wir exklusiv als Eilmeldung veröffentlicht hatten (https://17juni1953.wordpress.com/2020/02/07/eilmeldung-afd-thueringen-will-bodo-ramelow-zum-minister-praesidenten-waehlen/).

Die Thüringer Linke-Fraktionschefin Hennig-Wellsow betonte in Reaktion auf Gaulands Vorschlag gewissermaßen vorbeugend, es dürfe „bei der Wahl Ramelows zum neuen Regierungschef in Thüringen nicht auf die Stimmen der AfD ankommen. Wir werden Ramelow nur in die Wahl schicken, wenn wir eine demokratische Mehrheit für ihn haben.“

Ramelow empört

Empört äußerte sich der vormalige Ministerpräsident Bodo Ramelow zu den Überlegungen der AfD. „Mit dieser Ankündigung der AfD wird deutlich, dass es Herrn Höcke, den man – gerichtlich bestätigt – einen Faschisten nennen kann, überhaupt nicht um die Demokratie geht. Vor dem Rücktritt Kemmerichs wollte man mich aus dem Amt jagen und nun wählen? So agieren Demokratieverächter!“, twitterte Ramelow am späten Samstagabend.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.510).

Erfurt/Berlin, 6.02.2020/cw – Auf die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten reagierten Politiker und Journalisten in beängstigender Einigkeit mit Empörung: „Verstoß gegen die Grundwerte des Landes!“ , (Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt). „Tabubruch!“ (ARD-Journalist Georg Restle). „Zivilisationsbruch!“ (TV-Komiker Jan Böhmermann) und der durchaus umstrittene SPD-Politiker Ralf Stegner warf in der von ihm bekannten widersprüchlichen Manier CDU und FDP vor, sich vom „Konsens der Demokraten“ verabschiedet zu haben. Ein kleiner Ausschnitt aus einem unübersichtlich gewordenen Chaos der Reaktionen auf die MP-Wahl in einem „neuen“ Bundesland.

Was war geschehen? In einer geheimen Wahl von insgesamt drei Wahlgängen war der Kandidat der kleinsten Fraktion zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Es dürfte Außerfrage stehen, daß diese Wahl begeisterte Zustimmung der Politik und Medien gefunden hätte, wenn dadurch die Wahl eines AfD-Politikers verhindert worden wäre. So aber wurde die Wiederwahl eines Politikers der SED, heute LINKE, verhindert, und der Aufschrei kennt keine (demokratischen) Grenzen mehr. Längst wird dem Bürger auf breiter Ebene eine Linie verkauft, der das Etikett „Demokratie“ aufgeklebt wurde. Wer sich dagegen stellt, diese Form angeblich demokratischer Auseinandersetzung infrage stellt, wird zum „Feind der Demokratie“ erklärt.

Was aber unterscheidet LINKS und RECHTS? Was berechtigt „überzeugte Demokraten“ dazu, linken Anarchismus, gar Terror als „LINKSAUTONOM“ darzustellen und damit gefährlich zu verharmlosen, rechten Anarchismus und Terror aber generell als solchen zu brandmarken? Was berechtigt unsere „Hüter der Demokratie“ dazu, die LINKE generell als demokratisch und koalitionsfähig zu bezeichnen, obwohl diese – gerichtlich bestätigt – die SED verkörpert, die uns die zweite deutsche Diktatur im letzten Jahrhundert beschert hat? Was berechtigt die „Hüter der Demokratie“ im Gegenzug dazu, die AfD generell als Nazi-Partei zu diffamieren, mit der man – im allgemeinen Konsens – politisch nichts zu tun haben wolle?

Ramelow und Lederer sind keine „SEDisten“

Bodo Ramelow, der gestern in Erfurt abgewählte Ministerpräsident, ist zweifellos kein SEDist, kein „verkappter Anhänger“ der mit Recht untergegangenen SED-Ideologie, obwohl er der SED-Partei mit neuem Namen angehört. Auch Klaus Lederer, Bürgermeister und Senator in Berlin, ist alles andere als ein SED-Kommunist. Trotzdem beherbergt die Partei nach wie vor die „Kommunistische Plattform“, grenzt sich offiziell nicht von linkem Terrorismus und Anarchismus ab. Rechtfertigt dies eine Ausgrenzung von politischer Mitwirkung in diversen Koalitionen mit anderen Parteien? Wo fängt Demokratie an, wo hört Demokratie auf?

Alexander Gauland, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, war früher – als CDU-Politiker – angesehener Chef der Staatskanzlei in Hessen, leitete nach dem Mauerfall lange Zeit als Chefredakteur eine demokratische Zeitung. Er ist zweifellos kein „verkappter Faschist“ oder – im üblichen Sprech – ein „Nazi“. Auch Georg Pazderski, Fraktionsvorsitzender der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, war angesehener Oberst in der Bundeswehr, bevor er sich für eine Laufbahn in der AfD entschied. Auch er ist kein verkappter Faschist oder gar Nazi. Trotzdem tolerieren diese Politiker Personen wie Björn Höcke in ihrer Partei, der zweifellos mit fragwürdigen und durchaus als extremistisch einzustufenden Äußerungen eine nachfragwürdige Klientel an die AfD bindet. Rechtfertigt das Vorhandensein eines derartigen Partei-Flügels die generelle Ausgrenzung der AfD von der Mitarbeit oder gar Koalition mit anderen Parteien? Wo fängt Demokratie an, wo hört Demokratie auf, hat Demokratie ihre akzeptablen Grenzen?

Inakzeptabler Vorgang der LINKEn führte nicht zum Aufschrei

Diesmal lieferte die LINKE  ein konkretes Beispiel, um dieser Fragestellung nachzugehen: Deren Fraktionsvorsitzende warf dem neu gewählten Ministerpräsidenten den vermutlich für Bodo Ramelow vorgesehenen Blumenstrauß vor die Füße. Man stelle sich vor, die AfD hätte eine derartigen Fauxpas produziert und einem wiedergewählten Bodo Ramelow den Blumenstrauß vor die Füße geworfen. Der Aufschrei der Politik und der (in diesem Punkt bereits gefährlich eigen-Meinungs-losen,  gleichgeschaltet wirkenden) Medien würde unsere Republik erschüttern. So aber werden die Bilder von diesem inakzeptablen Vorgang mit einem blassen Schilderungsvorgang verbreitet, als handele es sich hier um einen normalen demokratischen (linksautonomen?) Vorgang. Es muss hinterfragt werden dürfen, ob es einen Unterschied macht, ob eine linke Politikerin hinter einem Plakat marschiert, auf dem „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ geschmiert steht (akzeptabel?) oder ein rechter Politiker dieser öffentlichen Verunglimpfung unseres Landes folgt (inakzeptabel?).

Es würde diesen Beitrag sprengen, wenn hier alle derartigen Vorgänge und Vorgehensweisen dokumentiert werden würden. Aber die Frage muss erlaubt sein, stellt sich immer drängender: Wo steht unsere Demokratie wirklich? Welche wirklichen Gefahren drohen ihr? Wo wollen wir letztendlich hin mit unserer wiedervereinigten Republik? Wollen wir generell nur noch „freie“ Wahlen der Bürger akzeptieren, wenn diese ein vorgegebenes Ergebnis zeitigen? Wollen wir andere Meinungen nur dann akzeptieren, wenn diese einem vorgegebenen „Konsens“ entsprechen? Oder wollen wir das Grundgesetz neu beleben, indem wir wieder lernen, unterschiedliche Meinungen zu ertragen, um diese in demokratischer Auseinandersetzung zu streiten, um Lösungen demokratisch ringen?

Dieser Republik stehen fraglos nicht erst seit der gestrigen Wahl in Erfurt schwere Zeiten bevor. Wenn wir nicht anfangen, über die Grundsätze einer Demokratie offen und ehrlich zu debattieren, wenn wir nicht endlich anfangen, Terror als Terror zu bezeichnen, gleich ob dieser von LINKS oder RECHTS kommt, wenn wir nicht aufhören, unsere Geheimdienste für parteipolitische Taktiken zu missbrauchen, statt diese gegen die tatsächlichen Feinde unserer demokratischen Ordnung von RECHTS und LINKS einzusetzen (Was eine unmissverständliche und für alle nachvollziehbare Definition voraussetzt!), dann ist unsere Demokratie tatsächlich in Gefahr.

Was von oben verordnet wird, kann ja wohl nicht schlecht sein

Wir können eben nicht tagein tagaus gegen den Hass demonstrieren, und dabei selbst eifrig dieses Instrument „HASS“ gegen Andersdenkende einsetzen. An diesem offenen Widerspruch zerbricht letztlich jede Gesellschaft. Die (Mit-)Bürger der einstigen und Gott sei Dank überwundenen DDR-Diktatur haben sich ihre Freiheit selbst erkämpft. Den (Mit-) Bürgern der (alten) Bundesrepublik wurde die Freiheit von oben (durch die Alliierten) verordnet. Vielleicht liegt hier die Ursache für die Hege einer missverstandenen Freiheit? Was von oben verordnet wird, kann ja wohl nicht schlecht sein?

Die DDR hatte ihren 17. Juni, hatte ihren erkämpften Fall der Mauer. Von unseren Mit-Bürgern dieser ehemaligen DDR eben diesen Revolutions- und Erneuerungswillen zu lernen, kann für uns im (ehemaligen politischen) Westen durchaus eine Alternative sein. Das setzt die Fähigkeit zum notwendigen Umdenken voraus. Auf allen Seiten.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.508).

Kommentar von Carl-Wolfgang Holzapfel

Bremen/Berlin, 25.10.2019/cw – Zugegeben, der verbrannte Begriff „Deutschland erwache“ würde völlig falsche Assoziationen wecken und wäre daher genauso falsch wie der unselige Ausspruch „Wir werden sie jagen“ des einstigen Chefs der Hessischen Staatskanzlei und heutigen Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland. Aber einfallen tut ein dieser Wunsch nach einem „Aufwachen“ schon, wenn man liest und hört, was sich die Sicherheitsdienste in Deutschland – 30 Jahre nach dem Mauerfall – so einfallen lassen.

Bürger sollen Äußerungen oder Verhaltensweisen melden

Dem Bundestag liegt ein vom Innenministerium initiierter Gesetzentwurf vor, nachdem der Verfassungsschutz das grundsätzliche Recht erhalten soll, künftig o h n e richterlichen Beschluss in die vom Grundgesetzt (bisher) geschützte Wohnung eindringen zu können. Der Bremer Verfassungsschutz bittet Mitte Oktober d.J. die Bevölkerung im „Kampf gegen den Rechtsextremismus um Mithilfe“. „Um einer weiteren Radikalisierung von Extremisten frühzeitig entgegenzutreten, brauchen wir die Zivilgesellschaft an unserer Seite“, erläuterte den Appell Dierk Schittkows­ki, der Chef des Bremer Verfassungsschutzes. BürgerInnen sollen „auffällige Signale, Äußerungen oder Verhaltensweisen telefonisch oder per Mail“ bei der Behörde melden.

Die berüchtigte Wasserzelle in Hoheneck – Ist unsere  Demokratie erneut bedroht?  – Foto: LyrAg

Eine Begründung liefert der Verfassungsschutz-Chef gleich mit: Eine schleichende Radikalisierung in Vereinen, Betriebsräten „oder auch beim lieben Nachbarn“ werde in Bezug auf die „Neue Rechte“ oft nicht oder zu spät erkannt, erklärte Schittkowski: „Der Verfassungsschutz sollte hier ein Frühwarnsystem sein, aber das geht mit den vorhandenen Ressourcen nicht – das geht nur, wenn alle mitarbeiten.

Wir brauchen keine Rückkehr der Staatssicherheit

Aber hatten wir das nicht alles schon einmal? Wenn man die GeStaPO der NS-Zeit einbezieht, dann hatten wir das sogar schon zweimal in Deutschland: Die Erschnüffelung unliebsamer, in das verordnete System nicht passende Zeitgenossen. Wir brauchen keine Rückkehr der Staatssicherheit oder den Ausbau unserer bisherigen Geheimdienste zu dieser Staatspolizei unseligen Angedenkens. Wir leben (noch) in einer Demokratie, die zwar ihre Schwächen, aber noch mehr Stärken hat. Diese Stärken gilt es auszubauen durch einleuchtende, wenn auch mühsame Wege. Mit den Mitteln der Politik lassen sich nicht nur bedenkliche Überwachungen organisieren (die irgendwann ein totalitärer Staat mit dem Hinweis auf einstige demokratische Beschlüsse extensiv auslegen und anwenden kann), sondern auch Alternativen entwickeln, die den Bürger durch konstruktive Taten, Problemlösungen und offene, ehrliche Debatten überzeugen. Das ist der beste und einzig vertretbare Weg in einer Demokratie, Radikalisierungen in der Gesellschaft vorzubeugen.

Widerstand gegen undemokratische Auswüchse

Gegen diesen Aufruf zur Schnüffelei sollten sich beizeiten auch die einstigen Bürgerrechtler und Revolutionäre wenden, um die Umsetzung dieser Absicht durch entsprechenden Widerstand zu verhindern. Wir haben im demokratischen Teil-Deutschland den Erfolg gegen ein undemokratisches „Volkszählungsgesetz“ erleben dürfen. Bereitschaft zum Widerstand gegen undemokratische Auswüchse sollte in einer Demokratie Pflicht sein. Es könnte sonst passieren, dass wir (erneut) in einer Diktatur aufwachen, in der jeglicher Widerstand (erneut) durch staatlich organisierten Stasi-Terror verhindert wird. Wehret den Anfängen.

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.488).

Berlin, 06.09.2019/cw – „Wohlan! Wenn es etwas gab, das mich neunundachtzig nicht interessiert hat, dann war es die deutsche Einheit. Für mich war schon Deutschland ein Unwort; ich konnte es mir nur gebrüllt vorstellen, Doitschland! Und was soll dieses Deutschland denn mit sich anstellen, wenn es denn wiedervereint ist? Natürlich wird es dort weitermachen, wo es zuletzt aufhören musste.

So beginnt der Schriftsteller Thomas Brussig (*1965 Berlin) seine Fragestellung in einem Beitrag für den Berliner TAGESSPIEGEL (4.09.2019). Bekannt wurde Brussig, der in Berlin und Mecklenburg lebt, mit dem Wenderoman-Bestseller „Helden wie wir“. Mit Leander Haußmann brachte er seine „Sonnenallee“ ins Kino. Er schrieb das Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ und zusammen mit Edgar Reitz das Drehbuch zur ARD-Serie „Heimat 3“.

Gut, dass der sich als „ersten Altneunundachtziger“ Ausrufende nicht der AfD angehört. Denn viele seiner Thesen stellen das gewachsenes Selbstverständnis unserer Demokratie provokant auf den Kopf:

„Grenzüberschreitung“ oder „lebendige Akzeptanz von Geschichte?“ – Foto: LyrAg

Ich habe damals nicht über die deutsche Einheit nachgedacht, sondern über Demokratie. Ein großes Wort. Bedeutet Herrschaft des Volkes. Macht schon drei Wörter, davon immer noch zwei große. Aber wie wird sie ausgeübt, die Herrschaft des Volkes? Für die Westdeutschen war die Sache klar, Bundestag und so. Aber mich hat das nicht überzeugt.

Man stelle sich vor, Alexander Gauland, um hier nur einen Namen aus der AfD-Szenerie zu nennen, hätte diese Äußerungen von sich gegeben. Ein Sturm der Entrüstung wäre vermutlich die Folge gewesen: „Gauland stellt Demokratie in Zweifel“ oder „Fraktionschef Gauland von demokratisch gewähltem Bundestag nicht überzeugt“. So oder ähnlich hätten die (harmloseren) Schlagzeilen gelautet. Die schlimmeren Überschriften hätten sich wahrscheinlich auf „Deutschland, ein Unwort“ bezogen.

Es ist eben nicht das Selbe, wenn zwei das Gleiche tun oder sagen. Ein Altneunundachtziger – Woher nimmt Brussig sich eigentlich das Recht, quasi alle 1989er durch diese frivole Benennung in das linke Kleid der Altachtundsechziger zu stecken? – reklamiert also auf diesem Weg die Deutungshoheit der politischen Linken für das demokratische Geschehen in Deutschland. Wahrscheinlich hat auch er Parolen wie „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ (hinter der widerspruchslos eine leibhaftige Bundestagspräsidentin herlief) oder den jüngsten Abgesang des Bundespräsidenten auf von Fallersleben gedachte Liebeserklärung an Deutschland verinnerlicht.

Wenn es aber auf meine Lebensumstände keinen Einfluss hat, ob diese oder jene an der Macht sind, warum sollte ich dann wählen? Ja, ist es nicht ein Ausdruck von Freiheit, bin ich dem Paradies nicht ein Schritt näher, wenn ich mir eine Gleichgültigkeit darüber leisten kann, ob nun diese oder jene regieren?“

Brussig ruft also offen zur Gleichgültigkeit gegenüber demokratischen Regeln auf, die letztlich unsere Freiheit im weitesten Sinn sichern und stellt sich damit offen gegen jenen Konsens der etablierten Parteien, nachdem es gerade wichtig sei, zur Wahl zu gehen, um bestimmte oder behauptete negative Auswirkungen auf Volk und Land zu vermeiden. Letztlich ist ja die Teilnahme an Wahlen das vornehmste Recht der Bürger und in der Regel sein einziges Mittel, in einem demokratisch organisierten Staat auf dessen Gestaltung Einfluss zu nehmen.

Auch wenn Brussig schlussendlich unter dem hier obskur wirkenden Hinweis auf einstige Stasi-Akten den jungen „Fridays for Future“-Demonstranten empfiehlt, zur Vermeidung negativer Erfassung rechtzeitig „die unentschuldigten Fehltage ins Zeugnis eintragen“ zu lassen, könnte sein Beitrag dennoch zum Anstoß einer neuen und grundsätzlichen Debatte über Formen und Inhalte, insbesondere um unsere gelebte Demokratie führen. Ähnlich wie die Altachtundsechziger hätte er neben deren hippigem Unfug möglicherweise trotz aller Wenn und Abers oder sonstiger Einwände damit einen Beitrag zur Fortentwicklung unserer Freiheitskultur geleistet.

Einzig darum empfehlen wir die Auseinandersetzung auch mit Brussigs Meinung, denn wir leben und atmen nicht zuletzt durch die Meinungsfreiheit, durch die dadurch permanent ausgelöste Diskussion. Diese kann durchaus auch polemisch sein, sollte aber immer den Andersdenkenden respektieren und nicht vordergründig mit Injurien ersticken, gar (politisch) ermorden wollen.

Brussigs Artikel unter: https://www.tagesspiegel.de/kultur/bekenntnisse-eines-alt-89ers-wozu-sind-wahlen-eigentlich-gut/24974976.html?fbclid=IwAR3E2YsHzGkbK0yDXlQVmdCHrj4UnbtW2aOXv2RYfZzyOz-oW1dc-Qk0F6s

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.477).

 

Als Dichter war er unterschätzt. Am Ende applaudierte ihm die AfD. Jetzt ist Ulrich Schacht mit 67 Jahren in Schweden gestorben.

von Gregor Dotzauer

Das Schicksal meinte es von Anfang an nicht gut mit ihm. Schon seine Geburt im erzgebirgischen Frauengefängnis Hoheneck am 9. März 1952, wo seine Mutter als Antikommunistin einsaß, machte ihn zum Außenseiter. 21 Jahre später kam Ulrich Schacht wegen „staatsfeindlicher Hetze“ selbst in Haft. Von seinen sieben Jahren Gefängnis verbüßte er indes nur einen Teil: Im Herbst 1976 kaufte ihn die Bundesrepublik frei. Doch er blieb traumatisiert. Erzählerisch wusste er seine Geschichte wie in seinem letzten, autobiografisch geprägten Roman „Notre Dame“ (Aufbau) kühl zu halten, und dem naturlyrischen Feinsinn des Dichters waren die Verletzungen nicht anzumerken. Den Staatsbürger prägten sie umso mehr: Sein Hass auf alles Linke trug selbst ideologische Züge. Er wurde einer von denen, die der DDR-Sozialismus in der Bundesrepublik in die rechte Ecke trieb.

Er fand Aufnahme bei der „Welt“ in Hamburg

Im Osten hatte der gläubige Christ zuletzt evangelische Theologie studiert. Im Westen stürzte er sich auf Philosophie und Politikwissenschaft und fand als Kulturjournalist Aufnahme bei der „Welt“ in Hamburg, die schon rechtskonservativen DDR-Philosophen wie Günter Zehm Obdach gewährt hatte. Dietrich Bonhoeffers „Ethik“ wurde für ihn so wichtig wie Albert Camus’ „Mensch in der Revolte“.

Zu den Umwegen seines langen Wegs nach rechts gehören 16 Jahre SPD-Mitgliedschaft. Die Abkehr war nicht zu übersehen. 1994 gab er zusammen mit Heimo Schwilk „Die selbstbewusste Nation“ heraus, eine Gründungsschrift der Neuen Rechten. 1998 floh er das wiedervereinigte Land und sein politisches Klima. In Skåne län, Schwedens südlichster Provinz, fand er eine neue Heimat, die ihn zu zahlreichen Versen inspirierte. In seinem Haus in Förslöv ist er nach einem Herzinfarkt nun mit 67 Jahren gestorben. Erzrechte wie Götz Kubitschek und Michael Klonovsky, Alexander Gaulands persönlicher Referent, haben ihm schon nachgerufen. Es steht zu befürchten, dass dieser hochgebildete, als Schriftsteller unterschätzte Mann, der sich politisch in fragwürdigen Kreisen aufgehoben fühlte, davon geehrt gewesen wäre.

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/zum-tod-von-ulrich-schacht-der-lange-weg-nach-rechts/23087514.html

* Gregor Dotzauer (* 13. Mai 1962 in Bayreuth) ist ein deutscher Literaturkritiker, Essayist und Kulturredakteur. Als Essayist und Literaturwissenschaftler hat Dotzauer für text + kritik, Kursbuch, Sinn und Form sowie für den Hörfunk geschrieben, wie zum Beispiel für den Deutschlandfunk Köln oder das Deutschlandradio Kultur. Daneben moderierte er Podiumsdiskussionen und Autorengespräche. Seit 1999 ist Dotzauer Literaturredakteur des Berliner Tagesspiegels (wikipedia).

Weitere Nachrufe:

https://www.boersenblatt.net/artikel-der_aufbau_verlag_trauert.1519075.html

http://www.ostsee-zeitung.de/Mecklenburg/Wismar/Autor-Ulrich-Schacht-ist-gestorben

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ehemaliger-dresdner-stadtschreiber-ulrich-schacht-ist-verstorben-15793397.html

https://m.sz-online.de/nachrichten/ehemaliger-stadtscheiber-verstorben-4015790.html

https://www.mz-web.de/kultur/freigekauft-und-freigedacht-zum-tod-des-autors-ulrich-schacht-31323588

 

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