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Berlin, 22.04.2018/cw – Dem aktuellen Regierenden Bürgermeister kann man ja einiges vorwerfen, einen Mangel an Ideenreichtum wohl nicht. Michael Müller machte unlängst Furore mit seinem Vorschlag zur Grundsicherung. Jetzt ging der Auch-Bundesratspräsident mit der Idee an seine Berliner Öffentlichkeit, sich zwischen drei Feiertagsvorschlägen zu entscheiden: Dem 8. Mai (1945, „Tag der Kapitulation“ oder „Tag der Befreiung“, je nach Gusto), dem 17. Juni (1953, Volksaufstand in der DDR, bis 1990 gesetzlicher und arbeitsfreier Feiertag in der alten Bundesrepublik) oder dem 27. Januar (1945, dem Befreiungstag des Vernichtungslagers Auschwitz, bereits als nicht-arbeitsfreier Holocaust-Gedenktag etabliert).
Meisterhafte Verdrängung oder meisterhafter Polit-Circus?
Interessanterweise taucht bei Michael Müller der 9. November nicht auf (1918 Ausrufung der Republik; 1923 Niederschlagung des Hitler-Putsches in München; 1938, als „Reichskristallnacht“ bekannter Auftakt zur aktiven Juden-Verfolgung durch die Brandschatzung diverser Synagogen und jüdischer Geschäfte, 1989 Fall der Berliner Mauer). Für einen Berliner und dazu noch Regierenden Bürgermeister etwas seltsam. Meisterhafte Verdrängung oder meisterhafter Polit-Circus?
Der 9. November ist in der Geschichte der Deutschen und dadurch – zwangsläufig – in der Geschichte Europas in seiner Anhäufung historisch bedeutsamer Momente ein einmaliges Datum. Er vereint (hier nicht erwähnt die Ermordung des Mitgliedes der demokratischen Paulskirchen-Versammlung, Bodo Blum, 1848 in Wien) Höhepunkte der deutschen Geschichte mit der Erinnerung an deren absoluten Tiefpunkt, dem 9. November 1938. Das war auch der Grund, warum die Vereinigung 17. Juni in Berlin bereits am Jahresende 1989 den Vorschlag unterbreitete, den (bisherigen freien Arbeits-Feiertag) „17. Juni“ gegen den „Nationalfeiertag 9. November“ auszutauschen. Der damalige Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe (CDU) begrüßte diesen Vorschlag vorbehaltlos, der Bündnis90/GRÜNE-Abgeordnete Werner Schulz griff im Deutschen Bundestag vor einigen Jahren diesen Vorschlag auf, bisher vergeblich.
17.Juni dient offenbar nur als Alibi
Dem Verein, der sich nach dem Volksaufstand als KOMITEE 17.JUNI zur Erinnerung an die Erhebung gegründet und am 3. Oktober(!) 1957 unter seinem jetzigen Namen in das Vereinsregister eingetragen worden war, war die Entscheidung pro 9. November seinerzeit nicht leicht gefallen. Der einstige Mauerdemonstrant und damals stv. Vorsitzende Carl-Wolfgang Holzapfel, seit 1963 Mitglied, konnte sich aber schließlich mit seiner Argumentation durchsetzen: Mit dem 9. November 1989 seien die Ziele der Aufständischen von 1953 wesentlich umgesetzt worden, das würde den Verzicht auf den bisherigen Feiertag auch unter dem Aspekt der anderen historischen Ereignisse an diesem November-Tag rechtfertigen.
Das der „geschichtslose, lediglich nach Aktenlage“ entschiedene 3. Oktober den 17. Juni als arbeitsfreien Tag ablösen würde, davon hatten die 17er bei ihrem Vorschlag zum damaligen Zeitpunkt keine Ahnung. Wenn jetzt Michael Müller diesen 17. Juni neben zwei anderen Vorschlägen ins Gespräch bringt, könne das nur als „Polit-Klamauk“ verstanden werden, so der Vorstand der Vereinigung in einer Stellungnahme. Müller umgehe „aus unbegreiflichen Gründen eine notwendige Diskussion um den 9. November“ oder verdränge dieses Datum absichtlich, um „mittels Nebelkerzen namens 8. Mai oder 27. Januar unerwünschtes Nachdenken“ auszuklammern. Dabei spiele der 17. Juni offenbar nur die Rolle eines Alibis, um dem Vorwurf möglicher Einseitigkeit zu entgehen: „Dies hat dieser bemerkenswerte Tag in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands nicht verdient,“ so der historische Verein. Müller solle auch wegen seiner Glaubwürdigkeit diesen Polit-Circus „schnellstens beenden“ und einen ernstgemeinten Vorschlag in die Debatte einbringen, deren Notwendigkeit überfällig ist, erklärte der Vorstand heute in Berlin: „Es ist nicht hinnehmbar, wenn die Geschichte durch derlei Vorschläge zum Spielball der Politik gemacht wird.“
V.i.S.d.P. / © 2018: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.376).
Berlin, 2.10.2014/cw – Der Schock sitzt auch noch nach 25 Jahren tief. Anders kann man die neurotisch wirkende Selbstdarstellung des letzten „Staatschefs der DDR“, Egon Krenz zwei Tage vor dem 3. Oktober kaum bewerten. Krenz, wegen Totschlags (an der Berliner Mauer) recht zivil zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die er nicht in Bautzen oder Hoheneck, sondern zumeist im Freigang bewältigen durfte, trauert nach wie vor einem Staat nach, der sich selbst um seine Chancen brachte, eine Alternative zur Bundesrepublik aufzubauen. Er wollte offensichtlich seine Auferstehung aus den Ruinen seiner einstigen Mauer demonstrieren, aber außer rund hundert verlesener Genossen will wohl kaum ein vernunftbegabter Mensch den modernden Schallmeienklängen des roten Altpräsiden folgen.

Für DDR-Kritiker war der einstige Staatschef krenzwertig nur hinter den Scheiben der „jungenWelt“ zu sehen -Foto: LyrAg
Von eigener Bevölkerung bejubelter Untergang
Die DDR erstickte nicht an ihren Verbrechen und an ihrem Unvermögen, wirtschaftlich und rechtspolitisch Furore zu machen, sonders sei von der Bundesrepublik übernommen worden, so der gescheiterte Honecker-Nachfolger. Großzügig räumte Krenz zwar ein: „Natürlich haben wir auch Fehler gemacht.“ Aber deswegen scheitern oder gar schämen? Niemals, niemals. Da fällt dann dem kritischen Beobachter die Honecker-Formel ein: „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!“ Wie wahr. Auch Egon Krenz konnte den Lauf in den von der eigenen Bevölkerung bejubelten Untergang nicht aufhalten.
Allerdings waren kritische Beobachter oder gar einstige aus politischen Gründen Verfolgte erst gar nicht zur Buchpräsentation zugelassen. Man hatte in dem von alten Kadern nach wie vor beeinflussten einstigen Zentralorgan der FDJ namens jungeWelt schnell gelernt. In den vergangenen Jahren war es immer wieder sogen. Staatsfeinden der DDR gelungen, an den Veranstaltungen teilzunehmen und den roten Protagonisten unangenehme Fragen zu stellen. Nunmehr wurden Karten verkauft und dabei streng darauf geachtet, nur Reservierungen für altgediente Genossen zuzulassen. Selbst gegenüber der Presse zeigt man wieder vor 25 Jahren und früher gewohnte Praktiken. So wurde der B.Z.-Reporter Tomas Kittan erst nach geharnischtem Protest eingelassen, nach dem dieser mit sehr unangenehmen Konsequenzen wegen Verletzung der Pressefreiheit gedroht hatte.
„Das Krawallblatt B.Z. log über Krenz-Auftritt“

Deutliche Ansage: Die ehem. Hoheneckerin Tatjana Sterneberg, im Hintergrund Egon Krenz – Foto: LyrAg
Die jungeWelt revanchierte sich denn auch, als sie am nächsten Tag den Journalisten der Lüge zieh: „Das Krawallblatt B.Z. log danach über den Auftritt des letzten DDR-Staatschefs: »Zugang hatten nur ehemalige FDJ- und SED-Funktionäre und Stasi-Offiziere.«“
Schließlich kennt man sich in Sachen Agitation aus und benutzt gekonnt Teil-Fakten, um den Gegner der Lüge zu überführen. Denn wahrscheinlich waren unter den Anwesenden auch eine Handvoll treuer Genossen ohne hervorgehobene Funktion in der SED oder ihrem Schild und Schwert, der Stasi. Ändert das etwas an der zusammengerafften Beschreibung und Aussage über den offensichtlich gesiebten Zugang durch einschlägig Vorbelastete?
Der Beweis für Kittans Situationsbeschreibung stand vor den Räumen der roten Ladengalerie. Rund zwanzig einst politisch Verfolgte, unter ihnen die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, hatten sich aus Protest gegen den krenzwertigen Auftritt des vorbestraften Staatsfunktionärs eingefunden und pressten ihre Protestschilder so gegen die Ladenscheiben der jungenWelt, dass auch Egon Krenz die Texte lesen konnte. Gut, dass das Schild und Schwert der Partei nur noch in Form alt gewordener Rentner vertreten war. So konnte Krenz nur gequält mit seinem berüchtigten Grinsen auf Sprüche wie diese reagieren: „Stasi go home!“ und „Die DDR war ein Unrechtsstaat!“
Interessant war allerdings die Feststellung, der Tag der Deutschen Einheit sei ein willkürlich datierter Feiertag. Ob „der wohl nur auf den 3. Oktober gelegt wurde, damit die DDR nicht 41 werden konnte,“ darüber ließe sich trefflich streiten. Denn daß der 3. Oktober „ein Gedenktag nach Aktenlage“ ist, haben Kritiker – besonders wir von der Vereinigung 17. Juni – schon recht früh angemerkt. Diesem Tag fehlen die mit einem Gedenktag unbedingt erforderlichen faktischen, impulsiven und sensitiven Inhalte, wie diese zum Beispiel mit dem 9. November, dem 17. Juni oder dem 8. Mai verbunden sind. Doch darüber wollten die Genossen offenbar nicht diskutieren, schon gar nicht mit Andersdenkenden. Im eigenen ideologischen Saft zu schmoren, die eigenen Indoktrinationen zu streicheln, scheint nach wie vor wichtiger, als sich dem freien Wort, der freien Auseinandersetzung zu stellen.
Die Frage nach den Toten der Mauer ließ Krenz verdunsten
So verließ Egon Krenz die Veranstaltung auch nicht durch den Vordereingang sondern eher fluchtartig durch die Hintertür. Trotzdem gelang es der einstigen DDR-Bürgerin und ehemaligen Hoheneckerin Tatjana Sterneberg, Krenz mit der Frage zu konfrontieren: „Herr Krenz, wie leben Sie heute mit den Toten der Mauer?“ Der Angesprochene rollte mit den Augen und stürmte geradezu fluchtartig auf seine Limousine zu. Mit aufheulendem Motor brauste der peinlich Befragte davon und ließ einmal mehr eine kritische Frage im Nachthimmel von Berlin ohne Antwort verdunsten.(869)
Siehe auch: http://www.jungewelt.de/2014/10-02/059.php
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785
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