Erfurt/Berlin, 18.02.2020/cw – Man muss sich dies verdeutlichen: Erst wird ein regulär gewählter Ministerpräsident durch einen politischen und Medien-Sturm mit der Begründung zum Rücktritt gezwungen, er sei von einer unerwünschten Partei m i t gewählt worden. Jetzt buhlt der vormalige Ministerpräsident Bodo Ramelow, LINKE, um die Stimmen der CDU und FDP, um eine Übergangslösung, die vorvormalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wählen zu können. Mit den Stimmen der LINKE-Partei, natürlich. Ziel des Postenpokers: Neuwahlen.

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Abgesehen davon, dass die CDU nunmehr über Umwege einer Wahl zustimmen soll, die ohne Beteiligung der vormaligen SED gar nicht möglich wäre, stellt sich doch die Frage nach der Glaubwürdigkeit des politischen Establishments? Was macht denn Bodo Ramelow und die anderen Nicht-AfD-Parteien so sicher, dass die AfD sich nicht an dem „konstruktiven Weg zur Lösung des Thüringer Dilemmas“ beteiligt? Müssten dann nicht die Nicht-AfD-Parteien im Thüringer Landtag und im Gefolge die Medien ohne Verzug und empört die Nichtannahme der Wahl oder den Rücktritt der Ersatz-Kandidatin fordern, um glaubwürdig zu bleiben (falls sie denn das vorher waren)? Wo liegt hier der Unterschied zur Wahl des Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich, FDP?

Oder greift hier die vorsorgliche Anmerkung von Bodo Ramelow (vor der jetzt angestrebten Lösung), es käme bei seiner Wahl darauf an, eine Mehrheit auch ohne die Stimmen der AfD zu erhalten?

Die diversen Politzirkel klagen breit über die Parteien-Verdrossenheit der Wähler, das Schwinden von Vertrauen in die Demokratie, wofür übereinstimmend die AfD verantwortlich gemacht wird. Nach der Vergangenheit der SED-Linke wird dabei nur am Rande gefragt. Kommunistische Plattform? Geschenkt. Unterstützung linksextremistischer Antifa? Geschenkt. Tabubruch der SPD, als diese nach der Wiedervereinigung über eine Tolerierung durch die damalige SED-PDS schließlich mit dieser anfangs geschmähten Partei in den Koalitionsbetten landete? Geschenkt. Diskussionen um die Grundsätze einer parlamentarischen Demokratie finden nur noch als Scheingefechte statt, Inhalte sind offenbar nicht mehr gefragt. Das fördert zweifellos die Politikverdrossenheit, fördert im Ergebnis die politischen Ecken, die man vorgibt bekämpfen zu müssen.

Alle Parteien wurden in freien und geheimen Wahlen gewählt

Geht es im Grunde nicht viel mehr um die Verteidigung gewohnter Positionen, um Machtstrukturen, an die man sich so sehr gewöhnt hat, das jedes Mittel recht erscheint, diese zu verteidigen?

Wir sollten diese mutwillige Quadratur der Politik und die damit einhergehende schwindende Glaubwürdigkeit durchbrechen, ehe wir tatsächlich den Zusammenbruch unseres in Jahrzehnten aufgebauten Wertesystems provozieren. Alle Parteien, die gegenwärtig in unseren Parlamenten vertreten sind, wurden in freien und geheimen Wahlen gewählt. Unterschiedliche Meinungen sollten da ausgetragen werden, wo sie seit Bestehen unserer Nachkriegsrepublik hingehören: In den Parlamenten. Dass der Wähler mündig ist und aufgrund dieses Meinungsaustausches offensichtlich seine Wahl überlegt trifft, hat er/sie bislang hinreichend bewiesen. Weder die NPD noch die KPD konnten sich dauerhaft etablieren, von anderen politischen Klein-Gruppierungen am Rand des Spektrums ganz zu schweigen. Ein ehrliches Bekenntnis zu unserer parlamentarischen Demokratie erfordert den Mut zur Ehrlichkeit und einen offenen Diskurs. Tricksereien und eigenwillige Auslegungen von Wahlvorgängen schaffen nur kurzfristige Erfolge und stärken langfristig den Zweifel an unserem System. Unter Konrad Adenauer hatten wir LINKE und RECHTE,  die sogar offen extremistische Parolen vertraten, im Parlament.  Unser Staat existiert noch, weil die unvergesslichen Debatten i n den Parlamenten den Wählern eine Richtschnur vorgaben.

Eine letzte Anmerkung: So wenig die renovierte SED als LINKE den puren Kommunismus vertritt, Ramelow, Lederer und Co. sind dafür Beispiele – trotz kommunistischer Plattform und leidvoll gewohntem Antifa-Extremismus gegen politische Gegner durch Teile der Partei – so wenig ist die AfD eine neonazistische Gruppierung, trotz Flügelbildung und Höcke-Syndrom in deren Reihen. Wir sollten die tatsächlich problematischen Kanten in diesen Parteien dort an- und aussprechen, wo diese hingehören: In den Parlamenten und (möglichst vielseitigen) Meinungsportalen der Medien. Dann kann künftig auch eine Christine Lieberknecht wie auch Bodo Ramelow oder ein Kandidat der Mini-Fraktion FDP mit den Stimmen der AfD gewählt werden, ohne das der Untergang des Abendlandes posaunt wird.

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