Von Tatjana Sterneberg
Berlin, 14.02.2020 – Zum Valentinstag erhielt der als „Mann vom Checkpoint Charlie“ bekannt gewordene einstige Mauerdemonstrant Carl-Wolfgang Holzapfel statt Blumen eine Zustellung (Amtsdeutsch) vom Landgericht Berlin. Inhalt: Eine Aufforderung, sich „innerhalb von 14 Tagen in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee“ einzufinden, um dort eine „ersatzweise festgesetzte Ordnungshaft von 10 Tagen“ anzutreten. „Sollten Sie nicht rechtzeitig zum Haftantritt erscheinen, muss gegen Sie ein Vorführungs- bzw. Haftbefehl erlassen werden.“
Hintergrund dieser außergewöhnlichen Post ist eine von der Chefin des „Mauermuseums Checkpoint Charlie“, Alexandra Hildebrandt, am 31.07.2019 erwirkte Ordnungsstrafe in Höhe von 1.000 € gegen den seinerzeitigen Vorsitzenden der Vereinigung 17. Juni 1953, der als freier Journalist auf der Vereinshomepage unter der Bezeichnung „Redaktion Hoheneck“ Artikel zu diversen Themen um die Aufarbeitung der DDR-Diktatur veröffentlicht. So hatte der einstige enge Freund des 2004 verstorbenen Museumsgründers Rainer Hildebrandt am 27.07.2018 einen kritischen Artikel über die Hildebrandt-Witwe veröffentlicht. „Die seltsamen Wege der Alexandra Hildebrandt“.
Erst eineinhalb Jahre später erhielt der als freier Journalist auch investigativ tätige einstige Demonstrant gegen die „zweite deutsche Diktatur“ eine Unterlassungserklärung der streitbaren Museumschefin. Pikant: Die beauftragte Berliner Kanzlei hatte zuvor Holzapfel vergeblich zu einer Unterlassung aufgefordert, nachdem dieser über einen Immobilien-Mogul berichtet hatte, der in Stade (Niedersachsen) wegen schwerer Vorwürfe vor Gericht stand. Auf die Ablehnung einer Unterlassung mit Schreiben vom 1.10.2018 erhielt weder Holzapfel noch die Redaktion eine Antwort. Stattdessen forderte ihn die besagte Kanzlei zwei Monate später unter Verweis auf den Hildebrandt-Artikel vom Juli 2018 „im Auftrag der Alexandra Hildebrandt“ zu einer Unterlassung auf.
Zu diesem Zeitpunkt stand Holzapfel persönlich unter unverschuldetem Druck, weil ihm und seiner Frau die bisherige Wohnung zum Jahresende gekündigt worden war. Er musste also den Umzug vorbereiten und die im Sommer 2018 unter den allseits bekannten schwierigen Bedingungen am Berliner Mietmarkt gefundene Wohnung unter Einsatz von mehreren tausend Euro umbauen. Dadurch kam es zu nachvollziehbaren Verzögerungen in der Abwicklung einer zwztl. 2019 gerichtlich erwirkte, wenn auch nur teilweise stattgegebene Unterlassung. Auf Antrag von Alexandra Hildebrandt wurde deswegen im Sommer vergangenen Jahres eine Ordnungsstrafe in Höhe von je 1.000,00 € verhängt: Gegen den Journalisten und den (verantwortlichen) Verein 17. Juni. Die Rechts-Vertretung von Holzapfel trug erfolgreich das „Verbot einer Doppelbestrafung in selber Sache“ vor, sodass letztlich das jetzt eingeforderte einmalige Ordnungsgeld i.H.v. 1.000,00 € als Forderung im Raum steht.
Holzapfel hatte dem Gericht mehrfach mitgeteilt, sich nicht nur aus finanziellen Gründen (teurer Umzug) für die „ersatzweise Haft“ (10 Tage je 100,00 €) entschieden zu haben. Er wolle dadurch auch seinen Protest gegen das durch die Museumschefin beantragte Ordnungsgeld öffentlich machen. Er halte den Umgang der sich immer wieder als “Menschenrechtlerin“ in der Öffentlichkeit darstellenden Witwe seines Freundes Rainer Hildebrandt mit einstigen von Hildebrandt stets unterstützten Kämpfern gegen das SED-Unrecht für „widersprüchlich und beleuchtenswert“. So würde Hildebrandt in ihrer Einkommensquelle zwar auch Dokumente von oder über diese einstigen Widerstandskämpfer ausstellen, gleichzeitig aber gegen diese in unverhältnismäßiger Weise vorgehen. So sei der den Widerstandskämpfern von einst stets durch den Museumsgründer Rainer Hildebrandt gewährte kostenlose Eintritt in das Mauermuseum von seiner Witwe „schon seit Jahren“ abgeschafft worden.
Pikant an dieser Auseinandersetzung ist eine weitere historische Gegebenheit: Rainer Hildebrandt hatte Holzapfel während dessen ersten Hungerstreik im Oktober 1962 für sein im Aufbau befindliches erstes Mauermuseum an der Bernauer Straße „Die Freiheit darf hier nicht enden“ geworben. Holzapfel hatte die Leitung dieses ersten Mauermuseums ab 1. Dezember 1962 übernommen. Zu einer Zeit also, als Alexandra Hildebrandt noch unter anderem Namen in Kiew (Ukraine) wohnte.
Holzapfel, der als West-Berliner am 7.April 1966 vom Ostberliner Stadtgericht wegen seiner Demonstrationen für die Freilassung der politischen Häftlinge in der DDR zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, wird seine Ordnungshaft am kommenden Montag, 17. Februar, um 13:00 Uhr in der ausgewiesenen Justizvollzugsanstalt Plötzensee (Friedrich-Olbricht-Damm 16, 13627 Berlin) antreten. Er habe keine andere zeitliche Wahlmöglichkeit, weil ihm nach einem Schlaganfall Mitte November und einer anschließenden fünfwöchigen Anschlussheilbehandlung Anfang März ein Herzschrittmacher eingesetzt werden soll. Dieser Termin stehe bereits fest und sei ihm, Holzapfel, wichtiger, als sich auf eine Haftandrohung einzulassen.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-85607953 (1.511).
9 Kommentare
16. Februar 2020 um 22:41
Dr. Günther Dilling
Liebe Kameradinnen , liebe Kameraden , liebe Sympathisanten ,
die jetzige Chefin und Witwe von Rainer Hildebrandt (Haus „Museum am Checkpoint Charlie“) hat es m. E. unrechtmäßig, aber vom Landgericht Berlin durch Beschluss bestätigt geschafft, daß Wolfgang Holzapfel eine Ordnungsstrafe in Höhe von € 1.000,– zu zahlen hat.
Ihr kennt den entsprechenden Artikel auf der Homepage.
Wir können Wolfgang jetzt nicht allein lassen. So haben meine Frau und ich beschlossen, dieses Ordnungsgeld für Wolfgang an das Landgericht Berlin zu zahlen, um dem Mann, der sich Jahrzehnte für uns eingesetzt hat, zu helfen.
Lasst Ihr uns damit allein oder seid Ihr bereit, uns dabei zu unterstützen? Dann lasst es uns über unsere Email guentherdilling@aol.com wissen!
Im übrigen waren wir am 17. Juni 1953 keine amerikanischen Agenten und heute keineswegs Rechtsgerichtete oder Nazis. Ich selbst bin seit meiner Haftentlassung aus Brandenburg und „Flucht“ in den Westen über 60 Jahre aktives CDU-Mitglied. Die SED-LINKE kann es scheinbar immer noch nicht fassen , daß wir die „DDR“ immer noch und zu Recht als Unrechtsstaat bezeichnen.
Schon jetzt ein herzliches DANKE für Eure gezeigte Solidarität!!!
Dr. Ing. h.c. Günther Dilling
17. Februar 2020 um 09:03
text030
Respekt und herzlichen Dank!
17. Februar 2020 um 20:37
text030
Was hat die Überweisung verändert. Eine Info hierzu vermisse ich auf dem Blog.
16. Februar 2020 um 14:15
Matze 001
An der Aussage von Herrn Kuttnik ist schon etwas dran (wenn auch bedingt), möchte da aber nicht weiter darauf eingehen um Missverständnisse zu vermeiden. Tatsache ist aber, dass wenn der Haftantritt nicht erfolgt, eine behördliche Vorführung erfolgt. Auf Grund der gesundheitlichen Situation wäre ein Haftantritt jedoch völlig absurd. Es wäre amtlich zu klären wer die Verantwortung für mögliche Gesundheitsschäden übernimmt. Es wäre somit eigentlich logisch, dass eine Amtsperson (oder auch keine nachweisbare Amtsperson mit Privathaftung) welche einen Antrag gemäß § 455 (StPO) Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit ignoriert, sich erheblichen Gefahren aussetzt. Im Übrigen appelliere ich an die Gäste dieser Seite um Unterstützung für Herrn Holzapfel was auch diese Seite betrifft. Bisher hat Herr Holzapfel alles auf eigener Gefahr hin veröffentlicht und das auch noch auf eigene Kosten – trotz des Gesundheitszustandes. Dies sollte von Allen auch einmal gewürdigt werden. Bevor also irgend eine Person den Inhaber der Seite und nachweislich Geschädigte kritisiert, wäre zu überlegen auf welche Art und Weise ein konstruktives Miteinander gestaltet werden kann in Verbindung der Einbringung positiver Energien.
17. Februar 2020 um 07:20
text030
In Ihrem Kommentar finden sich wichtige Gedanken, die auch mir seit Tagen durch den Kopf gehen. Ich hoffe auf ein Einlenken der Behörden und einen guten Ausgang.
Die Gesundheit von Wolfgang Holzapfel hat nun mal oberste Priorität.
15. Februar 2020 um 12:01
Heinz Kuttnik
Auf Grund meiner selbst erlebten Tatsachen, auch Stasihaftvon 23 Monaten, konnte ich die Übername der damaligen „Gesetzgebung“ aus der „DDR“ (Das „zweite“ Dritte Reich, wie ich es bezeichne), bemerken, weil mir auffiel, das von dieser Staatsanwaltschaft immer statt eines Aktenzeichens nur eine Geschäftsnummer stand. Aktenzeichen gehören zu einer staatlichen Institution und Geschäftzeichen zu einer Firma. Und das von einer, wie es heute immer heißt, Staatsanwaltschaft. So habe ich mir den Grund für eine Forderung und den dafür nötigen Mut selbst erlaubt und dieses Gericht um die Zusendung einer Kopie gebeten, mit der dieses Gericht oder die dort angestellten „Richter“ und „Staatsanwälte“ die staatliche Legitimation haben, als eine staatliche Institution zu arbeiten. Doch wie bereits zu vermuten ist: Bis zum heutigen Tag habe ich keine Antwort erhalten. Dann fiel mir auf, das ich sogenannte Urteile erhielt, die nicht juristisch vorgeschrieben vom urteilenden Richter persönlich unterschrieben waren, dafür aber bei einem „Urteil“ eine Beglaubigung von einer Angestellten dieses Gerichtes unterzeichnet wurde. So kann doch jede Putzfrau in ihrer Arbeitsbereitstellung sich jedes nur möglichen Schriftstückes samt Stempel für einen Aprilscherz bemächtigen und jedem, den sie nicht mag, solche scheinbar vorschriftsmäßg erscheinende Scherzartikel zuschicken. Denn laut juristischer Vorschrift muss ein urteilender Richter auch das ergangene Urteil persönlich unterschreiben, damit es tatsächlich auch Rechtskraft erhält. Fehlt diese Unterschrift, ist das zugestellte Blatt oder die Blätter nur ungeeignetes Klopapier, und wer das aus Angst aber akzeptiert, macht dann dieses Klopapier gegen siech selbst rechtskräftig. Dies kann ich auf diesen Eintrag nur antworten. Heinz Kuttnik
15. Februar 2020 um 10:59
text030
Weshalb sollte Herr Höcke Zensur erfahren, Sie aber nicht? Und wie darf man die Aussage: „daß Sie, Frau Sterneberg und Ihr Herr Holzapfel
dem neo-diktatorischen Geist, ob von links oder rechts, ein Forum geben wollten!…“ verstehen? Was ist an diesem Forum gar neo-faschistisch?
PS. Leider wurde mein Kommentar zum Haftantritt von Wolfgang Holzapfel (noch) nicht freigeschaltet.
15. Februar 2020 um 08:24
text030
Ein unglaublicher Vorgang, der nur mich sprachlos macht. Ich wünsche Wolfgang vor allem Genesung und ein Einlenken der Behörden, um seine Gesundheit nicht weiter zu schädigen.
15. Februar 2020 um 01:42
cayhner
Liebe Frau Sterneberg !
cayhner wünscht Ihnen und „Ihrem Holzapfel“
von Herzen alles Gute !
Ich frage mich jedoch, seit ich mich in diesem Forum betätige,
warum ddr – Kritik … mit neo – faschistischen Parolen verbunden wird?
Auch ich habe diese Diktatur nach dem Krieg erlebt und
lernte diese abzulehnen, ich habe diesen „Staat“ verlassen.
Mit meiner christlich – humanistische Erziehung in Thüringen muß ich
und will ich weiterhin jede Form von + jeden neo-Kommunisten und jeden neo-Faschisten ablehnen,
egal ob der aus dem Osten ist oder aus dem Westen kommt.
björn höcke + co. sollten Ihre Zensur erfahren, nicht jedoch ich.
Bitte lassen Sie nicht zu, daß Ihr Forum diesbezüglich mißbraucht wird.
cayhner glaubt, daß Sie, Frau Sterneberg und Ihr Herr Holzapfel
dem neo-diktatorischen Geist, ob von links oder rechts, ein Forum geben wollten!