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Karlsruhe/Berlin, 10.11.2019/cw – Der BGH hat am gestrigen Mittwoch in der Berufungsverhandlung eines Vermieters gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin das grundsätzliche Wohnrecht von Langzeitmietern bestätigt. Es sei zu beachten, „dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher kann er bei der Anwendung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der Auslegung des dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs „Härte“ verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen.“ (VIII ZR 21/19).

Zugleich hat der BGH die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Härteeinwand des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, weil die Modernisierungsmaßnahme (hier: Wärmedämmmaßnahmen bei Erneuerung eines teilweise schadhaften Außenputzes) aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Vermieters durchgeführt wurde.

In Ergänzung seines Mieterhöhungsverlangens wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen hatte die Vermieterin eingewandt, dass der Mieter als Einzelperson die angemietete Wohnung mit einer Größe von fast 86 m² „missbrauche“, der sogen. Härteeinwand des Mieters hier also nicht relevant sei. Die Beklagte hatte vor allem geltend gemacht, dass nach den für staatliche Transferleistungen geltenden Vorschriften für einen Einpersonenhaushalt lediglich eine Wohnfläche von 50 qm als angemessen gelte. Letztlich laufe die einen Härtefall bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass der Vermieter den „Luxus“ des Mieters zu finanzieren habe.

Der Bundesgerichtshof hat den Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen lassen. Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einzubeziehen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist,“ heißt es in der von der Presseabteilung des BGH verbreiteten Entscheidung (Nr. 131/2019 vom 09.10.2019).

Der so traktierte und arbeitslose Mieter war mit seinen Eltern im Alter von 5 Jahren in die Wohnung am Lietzensee 1962 eingezogen und wohnt somit seit 57 Jahren in der Charlottenburger Immobilie.

Ob der Mieter die Wohnung trotzdem weiter bewohnen kann, wird letztlich von der neuerlichen Entscheidung der Vorinstanz abhängen. Denn der BGH hat in seinem Urteil das Verfahren hinsichtlich der geforderten Mieterhöhung wegen durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen an die Vorinstanz zurückverwiesen. „Hier gilt es abzuwägen, ob der Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen ausgesetzt sieht, trotz des Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf.

Vorliegen einer unzumutbaren Härte bestätigt

Das Berufungsgericht habe zutreffend als maßgeblichen Gesichtspunkt berücksichtigt, dass dem Mieter „ … deshalb entgegen der Auffassung der Vermieterin nicht vorgehalten“ werden könne, dass er schon seit Beginn des Mietverhältnisses „über seine Verhältnisse“ lebe.

Der Bundesgerichtshof hat somit die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts zum Vorliegen einer unzumutbaren Härte gebilligt. Gleichwohl musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, weil dieses keine ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen hat, bei deren Vorliegen ein Härteeinwand des Mieters gesetzlich ausgeschlossen ist.“

Der Vermieter habe dagegen bisher nicht ausreichend dargelegt, dass er sich aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften der Modernisierung nicht entziehen konnte. Es käme aber nach Meinung des BGH darauf an, „ob für den Vermieter eine Erneuerung des Außenputzes „unausweichlich“ ist, etwa weil dieser aufgrund altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der Vermieter zudem einem berechtigten Instandsetzungsbegehren des Mieters oder einer (bestandskräftigen) behördlichen Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung von Schäden dringend aus Sicherheitsgründen geboten ist.

Nur im Falle einer solchen „Unausweichlichkeit“ befinde sich der Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des Härteeinwands des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB rechtfertigt. Daher müsse die Vorinstanz diesen Sachverhalt entsprechend prüfen und in seine Entscheidung einbeziehen.

Auch die Modernisierung der Balkone (Vergrößerung) sei nicht ausreichend in der Vorinstanz hinsichtlich einer Auswirkung bezüglich der geforderten Beteiligung an den Modernisierungskosten durch den Mieter geprüft worden. Das Berufungsgericht habe „keine tragfähigen Feststellungen zu der entscheidenden Frage getroffen, ob Balkone dieser Größe allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren Verhältnissen in der Region anzutreffen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich allein aus dem Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohnwerterhöhendes Merkmal einstuft, insoweit keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen.“

Aus diesem Grund hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, „damit – gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien – die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.“

Für den Mieter geht das Bangen um das Verbleiben in seinem lebenszeitlich gewohnten Wohnraum also einstweilen weiter. Denn sollte sich der Vermieter mit seinen Erhöhungsforderungen aufgrund seiner Modernisierungsmaßnahmen nach der Zurückweisung an die Vorinstanz durchsetzen, müsste der arbeitslose jetzt 62jährige wohl allein aus finanziellen Gründen seine Wohnung – nach 57 Jahren – aufgeben.

Siehe dazu: Dörr-Eisen ./. Janello: https://www.youtube.com/watch?v=dPkjuAZVF_0&fbclid=IwAR0veeUCgIQbAhdBYYWi5ZuMekR7KzXi3fOxjrNeiJGKSRoLTGPesvlDnew

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