Von Matthias Herms*
Magdeburg/Berlin, 14.09.2019 – Ein Staat legt immer fest, ob und wie seine Bürger den Staat verlassen. Ein absolutes Recht der Freizügigkeit über Staatsgrenzen hinweg, gab es nie. Immer gab es einen Zusatz, daß der Staat selber nach seinen inneren politischen Verhältnissen abwägen muß und abwägen darf, ob und wie er diese Freizügigkeit gewährt und steuert. Der Fehler der DDR war, diese Abwägung aus Angst, wie 1953 oder 1961 seine Staatsbürger zu verlieren, gänzlich auszulassen. Dieses und anderes meint unser Autor.

Der Mord an der Mauer, hier der Abtransport von Peter Fechter am 17.08.1962. Mielke und seine Stasi wollten nicht schiessen?
„Interessenten für die Grenztruppen (GT) wurden in der Aktion „grün“ vor der Einberufung operativ überprüft. Unsichere Kantonisten und Pappenheimer hat man erst gar nicht zu den GT gelassen. Viele meinten, bei den GT würde man besser behandelt, als in der regulären NVA. Dies jedoch erwies sich als Irrtum. In den GT gab es die Verwaltung 2000, hinter der sich das MfS, HA I, UA Innere Spionageabwehr und Äußere Spionageabwehr verbarg. Es war also ein offenes Geheimnis, das die Stasi auf die GT aufpasste. Die Stasi war dann auch für die Grenzdurchbrüche und die Aufklärung dieser Straftaten zuständig. Wenn es nach den MfS-Mitarbeitern gegangen wäre und auch nach Minister Mielke, hätte es seit 1973 keine Toten mehr gegeben. Aber Honecker und Krenz wollten die absolute Sicherung und dadurch Tote als Kollateralschäden. Das MfS hat keine Toten zu verantworten, sondern nur die GT. Heute stellt man sich einen Mauerschützen so vor, daß er als Muttersöhnchen gegen seinen Willen zu den GT kam und aus Angst geschossen hat, damit er nicht in den Militärstrafvollzug nach Schwedt kam.
Grenzer wollten schießen und töten

Opfer schiesswütiger Grenztruppen: Am 25.12.1963 wurde der 18jährige Paul Schulz tödlich getroffen. Ein Kreuz erinnerte an den sinnlosen Tod – Foto LyrAg
Leider ist das falsch. Die GT-Angehörigen, die an die Grenze gingen, wollten schießen und sie wollten töten. Da wurde nicht danebengezielt und da wurde auch nicht daneben geschossen. Wer das Gegröle von Männern selber gehört hat nach einer Schussabgabe, der vergleicht es mit den Gebärden von Gorillas. Man war Elite, man hatte den Befehl, den Klassenauftrag unter allen Bedingungen umzusetzen. Es ist international geklärt, daß ein Staat, der seine Soldaten mit Waffen an einer Staatsgrenze aufstellt, auch die Verantwortung für die korrekten Schüsse, als auch für die unkorrekten Schüsse (Kollateralschäden) trägt. Das wußte der Staat und das wußten auch die GT. Die GT-Angehörigen schossen also und wurden vorher von der Verantwortung befreit, Hauptsache, der Grenzverletzer wird vernichtet, d.h. die Grenzverletzung als Straftat wird gestoppt und unterbunden. Man weiß heute und man wußte es damals, daß Menschen Menschen ohne Skrupel töten, wenn eine höhere Macht die Verantwortung dafür übernimmt. Deswegen konnte auch der industrielle Massenmord in den KZs gelingen, die Verantwortung dafür lag ja beim Reichssicherheitshauptamt (RSHA), der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und der SS.
Sowohl Hans Modrow als auch der BGH erkannte an, daß hier ein Sonderfall vorlag. Der politische Klassenauftrag überlagerte das von der Volkskammer verabschiedete Grenzgesetz. Die Todesschützen der GT konnten sich sicher sein, der Staat übernahm die Verantwortung gleich zweifach: Durch das Grenzgesetz und den politischen Klassenauftrag.
Oft kotzten die Mauerschützen beim Anblick der Opfer
Die in den GT herrschende Hierarchie wirkte zusätzlich. Wer also wollte da als Hans Wurst danebenschießen und sich vor seinen Kameraden zum Schwächling erklären lassen? Und dann darf man nicht vergessen, die hatten auch alle Angst, nach Schwedt zu kommen. Der Grenzverletzer verlor mit dem ersten Schritt Richtung Staatsgrenze sein Recht als Deutscher, sein Recht als Bürger der DDR, er wurde zur gleichen Sekunde „Straftäter“ und „Staatsverbrecher“. Und so konnte man als Mauerschütze viel leichter zielen, abdrücken und treffen. Tatsächlich sind dann viele nach vorne gelaufen und kotzten dann beim Anblick der Leichen, die oft in der Mitte zerrissen waren, wie die Reiher. Viele fielen in Ohnmacht, erlitten Traumatisierungen, wurden notgedrungen beurlaubt und dann versetzt.

Dieter Wohlfahrt, der Fluchthelfer wurde in eine Falle des MfS gelockt und am 9.12.1961 an der Grenze in Staaken ermordet –
Foto: LyrAg/Archiv
Diese nun Ehemaligen waren dann vom Grenzdienst „geheilt“, gezeichnet fürs Leben. Und am Ende durften sie sich dann noch vor dem Gericht des „Klassenfeindes“ verantworten.“
Anmerkung der Redaktion:
Wir haben diesen Beitrag eines ehemaligen MfS-Angehörigen (KD Magdeburg, Linie M – Postkontrolle) trotz einiger Bedenken veröffentlicht, weil wir damit zu einer notwendigen Diskussion um die Hintergründe unserer jüngsten Geschichte im Jahre 30 nach der Maueröffnung beitragen wollen. Wir sind uns dabei der Widersprüche, die der Autor selbst schreibt, bewusst. Zum Beispiel „Das MfS hatte keine Toten zu verantworten“ aber zuvor „Die Stasi war dann auch für die Grenzdurchbrüche und die Aufklärung dieser Straftaten zuständig“. Und: Es sei „ein offenes Geheimnis“ gewesen, „das die Stasi auf die GT aufpasste“.
Dennoch eröffnet der Autor Einblicke in DDR-Stasi-Strukturen, die vielen Geschichtsinteressenten so nicht bekannt gewesen sein dürften.
* Der Autor hat uns seine Darstellung per Zuschrift an unsere Homepage übermittelt. Wir haben diese geringfügig redigiert und Zwischenüberschriften eingefügt.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.473).
8 Kommentare
15. September 2019 um 08:36
Christian Booss
Die Fakten stimmen nicht ganz, die Sichtweise ist sehr interessant…Mehr davon. Ich würde es begrüßen, wenn mehr Ehemalige heute über damals reden, das wäre mehrfach wichtig, einmal wegen der Insiderinformationen, zum anderen würde das vielleicht auch für gegenseitige Verständigung im Nachhinein sorgen
14. September 2019 um 23:20
Hartmut Welk
Sehr suspekt diese Darstellung !
14. September 2019 um 19:30
Matthias Herms
Der Weg ins MfS – ein Mysterium
Mein Vater war Friseur und Buchändler, die Mutter Behördenangestellte und VP-Angehörige. Später heiratete sie einen Kampfgruppenoffizier der DVP.
Wir konnten uns aussuchen, ob wir Opa Heinrich, der in der KPD wa,r auf den Podest hebten oder den anderen Opa Heinrich, der 1933 in die Waffen-SS aufgenommen wurde und in Beljakowa im Rußlandfelddzug vermißt wurde.1952 wurde er in einer Sammelaktion für Tod erklärt. Vater Horst nordete mich ein, erklärte mir, warum Opa Heinrich von der KPD der bevorzugte Opa sei. Das leuchtete mir ein. Als Jugendlicher erzählte mir ein Kumpel, daß es Leute gäbe, die an Türen horchten, ob man Westfernsehen schaute und auch sonst hätten die Wände Ohren. Man würde auch die Antennen begucken, ob sie nach Westen ausgerichtet sind. Das hätte ihm sein Vater erzählt. Ich hielt das für absoluten Blödsinn, ich war seit der Kindheit auf dem sozialistischen Dampfer und fand diese Story lachhaft.Aber ich war neugierig und fragte meinen Stiefvater, was davon zu halten sei. Er sagte, da wäre was dran. Ich war verblüfft. Vater, dann hätte ich ja davon schon mal was hören müssen. Stiefvater entgegnete: Du weißt nicht alles. Wie bitte? Das ist geheim und deshalb ist es den meisten Menschen nicht bekannt.Mehr brauchst du dazu nicht wissen. Ich hielt das für einen Witz. Fragte vorsichtshalber noch meine Mutter, die daneben stand. Ja, sagte sie, Stiefvater hat Recht. Ich war also verblüfft und konnte mir trotzdem keinen Reim daraus machen.
Schließlich ging ich den Weg vom JP, TP, FDJ und landete als GOL-Sekretär in der wichtigsten Position an der Schule. Mein Klassenlehrer sagte immer: Wir fordern von jedem Schüler, daß er gesellschaftlich aktive Arbeit macht.Ohne diesen Nachweis würde ich nie Lehrer werden können.1977 bewarb ich mich am IfL in Staßfurt, mußte bereits dort als einer von 6 Jungen eine schriftliche Bereitschafterklärung unterschreiben, 3 Jahre freiwillig Wehrdienst zu leisten als SaZ (Soldat auf Zeit).Jeder wußte, daß das Militär in der DDR kein Zuckerschlecken war. Ich lernte also, immer aus der Sicht der Arbeiterklasse, aus der Sicht von Kommunisten zu argumentieren.Dann konnte ich nie anecken und ich hatte die Argumente auf meiner Seite. 1978 wurde eine AG Wehrerziehung in meiner POS gegründet. Wer sollte daran teilnehmen? Alle Jungen. Also nahm ich auch gezwungenermaßen dran teil in der Hoffnung, nicht etwa Brerufssoldat werden zu müssen. Aber genau darauf war das Wehrkreiskommando erpicht. Sie wollten an die SED-Kreisleitung 100% melden. Aber nicht mit mir. Ich geriet zwischen die Fronten und nur mit Hilfe meines Direktors konnte ich mein Lehrerstudium beginnen.Mein SED-Kandidatenantrag wurde abgelehnt.Was war denn nun los? Tja der Parteisekretär erklärte mir: Junge, die SED ist eine Arbeiterpartei und du wirst mal ein Angehöriger der sozialistsichen Intelligenz, bist also fehl am Platz. Wir haben eine Quotevon der SED-Kreisleitung auferlegt bekommen. 1 Mitglied pro Jahr und den einen haben wir schon aufgenommen. Ich war geschockt. Ich sollte also 3 Jahre Wehrdienst absolvieren, um später Vorbild für meine sozialistsichen Schülerpersönlichkeiten zu weden, aber in die SED wollte man mich nicht lassen. Da hatte ich Lunte gerochen, jetzt nahm ich den Kampf auf, als junger Mensch mit kreativem Kopf. Wo stand denn das eigentlich, daß ich 3 Jahre Wehrdienst leisten muß.Ich schrieb an die Junge Welt. Die holte mich auf die Erde zurück. Es gäbe eine Wehrdienstkommission und da säßen bei der Musterung auch Vertreter des IfLs mit am Tisch. Und auch ein Vertreter der FDJ. Und ein Vertreter der SED. Also schlag dir das aus dem Kopf. Die kontrollieren das, was du da angibst! Aber nicht mit mir. Ich ging zwei Tage vor der Musterung dahin und sprach mit einem der Leute vom Wehrkreiskommando.Keine Westverbindung? Nein. Eltern VP. Alles klar.Dann kam die Testfrage: Wieso wollen Sie überhaupt 3 Jahre Wehrdienst machen. Sie wollten doch Lehrer werden, haben Sie keine Lust aufs Unterrichten? Doch antwortete ich brav, aber ich will meinen Beitrag leisten für die Landesverteidugung und später will ich Vorbild meiner Schüler sein. Soso. Der Mann schüttelte den Kopf und nordete mich ein.Wir haben nur einen Platz für das MfS, den kriegen Sie. Bei der Musterung sagen Sie dann laut, das Sie schon für das Wachregiment Felix vorgesehen sind. Alles klar? OK. So kam es. Die anderen Jungs waren weniger kreativ, sie landeten in Eggesin, Motschützendivision.Deren Gesichter wurden immer länger.
Mein Hobby war Lexikas lesen. Da bekam ich mit, daß es sogenannte Unpersonen gab, z.B. Georg Dertinger, erster DDR-Außenminister, entarnt 1953 als Spion des BND, wegretouschiert auf alten historischen Fotos. Ich war verblüfft. Ich suchte den Nachfolger Lenins als Regierungschef. Nichts. Alexej Rykow ausradiert, Malenkow ausradiert, Bulganin ausradiert. Auch das erste Staatsoberhaupt der UdSSR Lew Kamenew ausradiert. Offizieller Staatschef war nun Swerdlow, der eigentlich Nr. 2 war. Ja, was ist denn hier los? Nun wollte ich alles genau wissen, schrieb an Auskunft international bei Stimme der DDR und auch ans ZK der SED. Ich war ja kreativ und neugierig. Die gaben mir eine parteiliche Antwort, aber erst nach 8 Wochen
Stiefvater wurde zum Ersten Sekretär der SED-Kreisleitung bestellt. Ist das dein Sohn? Ist der verrückt? Was stellt der für böse Fragen? In welcher Parteiorganisation werden solche Fragen diskutiert? Vater nahm die Kopien von meinen Schreiben an sich und hetzte nach Hause. Er fragte: Hast du diese Fragen gestellt? Ja. In den 50er Jahren haben wir Leute verhaftet, die solche dämlichen Fragen gestellt haben. So? antwortete ich. Lenin hat gesagt, es gibt keine Frage, auf die ein Kommunist keine Antwort weiß.
Ich hatte aber offenbar sogar mehrere Fragen gefunden.Stiefvater verbot mir, je wieder an die Regierung oder ans ZK zu schreiben. So kam ich zum Wachregiment des MfS und unterschrieb die Verpflichtung als Berufssoldat des MfS – ohne zu wissen, was das MfS macht, wie es arbeitet und was man dort verdient.Mich beschlich ein mulmiges Gefühl. Was, wenn mir die Sache nicht zusagt, nicht behagt. Eine Rückkehr wird es nicht geben. Entpflichtungen sind nicht vorgesehen. Einmal Geheimdienst – immer Geheimdienst.Aber ich erfuhr, das Selbstbewerber als potentielle Spione abgelehnt werden.Mich hat man aber als Selbstbewerber genommen.Seltsam, Wahrscheinlich, weil ich auf augewecktes Kerlchen war und kreativ denken konnte. Denn daraf wurde geachtet. Nachdem ich in der KD ankam und skeptisch als Lehrer beäugt wurde, legte man mir Materialien vor, die ich jetzt erstmal studieren sollte. Irgendwann kam die Richtlinie 1/76 an die Reihe. Mich haute es von den Socken.Ich schlußfolgerte, daß tausende DDR-Bürger für das MfS als IM/GMS freiwillig arbeiteten. Und ich hatte noch nie was davon gehört. Ich fragte: Weiß die Bevölkerung was davon? Nein. Wie ist das möglich? Ich finde niemanden, der in einer GST-Grundorganisation mitarbeitet oder in die DSF eintreten will, aber für das MfS sind die alle Feuer und Flamme? Ja. Ich begriff außerdem das Ausmaß. Dann leitet keine Volkskammer, kein Ministerrat, kein ZK die DDR, sondern wir als Geheimdienst? So kann man es sehen.
Völlig geschockt ging ich nach Hause. Alles, was ich glaubte zu wissen, stimmte nicht. Alles war nur Blendwerk, eine sozialistsiche Fata Morgana.
Mich hatte es die Beine weggeschlagen. Ich war 14 Tage krank, Ich erkannte meine DDR nicht wieder.Mein Referatsleiter sagte nur: Willkommen an Bord – so ergeht es vielen.Die Mehrheit juckt der Sozialismus nicht, die IMs sind unsere patriotischen Kräfte, die uns unterstützen.
14. September 2019 um 18:11
Klaus Helmut Dörfert
Das Erschreckende war doch die Normalität. Es wurde doch suggeriert, dass alles dem Schutz und der Sicherheit der DDR diente. Vom Standpunkt unserer moralischen Maßstäbe gemessen, war diese Normalität viel erschreckender, als man sich das vorstellen kann. Wenn Gewalt und Unmenschlichkeit im Inneren des Menschen entstehen, liegt es mit an unserem sozialem Leben. Wer die Auswahlkriterien für die GT kannte, wusste, dass diese Leute eine Familie haben und das diese Personen leichte perverse Neigungen und etwas kriminell sein sollten, wegen der Erpressbarkeit. Die sogar für den Urlaubschein oder eine Schützenschnur mordeten. Unabhängig, wie jeder darüber denken möchte, diese Männer wurden schon in der Grundausbildung gebrochen und sind gezeichnet für ihr ganzes Leben und wer nicht systemkonform war, wurde gepeinigt und in den Wahnsinn oder Selbstmord getrieben.
Dipl. Klaus Helmut Dörfert
15. September 2019 um 10:37
D.Wengel
Wie bitte? Höre ich da Mitleid heraus für die „armen Grenzer“? Die haben genau gewusst, was sie tun sollen – und sie haben es getan. Null Mitleid – nur Verachtung für sowas! (Das schreibt jemand, der von Anfang 74 bis Ende 76 wegen einer gescheiterten R-Flucht im Zuchthaus Torgau einsass !!!!!!!!!!!!!!!)
15. September 2019 um 15:31
Matthias Herms
Sie sind auf dem richtigen Weg.Es gibt einen zentralen Unterschied zwischen SED und MfS. In der SED wurde nur politisch gesprochen, sie war quasi eine Quasselbude von betonköpfigen Lemmingen, die die vom Generalsekretär vorgegebene politische Leitlinie nachhechelten. Politische Fraktionsbildung war sei 1952 verboten.Slogan: „Wo ein Genosse ist, da ist die Partei“. So konnte sich jeder auf die Hinterbeine stellen und sich als elitär empfinden, man wollte Mitglied dieser Elite sein.
Dagegen die geheimdienstliche Sprache im MfS, die jeder erst erlernen mußte. Hier wurde Klartext geredet. Deshalb hatte ja auch das MfS eine eigene Parteiorganisation, aber auch die galt als kopfmäßig verdorrt. Von der SED-Kreisleitung ließ sich so gut wie nie jemand blicken, wir hielten diese Gestalten für Lebensignoranten, die von politischer Dummheit gebeutelt waren und denen jeder reale Blick abging. Jeder im MfS mußte also wie ein ABC-Schütze die deutsche Sprache der Stasi, also das stasideutsch völlig neu lernen.
Deshalb auch der Spruch: Ein Tschekist muß einen kühlen Kopf und ein heißes Herz haben. Das war richtig: Klarer Blick, statt ideologische Verblendung, heißes Herz hieß Empathie, Menschlichkeit, Emotionalität.
Diesen Spruch führte der gute Felix nicht etwa ein, weil er überall im Geheimdienst Realität war, sondern weil er ein anzutrebendes Ideal sein sollte. Der Felix D. hatte nämlich geheimdienstliche Erfahrungen gemacht. Und wie Recht er hatte sieht man an den vielen hingerichteten Geheimdienstchefs Abakumow, Jeschow, Beria, Jagoda, Merkulow.in der UdSSR.
Erich Mielke war kein Dummkopf, er hatte ein „Begabtenstipendium“ im Deutschen Reich bekommen. Überliefert ist der Satz: „Lieber einer stirbt auf unserem Gebiet, als das er noch nach drüben robbt und uns dann die tausenden Toten bringt“.
Der Mutter eines getöteten Grenzverletzers hätte er ins Gesicht gesagt:
„Sie haben als Mutter grundsätzlich versagt. Wer hätte denn ihren Sohn patriotisch und staatsbürgerlich, also im Sinne des Sozialismus erziehen sollen, wenn nicht Sie und der Vater. Jetzt hilft ihr Jammern auch nicht mehr. Schlimmer noch: Wie stehen wir jetzt in der Welt da? Jetzt ist der politische Schaden groß. Der Gegner weidet den Tod ihres Kindes genüßlich aus. Das verdanken wir Ihnen und ihrem Mann, weil sie staatsfeindliche Gedanken in ihr Haus gelassen haben!“
Man muß aber eingestehen, daß eine Mutter nie mehr ihr Kind beweinen wollte (siehe DDR-Nationalhymne), auch ein Grenzverletzer hatte ein Recht auf Leben. Dieses Recht hintenanzustellen, war das eigentliche Verbrechen, das aus dem Slogan „Dem Gegner keine Chance“ erwuchs.
Eine stalinistische Sichtweise, die hier zum Tragen kam. Die Mißachtung des menschlichen Lebens.
Man sollte sich nochmal „Das Urteil von Nürnberg“ von 1960 ansehen.Richter Haywood (Spencer Tracy): „Ich erkläre vor dem Forum der Welt, wofür wir stehen: Für die körperliche Unversehrheit und den Schutz des Lebens jedes einzelnen Menschen.“
Nicht ohne Grund steht im Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unverletzlich. Nicht die Würde des Deutschen.
Man muß sich fragen: Wieso lagen die vielen Toten auf unserer Seite der Staatsgrenze? Wieso hat sich der Sozialismus nicht als logische Konsequenz verbreitet, sondern wurde absichlich zu einer Ideologie, also einer politischen Religion, um sie in die Kopfe aller zu hämmern? Warum war die Gründung der Tscheka in Sowjetrußland schon Monate vor der Staatsgründung erfolgt?
Wieso bedurfte es Gulags, um die Menschen zwangsweise politisch zu missionieren, wieso einer Staatssicherheit, die auf alle Bürger aufpasste?
Warum juckte es die Mehrheit nicht einen sozialistischen Staat aufzubauen, warum wollten so wenige mittun und warum ist dem Menschen die Freiheit wichtiger?
14. September 2019 um 17:58
D,Wengel
Das ist nichts Neues! Jeder, der an der Grenze „diente“, war ein potentioneller Mörder. Niemand wurde gezwungen, seinen Wehrdienst an der Grenze abzuleisten, ein einfaches „Nein“ hätte genügt und deshalb wäre auch niemand nach Schwedt gegangen. Niemand dieser Mauermörder soll sich auf Befehlsnotstand berufen dürfen, sie haben gewusst, was sie im Fall des Falles zu tun haben. Auch deshalb ist es unverständlich, dass so wenige von diesen Mördern nach der Wende zur Verantwortung gezogen wurden. Und die paar, die man vor Gericht stellte, wurden so lächerlich abgestraft, dass heute sogar ein Schwarzfahrer heulen müsste.
Die Wende war zwar „friedlich“ – aber zu friedlich. Mord verjährt in keinem Land der Welt – die Mauermörder jedoch dürfen sich heute noch mit ihren Taten brüsten!
Pfui Deibel !
15. September 2019 um 16:11
Matthias Herms
Ihre Darstellung ist zu kurz gesprungen.Jeder Soldat kann nur Diener eines Herren sein. Die DDR konnte und durfte nicht schutzlos bleiben. Jeder Soldat schwor beim Fahneneid, die Arbeiter- und Bauern-Macht unter Einsatz des eigenen Lebens zu schützen, ansonsten würde die harte Strafe der Gesetze der Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes ihn treffen. So war der Eid.
Aber war es denn eine Arbeiter- und Bauern-Macht? Was stand denn in der DDR-Verfassung? Die Macht in der DDR hatte die Arbeiterklasse. Und nur die Arbeiterklasse! Weiter hieß es: Die Arbeiterklasse übt diese Macht im Bündnis mit der Klasse der Genossenschaftsbauern und den anderen Angehörigen der sozialistsichen Schichten aus. Die Mehrheit der DDR-Bürger hatte das gar nicht begriffen, es war wie in der BRD. Auch hier kennt man das Grundgesetz wenn überhaupt nur lückenhaft. Es juckt die Leute eben nicht, sie sparen sich das Geld für die Broschüre.
In Wahrheit sollte also nur die Arbeiterklasse die alleinige Macht haben, sie übte sie gnädigerweise nur im Bündnis mit den anderen Zeitgenossen aus.
Allerdings ist es so ein Graus mit der Arbeiterklasse. Auch sie juckte es nicht und so schuf man die SED als Avantgarde, als revolutionäre Partei neuen Typus, wie es allenorts hieß. Aber auch hier juckte es eben gleichfalls nur wenige in den Fingern. Ein vom Parteichef aufgebautes Politbüro übte stattdessen die Macht aus. Eine Parteidiktatur? Nein. Eine Politbürodiktatur von selbstgefälligen Egoisten und Narzisten, gesponsert vom Westgeld der an die BRD verkauften Häftlinge, von ominösen Firmen eines Schalk-Golodkowski im Westen, wo der Oberpumuckel Honecker das letzte Wort hatte.Und damit die permanente Lüge nicht rauskam, ließ man sich von Geheimdienstchef Mielke in die Enklave nach Wandlitz verfrachten und einmauern und beschützen, versorgt mit Westwaren aus Westberlin in der eigens erbauten Kaufhalle. Man brachte dafür sogar einen Parteispruch raus: „Ich leiste was, ich leiste mir was“. Wenn man die wahre Macht in der DDR erblicken will, dann muß man nur nach Wandlitz gucken. Der Politvasall Mielke wollte Staaschef Honecker gefallen, den er für „die Partei“ hielt und wartete brav und geduldig auf die Beförderung zum Marschall, die nie erfolgen sollte.
Wir vom MfS trafen die Berliner Stasikollegen bei der Leipziger Messe in den Wartesälen. Hier konnten sie endlich mal Dampf ablassen, erzählen unter vorgehaltener Hand, wie sie in Westberlin für die Polibüromitglieder einkaufen mußten, wie diese der Pornosucht fröhnten, wie man diese Gestalten und ihr Fremdgehen absichern mußte und sie die Operativgelder dieser Stasileute bei Feiern und Saufgelagen verpraßte.