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Brandenburg/Berlin, 01.09.2019/cw – Am 6. November 2009 protestierte er in DDR-Häftlingskleidung bei der Vereidigung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und protestierte damit gegen die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages zwischen der SPD und der SED, die unter dem Namen LINKE firmierte. 2019 schloss der CDU-Prominente hingegen eine Zusammenarbeit mit der Partei DIE LINKE nach den Wahlen vom 1. September nicht aus: Dieter Dombrowski (*1951).

Der für die CDU seit 2014 amtierende Vizepräsident des Brandenburger Landtages scheiterte mit 17,0 % am heutigen Sonntag als Direktkandidat im Wahlkreis IV (der neben Teilen des Havellandes auch Neustadt und Wusterhausen umfasst) hinter der Erstplatzierten Katja Poschmann (24,95 % / SPD), Kai Berger (24,00 % / AfD) und Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (20,44 % / Linke) lt. vorläufigem amtlichen Endergebnis).

Dieter Dombrowski mit dem Rapper Bushido auf einer Veranstaltug in Cottbus – Foto: Archiv

Für Dombrowski dürfte damit eine jahrzehntelange politische Laufbahn in der CDU zu Ende gehen. Das einstige nominelle Patenkind von DDR-Staatschef Wilhelm Pieck wurde am 13. August 1974 vom Bezirksgericht Schwerin wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts“ und „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Von der  20monatigen Haftstrafe verbüßte er allein 16 Monate im Stasi-Gefängnis Cottbus.

Nach seiner Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft  beteiligte er sich an seinem neuen Domizil in West-Berlin mehrfach an Aktionen gegen die SED-Diktatur und trat 1977 der CDU bei. Von 1983 bis 1990 sammelte er politische Erfahrungen als Referent im Deutschen Bundestag, von 1983 – 1987 war er Landeschef der Jungen Union in Berlin. Nach der Öffnung der Mauer siedelte Dombrowski wieder in die ehem. DDR zurück und war von 1990 bis 1994 Landrat des Kreise Rathenow.

Der zwischenzeitliche Generalsekretär der Brandenburger CDU (2009 – 2012) war seit 1994 Mitglied des Kreistages Havelland und dort seitdem bis 2009 Fraktionsvorsitzender. Seit September 1999 wurde Dombrowski viermal jeweils über die Landesliste Mitglied des Brandenburger Landtages, wo er auch die Fraktion nach dem Rücktritt von Saskia Ludwig ab September 2012 (bis 2014) anführte, bis er 2014 zum Vizepräsidenten des Landtages gewählt wurde.

Ein Jahr später (2015) wurde er auf Vorschlag Roland Jahns (BStU-Chef) zum Vorsitzenden der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG) als Nachfolger von Rainer Wagner gewählt, der wegen antisemitischer und islamfeindlicher Äußerungen von dieser Funktion zurücktreten mußte.

Dieter Dombrowski, Vorsitzender der UOKG – Foto: LyrAg

Allerdings wußten Dombrowskis Wähler in dem Dachverband und vermutlich auch Roland Jahn nichts von dessen ebenfalls umstrittenen Vorleben. So sagte er in den achtziger Jahren als Zeuge in einem Verfahren wegen Volksverhetzung aus, nachdem Teilnehmer einer von ihm geleiteten Fahrt der Berliner JU zum Hambacher Schloss wegen Absingens des Horst-Wessel-Liedes (das seinerzeit als NS-Hymne galt) und Zeigen des Hitlergrußes aufgefallen waren. Er „habe dies nicht bemerkt“, sagte Dombrowski lt. einschlägiger Presseberichte. Immerhin wurden in dem Verfahren zwei junge Männer wegen Volksverhetzung und dem Tragen von verfassungsfeindlichen Nazi-Symbolen verurteilt. Das Gericht verwies darauf, dass erheblich mehr vorgefallen war, als das in der Anklageschrift formulierte. „Am wenigsten“, so das Gericht, hätte „die Zeugenaussage des Reiseleiters Dombrowski überzeugt“.

Auch seine Teilnahme an einer Kranzniederlegung am Sowjetischen Ehrenmal im West-Berliner Bezirk Tiergarten an der Seite von Vertretern der sowjetischen Jugendorganisation Komsomolzen wenige Jahre vor dem Mauerfall blieb erklärungsbedürftig. Seine Abrechnungsaffäre mit der Brandenburger Landtagsverwaltung führte zu strafrechtlichen Ermittlungen. Das Verfahren konnte nur durch einen Strafgeldbescheid abgewandt werden. Der Vorgang irritierte ebenfalls viele Weggefährten.

Zuletzt hatte Dombrowski seitens der UOKG mit seiner Stimme an der nach wie vor in der Szene umstrittenen Absetzung von Hubertus Knabe als langjährigen Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen mitgewirkt.

Wenn sich der nunmehr mandatslose umtriebige Politiker nicht überraschend mit einer Funktion in einem Kabinett der SPD/CDU/Grüne oder SPD/Grüne/LINKE des Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (*1961) wiederfindet, wird er sich nunmehr mit ganzer Kraft seinen Funktionen als UOKG-Chef und Vorsitzender des Menschenrechtszentrums in Cottbus widmen können. Da er seine Ehefrau bereits in den Führungs-Etagen der UOKG integriert hat, wird ihm diese wohl tatkräftig zur Seite stehen.

Unabhängig von den vielfältigen Strudeln um den Brandenburger CDU-Politiker bedauern engagierte Vertreter der Verfolgten-Szene, daß mit dem Ausscheiden von Dieter Dombrowski aus einer wichtigen politischen Funktion erneut eine Stimme für die Vertretung von Interessen einstiger SED-Unrechts-Opfer entfalle. Das sei „im Jahr 30 nach der Maueröffnung durchaus ein schmerzlicher Prozess,“ so ein Verbandsvertreter ggüb. der Redaktion.

Beitrag redigiert am 2.09.2019, 10:25 Uhr

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