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Hamburg/Berlin, 29.03.2019/cw – Horst Schüler, Ehrenvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), ehemaliger Workuta-Gefangener und engagierter Journalist, ist am 27.03.2019 in seiner Wahlheimat Hamburg im Alter von 94 Jahren verstorben.
In einer erste Stellungnahme der Vereinigung 17. Juni 1953 in Berlin erklärte der Vorstand, dieser Tod „löse Bestürzung und tiefe Trauer aus. Horst Schüler war ein mutiger Kämpfer für die Rechte der Verfolgten der zweiten Diktatur in Deutschland. Freunde und Gegner wußten seine Seriosität zu achten und zu schätzen, der sich nie im Ton vergriff und trotzdem beharrlich, ungebrochen und nachdrücklich in der Sache die Interessen der Opfer vertrat. Wir verlieren eine aufrechten Freund und Mitstreiter,“ erklärte der Vorstand. „Wir teilen die Trauer mit seiner Frau und seinen Kindern.“
Anna Kaminsky, die Geschäftsführerin der Stiftung Aufarbeitung, würdigte in einem Nachruf die Verdienste Schülers. Dieser habe sich nach seiner Rückkehr aus Workuta „ganz den Opfern politischer Verfolgung und der Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen als Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta/Gulag-Sowjetunion und als Vorsitzender der UOKG gewidmet. Wer ihn kannte,“ so Kaminsky, „wird sich immer an seine kluge, umsichtige und warme Persönlichkeit erinnern. Bei allem Schlimmen, das ihm in seinem Leben widerfahren ist, wurde er doch wie viele andere Leidensgenossen seiner Generation niemals bitter. Horst Schülers Lebenswerk mahnt uns, die Erinnerung an die kommunistischen Verbrechen wachzuhalten. Er wird fehlen.“
Vom NKWD verhaftet
Horst Schüler wurde am 16.Augsut 1924 in Babelsberg geboren. Der spätere Journalist war 1951 in Potsdam wegen Verbreitung von kritischen Texten zu Fehlern des kommunistischen Systems in der DDR durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet und zunächst im Potsdamer Gefängnis inhaftiert worden. 1952 wurde der 27jährige von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Haft verurteilt. Grund: Er war als Redakteur der gesellschaftskritischen Kolumne „Kiekeohr“ in der Märkische Volksstimme für Meinungsfreiheit eingetreten; einer Anwerbung als Spitzel des KGB hatte er sich verweigert. Schüler saß – bittere Ironie der Geschichte – im gleichen Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße, in dem einst sein Vater, ein Sozialdemokrat, von den Nationalsozialisten inhaftiert worden war und den er dort besucht hatte. Der Vater wurde im Jahr 1942 im KZ Sachsenhausen ermordet.
Vater in Sachsenhausen von Nazis ermordet
Horst Schüler meinte deshalb, ihm könne in Ostdeutschland, der späteren DDR, nichts passieren. Diesen Irrtum mußte er mit vier Jahren der Gefangenschaft als Zwangsarbeiter in den Arbeitslagern RetschLag (Flusslager) bezahlen. 1948 bis 1954 gehörte das Sonderlager des sowjetische MWD Nr. 6 zum Lager-Komplex von Workuta. Schüler nahm dort am Häftlingsaufstand teil, der am 1. August 1953 mit Maschinengewehren niedergeschlagen wurde. Allein unter den Streikenden seines 29. Schachtes gab es 64 Tote und 123 Verwundete. Insgesamt wurden 481 Häftlinge getötet.
Nach seiner Heimkehr 1955, er täuschte einen anderen Wohnort vor und wurde so in die Bundesrepublik entlassen, arbeitete er als Journalist zunächst in Kassel; später war er von 1964 bis 1989 Redakteur beim Hamburger Abendblatt. Für „hervorragende journalistische Leistungen“ wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Von 2001 bis 2007 war der Verstorbene überaus engagiert Vorsitzender der UOKG, bis zu seinem Tod deren Ehrenvorsitzender. Seinem Rücktritt 2007 ging eine schlimme Intrige interner Gegner voraus, an die sich Teilnehmer „mit Entsetzen“ erinnern.
Als erster Journalist in Workuta
Schüler war 1992 der erste deutsche Journalist, der die damals noch geschlossene Stadt und Region Workuta besuchen durfte. Anschließend erschien sein Buch „Workuta – Erinnerung ohne Angst“ (ISBN 3776618213, Herbig/München, 1993,248 S., 39,80 €, gebraucht: 18,00 €). Er organisierte die Ausstellung „Workuta – vergessene Opfer“ und war seit 1995 Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta/GULag-Sowjetunion. Auch die Bundesrepublik Deutschland würdigte die Verdienste: 1997 wurde er von Bundespräsident Roman Herzog mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt, 2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Öffentlicher Protest gegen Zustimmung zu Knabes Entlassung
Bis ins hohe Alter scheute sich Schüler nicht, die Anliegen der Opfer aktiv zu unterstützen. So nahm er noch im letzten Jahr an dem Empfang des Brandenburgischen Ministerpräsidenten für die Opfer und Verfolgten der DDR-Diktatur in Potsdam teil. Hier hatte der Verfasser Gelegenheit, ein letztes Mal mit dem verehrten Mitstreiter und Freund zu sprechen. Ein letzter aktiver Akt war im Dezember vergangenen Jahres der öffentliche Protest gegen die medial verbreitete Meinung seines Nach-Nachfolgers in der UOKG, Dieter Dombrowski, eine „künftige Zusammenarbeit“ mit der SED-Partei LINKE seitens der CDU „nicht auszuschließen.“ Auch die Umstände, unter denen der auch von Schüler geachtete Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, mit aktiver Unterstützung durch Dombrowski entlassen wurde, konnte Schüler nicht nachvollziehen. Siehe auch: https://17juni1953.wordpress.com/2018/12/09/hubertus-knabe-offener-brief-von-horst-schueler-an-uokg-chef/ .
Der Beisetzungstermin war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Er wird an dieser Stelle nachgetragen.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-85607953 (1.393).
2 Kommentare
30. März 2019 um 15:01
Edda Sperling
Liebe Eva, leider habe ich Horst Schüler nie persönlich kennenlernen können, aber du sprichst mir aus der Seele! Mein Beileid an die Witwe und der ganzen Familie, Horst Schüler wird immer ein Vorbild in meinem Herzen sein was Kameradschaft unter den Opfern betrifft
30. März 2019 um 08:33
eva aust
Mein herzliches Beileid an die Witwe von Horst Schüler, einem Menschen mit Rückgrat und Standhaftigkeit, was heute aus der Mode gekommen ist. Ich habe ihn einmal kurz irgendwo gesprochen und im Gespräch als warmherzig und menschlich erlebt. Seine Worte an Dieter Dombrowski, gestützt auf Aussagen von Arnold Vaatz, treffen den Kern des abstrusen Verhaltens eines „Haftkameraden“. Ich kann ihn nicht als Haftkameraden akzeptieren, denn er verrät als Bundesvorsitzender der UOKG die Opfer. Die Folgen seines Verhaltens werden wir in Folge weiterhin zu spüren bekommen.
Aufrechte Haftkameraden wie Horst Schüler hinterlassen eine nicht zu füllende Lücke.
Eva Aust