Stollberg/Hoheneck/Berlin, 18.03.2019/cw – Unter dem Titel „Gedenkstätte Frauengefängnis Hoheneck soll verschwinden“ hatte der SACHSENSPIEGEL des mdr am 14.03. in der 19:00-Uhr-Sendung über den Plan der Stadt Stollberg berichtet, die Gedenkstätte zu schließen und damit unter den ehemaligen noch lebenden Frauen von Hoheneck helle Empörung ausgelöst.
Der eingespielte Beitrag, in dem sich der Oberbürgermeister zu diesen Plänen äußerte, war allerdings nicht geeignet, der Darstellung des Senders zu widersprechen. So wurde Marcel Schmidt mit der Äußerung wiedergegeben, die Stadt könne nicht jedem einzelnen Opfer gerecht werden. Stollberg habe dieses Gefängnis nicht betrieben, das sei die DDR gewesen: „Wir haben als Stadt ein ehemaliges Gefängnis gekauft, dass wir als Stadt nicht selbst betrieben haben, sondern was die DDR hier installiert hat.“ Auch die Redaktion Hoheneck griff diesen Vorgang auf: https://17juni1953.wordpress.com/2019/03/15/mdr-gedenkstaette-frauengefaengnis-hoheneck-soll-verschwinden/ (15.03.2019). Eine diesbezügliche Nachfrage an den Sender bzw. die betr. Redaktion wurde bis heute (18.03., 22:00 Uhr) nicht beantwortet.
Logo, Beirat und Zeitplan für Gedenkstätte
Dagegen schrieb der Redakteur der Freien Presse in Stollberg, Björn Josten, vor wenigen Stunden in einer Email an uns: „Ich habe den Beitrag des MDR auch gesehen und muss mich wundern. Ich habe einen anderen Recherchestand: https://www.freiepresse.de/erzgebirge/stollberg/das-ist-das-neue-logo-fuer-hoheneck-artikel10470462.“ Tatsächlich berichtet Josten in der Samstag-Ausgabe unter dem Titel: „Das ist das neue Logo für Hoheneck“ über Fortschritte bei der Schaffung der Gedenkstätte.
Das neue Logo soll den Fortgang der Gedenkstättenplanung belegen, ebenso der geplante Beirat, in dem auch ehemalige Frauen von Hoheneck vertreten sein sollen. Inzwischen spricht der UOKG-Vorsitzende Dieter Dombrowski in ebenso voreilig verbreiteten Mails von einer Falschmeldung der Redaktion Hoheneck. Tatsächlich handelte es sich unsererseits um eine Wiedergabe einer offiziell verbreiteten Mitteilung des mdr zu einer seiner Sendungen. Der CDU-Politiker ließ allerdings offen, ob er sich dieserhalb selbst bereits an den Sender gewandt hat.
Konkreter wurde dagegen Bianca Eichhorn, offizielle Gedenkstättenbeauftragte der „Gedenkstätte Frauenzuchthaus Hoheneck“ der Stadt Stollberg. In einer Rund-Mail von heute erklärte Eichhorn u.a.:
MDR-Sachsenspiegel hat Schmidt-Worte vollkommen aus Kontext gerissen
Ich möchte „die vollkommen FALSCHE Berichterstattung und Fehlinformation des MDR-Fernsehens (zu sehen im MDR Sachsenspiegel am 14.03.2019, 19.oo Uhr) ausräumen. Es stimmt uns sehr traurig, dass gerade das MDR Fernsehen Fehlinformationen solcher Art aufgreift, diese ungefiltert verbreitet und ein Interview unseres Herrn Schmidt dahingehend „zerpflückt“. Ich kann Ihnen versichern, dass die Worte von Herrn Schmidt vollkommen aus dem Kontext gerissen wurden und es NIE zur Debatte stand, „…dass dieser Erinnerungsort in seiner jetzigen Form verschwinden soll“. Diesbezüglich wird es auch noch eine Rücksprache mit dem MDR Fernsehen geben.“
Auf das Ergebnis diese Rücksprache sind nicht nur zahlreiche ehemalige Hoheneckerinnen sondern auch wir gespannt. Die sich hier abzeichnende und derzeit zumindest behauptete manipulierte Berichterstattung eines öffentlich-rechtlichen Senders wäre in der Tat ein Skandal und müsste entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen. Die Redaktion Hoheneck nimmt diesen Vorgang jedenfalls zum Anlass, auch Meldungen öffentlich rechtlicher Medien künftig mit den gebotenen Mitteln vor einer Weiterverbreitung (durch uns) besonders zu prüfen. Bisher haben wir auf deren Seriosität vertraut.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-85607953 (1.389).
5 Kommentare
26. März 2019 um 14:40
Matthias Herms
Nicht umsonst nennt man alte Leute „weise“, denn sie haben aus Fehlern ihres Lebens Schlussfolgerungen gezogen, sind nach vielen Jahren des Nachdenkens zu Einsichten gekommen. Aber wer will sie hören?
Ohne eine von der SPD angedachte Aufarbeitungs- und Versöhnungskommission wird es nicht gehen. Auch einige Opfer des MfS werden sagen, ich kann nicht verzeihen, ich will nicht verzeihen …
Dabei ist die reine Wahrheit ganz einfach, wenn man verstehen will und selber zu Einsichten gelangen will. Mit der Geburt hat der Mensch sein eigenes Weltbild quasi biologisch in sich, spätere Erziehung kommt hinzu, die bei dem einen fruchtet, beim anderen ins Leere läuft. …
20. März 2019 um 12:26
Matthias Herms
Da erfolgt wohl gerade ein politischer Schlagabtausch.Der MDR wird wohl korrekt berichtet haben. Des Pudels Kern liegt wohl woanders: Die Einwohner von Stollberg haben mit Sicherheit zur DDR-Zeit den Hohenecker Knast – damals StVA, später StVE – nicht angenommen, weil er auch nicht zur Stadt gehörte, sondern vom Leiter des Strafvollzuges der DDR aus Berlin geleitet wurde. Zudem gibt es weder zu DDR-Zeiten noch heute wirkliche Fans von Knästen und Strafanstalten. Man ist damals wie heute angewidert von den Gebäuden und ihren Insassen. Da sollte man sich nichts vormachen.
Die Umwandlung in eine Gedenkstätte muß zudem von der dortigen Bevölkerung nun mal ebenfalls angenommen werden. Die Hohenecker Opfer jedoch fordern diese und übersehen, das es auch heute nicht wenige ehemailge DDR-Bürger gibt, die diese „selbsternannten Opfer“ weder anerkennen, noch annehmen. Das ist die Folge der falschen, einseitigen Aufarbeitungspolitik und diese rächt sich jetzt. Die Stollberger haben es offenbar satt, immer wieder mit dem „Hohenecker Knast“ in Verbindung gebracht zu werden, ja sogar fürchten sie eine Stigmatisierung der Stadt Stollberg auf ewig. Nicht wenige sind der Auffassung deshalb, daß die damaligen Stratäterinnen zu DDR-Zeiten eben nach geltendem Recht der DDR im Knast saßen. Heute will man eben seine Ruhe haben und in die Zukunft blicken.Da reicht es eben aus, ein Schild an das Gebäude zu befestigen.
20. März 2019 um 20:39
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Zu Matthias Herms Beitrag:
Sicherlich haben Sie grundsätzlich, zumindest auf den ersten Blick, recht. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Würden Sie so argumentieren, wenn es statt um die rote um die braune Diktatur ginge? Hier liegt doch der berühmte Hase begraben. Die unterschiedlichen Bewertungen der Dikatatur-Aufarbeitung nervt zunehmend, weil so die ganze Argumentationskette unglaubwürdig wird. Juristische Verfolgung aus politischen Gründen ist und bleibt ein Verbrechen, unabhängig von der jeweiligen Farbgebung. Was auch unterschlagen wird: Die nationalsozialistische Diktatur entfaltete ihren Terror ebenfalls unter der Farbe ROT (Hakenkreuz-Fahne). Vielleicht hat man darum die Farbe BRAUN („braune Horden“) in den Vordergrund gestellt? Hingegen spricht man nicht von der
„blauen Diktatur“, weil die FDJ, also der Nachwuchs, blaue Hemden trug. Ich stimme Ihnen darin zu: Es gibt noch viel zu tun in unserem Land zum Thema „glaubwürdige Aufarbeitung“. cw
20. März 2019 um 22:14
Matthias Herms
Der Unterschied ist, daß die Nazidiktatur Diktatur sein wollte und der sozialistsiche Staat DDR als Antwort auf diese Diktatur erdacht wurde, als antifaschistisch-demokratische Ordnung anfing und 1968 in eine Parteidiktatur mündete. Natürlich gibt es Parallelen. Aber die einen haben Millionen Tote zu verantworten, die DDR nicht. Außerdem: Was bringt das Beharren auf so einer These, die aber im politischen Diskurs von den Menschen nicht angenommen wird, weil die DDR-Bürger sich diese Jacke weder selber anziehen wollen, noch sich die Jacke als Zwangsjacke aufnötigen lassen wollen. Hätte man das MfS nicht 30 Jahre dämonisiert, hätte man die Menschen einbeziehen und einbinden können – auf Augenhöhe und sie hätten erstaunlicherweise zu den Themen Einsichten Erquickliches beitragen können. Die Toten an der DDR-Staatsgrenze haben die Grenztruppen zu verantworten, nicht das MfS. Ich habe mich immer gewundert, das die Grenzsoldaten nicht opponiert haben. Jeder wußte, daß die staatliche Gesetzgebung der Volkskammer durch die politische Doktrin des Klassenstandpunktes diese überlagerte. Die Opfer des MfS haben sich selber um Erkenntnisse gebracht, um einen psychologischen Schatz, der Ihnen noch heute bei der Bewältigung ihrer Traumata hätte helfen können. Das Wort heißt Versöhnung. Wie hätten die MfSler reagiert, wenn man ihnen 1989 gesagt hätte, wir schieben euch die ganze Schuld zu, waschen die SED rein und dämonisieren euch die nächsten 30 Jahre durch tägliche TV-Dokus. Ob diese dann auch so freiwillig die Waffen gestreckt hätten? Wir kommen so oder so nicht herum um eine Aufarbeitungs- und Versöhnungskommision, die uns alle Wahrheiten offenbart. Auch die Westdeutschen kommen nicht umhin, die Hose runterzulassen. und die Kinder der Ostdeutschen werden sich nicht mehr wie ihre Eltern in die Büßerecke drängen lassen. Das birgt einen Sprengstoff in der deutschen Gesellschaft, der bereits durch den Vorsprung der AfD im Osten seinen Ausdruck findet. und das ist erst der Anfang. Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe.
21. März 2019 um 23:10
Vereinigung (AK) 17juni1953 e.V.
Zu Teil II von Matthias Herms:
Ja, ja, immer weiter so. Die Neo-Nationalsozialisten sprechen von der „Lügenpropaganda“ des Holocaust und sehen in Adolf nach wie vor den Eretter Deutschlands aus „der Schmach von Versailles“. Und die ewigen Kommunisten sehen in der DDR nach wie vor den ernsthaften Versuch, die Demokratie in Deutschland endlich zu verwirklichen. Verbrechen? Das sind immer die Erfindungen der politischen Gegner. Verfolgung und Vernichtung Andersdenkender? Das ist immer nur die jeweilige propagandistische Keule, mit der der aufopfernde Kampf gegen die (jeweiligen) Feinde madig gemacht werden soll. Armes, an Kommerz reiches Deutschland! Wir werden die ehrliche Aufarbeitung nicht mehr erleben. Und die Nachgeborenen? Sie werden irgendwann die Achsel zucken und unisono sagen: Was gehen uns die Millionen Toten der „braunen Scheisse“ oder der „blutig-roten Verfolgungen“ an? cw