Berlin, 09.02.2019/cw – Kaum zu glauben, aber wahr: Die einschlägig bekannte Amadeu Antonio Stiftung (Novalisstraße 12, 10115 Berlin) lädt inoffiziell, weil nicht durch öffentliche Werbung, zu einer „Fachtagung“: Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung am 14. Februar ein. Unterstützt wird diese „Provokation der DDR- und Stasi-Opfer im Vorfeld des 30. Jahrstages 9.November 1989“ (so die Vereinigung 17. Juni in Berlin in einem Statement) von der Landeszentrale für politische Bildung in Berlin mit 5.000 Euro.
Empörung in der Opfer-Szene
Die bekannt gewordene Veranstaltung löste in den Vereinen und Verbänden der Opferszene von der VOS (Vereinigung der Opfer des Stalinismus) bis zur Vereinigung 17. Juni heftige, bei einzelnen Betroffenen auch aggressive Reaktionen aus. Dies weniger wegen der Veranstaltung an sich als durch den von der linksradikalen Stiftung verbreiteten Text zur gen. Veranstaltung. In bekannter DDR-Diktion werden anerkannte Widerständler gegen das DDR-Regime, wie der bekannte ehemalige Cottbuser Häftling Siegmar Faust (u.a. „Ich will hier raus!“) in die neo-nazistische Ecke gestellt. Der langjährige Vorsitzende des Fördervereins Gedenkstätte Hohenschönhausen und langjährige Redakteur des MDR, Dr. Jörg Kürschner, „publiziert, wie andere Akteure der Szene in Rechtsaußenblättern wie der JUNGEN FREIHEIT.“ Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL wird dabei geschickt zitiert. Dieses habe bereits Anfang 2018 darauf hingewiesen, „dass eine Reihe vormaliger DDR-Bürgerrechtler politisch weit nach rechts abgedriftet ist.“
Die eher nachdenkliche Einlassung des einstigen Vorsitzenden der UOKG, Gerhard Finn, wonach in der DDR „aus der Rassenfrage die Klassenfrage, aus der Frage nach dem arische Großvater die Frage nach dem proletarische Vater“ wurde, wird als Beweis angeblichen neonazistischen Gedankenguts unter führenden Funktionären der Aufarbeitung angeführt.
Soll der DDR-Jargon über Gegner wieder belebt werden?
Geschichtsbewusste Bürger können sich noch gut daran erinnern, dass in der kommunistischen DDR Gegner des Diktatur-Systems grundsätzlich als „Neo-Nazis“ und „Neo-Faschisten“ diffamiert wurden. Selbst die (alte) Bundesrepublik wurde stereotyp in der Propaganda des „ersten Arbeiter- und Bauernstaates“ als „faschistisch“ und „von Alt- und Neo-Nazis“ geführte Republik dargestellt. Auf diesen Umstand wies am vergangenen Mittwoch auf einem Treffen mit Vertretern der Verfolgtenverbände und Aufarbeitungsinitiativen im Abgeordnetenhaus von Berlin der Sprecher der Vereinigung 17. Juni hin: „Soll jetzt im Gefolge der jüngsten Attacken in Hohenschönhausen zum Halali auf die Aufarbeitungsszene geblasen werden?“ fragte der einstige Mauerkämpfer. Die Amadeu-Stiftung habe selbst in ihrer Einladung die Verbindung zu Hohenschönhausen hergestellt, indem sie den verdienten Direktor der Gedenkstätte Hubertus Knabe auch eine „Scharnierfunktion zu den rechten Rändern der Aufarbeitung“ unterstellte. Knabe „scheute nicht davor zurück, Nationalsozialismus und SED-Sozialismus als zwei sozialistische Seiten einer totalitären Medaille zu betrachten und beide Regimes zu analogisieren – eine am rechten Rand typische Grenzüberschreitung.“
Dass Knabe mit dieser Einschätzung nichts anderes tat, als eine Jahrzehnte lang in der (alten) Bundesrepublik getragene Überzeugung zu bestätigen, die wohl auch Teil der (damaligen) Staatsräson war, wird genauso unterschlagen, wie die Tatsache, dass einst der von der SPD bzw. Willy Brandt geführte Senat von Berlin schon 1964 diese Gleichstellung öffentlich plakatieren ließ: „Wie sich die Bilder gleichen“ – Ein braunes Hakenkreuz wurde plakativ dem DDR-Wappen gegenübergestellt.
Um Sachlichkeit bemühte Kritiker werfen dann auch der linken Stiftung nicht eine kritische Beleuchtung der DDR-Aufarbeitungsszene vor, vielmehr sei die offensichtliche und von der DDR gewohnte linksextreme Einseitigkeit nachhaltig zu kritisieren, die stets auf dem linken Auge blind und um so mehr „wachsam“ auf dem rechten Auge sei. So werde zwar erwähnt, dass ein UOKG-Vorsitzender wegen antisemitischer Äußerungen 2015 „abtreten“ mußte, aber unterschlagen, dass dieser „Abtritt“ infolge erbitterten Widerstandes durch einstige DDR-Kritiker erfolgte bzw. von diesen erstritten wurde.
Auf der erwähnten Veranstaltung im Abgeordnetenhaus kritisierte auch Hugo Diederich von der VOS die Tatsache, dass die Landeszentrale für politische Bildung eine Veranstaltung fördere, die durch eine ehemalige Informelle Mitarbeiterin (IM) der Stasi maßgeblich initiiert worden sei.
Untersuchungsausschuß notwendiger den je
Die Vereinigung 17. Juni hatte zuvor an die anwesenden Abgeordneten (CDU, SPD, FDP, GRÜNE und LINKE – die AfD war nicht vertreten) appelliert, dem Antrag der FDP-Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen: „Durch die nun bekannt gewordenen Veranstaltung der Amadeu-Stiftung und deren Verknüpfung zu den Vorgängen in Hohenschönhausen werde die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusse geradezu unterstrichen.“ Wenn die LINKE mit Senator Lederers Dementi einer „angeblichen Verschwörung“, die zur Ablösung Knabes geführt habe, recht habe, könne sie nichts anderes tun, als „diesen Antrag für einen Untersuchungsausschuss aktiv zu unterstützen. Dort könne DIE LINKE ihre Unschuld und Nichtbeteiligung an den Vorgängen in Hohenschönhausen unter Beweis stellen.“
Die VOS kritisierte speziell die CDU, die offensichtlich Schwierigkeiten habe, sich diesen Attacken „von links“ entgegen zu stellen (Hugo Diederich).
Teilnahmeliste weist prominente Politiker aus
Auf erstaunlich wenig Kritik stieß die Teilnahme prominenter Politiker an der Veranstaltung der Stiftung. So betonte Markus Meckel (SPD) in einem Statement, er habe einer Anfrage „sofort zugestimmt“, weil er dieses Thema für wichtig halte. Und Anna Kaminsky von der Stiftung Aufarbeitung erklärte, sie sei zwar empört über den Terminus der Einladung gewesen, aber „sehr glücklich über die Tatsache, dass Stefan Hilsberg (SPD), Markus Meckel und Dieter Dombrowski (CDU) von der UOKG auf der Fachtagung vertreten sind.“
Ob die gen. Politiker ihre Stimme für die Verfolgten der Zweiten deutschen Diktatur erheben werden, wird mit Spannung erwartet. Besonders die ideologisch besetzte Gleichsetzung eines „nationalen Engagements“, zum Beispiel am 17. Juni 1953 oder auch 1989 („Wir sind ein Volk“) mit den nationalsozialistischen Verbrechen sei „widerlich und durch nichts gerechtfertigt,“ so ein einstiger Verfolgter.
Inzwischen liegen der Redaktion Informationen vor, dass einstige Opfer der DDR-Diktatur am 14. Februar eine Protestdemo vor dem Sitz der Amadeu-Stiftung planen. Die Amadeu-Stiftung hingegen hat offensichtlich zahlreiche Anmeldungen aus Kreisen der Opfer-Szene bis zum Redaktionsschluss nicht bestätigt.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 0176-48061953 (1.377).
6 Kommentare
11. Februar 2019 um 10:38
Hilde
@karlschippendraht
Ja, Sie haben vollkommen recht. Das Problem ist tatsächlich hausgemacht. Vor allem, wenn Täter UND Opfer dem großen Bruder Russland huldigen oder die Verbrechen der kommunistischen Diktatur nur auf einen Machthaber – Josef Stalin – reduzieren. Doch auch hier sind die Grenzen fließend, wenn man berücksichtigt, dass Deutschland von den Altparteien in die wirtschaftliche Abhängigkeit mit Russland getrieben wurde.
Jedoch muss ich Ihnen in einem Punkt widersprechen:
Die Hetzjagd auf Hubertus Knabe war beileibe nicht der Startschuss, sondern ist lediglich die konsequente Fortführung dessen, was mit der Abteilung Agitation des MfS begonnen hat und seit der Wende von Ex-Stasivereinen, der Partei DIE LINKE, ihren Unterorganisationen, politisch zuverlässigen Historikern usw. aktiv betrieben wird. Man denke da z. B. nur an Konrad Löw, dessen Lebenswerk von den gleichen Leuten schamlos diskreditiert wurde!
Es ist doch in diesem Zusammenhang mehr als aufschlussreich, wenn Ex-Stasis sagen, dass die Geschichte noch lange nicht zu Ende sei. Nun missbrauchen sie eben eine regierungsnahe Stiftung für ihre unmoralischen und unethischen Zwecke.
10. Februar 2019 um 16:26
Felix Heinz Holtschke
Die Tatsache, das eine linksextreme Stiftung wie die Amadeu-Antonio-Stiftung unter Führung einer ehemaligen Stasi-Informantin über ehemalige politische Häftlinge und Gegner des SED-Regimes öffentlich und finanziell gefördert schwadronieren darf, ist ein Alarmsignal hinsichtlich der politischen Verhältnisse hierzulande. Die medial bewusst gezüchtete Sprachverwirrung befeuert zusätzlich die Diffamierung der DDR-Kritiker und -Opfer: Denn kein Gegner des DDR-Sozialismus war jemals linksgepolt, sondern seit jeher rechts = konservativ. Diese politische Haltung jedoch in die Nähe des Nationalsozialismus zu verorten, ist eine üble Verleumdung im Range einer Volksverhetzung. Die Opferverbände müssen unbedingt einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen in Hohenschönhausen im Berliner Senat durchsetzen und einen öffentlichkeitswirksamen Protest gegen die Machenschaften der Amadeu-Antonio-Stiftung auf den Weg bringen, wenn es sein muss, auch gegen den Willen eines seiner eigenen Vorsitzenden!
9. Februar 2019 um 18:50
Dirk Jungnickel
https://www.achgut.com/artikel/amadeu_stiftungjahresbericht_mit_luecken
Kommentar zum Achse – Beitrag :
Das Finanzgebaren dieser unsäglichen Stiftung mag von buchhalterischem Interesse sein, politisch wichtig aber ist ihre demagogische Ausrichtung, die schon im denunziatorischen Titel der geplanten Tagung zum Ausdruck kommt. („Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“). Die angekündigten Teilnehmer lesen sich z.T. wie ein Who Is Who der „Aufarbeiter“ der „DDR“ – Geschichte, die Dr. Knabe in den Rücken gefallen sind:
Hier die von der Stiftung veröffentlichten Namen (Auszug) :
Mitwirkende Klaus Bästlein, Dr., Jg. 1956, Historiker und Jurist, Berlin;
Andrew Beattie, Dr., Jg. 1976, Historiker, University of New South Wales,
Sydney, z.Zt. Köln; Markus Decker, Jg.1966, Journalist, „Berliner Zeitung“
und Redaktionsnetzwerks Deutschland, Berlin; Dieter Dombrowski, Jg. 1951,
wegen „Republikflucht“ 1974 in Cottbus inhaftiert, seit 1999
Landtagsabgeordneter für die CDU in Potsdam, seit 2014 Vizepräsident des
Landtages, seit 2015 Vorsitzender der Union der Opferverbände
Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG); Detlef Garbe, Dr., Jg. 1956,
Historiker, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Hamburg; Enrico Heitzer,
Dr., Jg. 1977, Historiker, Berlin; Stephan Hilsberg, Jg. 1956, Ingenieur für
Informationsverarbeitung, Mitbegründer der SDP, 1990 bis 2009 Mitglied des
Bundestages, langjähriges Mitglied im Förderverein der Gedenkstätte
Hohenschönhausen, Berlin; Martin Jander, Dr., Jg. 1955, Historiker und
Dozent, Berlin; Anetta Kahane, Jg. 1954, Schriftstellerin, Vorsitzende der
Amadeu Antonio Stiftung, langjährige IM des MfS, Berlin; Habbo Knoch, Prof. Dr., 1969 geboren,
Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Institut der
Universität zu Köln; Jonas Kühne, M.A, 1986 geboren, Historiker, Gedenkstätte
für Zwangsarbeit Leipzig; Markus Meckel, Jg. 1952, Theologe, letzter Außenminister der DDR und MdB; Morsch, Prof. Dr., Jg. 1953, Historiker und Politikwissenschaftler, bis 2018 Direktor der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen.
Dirk Jungnickel
9. Februar 2019 um 13:31
karlschippendraht
Selbstverständlich wird jetzt ein solcher Vorstoß unternommen. Die Hetzjagd auf Hubertus Knabe scheint der Startschuss gewesen zu sein. Aber unsere politischen Gegner haben sich auch schon lange in der Aufarbeitungsindustrie eingenistet. Unser ärgster politischer Feind ist jedoch nicht die Linke sondern die SPD, die schon damals unsere beschämend geringe Sonderzuwendung verhindern wollte. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass jene Landesbeaiftragte, die der SPD angehörten (z.B. Gutzeit) ab 2005 aktiv gegen uns gearbeitet haben. Auch die UOKG hatte nicht die Aufgabe, uns zu unterstützen sondern deren wirkliches Ziel war, die Opferverbände auszubremsen. Leider haben die Vertreter der Lagergemeinschaften und auch Horst Schüler diesen wirklichen Zusammenhang nicht erkannt – vermutlich aus Altersgründen. Bei einem Herrn Dombrowski sollte es doch zu der Frage, wo er wirklich steht, keine Unkarheit mehr geben! Aber Eines muss klar sein: An der heutigen Miesere sind die SED-Verfolgten nicht schuldlos! Sie haben den falschen Propheten vertraut. Ich selbst hatte diesen Schwindel schon damals erkannt, deshalb musste ich weg. Aber wer gern wissen möchte, wie der richtige und erfolgreiche Weg gewesen wäre, darf sich privat an mich wenden. Der politischen Linken aus SPD, GRÜNE und LINKE waren wir immer ein Dorn im Auge. Ebenso auch dem Zentralrat … , der stets die Meinung vertreten hat und vertritt: „Deutsche dürfen keine Opfer sein“. Das jetzige HALALI zur Hetzjagd auf uns ist größtenteils hausgemacht!!!
9. Februar 2019 um 12:13
Vor dem Jubiläum „30 Jahre Mauerfall“: Wird jetzt zum HALALI auf die einstigen DDR-Kritiker geblasen? – nachtgespraechblog
[…] https://17juni1953.wordpress.com/2019/02/08/vor-dem-jubilaeum-30-jahre-mauerfall/ […]
9. Februar 2019 um 11:42
Rainer Schubert
der Schoß ist fruchtbar noch aus dem dies kroch.
(Brecht in „Arturo Ui)