Berlin, 15.12.2018/cw – Am 19. Oktober 2018 fand nach einem Bericht der linken „junge Welt“ vom 3.12.2018 (https://www.jungewelt.de/artikel/344708.ddr-wahrheit-und-vers%C3%B6hnung.html) im Haus der BStU ein Gespräch statt, zu dem der Bundesbeauftragte Roland Jahn („Ich bin einer von Euch“) einst hohe Granden der DDR und ihres Staatssicherheitsdienstes, den einstigen stv. Generalstaatsanwalt der DDR und IM der Stasi, Hans Bauer; Dr. Reinhard Grimmer, Oberst der Staatssicherheit der DDR, (Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG); Karl Rehbaum, ebenfalls Oberst des ehem. MfS der DDR und Wolfgang Schmidt, Oberstleutnant der Staatssicherheit der DDR, Auswertungs- und Kontrollgruppe der HA XX (Anleitung der Kulturschaffenden) eingeladen hatte.
„Allein, dass dieses Gespräch überhaupt stattfand, ist eine kleine Sensation, hatten doch die Vorgänger von Roland Jahn solche Gespräche stets abgelehnt und Angehörigen des MfS jegliche Berechtigung abgesprochen, als Zeitzeugen an der Aufarbeitung der Geschichte der DDR und des MfS teilzunehmen,“ stellten denn auch die Gesprächspartner und Autoren des jW-Artikels süffisant fest.
„Hiroshima der Aufarbeitung“

Aufarbeitung demnächst beseitigt wie die Erinnerungen an die Toten der Mauer, hier die Kreuz-Aktion am Checkpoint Charlie? Foto: LyrAg/RH
Was ist brisanter: Die Tatsache, daß dieses Gespräch stattfand oder der Umstand, dass die Öffentlichkeit bis zur Veröffentlichung in der jW am 3. Dezember davon nichts erfuhr? Einen gewissen Beigeschmack erhält die durch ein „sozialistisches“ Medium jetzt vermittelte Tatsache des Jahn-Gespräches mit einstigen MfS-Größen auch vor dem Hinter-grund des Dramas um die Entlassung des Gedenkstätten-direktors Hubertus Knabe, das sich wohl als „Hiroshima der Aufarbeitung“ erweisen wird. Was veranlasst einen Bundesbeauftragten „für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit der DDR“, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt derartige Gespräche zu führen? Einstige Opfer der DDR-Diktatur fragen sich jetzt erst recht, ob die „Inszenierung um die Gedenkstätte“ nicht Teil einer grundsätzlichen Verschiebung der Prioritäten und Ausrichtung in der bisherigen Aufarbeitung darstellt?
In diesem Fall könnte die mit miesen, wie nicht überzeugenden Argumenten angestrebte und jetzt erfolgreich besiegelte Entlassung des anerkannten Historikers, die jetzt durch die jW publizierte Bewerbung von Ilko-Sascha Kowalczuk um „einen freiwerdenden Posten in Berlin-Hohenschönhausen“ (jW) und das erst jetzt bekannt gewordene „Gespräch“ bei Roland Jahn einen möglicherweise zusammenhängenden Sinn ergeben. Auch die Zustimmung des UOKG-Chefs Dieter Dombrowskis (CDU) und der CDU-Landesvorsitzenden Monika Grütters könnte jetzt in einem durchaus anderen Licht erscheinen. Die Frage stellt sich: Wird hinter dem Rücken der zu Jahrestagen gerne hochgelobten einstigen Verfolgten des SED-Regimes ein Wandel angestrebt, der die bisherige Aufarbeitung auf eine „sozialistische Grundlage“ stellen soll?
Aufarbeitung: Alle Erfahrungsräume einbringen
Kowalczuk, der falsche Angaben in einem 2004 verlegten Buch zum 17. Juni („Die verdrängte Revolution“, Temmen, 2004) seinerzeit damit begründete, man habe unter Zeitdruck die aus den Akten des MfS übernommenen Daten nicht mehr überprüfen oder korrigieren können, wird aktuell in der jW zur Aufarbeitung zitiert: »Diese Geschichte von Leid, Opfern, Unterdrückung und Widerstand erreichte die Gesellschaft nicht, es war nicht ihre Geschichte, noch schlimmer: Es wurde nicht ihre Geschichte. (…) Aufarbeitung muss den Menschen gerecht werden, nicht den Aufarbeitern. Die DDR-Aufarbeitung sollte nun, fast dreißig Jahre nach dem Mauerfall, beginnen, die ganze Palette der DDR-Gesellschaft und die Transformationsgeschichte verknüpft zu erzählen. In dieser Aufarbeitung müssen alle Erfahrungsräume Platz finden« (SZ, 22.10.2018).
Diese Forderung deckt sich mit den Forderungen der MfS-Granden in der benannten Gesprächsrunde, die diese Roland Jahn am 21.Juni 2018 in Form eines Fragenkatalogs zukommen ließen. Dort wird eingangs jammernd erläutert, daß die von Hans Bauer angeführte „Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e. V. (GRH)“ jenen Teil der Bevölkerung Deutschlands vertritt, „der seit Herstellung der staatlichen Einheit ausgegrenzt, diffamiert, sozial abgestraft und diskriminiert wird. Es sind Menschen, die für die DDR Verantwortung getragen haben und denen insbesondere eine Zusammenarbeit in und mit dem Ministerium für Staatssicherheit zur Last gelegt wird. Ihre Lebensleistungen werden verunglimpft, demokratische Gesinnung wird ihnen abgesprochen, berufliche und politische Karrieren werden verhindert.“
„Täter-Opfer-Klischee“ für Geschichtsverständnis ungeeignet
Da der Öffentlichkeit bislang kein Protokoll über das „einstündige Gespräch“ bei Roland Jahn vorliegt, kann nur vermutet werden, das die wichtigsten Forderungen der einstigen MfS-Vertreter vorgetragen wurden. Die Äußerungen Jahns wurden in der jW so kolportiert: In dem Gespräch, „welches sachlich und offen geführt wurde,“ waren „auf die uns vor allem bewegende Frage, wie lange noch die BStU die »Aufarbeitung« in der bekannten Art fortsetzen will, von Roland Jahn überraschende Einschätzungen und Feststellungen zu vernehmen.“ Jahn: „Angesichts der Spaltung der Gesellschaft und des wachsenden rechtsextremistischen Einflusses sei ein politischer Diskurs notwendig, an dem sich auch die ehemaligen Angehörigen des MfS beteiligen sollten. Diese Beteiligung sollte nicht an demütigende Bedingungen geknüpft werden. Es sei besser von Verantwortung als von Schuld zu sprechen. Sicher wäre niemand Mitarbeiter des MfS geworden, weil er Menschen quälen wollte. Das »Täter-Opfer-Klischee« sei für das Geschichtsverständnis ungeeignet. Notwendig sei der Respekt vor den Biographien der Menschen. Auch müsse die Geschichte in der Wechselwirkung der Aktionen der beiden deutschen Staaten verstanden werden.“

Verkommt die Aufarbeitung zur medial-verkäuflichen Symbolik? Angela Merkel am
11.08.2017 in Hohenschönhausen – Foto: LyrAg/RH
Auf öffentlichen MfS-Pranger in HSH verzichten
Wundert es da noch, wenn sich die Stasi-Autoren zu den Vorgängen in Hohenschönhausen ermutigt und geradezu fordernd äußern? Ob es sich bei den Vorgänge in Hohenschönhausen „um Beschwichtigungsversuche, politisches Taktieren oder gar um einen Neuanfang bei der Betrachtung der Geschichte der DDR handelt, wird sich zeigen,“ so die Jahn-Gesprächspartner. Man könne das auch danach beurteilen, „ob der angedachte Kulturwandel in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen neben der Vermeidung sexueller Übergriffe auch dazu führt, wenigstens ein Minimum an Seriosität herzustellen und auf offenkundige Lügen, Verleumdungen und einen öffentlichen Pranger für ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit zu verzichten.“
Die GRH hat ihre 21 Fragen „zu Sinn, Aufgaben und zur Zukunft“ der BStU, “die zugleich grundsätzliche Fragen des künftigen Umgangs mit der DDR-Geschichte sind“ neben Jahn in Kopien auch „der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, der Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien, Katrin Budde, den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Stephan Brandner, und dem Wissenschaftlichen Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat, Prof. Dr. Klaus Schroeder, zugesandt.“
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Mobil: 0176-48061953 (1.371).
8 Kommentare
16. Dezember 2018 um 13:46
In der BStU: Jahn-Treffen mit ehemaligen Stasi-Kadern – nachtgespraechblog
[…] https://17juni1953.wordpress.com/2018/12/15/in-der-bstu-jahn-treffen-mit-ehemaligen-stasi-kadern/ […]
16. Dezember 2018 um 11:30
Wolfgang Graetz
Ja, das haben wir gebraucht !
WIR, die auch die eigentlichen „Väter“ der deutschen Einheit waren.
WIR, die Stasi-Folter und Zuchthäuser der SED-Diktatur überstanden haben- mit teilweise erheblichen „Lebensblessuren“.
Das ist kein Schlag ins Gesicht, das ist kein Affront, NEIN, das ist wesentlich mehr !
Hier wird UNS gezeigt, wie die Merkelsche- Politik zu UNS steht, denn Herr Jahn ist deren Vollstrecker.
WIR sollen von der „Bildfläche“ verschwinden, UNS gibt es nicht mehr.
Ja, Frau FDJ-Funktionärin Merkel konnte uns als „Abtrünnige“ des SED-Regimes nicht ausstehen, sie war ja die LINIENTREUE.
Jahrelang kämpfen WIR bereits um unser Recht als ANERKANNTER BUNDESBÜRGER- Frau Merkel ignoriert alle Gesetze, denn wie zu Honeckers-Zeiten bestimmt das Polit-Büro was Gesetz ist und das Polit-Büro ist Frau Angela Merkel!
Opfer vor Täter – Frau Merkel wendet für UNS das Gegenteil an und auch ein Herr Jahn stimmt da ein.
18. Dezember 2018 um 22:46
Herms
Euch hat noch nie jemand unterstützt. Ihr habt immer nur laut gefordert und frech mit dem Fuß aufgestampft. Nun ist es vorbei mit Eurer Krakelerei. Die Gesetze zur DDR-Zeit waren rechtens, Ihr seid von ordentlichen Gerichten verurteilt worden. Jetzt ändert sich die Politik. Merkel ignoriert eure Gesetzesvorlagen im Bundesrat. Die Stasi wird rehabilitiert. Ihr Pappnasen wurdet nur mißbraucht für ein mieses politisches Süppchen. Bald ist der letzte von Euch angeblichen Opfern abgekratzt und dann ist die Luft endlich wieder sauber. Macht endlich die Straße frei!
23. Dezember 2018 um 16:10
Gustav Rust
Herms, schmerzt es sehr in Deiner Birne? „Die Straße frei…“ – Den braunen Bataillonen? Ach nein, die sind ja weg. Also meinst Du wohl die Antifa-SA? Ja, ja, wir „kratzen ab“. Aber Ihr SED/PDS/LINKE-Betonköpfe ebenfalls! Schade nur, daß es immer und immer wieder Blödmänner und -Frauen gibt, die der roten Fahne hinterherlaufen. Es ist eben ein zu schöner Traum „Alle Menschen werden Brüder“. … Hahaha… Ihr Bolschewisten könnt doch nur anderen etwas wegnehmen und es dann als „Errungenschaften der Arbeiterklasse“ anpreisen – und obendrein verrotten lassen! Wie schrieb Genosse Lenin (?): „Der Sozialismus ist nichts weiter als staatsmonopolistischer Kapitalismus“. Ja, und noch immer gibt es auch bei Euch welche, die oben saßen und West-Kaffee soffen, und die große Masse mußte sich mit Honecker-Mocca Magenkrämpfe holen! Genosse Herms, beim nächstenmal klappts besser. Weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt, Genosse Betonkopf?
15. Dezember 2018 um 18:07
text030
Opfer-Täter-Umkehrung. Deutschland im Jahr 2018. Erbärmlich und menschenverachtend zugleich. Die Verantwortlichen hatten fast 30 Jahre Zeit, die Verbrechen, Verfehlungen und ihre persönliche Schuld aufzuarbeiten. Nur so wäre eine differenzierte Sicht auf die Verantwortung des Einzelnen möglich geworden. Und nur so hätten die Betroffenen vergeben können. Weder eine konsequente juristische Aufarbeitung noch eine Einbeziehung der Zeitzeugen hat stattgefunden. Das war von Anbeginn der Nicht-Aufarbeitung so gewollt!
Die aktuelle politische Entwicklung mit erneuter Ausgrenzung und Diskreditierung Andersdenkender rundet das Bild genauso ab, wie der Verweis auf vermeintlichen Rechtsextremismus, der in Wahrheit die Angst vor Andersdenkenden wie in der ehem. DDR ist.
15. Dezember 2018 um 16:20
Bernd Stichler
Ach Gott , die armen Stasi-Schergen , denen es ja heute so schlecht geht und die doch stets nur Gutes zum Wohle der Menschen getan haben , sie sind aufrichtig zu bedauern – oder ? Was meinen Sie wirklich dazu , Herr Jahn und Herr Dombrowski ?
Liebe Kameradinnen und liebe Kameraden , da ist eine große Schweinerei im Gange !!! Durch Aktionen auf höchster Ebene sollen die Leiden der Verfolgten des Kommunismus vergessen – sogar möglichst ungeschehen gemacht werden . Dass sich Leute wie Jahn und Dombrowski dafür hergeben , ist geradezu abscheulich . Es bleibt uns vorerst nichts Anderes übrig als öffentlich klar zu machen , dass diese Herrschaften nicht in unserem Namen sprechen . Weiterhin sollten , soweit das noch möglich ist , all jene “ Aufarbeiter “ , die mit der STASI kungeln , von uns gesellschaftlich geächtet werden .
15. Dezember 2018 um 15:58
tout lieu
Gehts beim ‚Kulturwandel‘ in HSH also weniger um Frauendiskriminierung, sondern um „..mit anzusehen, daß die Deutungshoheit einer Partei überlassen wird, die in ihrer Geschichte für eine Menschenrechte verachtende Gewaltherrschaft die Verantwortung zu tragen hat“ (Horst Schüler am 4.Dez)? Perspektive furchtbarer Juristen der GRH auf die DDR? Roland Jahn soll beim Gespräch deren 21 Fragen ignoriert haben, klagt die GRH im Rundbrief. – Aber wieweit geht künftig Gegenerzählung, Multiperspektivität und neuer Pluralismus, den sich 41 freie HSH-Beschäftigte im Ergebenheitsbrief wünschen? Das Täteropferdogma zerfließt in „mehr Grautöne“ für die DDR und bald Tafeln zum harten Alltag der KZ-Wachmannschaften und Sport für Schreibtischtäter im National- und realen Sozialismus?
15. Dezember 2018 um 14:59
Dörfert
Liebe Kameraden/in
Ich habe mich in Jahn nicht getäuscht, er ist in meinen Augen ein „Gutmensch“. Wer mit „Schweinen“ ins Bett geht, muss sich nicht wundern, wenn er dreckig aufsteht.
Mit kameradschaftlichen Gruß
Dipl.Klaus Helmut Dörfert