Von Angelika Maßvoll*

Chemnitz/Berlin, 13.09.2018 – Sollte die AfD im Kampf gegen links auch mit Rechtsextremen und Prodeutschen zusammenarbeiten? Darüber ist nach Chemnitz eine Debatte entbrannt. Die AfD ist auf breite Bündnisse angewiesen, sagt Angelika Maßvoll – denn es geht darum, den Wert der Demokratie zu verteidigen.

In einem Beitrag auf rückwärts.de* über die Demonstrationen in Chemnitz war vor Kurzem zu lesen, dass die Stadt bei „Herz statt Hetze“ ihr „weltoffenes Gesicht gezeigt“ habe. Im Text warnt Sabrina Siebenaus* aus der AfD Sachsen davor, „im Kampf gegen Linkssextremismus nicht den falschen die Hand zu reichen.“ Meine Frage, wer oder was damit wohl gemeint ist, wurde im Text schnell beantwortet: Demotouristen, Rechtsextremisten und eine Band, „die den Prodeutschen nahe steht“.

Mit Gewalt werden wir niemand überzeugen

Ich engagiere ich mich bereits seit 1990 gegen jedweden Linksextremismus und betone an dieser Stelle mit Absicht: dies nicht nur mit und innerhalb von Parteistrukturen. Ich habe in den vielen Jahren meiner Auseinandersetzung mit Linksterroristen und der dazu oft schweigenden Mehrheit viel Gewalt erfahren müssen, ohne dass es je für mich im Umkehrschluss in Frage gekommen wäre, Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung zu akzeptieren. Bevor ich also weiter ausführe und damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich lehne jede Form von Gewalt ab. Mit Gewalt und Hass werden wir weder Menschen überzeugen noch sie für eine solidarische Gesellschaft gewinnen.

Ja, ich lebe nicht in Chemnitz. Doch das Thema Extremismus hat mich insbesondere immer wieder nach Sachsen geführt. Ich habe Vorträge gehalten, bin in Schulen gewesen, habe große Bündnis-Demonstrationen angemeldet und an den unterschiedlichsten Demonstrationen bundesweit teilgenommen. Ich bin also auch so eine „Demotouristin“ und empfinde diese abwertende Beschreibung als Beschimpfung.

Wir haben seit vielen Jahren ein Problem mit Extremisten

Ich war in Wurzen oder Bautzen mit jungen Menschen aus diesen Städten auf der Straße, die tagtäglich Angst vor Linksextremisten hatten und sich damit allein gelassen gefühlt haben – von den Parteien, der Polizei und den Menschen ihrer Heimatstadt. Sie wurden alleine gelassen, weil sie nicht ins brave Bild passten oder eine Gruppe Schüler-gegen-Linksextremismus gegründet haben. Sie wurden alleine gelassen, weil man ihnen grundsätzlich Gewalt unterstellte, obwohl sie Opfer von linksextremer Gewalt geworden sind. Nur wenige wollte mit ihnen in Bündnissen zusammenarbeiten oder solidarisierten sich mit ihnen.

Immer wieder wurde ich für solche Unterstützung gerade in Sachsen kritisiert – von der Polizei, von den Konservativen, aber auch von der örtlichen AfD. Ganz ehrlich, wir haben in diesem Land seit vielen Jahren ein Problem mit Linksextremisten, nichteingliederungswilligen extremistisch handelnden Immigranten und den Folgen einer entsolidarisierten Gesellschaft. Und ich werde mich immer mit Menschen, jung und alt, solidarisieren, die sich gleichfalls gewaltfrei gegen Rassismus, Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Linsextremismus engagieren oder mit ihnen Bündnisse eingehen.

Lieber mit Prodeutschen auf die Straße als zu schweigen

Warum muss man nach all den Ereignissen in Chemnitz so etwas schreiben? Ich jedenfalls gehe lieber mit gewaltfreien Prodeutschen auf die Straße (ohne dabei jede ihrer Positionen zu teilen), als zur schweigenden Mehrheit zu gehören oder das Geschäft der Antifa zu erledigen. Ja, vielleicht treffen junge Rechte oder Prodeutsche nicht immer den Ton und die richtige Formulierung, auf Grundlage derer man gerne diskutiert. Und nicht jede Demoparole ist gelungen. Aber deswegen in Frage zu stellen, dass sie mit uns gemeinsam gegen die extremistische Antifa auf die Straße gehen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Liebe AfD, irgendwann möchte niemand mehr mit uns in Bündnisse, wenn wir uns so unsolidarisch verhalten. Letztlich kommt hinzu, dass hier platt das Vorurteil bedient wird, dass es die eine Rechte gibt und alle sind natürlich gewaltbereite Prodeutsche. Ist das ernsthaft eine demokratische Herangehensweise, für die viele Menschen in Sachsen und den anderen östlichen Bundesländern im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind?

Diese pauschalisierende Art des aber „den falschen nicht die Hand zu reichen“, bedient Vorurteile auf beiden Seiten statt ein Klima des demokratischen Meinungsaustausches zu schaffen. Und auf der Grundlage all meiner Erfahrungen, bin ich froh, wenn in diesen extremistischen und Angst machenden Zeiten, sich Menschen die Hand reichen und dagegen aufstehen. Und dann möchte ich, dass meine AfD in großen breiten Bündnissen dabei ist, selbstverständlich ohne Gewalt und Hetze aber dafür vom Konservativen bis zum Rechten.

Niemand will Bündnisse mit Schlägern

Niemand will Bündnisse mit gewaltbereiten Schlägern, aber gerade weil insbesondere junge Menschen, die sich anti-extremistisch und antdiktatorisch in diesem Land engagieren, oft kriminalisiert und vorverurteilt werden, ist es verdammt noch mal unsere Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen. Es ist unsere Aufgabe, die Diskussion und kritische Solidarität mit ihnen zu suchen.

Ich bin in der DDR damit groß geworden, dass mir vorgeschrieben wurde, wie ich zu denken habe. Ich bin auf die Straße gegangen, damit ich mir meine eigene Meinung bilden darf. Und meine Kontakte zu den unterschiedlichen rechten Gruppen waren und sind eine inhaltliche Bereicherung auch für meine Arbeit in der AfD, was nicht heißt, dass ich alles, was diese machen, unkritisch sehe. Wir sind auf breite Bündnisse angewiesen, um Linksextremismus und antidemokratischer Gewaltbereitschaft der Antifa nachhaltig entgegentreten zu können. Bündnisfähig sind wir jedoch nicht, wenn wir die linksextremistischen Diskurse ohne Not selber mitmachen. Es geht derzeit um nicht weniger als darum, den Wert der Demokratie zu verteidigen.

* Namen geändert

Originaltext unter: https://www.vorwaerts.de/artikel/kampf-gegen-rechts-braucht-spd-antifa

Kommentar:

Kaum zu glauben, aber mehr als wahrscheinlich: Wenn vorstehender (zum Original veränderter) Text in einem Medium erschienen wäre, dazu noch in einem AfD-Blatt, wäre die Republik wahrscheinlich auf dem Kopf gestanden. Unerhört das Bekenntnis einer AfD-Politikerin zum „breiten Bündnis“ mit Rechtsextremisten und Pro-Deutschen.

Letztlich würde jetzt der Beweis offiziell geliefert sein, dass die AfD keine Mittel scheut, um gegen den politischen Gegner (der natürlich wie selbstverständlich ein Alleinvertretungsrecht der verfassungsgemäßen Demokratie beansprucht) vorzugehen. Die Nachrichtenlage im TV und Radio wie die Aufmacher-Schlagzeilen in den Print-Medien wäre (wieder einmal) eindeutig: AfD bestätigt Verbindung und Zusammenarbeit mit Rechtsextremisten. Der zum Kampfbegriff mutierte Name „Chemnitz“ würde in seiner endlichen politischen und medialen Aufgabe ziseliert werden: Kampf der AfD.

Natürlich wird „maaßlos“ nach dem Verfassungsschutz gerufen werden, um diesen „extremistischen Nazi-Haufen“ zu beobachten. Vergessen die einstige Arbeit des MfS der DDR gegen Demokraten (die durchgängig als „Nazis“ oder „Faschisten“ diffamiert wurden). Vergessen auch die selbst durch das BVG kritisierte Einschleusung von „Vertrauensleuten“ (die bei der Stasi unter „IM“ firmierten) in die rechte NPD-Vorstandsetage, um durch „veranlasste“ Erklärungen von Vorstandsmitgliedern Beweise für einen Verbotsantrag zu sammeln.

Es ist was faul in diesem Staat, aber noch ist unser Staat nicht verfault. Er ist (noch) stark genug, sich analog zu den fünfziger Jahren (in der alten BRD) wieder in der freien Diskussion über den richtigen Weg in die Zukunft in gegenseitiger Achtung vor dem Andersdenkenden zu bewähren. Dies wäre eine wenn nicht die richtige Antwort auf den Extremismus von Rechts, von Links oder den Import terroristischer und antidemokratischer Verhaltensweisen durch Immigranten. cw

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