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Stollberg/Hoheneck/Berlin, 24.07.2018/cw – Die Stollberger Zeitung (Freie Presse) berichtet in der heutigen Ausgabe über Pläne des agilen Oberbürgermeisters Marcel Schmidt, in der ehemaligen Krankenstation des einstigen größten Frauenzuchthauses der DDR eine Schwimmhalle zu errichten („Stollbergs Traum von der eigenen Schwimmhalle“). Zwar sind die Pläne noch nicht spruchreif, müssten noch einige Behörden zustimmen, so Schmidt, aber ein Baubeginn könne bereits 2020 erfolgen.
Während die LINKE und die CDU im Stadtrat bereits vorsichtige Zustimmung signalisiert – Fraktionsvorsitzender Siegfried Opitz: „Wir sind voll dafür.“; CDU-Stadtrat Gunter Weißbach: „Wenn sich das Gebäude eignet und Geld dafür da ist…“ – kritisiert vor Ort Sabine Kempf-Burzlaff, Mitglied im Förderverein der Gedenkstätte, die neuerlichen Pläne: „Für mich ist das die falsche Reihenfolge.“ Zwar habe sie prinzipiell nichts dagegen, dass „Leben reinkommt,“ aber der Ausbau der Gedenkstätte „sollte an erster Stelle stehen.“
Kritiker denken an das Terminierungsdesaster in Schönefeld
Davon ist man in Stollberg trotz vollmundiger Ankündigen derzeit weiter entfernt denn je. In der Terminierung fühlen sich bereits Kritiker an das missliche Beispiel um den Berliner Flughafen Schönefeld erinnert: Auch in Stollberg werden die Eröffnungstermine für die Gedenkstätte immer wieder hinausgeschoben. Aktueller Termin derzeit: 2020.

Er hatte die Gedenkstätte bei seinem Besuch im Mai 2011 in Hoheneck angemahnt: Bundespräsident Christian Wulff (re.) neben der in diesem Jahr verstorbenen Ellen Thiemann (li.) – Foto: LyrAg
Auch Tatjana Sterneberg, einstige Insassin im Frauenzuchthaus (1974 – 1976) und engagierte Streiterin für ein „würdiges Gedenken vor Ort“ sieht sich – wie viele andere ehemalige Hoheneckerinnen – getäuscht: „Wir haben bereits 2011, nach dem von uns initiierten und organisierten Besuch des Bundespräsidenten, eine umfassende Konzeption für eine „Begegnungs- und Gedenkstätte“ in Hoheneck vorgelegt. In dieser haben wir nach entsprechenden Gesprächen mit der Stadt ausdrücklich auch eine sogen. Mehrfachnutzung der ehemaligen Strafvollzugsanstalt integriert, aber es stand für uns immer fest, dass die Schaffung einer Gedenkstätte unzweifelhaft Priorität haben müsse.“
Erkennbarer Ausstieg aus früheren Zusagen
Jetzt will Sterneberg durch das „Filibustern“ der Stadt in Sachen Gedenkstätte eine Kehrtwende ausmachen: „Man hat uns in der Vergangenheit die gewünschte Priorität mehrfach bestätigt. Aber jetzt zeichnet sich in den letzten Jahren ein erkennbarer Ausstieg aus den ursprünglichen Zusagen ab. Das,“ so das ehemalige Vorstandsmitglied des Frauenkreises ehem. Hoheneckerinnen, „grenze an einen Skandal.“
Haben sich die ehemaligen Hoheneckerinnen durch die bekannt gewordenen Querelen nicht selbst aus der Mitsprache herauskatapultiert? Das sieht Sterneberg nicht so. „Natürlich hat der Verein durch seinen Schlingerkurs die notwendige Kooperation mit den Verantwortlichen nicht erleichtert,“ räumt sie freimütig ein. „Auf der anderen Seite sind ja deswegen die noch lebenden Zeitzeuginnen nicht in der Versenkung verschwunden.“ Sterneberg, die in Berlin lebt, erinnert daran, dass sie ja auch ohne Vereinsfunktion 2016 als ehemalige Hoheneckerin zu einer „sehr konstruktiven Runde“ nach Stollberg eingeladen wurde, um das vorgelegte Gedenkstättenkonzept einer beauftragten Fachfirma zu diskutieren: „Da stand noch eine Umsetzung bis 2018 ernsthaft im Raum.“
Tatjana Sterneberg unterstützt die Argumentation von Sabine Kempf-Burzlaff, wonach die Errichtung einer Gedenkstätte „an eine der fürchterlichsten Einrichtungen der DDR, die der politischen Verfolgung andersdenkender Frauen“ gedient hätte, für alle Verantwortlichen „an erster Stelle stehen müsse.“ Jetzt verliere sich dieses Gedenken in einem durchaus interessanten Strauß bunter Ideen und Initiativen. Nicht nur sie habe den Eindruck, dass hier „durch eine geschickte Regie die Vergangenheit immer mehr in den Hintergrund gedrängt“ werden solle. Das ließe sich auch an der Tatsache ablesen, dass die ursprünglich geplante Gedenkstätte, die sich über den gesamten Südflügel (ehem. Zellentrakt) erstrecken sollte, in den letzten Jahren immer mehr geschrumpft wurde und aktuell nur noch in einer Etage etabliert werden soll.
Kontrapunkt auch in Auschwitz, Theresienstadt oder Buchenwald?
Erzürnt hat Sterneberg Schmidts geschilderte Meinung in der Stollberger Zeitung: „Wo den Gefangenen früher Freiheit und Kultur genommen wurde, schafft die Stadt ganz bewusst einen Kontrapunkt.“ „Würde Schmidt eine solche Aussage auch als Verantwortlicher für Auschwitz, Theresienstadt oder Buchenwald machen?“ zeigt sich die Hoheneckerin erschüttert. Sie habe den OB immer gegen Kritiker verteidigt und stets sein bisheriges Engagement für und um Hoheneck begrüßt. Jetzt aber sieht sie diese „gute Beziehung zur Umsetzung eines gemeinsamen Anliegens“ in der Krise. „Allein die in den letzten Jahren von der Stadt favorisierte Bezeichnung „Schloss“ sei ein Affront der ehemaligen Insassen des Frauenzuchthauses. Die Bezeichnung „Burg“ für das Anwesen sei historisch gerechtfertigt und würde die unterschiedlichen Nutzungen der einstigen „Staleburg“ authentischer wiedergeben. Außerdem könne man in dem Begriff „BU®G“ die „Begegnungs- und Gedenkstätte“ auch phonetisch unterbringen. Auch das habe man gegenüber der Stadt bereits im letzten Jahr angemerkt.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.413).
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