Berlin, 3.06.2018/cw – Nach einem Bericht der B.Z. (https://www.bz-berlin.de/liveticker/stasi-gedenkstaette-rechtfertigt-rauswurf) hat der Vorsitzende des Beirates der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Dieter Dombrowski, die Trennung von dem Zeitzeugen Siegmar Faust gerechtfertigt. Grund seien „AfD-nahe und den Holocaust relativierende Äußerungen, die geeignet seien, das Anliegen der Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt und damit auch die Arbeit der Gedenkstätte und ihrer Mitarbeiter massiv zu beschädigen.“
Pikant an der Stellungnahme: Der – in Personalunion – Vorsitzende des Dachverbandes „Union der Opfer Kommunistischer Gewaltherrschaft“(UOKG) und Vizepräsident des Landtages in Brandenburg hat offenbar keine Einwände gegen die Mitgliedschaft im Förderverein der Gedenkstätte durch den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Abgeordnetenhaus von Berlin oder gegen den (amtierenden) Vorsitzenden der „Christen in der AfD“, Dr. Christian Fuchs, der in der UOKG als „Vorstandsbeauftragter“ fungiert. Fuchs ist auch Präsident der „Inter-Asso“ (Internationale Assoziation ehemaliger politischer Gefangener und Opfer des Kommunismus e.V.). Der CDU-Politiker Dombrowski hat offenbar auch keine Probleme mit dem Vorsitzenden des Fördervereins, der nach Darstellung eines Vereinsmitgliedes in den Medien Artikel in der Zeitung „JUNGE FREIHEIT“ verfasst, in denen die AfD als in freien Wahlen demokratisch gewählte Partei positiv dargestellt wird.
Der agile Politiker, der selbst schon mal als seinerzeitiger Vorsitzender der JUNGEN UNION (Berlin) wegen des Absingens der NS-Hymne „Horst-Wessel-Lied“ („Die Fahne hoch…“) durch JU-Mitglieder auf einer Fahrt nach Hambach 1988 vor Gericht erscheinen mußte und auch mit Komsomolzen aus der einstigen UdSSR in den achtziger Jahren am Ehrenmal der Roten Armee in Tiergarten nahe dem Brandenburger Tor einen Kranz niederlegte, sollte der Öffentlichkeit schon erklären, warum er einem ehemaligen Haft-Kameraden dessen „AfD-Nähe“ zum ausschließenden Vorwurf macht, während er in seinem Umkreis offenbar nichts gegen Engagements in der im Bundestag und fast allen Länderparlamenten vertetenen AfD einzuwenden hat. Dombrowski saß wie Siegmar Faust aus politischen Gründen in der DDR-Haftanstalt Cottbus ein, die als eine der schlimmsten Haftanstalten der DDR galt.
Kommentar:
„DD“ steht in eingeweihten Kreisen nicht nur als Kfz-Zeichen für Dresden, sondern in der Szene auch für Dieter Dombrowski. Dieser hat als ehemaliger politischer Gefangener der DDR nach seinem Umzug in die Freiheit eine beachtliche politische Karriere in der CDU gemacht, erst in (West-)Berlin, dann – nach der Wende – in Brandenburg. Das ist respektabel und aller (Be-)Achtung wert. Nachdem der (Auch-)Vorsitzende des Menschenrechtszentrums Cottbus 2015 zum Nachfolger des wegen umstrittener Äußerungen zurückgetretenen Predigers Rainer W. als Vorsitzender der UOKG gewählt wurde, versprachen sich viele ehemalige politische Gefangene eine aktive Unterstützung ihrer Anliegen, darunter auch eine offensive Verteidigung gegen Angriffe und Eingriffe in deren Rechte, wie die verfassungswidrige Rückstufung von Flüchtlingen zu DDR-Bürgern im Rentenrecht, von diesen seither als „Rentenbetrug“ bezeichnet. Stattdessen beeilt sich DD, seinem ehemaligen Haftkameraden Siegmar Faust in den Rücken zu fallen, statt sich demonstrativ hinter dessen Credo für die Meinungsfreiheit zu stellen. Von einer Rücksprache mit dem ehemaligen Haftkameraden Faust v o r dem DD-Statement ist jedenfalls nichts bekannt. Könnte es sein, dass DD die weitere eigene Karriere wichtiger erscheint als die Solidarität mit einem einstigen DDR-Opfer? „Jedenfalls gehen derartige Verletzungen des Anstandes langfristig oft anders aus, als dubiose Abrechnungsvorgänge mit der Landtagsverwaltung in Potsdam, die jüngst gegen eine Auflage nach § 153a StPO i.H.v. 7.500 Euro „aus der Welt geschafft“ wurden.“ * Das müsste eigentlich auch DD wissen (1.389).
* Dieter Dombrowski: Berichtigung
Berlin, 5.06.2018/RH – In dem vorstehenden Artikel „Siegmar Faust: Stasi-Gedenkstätte rechtfertigt Rauswurf“ vom 3.06.2018 wurde im anschließenden Kommentar von Carl-Wolfgang Holzapfel formuliert, dass „dubiose Abrechnungsvorgänge mit der Landtagsverwaltung in Potsdam … jüngst mit einem Strafbefehl aus der Welt geschafft wurden.“ Die Behauptung „mit einem Strafbefehl “ ist unrichtig.
Kein Strafbefehl sondern Auflage
Richtig ist, dass „dubiose Abrechnungsvorgänge mit der Landtagsverwaltung … jüngst gegen eine Auflage nach § 153a StPO i.H.v. 7.500 Euro aus der Welt geschafft wurden.“
Wir bedauern das redaktionelle Versehen (Strafbefehl statt Auflage) und bedanken uns bei Herrn Dombrowski für den rechtlichen Hinweis.
§ 153 a StPO
Der § 153a StPO ermöglicht es der Staatsanwaltschaft und später im Verfahren (nach Erhebung der Anklage) auch dem Gericht das (eingeleitete) Verfahren vorläufig einzustellen und dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen zu erteilen. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen oder kommt den Weisungen nach, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Voraussetzung für die Einstellung nach § 153a StPO ist, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht, da ansonsten das Verfahren bereits wegen § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden müsste.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.390).
5 Kommentare
4. Juni 2018 um 08:53
Bernd Stichler
Ein bestimmter , sogar wichtigster Aspekt wird hier aus emotionalen Gründen außer Acht gelassen – Der Fortbestand und die Finanzierung der Gedenkstätte HSH! Gerade diese Gedenkstätte ist doch einer bestimmten und leider immer noch einflussreichen Interessengruppe von Anfang an ein Dorn im Auge. Diese Leute warten doch nur darauf, auf der Basis nichtigster Anlässe die Gedenkstättenleitung angreifen zu können um ihrem eigentlichen Ziel – der endgültigen Schließung der Gedenkstätte – näher zu kommen. Die politische Arbeit von Hubertus Knabe kommt mitunter einer gefährlichen Gratwanderung gleich. Und hier stellt sich unausweichlich die Frage: Was hat Vorrang? Eine nachteilige Personalentscheidung oder der Fortbestand der Gedenkstätte?
Persönlich schätze ich Hubertus Knabe als einen der Wenigen, die es wirklich ehrlich mit uns meinen .
3. Juni 2018 um 22:48
Bea
ich finde es einfach nur traurig wie sich ehemalige Betroffende der Diktatur DDR, “ Haftkameraden“ zerfleischen und das auch leider in vielen politischen Gruppen.
S.F. hat sich bisher nicht geäußert, was ist mit dem MRZ Cottbus, keine Reaktion?? War D.D. nicht Haftkamerad!!???
Ich denke das ist irgendwas im Busch, nur persönliche Empfindung!!
HSH steht ja ganz groß im Mittelpunkt der Öffentlichkeit! Was ist aber mit Hoheneck, Kaßberg, Rummelsburg etc…
Habe da mal Gedankenspinnerei im Kopf und wie finanziert HSH 150 Zeitzeugen??? Warum werden nicht alle ehemaligen Haftanstalten erhalten?? Bekommt nach Besuch HSH auch Unterstützung jetzt und schon länger von Frau M.!!??? Aber der Kampf, siehe Video, nach RÜG, wird auch weiterhin ignoriert oder…??!!!
Viele Betroffene kämpfen ohne Unterstützung und das ist ein Armutszeugnis für Deutschland!
Vielen Dank für Eure Seite und Euren Kampf!!!!!
3. Juni 2018 um 14:47
Edda Sperling
Vielen Dank lieber Wolfgang für dein Statement zu den Personalien DD und Faust.
3. Juni 2018 um 14:23
Rainer Schubert
Ein beispielloser Skandal in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Wie bei uns als Referenten – wir gingen jedoch von selber und halten seit Jahren keine Referate mehr in Hohenschönhausen. Damals waren es SPD-Nahles und andere Genossen, welcher dafür sorgten. Zeitzeugen, welche im Stasigefängnis waren – ich als Bundesbürger, sind nicht erwünscht. Hier die Erklärung von Dombrowski (CDU) zum Rauswurf des Zeitzeugen Siegmar Faust:
https://www.bz-berlin.de/…/stasi-gedenkstaette-rechtfertigt…
https://17juni1953.wordpress.com/…/siegmar-faust-stasi-ged…/
Aber Tucholsky sagte einmal, es wiederholt sich alles zweimal: einmal als Tragödie und einmal als Farce. Hier die Schreiben der SPD-Genossin NAHLES und anderer Genossen, weil ich in meinen Referaten u.a. Stolpe als Stasispitzel bezeichnete: hier bin ich noch in Hohenbschönhausern-Einladung ins Schloss Bellevue durch Bundespeäsident Richard von Weizäcker, unterwegs mit Eberhard Diepgen, mit Christiane Herzog, Frau von Bundespräsident Roman Herzog im Haus am Checkpoint Charlie und hier die Schreiben der SPD-Genossen. Sie rannten Sturm gegen mich. Da aber Merkel die CDU zur SPD machte, ist die Reaktion von Dombrowski (CDU) kein Wunder. Ich war selber 2 Jahre in Hohenschöhausen total isoliert und weitere 7 Jahre in Bautzen II.
Siegmar hat sich nie das Kreuz brechen lassen, weder durch dier SED-Roten noch durch die heutigen Neu-Roten aber Hubertus Knabe war ja wohl mal Grüner. Wie die Stasidokumente beweisen, habe ich mir auch nicht mein Kreuz in Hohenschönhausen – im Gegensatz zu manchem heutigen Deutern der Gechichte brechen lassen.
3. Juni 2018 um 09:16
text030
„Könnte es sein, dass DD die weitere eigene Karriere wichtiger erscheint als die Solidarität mit einem einstigen DDR-Opfer?“
Ja, genau das könnte es sein. Aalglatt schlängeln sich die Politi-Protagonisten durch den Gesellschaftsdschungel – ihrer eigenen Vorteile wegen.