Berlin, 24.04.2018/cw – Seit fast vier Jahren steht der ehemalige Cottbus-Häftling Ronald Wendling regelmäßig vor der Russischen Botschaft Unter den Linden – nahe dem Brandenburger Tor – in Berlin. So auch am kommenden Donnerstag, seinem 59. Geburtstag. Dort wird der Dauerdemonstrant erneut von 13:00 – 16:00 Uhr an die derzeit 67 politischen Gefangenen Russlands erinnern und ihre Freilassung fordern: Ukrainer, die sich für die Freiheit und Unabhängigkeit, gegen die Teil-Annexion ihres Landes engagiert haben und dafür von Russland in alter sowjetischer Manier politisch verfolgt, der Freiheit beraubt und zu teils hohen Haftstrafen verurteilt wurden oder auf ihre Verurteilung warten. Verfolgt werden auch Russen, die sich auf die Seite der Ukraine oder der von der russischen Justiz deswegen Verfolgten stellen.

Am Donnerstag könnte Ronald Wendling seinen 59. Geburtstag feiern. Stattdessen wird er wieder vor der Russischen Botschaft stehen: „Die hier namentlich genannten Gefangenen müssen die gewohnten Feiertage, also auch den eigentlich sehr privatimen Geburtstag, hinter politisch verordneten Gittern verbringen. Insoweit ist es für mich folgerichtig, auch meinen Geburtstag in Solidarität mit diesen modernen Helden der Freiheit durch die Fortsetzung dieser Mahnwache zu begehen,“ begründet der Menschenrechtler seine demonstrative Anwesenheit an seinem persönliche Ehrentag.

Werte, die für uns zu Lippenbekenntnissen degeneriert sind

Müssten ihm nicht an diesem Tag diverse Menschen für sein jahrelanges Engagement für die politischen Gefangenen zu Füßen liegen? „Ich sehe das nicht so,“ erwidert Wendling bescheiden, „die Menschheit müsste eigentlich jenen zu Füssen liegen, die jeden Tag politisch motivierte Verfolgung für die Werte erfahren, die für uns häufig zu Lippenbekenntnissen degeneriert sind. Wir schulden diesen Aufrechten jeden erdenklichen Dank und jeden Einsatz für deren Freilassung.“ Wendling bezweifelt, ob das postkommunistische Russland es überhaupt nötig hat, „stalinistische Restriktionen“ fortzusetzen: „Eine so große und geschichtsträchtige Nation, die für Europas friedliche Zukunft unverzichtbar sei, sollte mehr Großmut gegenüber ihren Kritikern zeigen. Souveränität und Selbstbewusstsein drückt sich in der Toleranz, nicht in der Verfolgung gegenüber Andersdenkenden aus.“

Der einstige politische DDR-Gefangene wird am Donnerstag aber Besuch von Freunden bekommen, die ihm mit ihrer Gratulation zu dieser denkwürdigen Geburtstagsfeier wenigstens symbolisch den Rücken stärken wollen. Die Ukrainische Botschaft in Berlin hatte dem Streiter für die ukrainischen Gefangenen in Russland schon vorab ein Geschenk gemacht: Zum Dank hatte ihn der Botschafter am Dienstag dieser Woche zu einem Konzert in der Berliner Philharmonie aus Anlass des 100. Jahrestages der Ukrainischen Unabhängigkeitserklärung eingeladen. Wenigstens hier konnte sich Ronald Wendling zwischen dem ehem. Botschafter der USA, John Kornblum, dem Evangelischen Bischof von Berlin, Markus Dröge, der Präsidentin des Landtages von Brandenburg, Britta Stark, zahlreichen weiteren Prominenten aus der Politik, der Kultur und Wirtschaft und dem Botschafter, Andrij Melnyk, der Wendling äußerst herzlich begrüßte, in seinem oft einsam wirkendem Kampf für die Menschenrechte vor der Russischen Botschaft anerkannt fühlen.

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