Ein Kommentar von Christa Ladendorf *
Berlin, 17.04.2018 – Worte können trösten, freundlich sein, aber auch verharmlosen, beleidigen und sogar tödlich werden. Betrachten wir die gegenwärtige Wahl der Wörter in Berichten, Zeitungsartikeln und beim eigenen Sprachgebrauch, da fällt auf, dass es oft schwer fällt, die richtige und die den Tatsachen gerechte Bezeichnung zu finden. Am Anfang war das Wort, schreibt die Bibel, aber mit jedem Wort verbindet sich eine bestimmte Vorstellung. Welches Bild hat jemand vor Augen, wenn von einem „DDR-Übersiedler“ die Rede ist? Oder „von Wohnsitz genommen“, wie in den Gesetzen formuliert? Was oder wer ist ein Flüchtling? Ich erinnere mich an eine Abgeordnete, die, als es um das FRG-Rentenproblem ging, mehr oder weniger genervt sagte: „Ach ja, die Flüchtlinge.“ Es handelte sich also um etwas Lästiges, das man lieber loswerden würde. Merkels Aussage „Wir schaffen das“ gab es seinerzeit noch nicht. Obwohl, man hätte das vermeintliche Problemfeld, betreffend die DDR-Flüchtlinge, ebenso bis in die Gegenwart hinein positiv besetzen können, doch das Gegenteil war und ist der Fall. Das Wort „Flüchtlinge“ hat, schaut man auf die Politik, demnach zwei gegensätzliche Bedeutungen. Klarheit in der Ausdrucksweise Da wir ganz offensichtlich in den politisch gewollten Negativbereich fallen, wird es notwendig, bestimmte Worte abzulehnen und andere zu finden, die der Wahrheit näher stehen. Das Bild vom Flüchtling, beziehungsweise das Wort selbst, ist für uns unbrauchbar geworden. Ich persönlich werde es nicht mehr benutzen. Klarheit in der Ausdrucksweise und differenzierter Umgang mit der Sache an sich verlangen, dass Begriffe wie „DDR-Übersiedler“ oder „DDR-Altübersiedler“ neu zu durchdenken und auszutauschen sind. Abgesehen davon, dass sich mit diesen ein DDR-Sprech etabliert hat, indem man den Antragsteller auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft als Übersiedlungsersuchenden bezeichnete, geben die Worte ein völlig falsches Bild ab. Da ist also jemand, der seine Koffer packt, übersiedelt und irgendwo seinen Wohnsitz nimmt. Harmlos, ganz einfach, eben mal so und ohne jegliches Problem. Grad so, wie es die DDR-Diktatur dargestellt haben wollte. Und das hat sich bis heute gehalten, diese Vorstellung vom Übersiedler ist in den Köpfen verankert und das Drumherum wird vergessen. Ich bin kein „Übersiedler“ Wer meine Beiträge zu diesem Thema gelesen hat, der/die wird wissen, dass ich in den letzten Jahren immer ein „sogen.“ vor „Übersiedler“ gesetzt habe. Heute nun lehne ich gänzlich ab, als Übersiedler benannt zu werden, weil das abseits der Wahrheit ist. Denn für Übersiedler, solche die „nur“ umgezogen sind, gibt es keine staatsbürgerschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren. Bei der Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft und dem bundesrepublikanischen Aufnahmeverfahren jedoch sehr wohl. Betreffs Rente wurden und werden die Bundestagsprotokolle von Anfang der 90er Jahre nach dem Wort „Übersiedler“ durchsucht. Wer ist damit gemeint? Wir? Zum Fremdrentengesetz bzw. konkret zu Entgeltpunkten nach Werten 1-16 gemäß dem FRG, dem wir aufgrund anderer Gesetze unterfielen, findet man mehr. Ist es dann nicht so, dass man aufgrund des „falschen“ Begriffes an der falschen Stelle sucht? Ein Problem ist nach meiner Überzeugung ebenfalls das Wort „Opfer“. Die Betroffenen werden herabgewürdigt und klein gemacht, womit sie etwas Schwaches darstellen. Zumeist handelt es sich allerdings um ziemlich starke Charaktere, die den Begriff „Opfer“ nicht verdienen und auch nicht annehmen sollten. Es sind, mich eingeschlossen, definitiv Verfolgte des DDR-Regimes, welchem sie sich entzogen haben und das wiederum ist eher Stärke denn Schwäche. Wir können und sollten nunmehr dazu beitragen, dass die Begriffe den Tatsachen entsprechen! * Die Autorin gehört zu den Aktivisten der „ersten Stunde“ und engagiert sich seit vielen Jahren besonders in Sachen Rentenkürzung.© 2018 Die Autorin, Flucht und Ausreise u. Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel. 030-30207785 (1.375). |
4 Kommentare
19. April 2018 um 14:35
Fritz Schüler
Hallo VERFOLGTE Kameraden,
bei allem hitzigen Streit um die FRG-Problematik bitte nicht selbst zerfleischen ! ! !
Damit machen wir es all jenen Wohlstandskrämern in den alten Bundesländern zu leicht, uns als lästige Bittsteller abzutun, die doch froh sein mögen, als „Flüchtlinge“ von den Brosamen einer satten Überdrussgesellschaft etwas abbekommen zu dürfen.
Jede noch so harmlose Widerrede im SED-Arbeiter-und-Mauernstaat galt der herrschenden Nomenklatura und ihren allgegenwärtigen Überwachungsapparatschiks als suspekt. Die Betroffenen mussten mit Bespitzelung, Diskriminierung im gesamten persönlichen Umfeld bis hin zu Freiheitsentzug (Haft) rechnen.
Sie waren einer perfiden Verfolgungsmaschinerie durch die „Staatsmacht“ ausgesetzt; damit „definitiv VERFOLGTE“ des SED-Regimes.
Diese unverfängliche Bezeichnung sollte keine weiteren bürokratischen Hindernisse bei Durchsetzung unserer berechtigten Forderungen zulassen.
Mit antimarxistisch kameradschaftlichen Grüßen
Fritz Schüler
18. April 2018 um 13:33
rainer anhalt
Einen Gruß an Christa in Berlin !
Auf der letzten Mannheimer IEDF – Versammlung hatte ich dieses Thema angesprochen.
Meine Richterin am LSG Stuttgart sagte in meiner Verhandlung: „Sie kamen aus Ost-Berlin und sind nach Böblingen gezogen!“
Dieser Formulierung hatte ich entschieden widersprochen.
„Ich bin mit Ausreiseantrag aus Ost- Berlin in den Westen ausgereist.“ Im Osten wurde dieser Vorgang gesellschaftspolitisch und juristisch mit Strafe und Diskriminierung ge- und bewertet. Jeder, der die genannten Brüche im Lebenslauf hat, sollte stets eine Formulierung wählen, die sein Leben bestimmt hat.
Beispielsweise:
– Ich bin mit Ausreiseantrag aus Ost-Berlin in den Westen ausgereist.
– Ich war Antragsteller zur Ausreise in den Westen.
– ich habe als ost-deutscher politischer Flüchtling die deutsch/deutsche Grenze überwunden.
– Als politischer Häftling wurde ich aus einem Stasi-Gefängnis freigekauft.
– Ich wurde in den Westen abgeschoben, weil ich … war.
Eine Bemerkung noch: Diese Abklärung der juristischen Sachverhalte kommt reichlich spät. Aber ist deshalb heute umso wichtiger.
Ein weiterer Aspekt zu dieser Sache.
Ich hatte im IEDF vor Jahren bereits angefragt, ob es eine quantitative Aufstellung/Erfassung der Art und Weise gibt: Wie sind die vom RentenBetrug Betroffenen ehemaligen DDR-Bürger in den Westen gekommen. Ein Vorstandsmitglied antwortete mir: „Nein“.
Leider wurde damit eine Abklärung der Begriffe und eine Bündelung der Kräfte durch Solidarisierungen verhindert. In unserem Rechtskampf zählen nur Fakten und klare Zahlen und möglichst öffentlichkeitswirksame Aktionen, bes. Demonstrationen.
Es gilt, Verbündete für den Rechtskampf zu suchen.
18. April 2018 um 10:44
Edith Fiedler
Liebe Chista Ladendorf, Du schreibst mir hier volkommen aus dem Herzen. Ganz besonders tifft es mich, wenn Ost- und leider auch Westdeutsche für die Bundesrepublik Deutschland bestimmte sich sprachlich widersprechende Kürzel benutzen. Sofort werde ich an die schmerzlichen Zeiten der Auseinandersetzungen mit den Bürokraten des DDR-Systems erinnert :“Nu, Sü werde scho sehe wie se sind in de BöRDä“ (Lautschrift).
Mit besten Grüßen Edith
18. April 2018 um 01:37
Dörfert
Liebe Kameraden/in
Auch durch verändern, verdrehen der Worte und deren Sinn durch die Politik und Medien wird die Lüge nicht zur Wahrheit.
Mit kameradschaftlichem Gruß
Dipl.Klaus Helmut Dörfert