Leipzig/Berlin, 27.01.2018/cw – Hans Modrow (1928), letzter SED-Ministerpräsident der DDR, verklagt die Bundesrepublik. Der einstige Dresdner SED-Chef begehrt Einsicht in Akten, die der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) während seiner Tätigkeit in der DDR und danach bis 2012 über ihn angelegt haben. Termin: 28. Februar vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Verhandelt werden soll über „das Recht der Verfassungsschutzbehörden und Nachrichtendienste“ zur Beobachtung und Überwachung von Personen und um „Aufhebung der Schutzfrist des § 5 Abs. 8 BArchG“. Der einstige SED-Funktionär will mit seiner Klage offensichtlich die gleiche Behandlung wie einstige Opfer und Verfolgte der SED-Diktatur erreichen, denen ein Einsichtsrecht in einstige Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zugebilligt wurde. Die Akten werden vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) verwaltet.
Allerdings sind auch diese Einsichtnahmen insofern beschränkt, als Namen Dritter unter dem Rubrum „Schutzwürdige Daten“ geschwärzt werden. So haben DDR-Verfolgte häufig nicht oder nur erschwert die Möglichkeit, einstiges „Hilfspersonal“ der Stasi, z.B. Informelle Mitarbeiter (IM) oder sonstige Zuträger (häufig aus dem Familien- oder Bekannten-/Freundeskreis) ausfindig zu machen. Täter, wie ehem. Mitarbeiter des MfS, haben allerdings kein Einsichtsrecht. Modrow sieht diese Unterschiede durchaus. Aber: Für den Betroffenen sei es unerheblich, welcher Dienst in der Telefonleitung mithört, wer die Post mitliest, wer Spitzel oder V-Leute auf ihn ansetzt, welcher Geheimdienst eine Akte über ihn führt. Er sieht in der Verweigerung auf Akteneinsicht „einen Anschlag auf die informationelle Selbstbestimmung, einen Eingriff in die vom Grundgesetz geschützten Rechte und Freiheiten, egal, in wessen Auftrag dies geschieht.“
Modrow gibt an, bereits Ende der fünfziger Jahre als damaliger FDJ-Funktionär in Berlin vom BND erfasst und beobachtet worden zu sein. Dem schloss sich nahezu nahtlos die Beobachtung durch die Geheimdienste der Bundesrepublik nach seinem Aufstieg in die SED- und Staats-Nomenklatur der DDR an. Nun will der rüstige Polit-Pensionär, er feiert am 27. Januar seinen 90. Geburtstag, offenbar wissen, ob das wiedervereinigte Deutschland zweierlei Recht praktiziert, nachdem die „Guten“ Einsicht in ihre Akten nehmen dürfen, die „Bösen“ dagegen nicht. Modrow hält die „nach wie vor vorhandene Spaltung des Landes“ auch in diesem Bereich für überholt und darüber hinaus schädlich „für ein endliches Zusammenwachsen der einst geteilten Bevölkerung“.
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2 Kommentare
27. Januar 2018 um 17:51
Bernd Stichler
Können wir wohl unter Senilität und fehlendem Unrechtsbewusstsein verbuchen.
27. Januar 2018 um 12:05
Dörfert
Kameraden/in
Modrow kann doch bei bei seiner FDJ Sekretärin Merkel nachfragen.
Bei ihr ist als Nachwuchskader der SED und heutige Bundeskanzlerin, die ein Herz für ihre Genossen hat, alles möglich. Falls Modrow es nicht mehr merkt, die BRD ist auf den Weg in eine neue Diktatur: Die des Kapitals.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und ein langes … Leben.
Dipl.Klaus Helmut Dörfert