Moskau/Kiew/Berlin, 19.12.2017/cw – Sie werden international nahezu totgeschwiegen: Die aktuell mindestens 60 Ukrainer, die aus ausschließlich politischen Gründen in den Gefängnissen Russlands inhaftiert sind und entweder seit über drei Jahren auf ihre Prozesse warten oder nach entsprechenden Scheinprozessen die willkürlich verordnete Haft absitzen.

Während über die politischen Gefangenen in der Türkei fast täglich groß und breit berichtet wird – und diese permanente Berichterstattung zu ersten Erfolgen, nämlich der Freilassung Inhaftierter (wenn auch häufig unter Auflagen) geführt haben, werden die politischen Opfer russischer Justiz-Willkür kaum, wenn gar nicht erwähnt. Selbst die den Menschenrechten verpflichteten UN in New York üben sich aus politischer Rücksichtnahme in Schweigen.

Seit nun mehr drei Jahren hält Ronald Wendling (56) gegenüber der Russischen Botschaft Unter den Linden in Berlin eine wöchentliche Mahnwache für die Freilassung der ukrainischen politischen Gefangenen in Russland. Bei Regen und Kälte, in Sonne und Schnee steht der einstige politische Häftling im DDR-Zuchthaus Cottbus auf dem Mittelstreifen der historischen Straße hinter dem Brandenburger Tor im ehemaligen Ostteil der Stadt, stellt die ukrainische Fahne auf und nennt die Namen der aktuellen politischen Gefangenen, wie Oleg Sentsov oder Oleksandr Kolchenko auf mitgeführten Plakaten. Fotos neben diesen Namen geben den Gefangenen ein Gesicht.

Ein Stern aus Stacheldraht

Der Berliner erhält die Informationen direkt von Unterstützern aus Kiew, von dortigen Menschenrechtsorganisationen und Einzelpersonen, während die Unterstützung vor Ort eher „blass bleibt,“ wie der Menschenrechtsaktivist zurückhaltend formuliert. Während das Menschrechtszentrum in Cottbus den einstigen Mitgefangenen bei seiner Mahnwache so gut wie gar nicht unterstützt, bekommt Wendling logistische Hilfe durch die Vereinigung 17. Juni in Berlin, der er seit einigen Jahren als Mitglied angehört. Auch Privatpersonen unterstützen Wendling hin und wieder. In Berlin lebende Ukrainer kommen ebenfalls immer wieder zur Mahnwache und bekunden ihre Dankbarkeit und Solidarität. Sind seine Mahnwachen inmitten der vielfältigen Katastrophen auf unserer Erde nicht vergeblich? Wendling, mit dem langen Atem eines ehemaligen Gefangenen ausgestattet, sieht das nicht so. Immerhin habe ihm die Familie der einstigen prominenten Gefangenen Nadija Sawtschenko und diese selbst nach ihrer Freilassung im letzten Jahr bestätigt, dass ein unermüdlicher Kampf für deren Freilassung hilfreich war. Sawtschenko war ursprünglich zu 22 Jahren Haft verurteilt worden.

Mit dieser Überzeugung will Ronald Wendling zu Weihnachten unter Hinweis auf das bevorstehende Weihnachtsfest die in den Wintermonaten auf zwei Stunden beschränkte Mahnwache auf vier Stunden ausdehnen. Am kommenden Donnerstag, 21.Dezember, wird er mit Freunden die „Mahnwache zu Weihnachten“ von 12:00 bis 16:00 Uhr Unter den Linden durchführen. Aus diesem Anlass wird ein selbst hergestellter Holzkäfig aufgestellt. An einem Weihnachtsbaum werden Fotos und Namen der politisch Inhaftierten befestigt. Ein Stern aus Stacheldraht auf der Baumspitze soll die Dramatik der Eingesperrten symbolisieren.

Auch wenn der Zuspruch zur Mahnwache nicht überwältigend sein wird, da ist Wendling Kummer gewohnt, hofft er doch „inmitten des üblichen und verständlichen Weihnachtstrubels zumindest auf ein Innehalten vorbeihastender Passanten. Auch ein kurzes, stilles Verharren vor dem Käfig oder dem Weihnachtsbaum kann ein Akt der Solidarität sein,“ sagt der bescheidene und konsequente Mann nach drei Jahren heller und dunkler Erfahrungen vor der Russischen Botschaft in Berlin.

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