Von Carl-Wolfgang Holzapfel und Tatjana Sterneberg (Recherche)

Berlin, 02.12.2017 – Anderswo am Kaiserdamm zeigt der Turbo-Immobilismus auch andere, wenn gleich ebenso abschreckende Facetten. Ein weiteres Beispiel aus dem Berliner „Eldorado“:

Katharina Berger (Name geändert) zog 1967 mit ihrem Mann in ein Mietshaus am Lietzensee ein. Die Einzelhandelskauffrau hatte mit ihrem im Öffentlichen Dienst beschäftigten Mann zwar ein erträgliches Einkommen, brauchte aber 1967 für den Wohnungsbezug (wie damals weithin üblich) einen sogen. Wohnberechtigungsschein. Die Wohnung war mehr oder weniger noch im „Nachkriegszustand“, das Ehepaar mußte also einigen Aufwand betreiben, um das neue Domizil bewohnbar zu gestalten. Im Mietvertrag wurde nicht ohne Grund vermerkt, dass sich der „Mieter über den aktuellen Zustand der Wohnung“ informiert hat. Für die aktuell 74jährige wurde aber ihre Wohnung „nach den vielen Renovierungen und Sanierungen“ zur vertrauten Heimat, in der sie sich auch nach dem Tod ihres Mannes (2002) an „die schönste Zeit ihres Lebens“ erinnern konnte.

1973 war das Anwesen am Lietzensee an eine GmbH. verkauft worden, die Gesellschaft wurde allerdings Anfang der 90er Jahre aufgelöst, die Gesellschafter waren nun Privateigentümer. Das änderte zunächst nicht die „über die Jahre guten und einverträglichen Beziehungen zur Vermieterin“, die nach dem Tod ihres Mannes zur Alleineigentümerin wurde. Anders jetzt, anno 2017, bedauert Katharina Berger und kämpft mit den Tränen. Direkte und „seit Jahrzehnten“ übliche persönliche Kontakte zur Vermieterin liefen seither ausschließlich über eine Rechtsanwältin, im Ausnahmefall über den adeligen Schwiegersohn, der als Verwalter fungiert.

Forderung: Wiederherstellung des Zustandes von 1967

Fünf Jahre lang hatte sie mit anderen Mietern den durch Modernisierung und Umbauten verursachten, also unvermeidlichen Dreck und Lärm ertragen (2011-2016). Als nach Abschluß der Bauarbeiten eine saftige Mieterhöhung in ihre Wohnung flatterte, resignierte die 73jährige. Nach einem Schlaganfall vor wenigen Jahren fühlte sie sich den Auseinandersetzungen  nicht mehr gewachsen. Sie kündigte ihre lieb gewordene Wohnung und zog in eine Seniorenanlage. Katharina glaubte, damit weiteren Konflikten entgangen zu sein. Zuvor hatte sie mit dem adligen Schwiegersohn notwendige Abbauten (Küche) abgesprochen: Sie brauche sich nicht allzu viele Gedanken zu machen, da die Wohnung „ohnehin kernsaniert werden müsse.“ Nachdem Katharina mehrfach vergeblich versucht hatte, die Eigentümerin oder deren Verwalter zur Wohnungsübergabe zu erreichen, übergab sie die Wohnungsschlüssel wenige Tage vor dem Auszugstermin (Kündigung) an einen im Haus wohnenden und dort residierenden Rechtsanwalt, von dessen freundschaftlicher Beziehung zum besagten Schwiegersohn und Verwalter sie Kenntnis hatte: „Machen  Sie sich keine Sorgen, alles in Ordnung,“ sagte der freundliche Rechtsanwalt.

Kaum in die Seniorenwohnung eingezogen, erhielt Katharina zwei Wochen  später Post: In dem Schreiben verlangte die Vermieterin über einen Rechtsanwalt tatsächlich die „Wiederherstellung des Zustandes von 1967“. Neben den veranschlagten Kosten in Höhe von „mehreren Tausend Euro“ sieht sich die in die Jahre gekommene einstige Mietrein auch praktisch dazu nicht in der Lage: „Wie soll ich denn den maroden Zustand der Wohnung von 1967 wiederherstellen?“ Katharina wirkt verzweifelt und ratlos. Mittlerweile befassen sich bereits mehrere Anwälte mit der Causa. Zwei weitere Mieter im Rentenalter klagen aktuell auf Abweisung der Mieterhöhung, ein anderer Mieter ist, Katharinas Beispiel folgend, bereits ausgezogen.

Lesen Sie morgen Teil IV: Fenster eingebaut – Fristlose Kündigung

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Ohne Kaiser – ohne Damm (IV):

Fenster eingebaut – Fristlose Kündigung

 

Von Carl-Wolfgang Holzapfel und Tatjana Sterneberg (Recherche)

 

Berlin, 03.12.2017 – Für Heinz-Werner Claus (Name geändert) und seine Frau ist der Tenor klar: der Vermieter will durch diverse Aktionen entmieten, um bei folgenden Neuvermietungen entsprechend höhere, über dem Mietspiegel liegende Mieten durchzusetzen. Jetzt also soll ein weiteres Rentner-Ehepaar weichen.

 

Die Hauseigentümerin hatte im Zuge der Renovierungen und Modernisierungen (2011 –2016) auch 92% aller Fenster im Objekt austauschen bzw. neu einbauen lassen. Auch beim Ehepaar Claus wurden nach und nach die alten, oft schon zugigen Fenster bis auf das Fenster in der Küche ersetzt.. „Gerade hier in der Küche,“ so Frau Claus, „wäre eine gängige Lüftung besonders wichtig gewesen.“ Also schrieb das Ehepaar mehrfach (ab 2011) an die Vermieterin und beantragte, auch das letzte Fenster in der Wohnung auszutauschen. Entweder antwortete die Eigentümerin nicht auf die Schreiben oder lehnte – nach Erinnerung an die ausstehende Antwort – einen Fensteraustausch als „derzeit nicht beabsichtigt“ ab…. Die Eheleute gaben nicht auf, boten schließlich eine Kostenbeteiligung in Höhe von 50% und schließlich eine volle Kostenübernahme an. Vergeblich.

 

1.800 Euro an Vermieter „verschenkt“

 

2017 wollten die agilen Rentner die Wohnung renovieren. Da die Eigentümerin in den vergangenen Jahren die Mieter immer wieder mit Baumaßnahmen überrascht hatte – so waren die Fenster stets kurzfristig eingebaut worden – entschloss sich das Rentner-Ehepaar, den noch fehlenden Fensteraustausch vor der beabsichtigten Renovierung selbst in die Hand zu nehmen. Da sie bereits eine Kostenvoranschlag von der beauftragten Firma zur Vorlage bei der Vermieterin eingeholt hatten, wurde diese Firma auch mit dem Fenstereinbau bzw. Fensteraustausch in der Küche beauftragt. „Wir wollten unbedingt eine Abweichung von den bisherigen Vorgaben des Eigentümers vermeiden,“ erklärte Heinz-Werner. Der Aus- und Einbau wurde dementsprechend professionell vorgenommen, das Rentnerehepaar überwies 1.800 Euro und hielt den Vorgang „für erledigt.“

 

Nur drei Wochen später erhielt das Ehepaar Anfang Mai Post von einem Anwalt. Inhalt: Die fristlose Kündigung zum 20. Juni. Als Grund wurde angeben: „Eingriff in das Eigentum des Vermieters“. Zudem wurde den Mietern vorgehalten, dass „Kippfenster auf Grund der zusätzlichen Kippfunktion eine höheren Wartungs- und Instandsetzungsaufwand“ hätten. Der Eigentümer hatte allerdings selbst überwiegend Kippfenster in seinem Anwesen einbauen lassen.

 

Nach Kündigung Mieterhöhung

 

Natürlich widersprachen die Rentner der aus ihrer Sicht „ungerechtfertigten Kündigung.“ Zuvor war jeder Kompromiss (zum Beispiel eine Abmahnung oder eine freiwillige Mieterhöhung) abgelehnt worden. Mara Claus* zuckt hilflos die Schultern, verweist im Gespräch auf die vielen Einsätze des Ehepaares, um Schaden vom Eigentum abzuwenden (Wassereinbruch, Rohrbruch, gefährliche Eiszapfen am Dach). Die Eigentümerin sieht das allerdings anders und erklärte auf Vorhalt dieser Bemühungen: Es sei schließlich „die Pflicht des Mieters, Nachteile für den Eigentümer abzuwehren.“

 

Nie hatten die Rentner Mietminderungen ins Gespräch gebracht, obwohl z.B. in den Wohnräumen nach einem Wassereinbruch „zehn Tage lang die Trocknungsmaschinen geröhrt haben.“ Wenige Wochen nach der Gerichtsverhandlung, in der „ein Vergleich“ dergestalt erzielt wurde, dass die Mieter erst zum Jahresende 2018 ausziehen müssen, flatterte dem gekündigten Ehepaar ein dreistelliges Mieterhöhungsbegehren ab 1. Januar 2018 in den Briefkasten. Die Kündigung wurde bei dieser Gelegenheit natürlich nicht zurück genommen. Das Ehepaar will diese „dreiste Provokation“ (Claus) ignorieren.

 

… Irritierend: Während ältere und langjährige Mieter mittels diverser Maßnahmen „entmietet“ werden, zog in das Anwesen am Lietzensee jetzt ein Pärchen ein, das selbst an zahlreichen GmbHs beteiligt ist (Geschäftsführer, Prokura) und mittlerweile sogar im Aufsichtsrat eines Berliner Immobilien-Tycoons sitzt, der seine ursprünglichen GmbHs kürzlich in einer Aktiengesellschaft gebündelt hat. Vor dem Haus … wurden bereits mehrfach Mieter-Interessenten angetroffen, die zu dieser Adresse der GmbH. bestellt worden waren, um einen Mietvertrag abzuschließen. So versuchte Anfang November ein Syrer namens Malake Al-Khali mit einer „Wohnungsgeberbestätigung“ in der Hand, durch die durch Patricia S. und Marc F. unterhaltene GmbH. einen Mietvertrag für eine Wohnung an der Stadtgrenze zu erhalten. Da auf dem Klingel-Tableau des Hauses am Kaiserdamm nur die „S.“ ausgewiesen war, mussten auch die syrischen Interessenten ohne Ergebnis ihres Weges ziehen. Erst kürzlich war der Briefkasten im Innenbereich (Seitenflügel) des Hauses mit einem Aufkleber versehen worden, der neben dem Immobilien-Paar die GmbH. auswies. …

 

Lesen Sie morgen Teil V:

Seit zehn Jahren stehen Wohnungen leer, Zweckentfremdung?

 

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