Von Carl-Wolfgang Holzapfel und Tatjana Sterneberg (Recherche)

Berlin, 30.11.2017 – Seit dem 17. Jahrhundert berichteten spanische Chronisten über das vermeintliche Goldland im Innern Südamerikas. Eldorado entsprang einer kolumbianischen Legende, die unter den Eroberern des 16. Jahrhunderts Abenteuerlust weckte und zu immer neuen Exkursionen ins unerforschte Zentralsüdamerika führten. Seither steht dieser Name als Synonym für schrankenlose Träume auf unermesslichen Reichtum, auf die Goldader unserer Tage.

Die jüngsten Veröffentlichungen unter dem Titel „Paradise-Papers“ lenken den Blick der Öffentlichkeit auf „Zustände im Ausland“. Das ist weit weg und regt uns im Zeitraffer auf, geht uns aber ansonsten nichts an. Wirklich?

Ein Blick auf das Gebiet um eine der Magistralen in der deutschen Hauptstadt zeigt auf, dass sich auch bei uns, mitten in der Deutschen Hauptstadt, ein Mekka der neudeutschen Finanzjongleure, ein Berliner Eldorado entwickelt (oder sich schon etabliert hat): So zum Beispiel im Zentrum um den zehnspurigen Kaiserdamm mitten in „Charlottograd“, wie der Berliner Bezirk Charlottenburg inzwischen leicht spöttisch im Volksmund genannt wird. Der Grund: Seit dem Mauerfall haben sich neben Anlage-suchenden Griechen, Schweden, Polen – und auch Deutschen – russische Oligarchen in dem gen. Berliner Bezirk eingerichtet. Man spricht von zahlreichen und inzwischen selbst für Fachleute unübersichtlichen Immobilien-Transaktionen und –Verschachtelungen. 30 Briefkastenfirmen allein in einem unscheinbaren Reihenhaus in Schönefeld sind nur die Spitze eines Eisberges aus munteren Immobilien- und Steuerjongleuren mit Sitz in Berlin. Als ein Symbol dieser Nach-Mauer-Zeit in Charlottograd kann der 24 Stunden lang geöffnete Laden „RUSSIA“ am Stuttgarter Platz gelten. Doch hier geht es nicht um Symbole, sondern um harte Fakten, die alteingesessenen Berlinern zunehmend den Schlaf rauben.

Für eine DG-Wohnung: 11,9 Millionen Euro

Es wäre jedoch falsch, die fatale Entwicklung in diesem hier hervorgehobenem Bezirk allein „ausländischen Interessenten“ in die Schuhe zu schieben und damit üblich gewordene Klischees zu bedienen. Inzwische haben nämlich auch deutsche „Goldsucher“ das mögliche Eldorado rund um den Lietzensee entdeckt, was die ohnehin exorbitanten Preise für Immobilien (und Mieten) in diesem Bereich weiter in goldige Höhen treibt. So werden in einem (Beton-)Neubau gegenüber dem ehrwürdigen historischen Polizeigebäude am Sophie-Charlotten-Platz nach Fertigstellung (2018) für eine Dachgeschosswohnung 1,4 Millionen Euro verlangt (6.Etage, 182 m²). Der Eldorado-Rekord dürfte allerdings über einen Neubau am Lietzensee (2017) mit 11.9 Millionen Euro (so in einer Immo-Anzeige) für eine Dachgeschosswohnung (5.Etage, 546 m²) erreicht werden. Vorher befand sich an dieser Stelle ein beliebtes Seniorenheim, die Bewohner waren vor dem Abriss des Altbaus nach einigen Auseinandersetzungen „umgesetzt“ worden (2011/12).

Nun könnte man auch hier annehmen, dass diese Immobilien-Transaktionen angesichts der utopische Preise bei dem Normal- (sprich Durchschnitts-)Bürger auf wenig Interesse stoßen, gehen doch diese Kapital-Jonglierereien mangels realer Masse an ihm/ihr vorbei. Ist das wirklich so?

Unsere Recherchen ergaben ein anderes Bild, denn zunehmend greifen Immobilien-Haie in das bis dahin beschauliche Leben von Bürgern in Berlin, an unserem Beispiel in Charlottenburg, ein. An vier Beispielen soll die Vielfältigkeit und unterschiedliche Vorgehensweise dieser in ein schiefes Licht geraten Immobilanten auf dem Berliner Markt geschildert werden.

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