Nr.070 – Einigkeit und Recht und Freiheit – 17. 10. 2017
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Abschied von Dr. Wolfgang Mayer
Greiz, 14.10.2017/cw – Die Abschiedskapelle auf dem Friedhof in Greiz konnte die Trauergemeinde kaum fassen: Aus allen Teilen Deutschlands, wie Coburg, Regensburg, Landsberg am Lech, Erfurt und Berlin waren Freunde, Weggefährten, Kameraden und natürlich die Familie erschienen, um von Wolfgang Mayer, der am 2.Oktober nach langem Leiden an seinem neuen Domizil in Speyer verstorben war, Abschied zu nehmen. Die Deutsche Soziale Union (DSU), zu deren Mitbegründern Mayer nach dem Mauerfall gehörte, hatte einen großen Kranz gesandt. Kameraden der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), so Fritz Schaarschmidt aus Landsberg am Lech und Peter Kämpfe aus Beratzhausen bei Regensburg nahmen ebenso Abschied, wie der Vorstand der Vereinigung 17. Juni, Berlin, die Hoheneckerin Eva Aust und der bekannte Publizist Dr. Jörg Bilke aus Coburg.
In vielen Gesprächen am Rande wurde der schwere Verlust durch den Tod des unermüdlichen Aktivisten betrauert. Bis zuletzt hatte der Verstorbene die Proteste gegen den Rentenbetrug an ehemaligen DDR-Flüchtlingen organisiert und begleitet. Die Teilnahme am letzten Protest vor vier Wochen in Berlin verhinderte seine Krankheit. Dennoch war er an der Vorbereitung aktiv beteiligt. Auch Wolfgang Graetz, Wegbegleiter der ersten Stunde gegen den Rentenbetrug, gehörte zu den Trauergästen. Die Vereinigung 17. Juni hatte ein T-Shirt von den Protestkundgebungen mit dem Aufdruck: „Wir fordern keine Sonderrechte, wir fordern unser Recht“ am Sarg niedergelegt. Mayer hatte in einem seiner letzten Telefonate darum gebeten, ihm eines dieser T-Shirts zu reservieren.
Erschütternd und bewegend für alle war der Aufschrei der 92jährigen Mutter Mayers, die mehrfach mit klagendem „Warum?“ und brechender Stimme am Sarg ihres Sohnes ihrem unendlichen Schmerz Ausdruck verlieh. Am Ende der eindrucksvollen Feier konnten die Trauernden mittels Blütenblättern und Blumenköpfen einen letzten Gruß auf den nunmehr abgesenkten Sarg werfen. Die Urnenbeisetzung wird im engsten Kreis der Familie Ende des Monats stattfinden.
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Ausstehende Ehrung von Gisela Gneist
Sachsenhausen/cw – Die Lagergemeinschaft Sachsenhausen 1945-1959 hat auf ihrer letzten Mitgliederversammlung ihren Willen bekräftigt, eine Ehrung ihrer langjährigen und vor zehn Jahren verstorbenen Vorsitzenden Gisela Gneist anzustreben. Der Vorstand hatte aus bisher ungeklärten Umständen ein vor Jahren einstimmig gefasstes Votum der Mitglieder nicht verfolgt und war dadurch in die Kritik geraten. Peinlich für die Arbeitsgemeinschaft: Erst durch eine Nachfrage bei der Stadt Oranienburg wurde das Versäumnis aufgedeckt. Jetzt versicherte Vorsitzender Joachim Krüger (CDU), dass sich der Vorstand aktiv für eine Straßenbenennung im Umfeld der Gedenkstätte einsetzen wolle.
Unser Staat tut sich mit Straßenbenennungen nach Opfern der SED-Diktatur ohnehin schwer. Während für den am 17. August 1962 an der Berliner Mauer ermordeten 17jährigen Peter Fechter auch 55 Jahre nach seinem weltweit beachtetem Sterben trotz langjähriger Bemühungen noch keine Straße benannt wurde, soll jetzt ein linker Barde eine Würdigung erhalten: „Der Mariannenplatz war blau, so viele Bullen waren da“, textete einst der Rock-Musiker und Hausbesetzer-Fan Rio Reiser, dem nun auf Antrag der Partei Die Linke ein Teil des besungenen Mariannenplatzes gewidmet werden soll (http://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-kreuzberg-teil-des-mariannenplatzes-soll-nach-rio-reiser-benannt-werden/20413612.html). Zwar steht hier – wie auch im Fall Peter Fechter immer wieder stereotyp angeführt wird – die Frauenquote des Straßenbenennungsgesetzes dagegen. Die dort festgeschriebene Ausnahmeregelung ermöglicht es allerdings einer Meinungsmafia, sich letztlich – wie bei Rudi Dutschke – durchzusetzen. So wird auch Rio Reiser letztlich seinen Winkel am Mariannenplatz bekommen, während das für den am 25.Dezember 1963 an eben diesem Platz errichtete Gedenkkreuz für den ermordeten Flüchtling Paul Schulz ohne Aufschrei geschändet wurde und es bei Peter Fechter nach wie vor heißt, dass eine Benennung wegen der Frauenquote …, na, sie wissen schon.
Früher gab es in dieser Stadt einen großen Verlag, der sich dieser skandalösen Vorgänge annahm und so wenigstens einen kontroversen Dialog anstieß. Früher …
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Abschied vom „Hohenecker Boten“ – Letzte Ausgabe
Berlin/Hoheneck, 15.10.2017/cw – Mit dieser Ausgabe stellt die Redaktion Hoheneck die seit November 2011 im Internet erschienenen monatlichen Ausgaben des HB ein. Die Vereinigung 17. Juni, die dem HB auf ihrer Homepage Gastrecht eingeräumt hatte, hat diese Möglichkeit jetzt gekündigt. Initiator Carl-Wolfgang Holzapfel erklärte, dass die „ursprünglich gut gemeinte Absicht, mit einer eigenen Stimme die nach dem Bundespräsidentenbesuch in Hoheneck verspürte Aufbruchstimmung zu begleiten“ auch aus Sicht der Redaktion gescheitert sei. So wäre die Vorlage eines Konzeptes für eine Begegnungs- und Gedenkstätte (BuG) Hoheneck zwar durchaus erfolgreich gewesen, der begleitende Aufbau eines Fördervereins aber durch die zerstörerische „Begleitung“ durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten blamabel gescheitert. Selbst der als „Ersatz“ vorgesehene und von der Stiftung zunächst geförderte Zweitverein scheiterte letztlich an internen Querelen.
Im Sog dieser Entwicklung verloren die bisher verbindenden Frauen nach der Abwahl der unglücklich agierenden Vorsitzenden Inge N. im bis dahin weit geachteten „Frauenkreis der ehemaligen Hoheneckerinnen“ an Einfluss. N. gelang es zunächst, ihre Abwahl über eine gutgläubig gestartete Initiative engagierter Hohenecker Frauen gerichtlich erfolgreich anzufechten. Im Ergebnis erschien diese Auseinandersetzung jedoch eher als persönlicher Rachefeldzug der Abgewählten denn als ein wirklicher Neubeginn. So konnte sich zwar eine neue Vorsitzende unter der verborgenen Führung von N. etablieren, mittlerweile ist der „neugewählte“ Vorstand von sieben auf drei Mitglieder geschrumpft, nachdem drei gewählte Beisitzerinnen das Handtuch geworfen und – wie verlautet – auch die zweite Vorsitzende ihr Amt zur Verfügung gestellt hatte. Seither befinden sich die Mitgliederzahlen im freien Fall.
Zumindest zeigt sich der augenscheinlich desolate Zustand des Vereins objektiv am Verlauf der letzten „Mitgliederversammlung“ in Stollberg im Sommer diesen Jahres, an der insgesamt vier Vorstandsmitglieder und ein Mitglied teilnahmen. Drei weitere von der „Mitgliederversammlung“ neu aufgenommene Mitglieder durften selbst nach deren Aufnahme nicht an der MV teilnehmen. Frühere Mitgliederversammlungen unter der mittlerweile legendären Führung von Margot Jann wiesen zwischen 40 und 60 teilnehmende Frauen aus.
Der derzeitige Vorstand erscheint unter diesem Gesichtspunkt als wenig professionell und beratungsresistent. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint eine „gezielte publizistische Begleitung konstruktiver Arbeit, die derzeit und absehbar nicht zu erkennen sei, als überdimensioniert und dem Ist-Zustand nicht entsprechend,“ stellte die Redaktion aktuell fest. Gleichwohl werde man die journalistische Arbeit „in Begleitung der nach wie vor notwendigen Aufarbeitung der Hinterlassenschaften der Zweiten Deutschen Diktatur“ weiterhin – wenn auch sporadisch – unter dem Label „Redaktion Hoheneck“ fortsetzen.
Die Redaktion verweist in Übereinstimmung mit der Vereinigung 17. Juni auf ihre Verantwortung gegenüber einem inzwischen festen Leserstamm, der sich erfreulicherweise über alle fünf Kontinente erstrecke und im Mittel mehrere hundert Zugriffe täglich generiere. Allerdings habe man die über 2.800 Zugriffen an nur einem Tag nach 2014 nicht mehr erreicht.
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Überdenken und Neujustierung notwendig
Kommentar von cwh
Die Malaise der Hoheneckerinnen ist keinesfalls spezifisch, also nur auf diesen Verein beschränkt. Ein kritischer Blick auf die Mitgliedsverbände des Dachverbandes UOKG, die mit einigem Stolz zuletzt mit 40 Mitgliedern angegeben wurden, würde das Dilemma offenbar werden lassen. Die UOKG kontrolliert nicht die Substanz etwaiger Aufnahmeanträge von Vereinen, da offenbar die permanente Erhöhung der Mitgliedszahlen im Vordergrund steht.
So nimmt die UOKG zum Beispiel auch Vereine auf, die sich in Konkurrenz zu bestehenden Vereinen bzw. Mitgliedern des Dachverbandes gründeten. Das führt dazu, dass sich bereits zwei Vertretungen der einstigen Frauen von Hoheneck als Mitglieder des Dachverbandes bezeichnen dürfen. Eine kritische Hinterfragung wird mit der Floskel der „Nichteinmischung in innere Angelegenheiten von Mitgliedsverbänden“ abgelehnt.
Ein anderer Verein, einst unter Druck des Dachverbandes ausgetreten, darf sich wieder als Mitglied bezeichnen, obwohl dieser seine Hausaufgaben offensichtlich noch nicht erledigt hat. So wird bei dem Rückkehrer-Verein nach wie vor ein ehemaliger leitender Mitarbeiter aus der Stasi-Sphäre ignoriert, der (noch immer) die Geschicke des einst größten Diktatur-Opfer-Verbandes bestimmt.
Mitglieder der CDU haben sich in den wichtigsten Positionen der Verfolgten-Szene etabliert und sorgen dafür, dass die Anliegen der Diktatur-Opfer „angemessen“, also nicht zu kritisch gegenüber der Bundesregierung und der Staatspartei CDU vorgetragen werden (siehe Rentenbetrug). Im Laufe der fast drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der Zweiten Deutschen Diktatur haben sich die Koordinaten wesentlich verschoben, werden die Interessen der Lastenträger der Diktatur nicht mehr vordergründig durch einstige Vertrauensleute wahrgenommen. Vielmehr haben sich in den Funktionärsebenen der Vereine berufliche, also sehr egomane Interessen durchgesetzt.
Was Marion Gräfin Dönhoff einst so trefflich in ihren „Erinnerungen an die Freunde vom 20.Juli“ schrieb („Um der Ehre willen“, 1994 Jobst-Siedler-Verlag) könnte einst auch den selbstlosen Vorkämpfern für die Opfer-Anliegen auf den Leib geschrieben worden sein: „Nie wieder ist bei uns so existenziell gelebt worden wie damals. … Politik war zu jener Zeit stets mit dem Einsatz der ganzen Person verbunden.“
Heute werkelt eine installierte Aufarbeitungsindustrie an der Bewältigung der Vergangenheit und achtet akribisch darauf, dass man unter sich bleibt. Geschickt werden die inzwischen reichlich fließenden Gelder an und auf angepasste Institutionen verteilt, Kritiker an diesem System – zum Beispiel durch die gezielte Verweigerung von Fördergeldern – kalt gestellt.
Immerhin werden Kritiker nicht mehr eingesperrt. Das allerdings verleitet die Gefolgschaft in den Vereinen zu der Annahme, ihre Interessen würden nach wie vor glaubwürdig vertreten. Ein Irrtum, der allerdings nicht zuletzt Dank geschickter politischer Regie durch etablierte Funktionäre bisher nur vereinzelt wahrgenommen wird. Ein Überdenken dieses Zustandes und eine Neujustierung der berechtigten Anliegen wäre dringend notwendig, ist aber nicht in Sicht.
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Hinweis: Die bisherigen Ausgaben des Hohenecker Boten können unter http://www.17juni1953.de abgerufen oder direkt bei der Redaktion gegen Kostenbeitrag bestellt werden (Redaktion: Siehe Impressum). Die Vereinigung 17. Juni 1953 e.V. hat der Redaktion Gastrecht auf der Homepage eingeräumt, der Verein ist für die Inhalte nicht verantwortlich. Namentlich gezeichnete Artikel geben die Meinung des/der Verfasser/Verfasserin wieder (1.297).
Impressum: Der „Hohenecker Bote“ ist einzig der demokratischen Auseinandersetzung und den Anliegen der Verfolgten beider Diktaturen verpflichtet, parteipolitisch und vereinsrechtlich unabhängig und erscheint in der Mitte eines jeden Monats. Beiträge dürfen b.a.W. kostenlos unter Zurverfügungstellung von Nachweisen (Belegen) insbesondere von gemeinnützigen Vereinen der Verfolgten- und Opferszene beider Diktaturen in Deutschland genutzt oder weiterverbreitet werden. Fotos dürfen grundsätzlich nur unter ausdrücklicher Zustimmung bzw. zu den Bedingungen der Redaktion verwandt werden. Redaktion: Carl-Wolfgang Holzapfel (cw) – verantwortlich; redaktion.hoheneck@gmail.com; Kaiserdamm 9, D-14057 Berlin, Tel.: 030-30207778 oder 0176-48061953. Anzeigen auf Anfrage.
3 Kommentare
31. Oktober 2017 um 03:38
Edith Fiedler
Rainer Schubert, Lutz Adler, die hartnäckigen Demokraten unter uns werden mit Heimtücke unter Druck gesetzt und mit E -Waffen verstrahlt und alle sehen zu.
19. Oktober 2017 um 09:03
Rainer Schubert
Lieber Carl-Wolfgang Holzapfel,
was Du als alter Kämpfer zu den Strassenbenennungen in Kreuzberg schreibst, ist leider allzu wahr.
Der linke Zeitgeist herrscht überall und wird fleissig hofiert. Journalisten sind heute nur noch – im Gegensatz zu früher, Medienhuren.
Das schliesst den Springer-Verlag mit ein.
Axel Springer hätte die Benennung einer Strasse nach Peter Fechter schon längst durchgesetzt.
Friede Springer huldigt dem Zeigeist.
Die CDU mit Frau Merkel schafft das alles aber schon.
Wir leben heute in schlimmen Zeiten, wo ein Bundesjustizminister mit der ehemaligen Stasimitarbeiterin Anetta Kahane „IM Victoria“ auf Facebook zensiert, wo die „rote SA“ (Antifa) mit Steuergeldern zu Protesten von Demokraten gekarrt wird.
Ich wünsche Dir alles Gute und weiterhin den Erhalt Deines Kampfgeistes.
Rainer Schubert
19. Oktober 2017 um 05:07
Lutz Adler
Überdenken und Neujustierung notwendig
Hochachtung und Hut ab. Eine kristalklare Analyse des ist – Zustandes der etablierten Aufarbeitungsindustrie!
Ja besser sind die nun so super verteilten Posten und Geldströme nicht zu beschreiben.
Indessen zahlen wir ,die Betroffenen bereits die zweite Generation der “Aufabeiter“ in den Landesämtern für die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur!
Nur für die Opfer genau dieser Diktatur, die es wagen öffentlich und laut zu reden, werden – Maulkörbe- ( heute in Form der Löschtaste)
verhängt!
Für diese Art “Aufarbeitung“ war ich jedenfalls 1989 nicht auf der Straße.
Solange Leben in mir ist, kämpfe ich für die Rechte Derer, die keine Stimme mehr haben!
Lutz Adler
Korbach