Berlin, 20.09.2017/cw – Kurz vor der Wahl hat Tatjana Sterneberg (65) aus Berlin den Spitzenkandidaten der SPD in einem offenen Brief mit Problemen konfrontiert und Fragen gestellt. Die ehemalige Hoheneckerin griff in ihrer Mail Themen auf, die durchaus von allgmeinem Interesse sind. Daher geben wir nachfolgend den Wortlaut in der Hoffnung zur Kenntnis, die Antwort aus der SPD-Zentrale oder gar von Martin Schulz selbst ebenso zeitnah veröffentliche zu können.
„Sehr geehrter Herr Schulz, mit Interesse habe ich gestern die Wahlarena mit Ihnen verfolgt.
Die Staatsverschuldung liegt derzeit im Billiardenbereich. Sie wollen recht großzügig Investitionen vorantreiben, die erneut Schulden verursachen. Die Altschulden können allein schon deshalb nicht abgebaut werden, wie Sie zu erklären versuchten. Das ist – aus meiner Sicht – Augenwischerei.
Übersicht: https://www.steuerzahler.de/Verschuldung/7688c8973i1p477/
Unsere Banken – vor allem im Ausland – haben an der Verschuldung offenbar den größten Anteil (Bankenrettung etc.). Aber die Steuerzahler haben am Ende wieder alle Lasten der Finanzspielchen der Politik im Zusammenwirken mit den Konzernen im In- und Ausland zu tragen. Mit dem ESM und dazugehörigen weiteren Verpflichtungen hat die Politik ein Mehrfaches unseres Staatshaushaltes verpfändet. Punkt.
Fragen:
Warum werden beispielsweise kleinere Bundesländer nicht zusammengelegt? Sogen. Stadtstaaten benötigen eine immense und teure Bürokratie, die letztlich nur einer Menge Mandatsträgern zugute kommt. Da bleibt für den Normalo-Bürger wenig oder gar nichts übrig. Und: Warum darf der Bürger nicht über deren Bezüge mitentscheiden (Selbstbedienungsmentalität)?
Warum werden die Bezüge der Bundes- und Landesmandatsträger nicht so in das Besteuerungssystem einbezogen, wie das beim Normalbürger üblich ist? Warum zahlen nicht alle – eben auch die Mandatsträger auf Bundes- und Landesebene – in die Rentenkasse ein? Warum werden trotzdem deren Rentenanwartschaften gesondert, also höher bewertet, als die Anwartschaften von Otto Normalbürger?
Warum werden Bundes- und Landesparlamente nicht nach dem tatsächlichen Wahlergebnis, also nach den tatsächlich abgegebenen Stimmen besetzt? Wäre das nicht ehrlicher und in Ihrem verkündeten Wahlmotto „gerechter“?
Warum müssen Vorstände in der Wirtschaft so hohe Abfindungsbeträge nach ihrem Ausscheiden erhalten, dass sich oft nicht nur ein Hauch von Unanständigkeit ergibt? Warum müssen Manager und Mandatsträger für Misswirtschaft nicht haften (Amtshaftung)?
Warum muss in der Europäische Union über Ölkännchen, Zweischlitztoaster, krumme Bananen und Glühbirnen entschieden werden?
Warum legen Bundesminister, einschließlich Bundeskanzler einen Amtseid ab, der nur deklamatorischen Charakter hat, also nicht justiziabel ist (laut Auskunft des Wissenschaftlichen Dienstes im Deutschen Bundestag) und keinem Regress unterliegt?
War das Ihre soziale Gerechtigkleit?
Sie, sehr geehrter Herr Schulz, waren über viele Jahre bereits Mitglied im Bundesvorstand der SPD. Seit Jahren hätten Sie sich also für all die angesprochenen Probleme von Anfang an ins Zeug legen können. Wo war da Ihr kämpferisches Engagement? Oder haben wir da was verpasst? Sie haben trotz Ihres respektablen Einkommens als Präsident des Europäischen Parlamentes über 300 Euro Tagegeld vereinnahmt, ob Sie anwesend waren oder nicht. War das die Gerechtigkeit gegenüber dem Normalo-Bürger, von der Sie so gerne im Wahlkampf sprechen? Mit Ihrem Einkommen, zuvorderst in der EU gehören Sie selbst seit Jahren zum auch von Ihnen kritisierten Establishment. Mit den Tagegeldern in der EU feiern Ihre Kollegen laut eigenen Angaben regelmäßig. Statt günstige Wohnungen zu mieten, checkt man in überteuerten Hotels ein oder finanziert sich über Tagegelder über Jahre die erträumte Eigentumswohnung. Das alles steuerfrei und zu Lasten aller Steuerzahler in Europa, natürlich auch in Deutschland.
Die SPD ist (nicht nur nach meiner Meinung) nicht mehr die Partei der arbeitenden Bevölkerung. Sie ist seit Jahren – nicht zuletzt Dank Ihrer Bemühungen – im beschriebenen System der Selbstversorger angekommen. Nachfolgepolitiker bauen dieses System mit entsprechenden Ideen permanent aus:
Beispiel: https://www.zdf.de/politik/frontal-21/frontal-21-clip-1-104.html
Sie wissen selbst, dass all dies nicht in Einklang mit Ihrem Slogan von der sozialen Gerechtigkeit zu bringen ist. Deutliche Fragen und Feststellungen wie die hier angeführten fehlten in der Wahlarena von Gestern ebenso, wie entsprechende Antworten und Erläuterungen durch den Kanzler-Kandidaten der SPD. Für offene und ehrliche Antworten wäre ich Ihnen äußerst dankbar.
Mit nachdenklichen Grüßen Tatjana Sterneberg, Berlin (ehem. Hoheneckerin).“
V.i.S.d.P.: Tatjaan Sterneberg und Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30307785 (1.287).
2 Kommentare
30. März 2018 um 01:17
Fritz Schüler
Bravo Frau Sterneberg,
Ihr sachkundiger Artikel bezüglich jenes süffisanten Politscharlatans – leider von mir verpätet entdeckt – trifft voll ins Schwarze:
„Sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser“.
Heinrich Heine würde gegen diese zwielichtige Selbstversorgermentalität erneut aufbegehren.
20. September 2017 um 12:27
Bruni Grabow
Ich möchte hier zwei Themen ansprechen, die bei den TV-Wahlarenen für mich auffällig waren, und hier im offenen Brief auch aufgegriffen werden. Weit über die Hälfte der Fragen bezogen sich auf unzureichende Umsetzungen der Länder. Der Förderalismus, der nach der Wende den Ländern eine große Eigenständigkeit übertragen hat, ist – meiner Meinung nach – das Problem. Der Bund gibt die Rahmenbedingungen zu den Gesetzen, die Länder müssen die Gesetze mit Inhalt und nicht mit Willkür ausführen. Und genau das passiert sehr oft, so dass die Bürger bei ihren täglichen Problemen mitunter am verzweifeln sind. Die Gerichte werden ebenfalls von den Ländern delegiert und bezahlt, dass spricht mitunter gegen den Bürger. Jedenfalls behaupte ich das, was die Entschädigungsleistungen für Sonderopfer bei Sozialgerichten betrifft. Das Land Brandenburg ist neben Sachsen-Anhalt und Hamburg Spitzenreiter, gegen den Bürger diesbezüglich zu entscheiden. Sie haben ihre eigene Rechtsauffassung, so sagen sie selbst. Was der Bund hier vorgibt, interessiert dies sehr sehr oft nicht. So fängt Ungerechtigkeit an. Das weitergehende Problem ist, dass die Abgeordneten im Land sich nicht wirklich mit den dringensten Problemen befassen. Wenn man mit einigen telefoniert, haben die keine Ahnung von der Geschichte Deutschlands. Ich will damit sagen, dass Probleme erstmal vor Ort, in Stadt und Land geregelt werden müßen. Es nützt auch keinem Bürger sich deshalb antidemokratisch zu entwickeln, sondern gerade deshalb muß man auf die vorhandenen Gesetze pochen, die eben nicht richtig im Bundesland umgesetzt werden, um Demokratie zu stärken. Eine Frustpartei zu wählen, verschlimmert die vorhandenen Probleme nur, von diesen Parteien werden sie auch nicht gelöst, da eben nur Stimmung gemacht werden soll.
Kleine Bundesländer zusammenzulegen wird es aus alten Bestands-und Staatlichkeitsgründen nicht geben. Aber die Idee, Bürokratie in den Ländern abzubauen, ist überlegenswert, um dieses Geld zum Beispiel in die Infrastruktur und Bildung zu stecken. Was nützt es, wenn der Bund Milliarden an die Länder verteilt und sie das Geld fremdfinanzieren. Auch hört man sehr oft, dass die vorhandenen Gelder aus dem Bund vom Land nicht abgerufen werden, am Jahresende gehen die Gelder zurück zum Bund. Ich könnte hier einige Beispiele aus den ostdt. Ländern nennen, die sich nach der Wende bspw. mit den Wasser-und Telefonanschlüssen beschäftigten. Was nach der Wende in Ostdeutschland an Geld in den Sand gesetzt wurde, ist ein Skandal, aber das wird bis heute gedeckelt. Und noch heute sollen Anlieger die Anschlußkosten bezahlen, obwohl die Kommunen das verbockt haben, da kommt Frust auf. Das hat aber mit den Bund nichts zu tun.
Der zweite Punkt ist, die Einzahlungspraxis der Renten für alle. Selbstständige und der „Öffentlichen Dienst“ sollten auch in die Rentenkasse einzahlen, dass wäre vernünftig. Bei den Politikern geht das nicht so einfach, (es wurde erklärt) weil alte Anwartschaften bestehen und die Dt. Rentenkasse Milliarden von Euro nicht tragen könnte. Wer in seiner Lebensbiographie wenig verdient hat, hat in das Versorgungssystem Rente auch wenig an Beiträgen eingezahlt und erhält entsprechend weniger Rente gegenüber demjenigen, der höhere Beiträge eingezahlt hat. Auch das ist Gerechtigkeit und nicht Ungerechtigkeit. Hier greift dann das Ausgleichssystem, dass in der EU seines Gleichen sucht. Das Thema Rente wird noch viele Generationen beschäftigen, um zu einem wirklich zufriedenstellenden Ergebnis kommen zu können.