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Ein vermutlich vergeblicher offener Brief an Donald Trump
Germany/Berlin, 25.01.2017
Mister President,
Ronald Reagan, einer Ihrer großen Vorgänger im Amt des US-Präsidenten, rief am 12. Juni 1987 in Berlin vor dem zugemauerten Brandenburger Tor aus: “Tear down this wall!” („Reißen Sie diese Mauer nieder!“) Er appellierte mit seiner Rede an den damaligen Staats- und Parteichef der UdSSR, Michail Gorbatschow, die Berliner Mauer endlich einzureißen. Ronald Reagan sprach damals Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt aus dem Herzen.
Jetzt wollen Sie, Mister President, an der Grenze zu Mexiko getreu Ihrem Wahlversprechen ebenfalls eine Mauer bauen. Wahlversprechen sind ein hohes Gut, sie werden trotzdem regelmäßig gebrochen. Wir sagen dazu in deutsch: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Insoweit finden Sie sicherlich breite Zustimmung, wenn Sie sich bemühen, Ihre Wahlversprechungen zügig umzusetzen.
Dabei sollten Sie allerdings auch den Mut haben, Irrtümer einzuräumen. Zu diesen Irrtümern gehört zweifellos Ihre Absicht, in die historischen Fußstapfen der einstigen DDR-Chefs Walter Ulbricht und Erich Honecker zu treten. Der zitierte DDR-Diktator Walter Ulbricht hielt sein Versprechen „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, vom 15. Juni 1961 nicht ein. Er begann am 13. August 1961, die berühmt-berüchtigte Mauer zu errichten. Dies war ein schreckliches Verbrechen wider die Menschlichkeit. Und dieses Verbrechen wird auf alle Zeit mit dessen Namen verbunden bleiben.

Der Abtransport von Peter Fechter am 17.08.1962 – Sollen künftig gleiche Bilder von der Grenze Mexiko/USA die Welt erschüttern? (Plakat: Vereinigung 17. Juni 1953 e.V.)
28 (viel zu lange) Jahre standen die Vereinigten Staaten zumindest verbal hinter unserem Ruf „Die Mauer muß weg!“ Ohne diese wesentliche Unterstützung im Kampf gegen die Teilung Deutschlands und Europas würden wir wahrscheinlich noch heute in einem geteilten Land, in einem geteilten Europa leben. Wollen Sie allen Ernstes, das die Errichtung einer Mauer zu Mexiko auf ewig mit Ihrem Namen, mit Ihrer Amtszeit verbunden wird? Wollen Sie allen Ernstes auch ein Mensch in der neueren Geschichte werden, dessen Namen mit dem Bau eines solchen Monstrums wider die Menschlichkeit verbunden wird?
Ich bitte Sie eindringlich, von d i e s e m Wahlversprechen Abstand zu nehmen, dieses zu korrigieren. Die seinerzeitige Rede Ihres großen Vorgängers Ronald Reagan löste damals in der Vorbereitung ebenfalls große Kontroversen innerhalb seiner Regierung aus. Mehrere leitende Mitarbeiter und Berater meinten, der Präsident solle auf diesen Teil seiner Rede (“Tear down this wall!”) verzichten, weil damit weitere Ost-West-Spannungen ausgelöst werden oder die inzwischen aufgebauten guten Beziehungen zu Michail Gorbatschow gefährdet werden könnten. Ronald Reagan hat sich diesem Rat nicht gebeugt, und nicht nur wir sind ihm grenzenlos dankbar dafür.
Der Autor dieses „offenen Briefes“ an Sie hat selbst 28 Jahre gegen die Berliner Mauer gekämpft. Ich weiß daher, dass die geplante Mauer in Mexiko nicht grundsätzlich mit der Berliner Mauer verglichen werden kann. Dennoch würde sich diese geplante Mauer erneut gegen Menschen richten, die aus freier Entscheidung in ein Land aufbrechen wollen, das ihnen als Sinnbild für Freiheit und Wohlstand erscheint. Eine Mauer würde dieses grundsätzliche Menschenrecht auf Freizügigkeit unterbinden und Menschen erneut brutal eines ihrer wesentlichen Grundrechte berauben. Das zweifellose Recht eines jeden Landes, auch der USA, eine Zu- und Einwanderung zu kontrollieren, lässt sich auch mit zivilen, menschenwürdigen Mitteln verwirklichen. Freie Völker und Staaten bedürfen nicht der Übernahme staatsterroristischer und letztlich gescheiterter Methoden, um ihre zweifellosen Rechte wahrzunehmen. Sie unterscheiden sich gerade darin von unzivilisierten Staaten und Diktaturen.
Eine Mauer an den Grenzen der USA im 21. Jahrhundert? No, Mister President, no!
Traurige, leider wenig hoffnungsvolle Grüße aus der einst geteilten, heute Mauer-freien Stadt Berlin.
Carl-Wolfgang Holzapfel*
* Der Autor begann mit 17 Jahren gewaltlos gegen die Mauer zu demonstrieren. Er wurde 1965 am Checkpoint Charlie durch DDR-Grenzorgane nach einer Demonstration verhaftet und 1966 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine letzte gewaltfreie Demonstration gegen die Mauer führte er am 13. August 1989, dem 28. Jahrestag des Mauerbaus, am Checkpoint Charlie durch, als er sich über den „weißen Strich“ legte, der die Teilung der Stadt markierte. Er kündigte aus diesem Anlass an, dass die aufmarschierten DDR-Grenzsoldaten keinen „30. Jahrestag“ mehr erleben würden. Knappe drei Monate später fiel die Mauer.
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