Berlin, 3.11.2016/cw – Er ist der erste russische Oppositionelle, der wegen mehrerer Einzelproteste nach dem verschärften Demonstrationsrecht zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt wurde: Ildar Dadin (34). Mitte September wurde Dadin nach Segescha im Nordwesten Russlands nahe der finnischen Grenze in das Straflager Nr.7 verbracht. In diese Strafkolonie war bereits der berühmte Kremlkritiker Michail Chodorkowski verbannt.

In einem Brief an seine Frau, den diese jetzt der Öffentlichkeit zugänglich machte, schildert der Bürgerrechtler die unhaltbaren Zustände: Einen Tag nach seiner Ankunft im Lager hätten ihn zehn bis zwölf Personen in Anwesenheit des Gefängnisdirektors insgesamt vier mal am Tag zusammengeschlagen und anschließend seinen Kopf in die Toilettenschüssel der Zelle gedrückt.

Nachdem Dadin aus Protest gegen die Einzelhaft in den Hungerstreik getreten war, wurde er mit Vergewaltigung durch eine anderen Lagerinsassen bedroht, wenn er seinen Streik nicht beende. „Am meisten fürchte ich, dass ich die Folter nicht mehr ertragen kann und aufgebe“, schildert er seiner Frau die prekäre Situation, die ihrerseits um das Leben ihres Mannes fürchtet.

Proteste in aller Welt                              

Am morgigen Samstag, 5. November, wollen Menschen in aller Welt für Ildar Dadin auf die Straße gehen und für seine Freilassung demonstrieren. In Berlin organisiert der Menschenrechtler und ehemalige politische Häftling in der DDR, Ronald Wendling, eine Mahnwache. Sie soll von 13:00 – 14:00 Uhr gegenüber der Russischen Botschaft (Unter den Linden, Nähe Brandenburger Tor) durchgeführt werden, wo der Aktivist seit 2014 gegen die Inhaftierung von Menschen durch Russland aus politischen Gründen protestiert.

Am vergangenen Dienstagabend hatten ca. 50 Demonstranten vor der Moskauer Zentrale des föderalen Dienstes für den Strafvollzug eine Untersuchung der Vorwürfe gefordert.

Inzwischen ist auch Präsident Wladimir Putin laut Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow über die Vorwürfe informiert worden. Im Staatsfernsehen wurden sogar Ermittlungen angekündigt. Kritiker merkten allerdings an, dass diese Praxis Standard bei solchen Vorgänge seien, u die Öffentlichkeit ruhig zu stellen.

Dadins Ehefrau Anastasia Zotova bezeichnet die aktuelle Situation als dramatisch: Ihr Mann wird möglicherweise in das Lagerlazarett gebracht, um ihn von Rechtsanwälten und Menschenrechtlern abzuschirmen, bis alle Spuren von Folter verschwunden sind. Dies sei auch ein guter Vorwand, ihn möglicherweise mit Psychopharmaka vollzustopfen, damit er nicht redet. Dadin werde hospitalisiert, „unabhängige“ Beobachter konstatierten bei ihm einen epileptischen Anfall, der nur Folge eine Folge von Schlägen auf den Kopf sein könne, da ihr Mann zuvor nicht an Epilepsie litt. Die Strafkolonie ist mittlerweile von Sicherheitskräften abgeschirmt.

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