¹Stollberg/Hoheneck, 23.10.2016/tst – Bereits am 7. Juli d.J. hatte die Große Kreisstadt Stollberg „Personen mit unterschiedlichen Erfahrungen“ zu einem Workshop in den Bürgergarten mit dem Ziel eingeladen, Ideen und Vorstellungen für eine künftige Gedenkstätte aufzunehmen, „um ein möglichst breites Meinungs- und Erfahrungsspektrum zur Verfügung zu haben.“ Die Firma KOCMOC aus Leipzig – nach eigenen Angaben inzwischen größte Designagentur Mitteldeutschlands – war beauftragt worden, durch den Workshop zu führen und aus den vielfältigen Vorschlägen ein erstes Konzept zu entwickeln. Die ehemalige Hoheneckerin Tatjana Sterneberg konnte auf das von ihrem seinerzeitigen Verein vorgelegte Konzept für eine „Europäische Begegnungs- und Gedenkstätte Hoheneck“ verweisen, das bereits nach ersten Gesprächen zwischen der Stadt, dem ehemaligen Eigentümer und dem Verein Ende 2011 vorgelegt worden war.
Am vergangenen Donnerstag, 20.10., stellte nun Jan Wünsche von KOCMOC dem von der Stadt Stollberg eingeladenen Personenkreis in Zusammenfassung der diversen Vorschläge und Ideen ein Vorkonzept vor. Leider konnten nicht alle der Einladung folgen, wie Verwaltungschef Rainer Kunz in seiner Begrüßung bedauerte. Dies habe nicht an einem mangelnden Interesse sondern vielmehr an wirklichen, zum Teil gesundheitlichen Hinderungsgründen gelegen. Am Workshop im Juli hatten rund 20 Beteiligte teilgenommen, jetzt waren zur Ergebnis-Präsentation zwölf Teilnehmer, unter diesen die Hoheneckerinnen Helga Müller, Lenchen Köhler und Tatjana Sterneberg sowie für den Frauenkreis die amtierende Vorsitzende Regina Labahn und deren Kassenführerin Inge Naumann der Einladung gefolgt. Neben Rainer Kunz waren für die Stadt Eva Werner vom Büro „Gedenkstätte“, Kathleen Roskosch (Bibliothek) und Wolfgang Uhmann (Führungsreferent in Hoheneck) vertreten. Außerdem nahm Raymond Plache vom Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz teil.
Jan Wünsche referierte zu Vorüberlegungen, Workshop-Ergebnissen, Ausstellungskonzept und Projektmanagement. Das erarbeitete und hier vorgeschlagene
Konzept biete „gestalterische Leitplanken für die Realisierung einer Gedenkstätte.“ Zusammen mit Zeitzeugen wurden Zielgruppen definiert und die wichtigsten Themen für eine Ausstellung benannt. Die „Gedenkstätte soll daran erinnern, was politische Häftlinge im größten Frauengefängnis der DDR (Alleinstellungsmerkmal) erleben mussten.“ Dabei müssten die in den Jahrzehnten veränderten Situationen dargestellt werden. Die Ausstellung richte sich in erster Linie an die nachgewachsene und nachwachsende Generation und sollte „der Vermittlung des Unrechts der SED-Diktatur mit dem Nachdenken über unsere heutige Demokratie verbinden.“
Die Ausgangssituation sei nach zwanzigjährigen Bemühungen von Zeitzeugen und Vereinen und der „Belebung des Areals , das ohne die historische Einordnung des SED-Unrechts und die Würdigung der Opfer“ nicht denkbar wäre, nach der aktiven Unterstützung der „Realisierung einer Gedenkstätte“ durch die Stadt Stollberg positiv. An den Beispielen der Gedenkstätten „Andreasstraße“ in Erfurt, des „Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau“ und des „Roten Ochsen“ in Halle stellte Wünsche bereits umgesetzte Konzepte vor, die entsprechend gut aufgenommen wurden.
Die den Teilnehmern vorgelegten und eindrucksvollen 50 Seiten des Konzeptentwurfes, von Jan Wünsche ausführlich erläutert, können an dieser Stelle allein aus Platzgründen nicht in allen Einzelheiten wiedergegeben werden. Festzuhalten bleibt, dass damit erstmals ein „Fahrplan“ für eine Gedenkstätte vorliegt, der es den Akteuren ermöglicht, entsprechende Planungen und die notwendige Einholung von Fördermitteln anzugehen. Die „Alleinstellungsmerkmale“ einer Gedenkstätte Hoheneck, die „Themensammlung“ (Was nicht fehlen darf: z.B. Klärung der Begriffe „Politische Haft“, Unterschiedliche Sichtweisen der Betroffenen, Persönliches Erleben, Zwangsarbeit, Haftbedingungen, Repressionen und Sippenhaft etc.) und die Erfassung und zielgerichtete Erarbeitung von Bedürfnissen der Zielgruppen und das Ausstellungskonzept selbst bieten eine breite Diskussions- und letztlich Entscheidungsgrundlage, um den langgehegten Wunsch nach einer würdigen Gedenkstätte in naher Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen.
Siehe auch: http://www.freiepresse.de/LOKALES/ERZGEBIRGE/STOLLBERG/Vom-weiblichen-Pink-zum-Zuchthaus-Grau-artikel9666461.php vom 26.10.2016
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* Die Autorin war am 7.11.1973 verhaftet worden, weil sie zu ihrem Verlobten nach West-Berlin fliehen wollte. Sie saß von 1974 – 1976 in Hoheneck ein. Ihre Erfahrungen mit dem Anstaltsarzt flossen u.a. in den Spielfilm „Es ist nicht vorbei“ mit Anja Kling ein, in dem sie auch als Komparsin zu sehen ist. Sterneberg bereitete mit ihrem Lebensgefährten maßgeblich den Besuch des seinerzeitigen Bundespräsidenten in Hoheneck im Mai 2011 vor.
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.161)
6 Kommentare
8. November 2016 um 12:18
D.W.
Mit welchem Geld wollten Sie denn einen der Türme erwerben, Herr Rust? Mal wieder viel Lärm um Nichts …
8. November 2016 um 23:02
Gustav Rust
An D.W.:
Na, mit dem EUR-Falschgeld! Mit welchem Geld denn sonst? Oder hast Du noch die harte D-Mark? Hast Du alte DM-Bestände gebunkert? Unfreundlich, Rust
28. Oktober 2016 um 14:16
Gustav Rust
M.K., diese ehemalige Stasi-U-Haft meinte ich doch! Dort war ich 1960… Und was ist nun mit den angeblich zu erhaltenen NKWD-Folterzellen im Keller?
Mit kameradschaftlichen Grüßen, Gustav Rust
25. Oktober 2016 um 09:29
Gustav Rust
Warum schreibst Du für „uns Jüngere“? Wenn Dir das Thema scheißegal ist, schreibe bitte auch WARUM. Ich verstehe z.B. nicht, warum sämtliche Verbände nichts dagegen taten, daß erst ein Immobilien-Mogul die Burg erwerben konnte und dann der Steuerzahler die Immobilie für teures Geld zurückkauft! Wußte man nicht vorher, daß diese Typen nur ihren Profit im Kopf haben? Die Verbände sahen auch zu, daß der Knast in Altenburg abgerissen wurde, daß der Knast Alt-Strelitz von allen Nebengebäuden „befreit“ wurde und nun seit Jahren verrottet und zum Verkauf steht… Mit Rummelsburg (fast) genauso. Da wurde groß versprochen, eine einzige Zelle im Originalzustand zu belassen zu Anschauungszwecken. Und nun? WO IST SIE?? In Cottbus (fast) genauso. Erst wird der Knast nicht mehr bewacht, und alle möglichen Gammler und Nichtstuer konnten sich darin austoben und alles beschädigen und beschmieren, und dann wird der Verein Menschenrechtszentrum Cottbus gegründet und für viel Knete lediglich Haus 1 auf Vordermann gebracht. Alles andere verfällt weiterhin. Als ich Cottbus anschrieb und darum bat, einen der Türme käuflich erwerben zu dürfen, wurde es mir verweigert. Lieber läßt man alles (weiter) verkommen! Das Gericht in Cottbus sollte alle Zellentüren behalten. Ob sie tatsächlich als Bürotüren drinblieben, weiß ich nicht. Im Keller, so sagte mir der Direktor 1995 am Telefon, sollten „zwei der Todeszellen erhalten bleiben“. Er meinte die NKWD-Folterzellen von 1945/46. Wer Zeit und Lust hat, darf ja einmal vorfahren und nach den Zellen fragen…
Kameradschaftliche Grüße, Gustav Rust
26. Oktober 2016 um 17:30
M.K.
Mein lieber Gustav,
kleine Anmerkung am Rande, zu Deiner Bemerkung „…das Gericht im Cottbus soll alle Zellentüren behalten…“ Die brauchen die Zellentüren nicht. Die haben schon welche. Die haben nämlich die Zellentüren der leider viel zu wenig im Fokus stehenden UHA Spreeufer beibehalten. Sieht richtig „nostalgisch“ aus. Apropos Cottbus…ich kann es nicht mehr hören.
Mit kameradschaftlichen Grüßen
24. Oktober 2016 um 10:37
A.K.
Uns Jüngeren aus „Hoheneck“ ist dieses Theater mittlerweile Sch..egal. Kann man nur hoffen, dass die Protagonisten noch lebend die „Gedenkstätte“ betreten können.