Gera, 3.07.2016/cw – „Wenn 2017 zum Gedenkjahr der Reformation wird, sollte aber nicht „100 Jahre Oktoberrevolution“ und „80 Jahre Schauprozesse“ aus den Augen verloren werden. Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, weitere gesellschaftliche und kulturelle Gruppen sollten die Herausforderung annehmen und in unterschiedlicher Weise die Menschen in Erinnerung rufen, deren Leben vom Schatten des Terrors bestimmt wurde.“
Diesen Appell veröffentlichte die Evangelische-Lutherische Gemeinde in Gera jüngst in einer Presseerklärung. Pfarrer Michael Kleim setzt damit konsequent seine in Insiderkreisen seit Jahren bekannte Aufklärung über den und den Einsatz seiner Gemeinde gegen jeglichen Extremismus fort. Im bemerkenswerten Gegensatz zu weit verbreiteten Tendenzen gerade in der Evangelischen Kirche, sich im Kampf gegen den Neonazismus und Rechtsradikalismus zu profilieren und dabei die Rolle des Kommunismus und des Linksextremismus durch Verschweigen oder Negierung zu verharmlosen, verschweigt der kämpferische Pfarrer und seine Gemeinde weder die aktuellen Gefahren noch den historischen Terror von links oder von rechts.
Vor 80 Jahren begann die „Große Säuberung“
In der angeführten Presserklärung vom 1.Juli erinnert Michael Kleim daran, dass im August 1936 (vor 80 Jahren) in Moskau der Schauprozess gegen Sinowjew, Kamenew und weitere Funktionäre der Bolschewiki durchgeführt wurde, womit die sogenannte „Große Säuberung“ der stalinistischen Diktatur begann: „Der Terror setzte bereits unter Lenin ein. Die Todesmaschinerie lief bis zum Ableben des Diktators nahezu ungebremst weiter. Dennoch stellen die Moskauer Schauprozesse eine Zäsur dar und bilden ein historisches Symbol für den Schatten des Terrors.
Unter diesem Schatten lebten, litten, starben und überlebten bis 1989 die Menschen in Russland und Osteuropa. Nach Schätzungen von Historikern wurden während der „Großen Säuberung“ ca. 1,5 Millionen Menschen verhaftet, etwa 700.000 davon exekutiert. Im GULAG, einem System von Arbeitslagern, kamen ca. weitere 2 Millionen Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, ums Leben. Die stalinistische Diktatur und deren Nachfolgesystem haben maßgeblich die Epoche des Kalten Krieges und unzählige Biographien geprägt.“
Gedenkkultur an stalinistischen Terror unterentwickelt
Der Geraer Pfarrer kritisiert, dass „im Gegensatz zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur die Gedenkkultur an den stalinistischen Terror, die Erinnerung an seine Opfer und Gegner, leider nur gering entwickelt ist. Namen wie Anna Achmatowa, Ossip Mandelstam oder Raoul Wallenberg, Rudolf Slánský oder Bernhard Steigenberger sind meist nur Historikern, Literaturinteressierten oder Opferverbänden ein Begriff.“
Unter dem Titel „Im Schatten des Terrors – Erinnerungskultur an die Opfer stalinistischer Gewaltherrschaft“ bietet die Gemeinde im September drei Veranstaltungen an:
1. „Zerbrochene Lebensläufe“ Literatur und Biographien im Schatten des Terrors
Lesung und Vortrag – Freitag, 16. September 19:00 Uhr Gera Gemeindehaus
2. „Im Schatten des Terrors“
Gedenkgottesdienst an die Menschen, die im Schatten des Stalinismus lebten, litten, starben und überlebten – Sonntag, 18. September 17:00 Uhr St. Trinitatis Gera
3. „Christus im Gulag“ Glauben im Schatten des Terrors
Ökumenischer Gemeindeabend im Gemeindehaus der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde G 26 – Zeitpunkt derzeit noch offen
Für Interessenten gestaltet sich die Anreise nach Gera z.B. aus Berlin (Luftlinie: 204 km; Bus/Bahn: ca. 288 km) preiswert. So bietet die Bahn für die rund zweieinhalbstündige Fahrt (Hbhf.) nach Gera Fahrkarten bereits ab 29,00 Euro an. Im Fernbus (Abfahrt z.B. Bus-Terminal nahe Funkturm) kostet die Fahrt 15,00 Euro. Mit dem Pkw fährt man über die A 115, A10 und A9 auf die A 4 Richtung Dresden/Gera.
Die Evangelische-Lutherische Gemeinde in Gera ist erreichbar unter:
Pfarrer Michael Kleim (verantwortlich für die Presseerklärung), Talstraße 30, Gera 07545, Tel.: (0365) 26843 email: trinitatis-gera@gmx.de
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785 (1.130)
3 Kommentare
9. Juli 2016 um 12:48
Fritz Schüler
Hat denn der „ROTE TERROR“ (Dserschinski d. Red.) etwa nur unter Stalin gewütet ?
Mit dem starren Festhalten an der antiquierten Stalinismus-Nostalgie entsteht bei unbedarften jungen Leuten der verhängnisvolle Eindruck, als hätten all jene Megaverbrechen nur in der Stalinära (1934-1956) stattgefunden.
Wie weit dieser linke Mainstream schon im Bewusstsein der Menschen verankert ist, zeigt sich eindeutig in der blöden Frage besagter Fernsehmoderatorin.
Hier ist es dringend geboten, das blutigste Kapitel der Menschheitsgeschichte zwischen 1917-1991 in den irrwitzigen Revolutionstheorien der Ideologiefirma Marx u. Engels bereits vor mehr als anderthalb Jahrhunderten begründet zu sehen.
Weder Lenin, Trotzki, Dserschinski, Liebknecht, Luxemburg, Thälmann vor Stalin noch Chruschtschow, Breschnew, Pieck, Ulbricht, Honecker danach verdienen ihre heutige Verklärung oder Verharmlosung.
4. Juli 2016 um 08:03
Gustav Rust
Ha, ha… Lieber Bernd,
„Was kann denn Lenin dafür?“ Woher stammt denn Miosga? Aus der Zone? Bekam sie ihr politisches Rüstzeug im FDJ-Lehrjahr? Oder im Westen bei den K-Gruppen? In der Mitte am Mahnmal Nähe Reichstag hänge ich ein Plakat aus mit einer in Hohenschönhausen nachgestellten Folterszene. Darüber Lenin mit einem Zitat:
„Grundsätzlich haben wir den Terror nie abgelehnt und können wir ihn nicht ablehnen“ (Lenin: „Was tun? – Brennende Fragen unserer Bewegung“)…
Kameradschaftliche Grüße,
Gustav Rust
3. Juli 2016 um 13:35
Bernd Stichler
1917 – Das Jahr , über das man uns jahrzehntelang maßlos belogen hat.
Stalins Säuberungsterror – über den man jahrzehntelang geschwiegen hat.
Es ist dringend nötig, hierüber im Klartext zu imformieren, damit nicht wieder eine ahnungslose Fernsehmoderatorin namens Caren Miosga die dumme Frage stellen kann: „Was kann denn Lenin dafür“?